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Island filtert CO₂ aus der Luft

Die weltgrößte Anlage zur direkten Abscheidung und Speicherung von CO₂ wurde in Island eröffnet. Sie ist zehnmal größer als der Vorgänger.

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Mammoth, die weltweit größte Anlage zur direkten Abscheidung und Speicherung von bis zu 36.000 Tonnen CO₂ pro Jahr.

(Bild: Climeworks)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tom Sperlich
Inhaltsverzeichnis

Die nach eigenen Angaben weltgrößte Anlage zur direkten Abscheidung und Speicherung von CO₂ namens "Mammoth" (deutsch: Mammut), hat in Island den Betrieb aufgenommen. Es handelt sich um die zweite kommerzielle Anlage der Schweizer Firma Climeworks in Island, sie ist etwa zehnmal größer als ihre Vorgängerin "Orca".

Bei Vollauslastung ist die Anlage auf der Hochebene von Hellisheidi für eine Kapazität von bis zu 36.000 Tonnen CO₂ pro Jahr ausgelegt, welches mittels Filter-Kollektoren direkt aus der Luft gesaugt und anschließend dauerhaft unterirdisch gespeichert wird. Mit den ersten zwölf von insgesamt 72 Kollektoren hat die Anlage für Direct Air Capture and Storage (DAC+S) des einstigen Spin-offs der ETH Zürich bereits erfolgreich mit der Abscheidung des ersten CO₂ begonnen, wie Mitte dieser Woche bekannt wurde. Im weiteren Verlauf dieses Jahres soll die Anlage, die in skalierbarer Modulbauweise errichtet wird, fertiggestellt werden und alle 72 Kollektoren vor Ort installiert sein.

Climeworks nutzt erneuerbare Energien, um sein energieintensives Verfahren zur direkten Abscheidung aus der Luft zu betreiben, welches Niedertemperaturwärme wie kochendes Wasser erfordert. Das Partnerunternehmen ON Power in Island, das aus Geothermie Strom erzeugt, liefert die dafür erforderliche Energie.

Sobald das CO₂ aus den Filtern freigesetzt ist, wird es in Meerwasser gelöst und von der Firma Carbfix, der isländische Partner für die CO₂-Speicherung, in Hohlräume im Untergrund transportiert. Dort reagiert es in einem natürlichen Prozess etwa mit Basaltgestein, verwandelt sich in stabile Mineralien und lässt sich so dauerhaft speichern. Climeworks lässt den gesamten Prozess von unabhängigen Dritten überprüfen und zertifizieren.

Carbfix wurde 2007 als Projekt gegründet von Reykjavík Energy, der Universität Island, einem Institut der französischen Forschungsorganisation CNRS und der Columbia University in New York. Es ist inzwischen eine Tochterfirma von ON Power.

Mammoth ist ein weiterer Fortschritt in der Projektpipeline von Climeworks, das sich vorgenommen hat, bis 2030 via zahlreicher DAC-Anlagen rings um die Welt eine Kohlenstoffabscheidungskapazität im Megatonnenbereich und bis 2050 im Gigatonnenbereich zu erreichen. Das Unternehmen will so einen wichtigen Bestandteil zur Bekämpfung der globalen Erwärmung beitragen.

Über Island hinaus entwickelt Climeworks mehrere Megatonnen-Anlagen in den USA. In Nordamerika sitzt auch eine der wenigen anderen Firmen, die sich auf eine DAC-Technologie konzentriert haben, das kanadische Unternehmen Carbon Engineering, das auch von Bill Gates unterstützt wird. Carbon Engineering hat sich vorgenommen, mit einer Anlage, die es derzeit in Texas baut, im Jahr bereits 500.000 Tonnen CO₂ der Umgebungsluft zu entnehmen – fast 14 Mal mehr wie Mammoth. Schon 2025 soll das Werk in Betrieb gehen.

Unterstützung in den USA bekommt aber auch Climeworks: Kürzlich erhielt das Schweizer Unternehmen öffentliche Gelder des US Energy of Department in Höhe von 50 Millionen Dollar als Kickstart für das "Project Cypress" – eine DAC-Anlage in Louisiana.

Climeworks gab bei der Präsentation vom Mammoth diese Woche bekannt, dass es derzeit auch Möglichkeiten für Carbon Capture in Kanada, Norwegen, Oman und Kenia prüfe. Neu bietet Climeworks zudem auch Kompensations-Pakete an, die ebenfalls natürliche Methoden der CO₂-Entfernung wie Aufforstung oder Biokohle enthalten.

International arbeitet Climeworks mit einer Reihe großer Organisationen und Unternehmen zusammen, darunter der Vermögensverwalter Partners Group, die Großbanken UBS und JPMorgan, der Rückversicherer Swiss Re und der Schweizer Autoimporteur Amag. Zu den ersten Firmenkunden für die Anlage "Orca" gehörten etwa Microsoft und die Bezahlplattform Stripe.

Die DAC-Verfahren für die Abscheidung von CO₂ sind jedoch immer noch sehr teuer, und um die Technologie in sinnvollem großen Maßstab zu implementieren, ist Climeworks deshalb auf viele Investoren und Großkunden angewiesen. Vergangenes Jahr konnte sich Climeworks die satte Summe von 650 Millionen Dollar von Investmentfirmen sichern.

Experten sind sich uneins, was die Kosten für DAC-Technologie betrifft. In einem groben Rahmen bewegen sich die Summen zwischen 100 bis 1.000 Dollar pro Tonne CO₂-Entnahme. Die meisten Sachverständigen schätzen die Kosten aus heutiger Sicht auf alle Fälle auf mehrere hundert Dollar pro Tonne CO₂.

(bme)