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Roadtrip durch Albanien

Von landschaftlicher Vielfalt, ehrlicher Gastfreundschaft und einem zwiespältigem Tourismusaufschwung

Schon lange hat mich eine Reise nicht mehr so fasziniert wie unser zehntägiger Roadtrip durch Albanien. Ein Land, das auf der einen Seite mit seiner landschaftlichen Vielfalt und ehrlicher Gastfreundschaft beeindruckt, auf der anderen Seite jedoch von infrastrukturellen Herausforderungen und einem (zu) schnellen touristischen Wachstum geprägt ist. Ein Rückblick auf unsere Rundreise durch Albanien samt praktischen Tipps und einen kritischen Blick auf die Entwicklung im Land.

Auftakt in Tirana

Wir starten unseren Roadtrip direkt in Albaniens Hauptstadt Tirana. Aktuelle Zahlen sind nur schwer zu finden, Schätzungen gehen allerdings davon aus, dass in etwa 33% von Albaniens Bevölkerung in der Metropolregion Tirana leben. Ein Fakt, der schnell auf den Straßen rund um und in Tirana erlebbar wird. Der Verkehr ist chaotisch, wer gerade erst angekommen ist, wird etwas Zeit benötigen, um sich dem Verkehrsfluss anzupassen. Was allerdings auch ersichtlich ist: Albaner sind geduldig. Zwar herrschen teils eigene Regeln auf den Straßen, doch es wird kaum gehupt und geduldig abgewartet, wenn es nicht weiter geht. Um möglichst zentral unsere Sightseeingtour zu starten, parken wir direkt im Parkhaus im Stadtzentrum unterhalb des Skanderberg Platzes.

Und den lassen wir nach Ankunft erstmal in Ruhe auf uns wirken. Benannt nach dem albanischen Nationalhelden Skanderberg ist hier der Hauptplatz Tiranas, viele Straßen ringsum laufen direkt auf den belebten Platz zu, an dem Kinder vergnügt herumspringen, Touristen fotografieren, Geschäftsleute von A nach B laufen. Umringt von so einigen Sehenswürdigkeiten und öffentlichen Gebäuden, wie etwa dem Historischen Nationalmuseum, dem Theater oder der Et’hem-Bey-Moschee, ist der Platz das öffentliche und politische Zentrum Tiranas. Wir besichtigen die Moschee und verlassen den Skanderberg Platz danach in südliche Richtung, um die Stadt zu erkunden. Schon bald stehen wir an der Pyramide von Tirana, einst als Museum errichtet und heute ein Kongresszentrum, dessen Dach begehbar ist und einen eindrucksvollen 360° Blick auf Albaniens Hauptstadt ermöglicht. Wie etwa auf die Namazgah Moschee, die inmitten der modernen Gebäude einen markanten Kontrast darstellt. Bei ihr handelt es sich um die “Große Moschee von Tirana”, seit Jahren im Bau befindlich, soll sie schon bald die größte Moschee des Balkans sein und Platz für 4.500 Gläubige bieten. Zwar scheinen die Bauarbeiten im Vorbeigehen abgeschlossen zu sein, öffentlich zugänglich ist die Moschee bislang jedoch noch nicht.

Wir setzen unseren Stadtbummel fort und steuern den Stadtteil Pazari i Ri östlich des Skanderberg-Platzes an. Der Name leitet sich vom Basar ab, der hier zu finden ist. Eine Fleischhalle und Fischläden, zahlreiche Stände für Obst, Gemüse, Tabak und albanische Souvenirs sind hier ebenso zu finden wie eine Vielzahl an Restaurants und Cafés. Im nördlichen Bereich des Viertels haben sich zudem Händler von Haushaltswaren, Fahrradläden und weitere kleine Läden angesiedelt. Es lohnt sich, etwas Zeit mitzubringen und durch die Stände und Läden zu bummeln und das entspannte Markttreiben auf sich wirken zu lassen.

Bevor wir nachmittags Tirana wieder verlassen, steuern wir den südlich vom Zentrum gelegenen Park von Tirana an, in dem sich ein künstlich angelegter See mit netten Spazierwegen und kleinen Cafés am Wasser befindet. Dort lassen wir mit einem Kaffee die Sightseeingtour durch Tirana ausklingen und machen uns danach auf den Weg zurück in unsere Unterkunft.

Wir verbringen zwei Nächte in der Nähe von Tirana und sind Gast in Blerina’s Agritourism Concept, ein noch junges B&B auf einer Farm mit wenigen Zimmern, Restaurant und vor allem einer sehr herzlichen Gastgeberin. Neben den großzügigen Suiten, die mit modernem Bad, Nespresso-Maschine und eigenem kleinen Garten alle Annehmlichkeiten bieten, ist die authentische Küche das Herzstück der Unterkunft. Das Frühstück wird im schattenspendenden Garten von Blerina’s Farm serviert, auf den Tisch kommen regionale und hausgemachte Spezialitäten. Abends stehen die bodenständige Küche im selben Restaurant oder die gehobene Küche im Toka Restaurant zur Auswahl, die sich am Areal des neuen B&B befinden. So oder so macht man hier jedoch nichts verkehrt, gekocht wird nur mit den besten Zutaten und mit großer Leidenschaft für die albanische Küche. Eine Herzensempfehlung und ein gelungener Auftakt unserer Albanien-Reise.

Hoch in den Norden

Wir verlassen nach zwei Nächten Tirana und machen uns auf in den Norden Albaniens. Gerade einmal 165 Kilometer liegen vor uns, da unser Ziel aber inmitten des Nationalparks der Albanischen Alpen liegt und die Straße entsprechend eng und kurvig ist, müssen wir dafür beinahe vier Stunden einplanen. Zunächst legen wir jedoch noch einen kurzen Umweg ein, wir wollen ins Bergdorf Kruja, das schon im Garten von Blerina’s Farm zu sehen ist. Bekannt ist Kruja vor allem durch die Festung. Von ihr hat man, ebenso wie an anderen Punkten der Stadt, einen tollen Blick auf die umliegende Landschaft bis hin zum Meer. Hauptanziehungspunkt und entsprechend touristisch ist neben der Burg heute vor allem die Rruga Pazari Vjeter, die Bazarstraße, entlang derer sich heute kleine Stände mit einer Fülle an lokalen Souvenirs reihen. Zwar ist der historische Basar super touristisch, dennoch hat die Straße ihren Charme. Gemeinsam mit der Besichtigung der Burg und einer Pause in einem der Cafés ist Kruja ein netter Zwischenstopp.

Je nach Verkehr geht’s nun aber mehr oder weniger zügig in den Norden, entlang des Bypass vorbei an Shkodra und in Koplik über die SH21 in den Nationalpark hinein. Die Straße wird hier nun deutlich enger, nach einigen Kilometern kurvenreicher und es geht den Pass nach oben. Wer sich oben angekommen freut, die reizvolle aber anspruchsvolle Fahrt geschafft zu haben, irrt. Denn um nach Theth zu gelangen, geht es nun wieder etliche Höhenmeter und Serpentinen bergab bis auf 850 Meter Höhe. Kaum vorstellbar, dass die Teerstraße erst seit zwei Jahren vorhanden ist und davor über holprige Schotterpisten mit etlichen Schlaglöchern gefahren werden musste. Theth gilt als touristisches und alpines Zentrum im Nationalpark, das fast ausschließlich Unterkünfte für Touristen und Wanderer bietet. Umgeben von einigen 2.000ern bietet das Dorf einen reizvollen Anblick und einige Wanderrouten, die zwar ausgeschildert, aber nicht immer eindeutig gut markiert sind.

Wer nicht vorhat, ein paar Tage in Theth zu verbringen und mehrere Touren zu unternehmen, entscheidet sich – so wie wir – für eine Wanderung zum sogenannten “Blue Eye”. Diese startet entweder direkt von Theth aus, was einige Kilometer und Höhenmeter mehr mit sich bringt oder am Parkplatz der kleinen Siedlung Ndërlyasaj, der über eine neu asphaltierte Straße zu erreichen ist. Von da aus sind es gerade mal 40 Minuten bis zum glasklaren Naturpool mit kleinem Wasserfall. Wir genießen den Anblick, kehren dann aber wieder um zum nahegelegenen Flussbett an der alten Holzbrücke, wo wir zumindest die Füße ins eiskalte Wasser strecken und eine kleine Pause einlegen. Wer nicht selbst an ausreichend Getränke gedacht hat, findet kurz vor dem Ziel die Blue Eye Bar, an der man sich mit einem traumhaften Ausblick selbst an gekühlten Getränken bedienen kann. Wir entscheiden uns jedoch, zum Parkplatz zurückzuwandern, wo wir in einer der beiden Bars direkt am Fluss einkehren. Da wir nur eine Nacht in Theth verbringen, geht es für uns direkt nach der Wanderung auch wieder über den Pass raus aus dem Nationalpark und nach Shkodra.

Gerade einmal 80 Kilometer liegen vor uns, dennoch benötigen wir für die Fahrt nach Shkodra gut zwei Stunden. Oft als Tor zu den Albanischen Alpen bezeichnet, punktet Shkodra überwiegend mit seiner Lage zwischen Berge, Meer und See. Die rund 140.000 Einwohner große Stadt selbst ist schnell besichtigt und lohnt sich unserer Erfahrung nach mehr als Zwischen- denn als Übernachtungsstopp. Die Altstadt hat hübsche Gassen, allen voran die autofreie Rruga Kolë Idromeno, die von kleinen Geschäften und etlichen Bars und Cafés gesäumt ist. Generell sind in Shkodra viele moderne Restaurants und Cafés zu finden, in denen nicht nur ausgesprochen gut, sondern auch günstig gegessen werden kann. Den besten Ausblick auf die Stadt und die umliegende Region bieten die Überreste der Burg Rozafa, die im Süden der Stadt auf einem Hügel liegt und für 400 LEK pro Person besucht werden kann. Bei schönem Wetter lohnt zudem ein Ausflug an den Skadarsee, auch Shkodrasee genannt, der sich im Grenzgebiet zwischen Albanien und Montenegro befindet und der größte See der Balkanhalbinsel ist. In Shiroka lässt es sich etwa gemütlich an der Promenade spazieren oder in einem der vielen Restaurants und Bar einen Kaffee genießen. Auch Ausflugsfahrten mit dem Schiff können von hier aus unternommen werden.

Übernachtet haben wir in Shkodra mitten im Zentrum, im Luxury Garden Apartment. Etwas teurer als vergleichbare Unterkünfte in der Stadt haben wir uns aufgrund der zentralen Lage, dem Tiefgaragenstellplatz und dem separaten Schlafzimmer dennoch für das durchaus hochwertige Apartment entschieden. Alternativen gibt es sowohl in der Stadt als auch am nahegelegenen Shkodrasee.

Ab an die Küste

Kristallklares Wasser, einsame Buchten, mediterranes Feeling an der Küste – bei einer Reise durch Albanien darf ein Abstecher ans Meer natürlich nicht fehlen. Und so lassen wir nach fünf Tagen im Land den Norden Albaniens hinter uns und machen uns auf den Weg in den Süden. Erneut steht uns von Shkodra aus eine lange Autofahrt bevor, fast fünf Stunden benötigen wir bis nach Dhërmi, was dem hohen Verkehrsaufkommen rund um Tirana und Durrës und der weiten Strecke geschuldet ist. Zwar gäbe es auch rund um Durrës und Vlora vielversprechende Strände und Küstenorte, da wir aber angesichts der verbleibenden Zeit und Route etwas Strecke machen wollten, wählten wir für unsere Tage am Meer einen Küstenabschnitt südlich des Llogara Passes. Viel erhofft hatte ich mir von der Durchfahrt durch das Naturschutzgebiet und dem Ausblick am Pass selbst. Doch leider machte uns ausgerechnet da das Wetter einen Strich durch die Rechnung und dichte Wolken begleiteten unsere Fahrt über die engen Serpentinen. Immerhin hatten wir am Aussichtspunkt dann doch noch etwas Glück und konnten durch die sich lichtenden Wolken hindurch einen Blick auf die Küste des Ionischen Meeres erhaschen.

Schon kurz nach dem Pass führte uns eine Abzweigung zum Drymades Beach. Hier verbrachten wir im Abonora Drymades drei entspannte Nächte direkt am Meer, genossen unser Zimmer mit Blick aufs Wasser, die inkludierten Strandliegen mit zugehöriger Strandbar und das Rauschen der Wellen zum Schlafen. Nach der langen Fahrt gönnten wir uns zur Erholung einen Strandtag mit dem ersten Sprung ins Meer in diesem Jahr, Cappuccino der uns zur Liege gebracht wurde und sonnengereifte Erdbeeren vom vorbeikommenden Obstverkäufer. Das Abonora Drymades selbst ist ein entspannt-lässiges Strandhotel im Boho-Stil, das so früh in der Saison leider noch nicht alle Saisonvorbereitungen getroffen hatte, aber dennoch einen Vorgeschmack darauf gab, wie schön ein Adriaurlaub in Albanien sein kann. Stilvolle und großzügige Zimmer, Frühstück und Abendessen mit Meerblick, ein gemütlicher Strandtag mit Musik und Drinks. Nicht gänzlich auszublenden ist jedoch der regelrechte Bau-Boom, der in Drymades Beach und weiteren Abschnitten gefühlt komplett neue Küstenorte entstehen lässt – doch dazu am Ende des Artikels mehr.

Am nächsten Tag waren wir ausgeruht genug, um die Gegend zu erkunden. Erster Stopp auf unserer Tour: Dhërmi, ein hübsches kleines Bergdorf, in dem es sich lohnt, planlos durch die Gassen zu spazieren, einen Blick auf die blau getünchten Kirchtürme zu werfen und vom Kloster Manastiri i Shen Merise den Ausblick auf das Dorf und das Meer zu genießen. Mitten im Ort liegt auch das luxuriöse Zoe Hora, ein “Hotel-Dorf im Dorf”, das bei einer Tasse Kaffee oder einem Glas Wein einen herrlichen Ausblick bietet. Das Spannende an diesem Projekt ist, dass die Besitzer des Hotels nach und nach die alten Ruinen von ihren ursprünglichen Besitzern erworben, saniert und zum heutigen Luxushotel umgebaut haben, immer mit dem Gedanken, den Charakter des Dorfes zu bewahren. Eine lohnenswerte Wanderung, die das Dorf mit der Küste verbindet, soll übrigens der “Mill’s Trail Dhermi” sein, die wir anders als geplant dann aber doch nicht unternommen haben.

Im Anschluss folgten wir der Straße weiter südlich, durch das hübsche, kleine Dorf Vuno hindurch nach Himarë. Spontan springt uns bei der Fahrt der Hinweis auf die Burg von Himarë ins Auge und wir entschließen uns zur Besichtigung für 300 LEK pro Person. Ein Volltreffer, wie sich herausstellen soll, denn die Burg ist nicht nur überraschend groß, sondern bietet einen herrlichen Ausblick auf die Küste. Außerdem befindet sich hier das süße kleine Café Butterfly, von dessen Terrasse aus wir das Panorama bei einem Kaffee, frisch gepressten Orangensaft und hausgemachten Kuchen in vollen Zügen genießen. Nach einem Abstecher an den Strand von Himarë entschließen wir uns, den Nachmittag zurück bei uns im Hotel zu verbringen und den Strand und das Meer nochmals so richtig zu genießen.

Ins Landesinnere

Nach zwei vollen Tagen am Meer setzen wir die Fahrt schlussendlich fort. Zunächst der Küstenstraße immer weiter südwärts folgend, stoppen wir nochmals hier und da an schönen Aussichtspunkten, einem Café mit herrlichem Blick über die Küste und springen nochmals in einer kleinen Bucht ins Meer, bevor wir bei Sarandë die Küste hinter uns lassen und ins Landesinnere fahren. Die Landschaft verändert sich überraschend schnell, an uns ziehen wieder Berge, Schaf- und Kuhherden und kleinere Siedlungen vorbei. Unser heutiges Tagesziel ist ein kleines Weingut in unmittelbarer Nähe zu Gjirokastra, eine der ältesten Städte des Landes, die seit 2005 zum UNESCO Weltkulturerbe gehört und ein wichtiges kulturelles Zentrum im Süden Albaniens ist. Bekannt ist die Stadt für das einzigartige Stadtbild – nicht umsonst wird Gjirokastra auch “Stadt der Steine” genannt. Markante, kleine Häuser, deren Dächer mit Steinplatten aus den naheliegenden Bergen bedeckt sind, prägen das Viertel am Fuße der Burg und bilden die heutige Altstadt. Vor allem das Basar-Viertel mit seinen zahlreichen Restaurants, Cafés und Läden ist in den Sommermonaten gut gefüllt mit Touristen, die sich durch die engen und teils steilen Gassen drängen. Und auch wenn die Stadt ähnlich touristisch wie die Basarstraße von Kruja ist, ist sie eine Besichtigung allemal wert und eine Kaffee- oder Eispause in einem der Cafés ein Muss, um das trubelige Leben in den Gassen zu beobachten.

Für uns geht es nach dem Stadtbummel nochmals für eine kurze Etappe zurück ins Auto. Wir verbringen unsere vorletzte Nacht in Albanien auf der gegenüberliegenden Talseite in einem süßen kleinen Weingut mit super herzlichen Gastgebern. Gerade einmal fünf Zimmer hat The Barrels Ms zu bieten, viele – mitunter Einheimische – kommen hier vorwiegend wegen der authentischen Küche und der idyllische Lage mitten im Weingut her. Wir werden herzlich empfangen, bringen kurz das Gepäck aufs Zimmer und verbringen den restlichen Abend im Garten. Schafe zählen, Hühner schauen, Hund streicheln und vor allem regionale und hausgemachte albanische Spezialitäten probieren. Dazu eine Flasche Wein des Hauses und ein Sonnenuntergang hinter den Bergen. Besser könnte der Tag nicht ausklingen. Und auch das Frühstück am nächsten Tag kann sich sehen lassen. Wieder dürfen wir uns, wie auch bislang auf dieser Reise, über albanische Produkte freuen, die uns zu Tisch gebracht werden – das typisch kontinentale Frühstücksbuffet scheint man hier zum Glück vergebens zu suchen.

Entlang des letzten Wildflusses

Auch unser letzter Tag in Albanien hat landschaftlich nochmals so einiges zu bieten. Wir verlassen den Kreis Gjirokastra in nördliche Richtung und folgen bei Luzat der Straße ins Vjosa-Tal. Die Vjosa ist einer der letzten Wildflüsse Europas und wurde erst Anfang 2023 als erster albanischer Nationalpark ernannt. Von der Quelle in Griechenland fließt die Vjosa durch Albanien bis ins Meer an der Albanischen Adriaküste. Enge Schluchten, das imposante Nemeckes-Gebirge und eine artenreiche Tier- und Pflanzenwelt prägen das Landschaftsbild entlang der Fahrt. Kaum besiedelt, passieren wir hier hauptsächlich einsame Schaf- und Kuhherden mit ihren Hirten und erspähen im Wasser immer wieder Rafting-Gruppen. Bewusst lassen wir Përmet, die einzige Kleinstadt und deshalb auch Zentrum des Vjosa-Tals, auf der anderen Flussseite liegen und steuern dafür die etwas abseits gelegenen die Thermalbäder von Llixhat e Bënjës an.

Schon vom Parkplatz aus ist die alte osmanische Brücke zu sehen, die über den Fluss Langarica und hin zu den natürlichen Steinbecken führt. Der an sich kalte Fluss wird durch warmes Wasser gespeist, was ihn das ganze Jahr über auf eine angenehm warme Temperatur von knapp 30° Grad erwärmt. Schon bei der Anfahrt zum Parkplatz liegt einem plötzlich der Schwefelgeruch in der Nase, der sich bei einem Bad in den Thermalbecken aber glücklicherweise in Grenzen hält. Einheimische kommen hierhin, um sich von Rheuma, Haut- und Nierenleiden zu erholen, während Touristen den Ort primär aufgrund seiner landschaftlichen Besonderheit aufsuchen. Wer die Bäder besuchen möchte, sollte sich jedenfalls bewusst sein, dass diese schon lange kein Geheimtipp mehr sind, wie es teils online noch angepriesen wird. Selbst Reisebusse treten den Weg zu den Bënjë-Quellen an, entsprechend voll wird es hier also spätestens ab dem Vormittag. Dennoch darf ein Abstecher nicht fehlen, das Bad ist ein Erlebnis für sich und die Landschaft spricht für sich. Es lohnt sich auch, dem Trubel am großen Becken den Rücken zu kehren und dem Flussverlauf in den Canyon hinein zu folgen.

Die Weiterfahrt lässt sich in Folge am besten so zusammenfassen: landschaftlich abwechslungsreich, mühselig lange. Uns stehen etliche Kilometer entlang enger, kurviger Bergstraßen bevor und auch wenn sich die Fahrt landschaftlich lohnt, wird sie irgendwann einfach nur noch eines: lange. Wir folgen dem Verlauf der Vjosa bis an die griechische Grenze, halten zuvor noch für einen kurzen Blick auf die Vjosa Flussschleife, und fahren durch das Landschaftsschutzgebiet Piskal-Shqeri weiter in nördliche Richtung.

Nach Korça und wieder zurück

Am späten Nachmittag kommen wir – nach einigen Irr- und Umwegen dank fehlerhafter Routen auf Google Maps – schlussendlich in Korça an; dem letzten Stopp auf unserem Roadtrip durch Albanien. Schon auf den ersten Blick wirkt Korça etwas anders als andere albanische Städte. Mit etwas mehr als 50.000 Einwohnern ist die Stadt ein wichtiges Zentrum im Südosten Albaniens. Die Architektur mit breiten, von Bäumen gesäumten Straßen, vielen Parkanlagen und einigen wichtigen Monumenten, Moscheen und Kirchen macht Korça zudem zu einer kulturell bedeutsamen Stadt in Albanien. Deutlich sind Einflüsse der osmanischen und französischen Kultur zu sehen und zu spüren. Was in Korça, wie auch in vielen anderen albanischen Städten auffällt: Die Stadt ist ruhig. Trotz des Verkehrs und des Lebens, das sich viel auf den Straßen abspielt, ist es vergleichbar leise. Selten ist ein Autohupen zu hören, in der Nacht können wir selbst mitten im Zentrum mit offener Balkontüre schlafen, ohne auch nur ansatzweise aus dem Schlaf gerissen zu werden.

Wir nutzen den letzten Abend für einen ausgiebigen Spaziergang, bummeln an der orthodoxen Kathedrale Ringjallja e Krishtit vorbei, über den Bulevardi Shën Gjergji weiter zum Aussichtsturm, der für 50 LEK und mit einem Lift erklommen werden kann, und von dort ins Viertel Pazari i Korçës, dem alten Basarviertel der Stadt, wo heute ausschließlich Restaurants und Bars zu finden sind. Es lohnt sich aber, durch die Gassen zu schlendern und das Viertel auf sich wirken zu lassen, zeugt die Architektur noch heute vom einstigen Treffpunkt für Kaufleute aus Türkei, Griechenland und Italien.

Die letzte Nacht in Albanien sind wir zu Gast im Life Gallery Hotel & Spa im Norden der Stadt. Ein echter Geheimtipp für Designhotel-Liebhaber. Bestehend aus vier Gebäuden, einem ruhigen Innenhof, einem stilvollen Restaurant und einem kleinen, aber feinen Spa hebt sich der Stil des Hauses deutlich ab von den anderen Hotels unserer Reise. Und passt vermutlich genau deshalb so gut nach Korça, das ebenfalls eine andere Atmosphäre als bisherige Städte versprüht. Zum Frühstück gibt es eine hochwertige Auswahl an international inspirierten Gerichten und ein klein bisschen werde ich bei Abreise wehmütig, nicht noch eine Nacht länger hier zu verbringen, um noch mehr in den Genuss des Hauses zu kommen. Ebenfalls eine absolute Herzensempfehlung für einen Roadtrip durch Albanien!

Am Abreisetag aus Albanien bleibt für uns leider nichts anderes übrig, als uns auf direktem Weg zurück nach Tirana zu machen. Drei Stunden Fahrt liegen für die 180 Kilometer vor uns, die uns vorbei am Ohridsee kurzzeitig mit Nordmazedonien als neues Reiseziel liebäugeln lässt und zugleich aufzeigt, dass es durchaus noch so einiges mehr in Albanien zu entdecken gäbe. Ein anderes Mal also … vielleicht ja schon bald?

Praktische Reisetipps

Wer bis hierhin durchgehalten und meine Eindrücke aus Albanien bis zum Ende gelesen hat, wird nun noch mit einigen praktischen Reisetipps und ein paar allgemeinen Infos, die mir während der Reise so ein- und aufgefallen sind, versorgt. Fehlt noch etwas? Dann hinterlass doch gerne einen Kommentar!

  • Reiseroute · Wer meinen Bericht gedanklich auf einer Karte mitverfolgt hat, kennt sie bereits – unsere Route. Hier nochmals unsere Etappen- und Übernachtungsstopps auf einen Blick: Tirana → Theth → Shkodra → Dhërmi → Gjirokastra → Korça. Aufgrund eines Besuchs bei einer Freundin in Shkodra haben wir uns nach langer Planung für diese Route entschieden. Die ich in der Form auch wieder machen würde, sofern mindestens 10-12 Tage Zeit sind. Bei einer Reise von 7 Tagen, würde ich persönlich jedoch den Norden weglassen und mich auf die Küste und das Landesinnere südlich von Tirana konzentrieren.
  • Reisedauer · Wie eben geschrieben: Wir haben 10 Nächte / 11 Tage in Albanien verbracht, was für einen ersten Eindruck des Landes absolut in Ordnung war. Wer weniger Zeit zur Verfügung hatte, sollte sich in meinen Augen überlegen, sich auf den Süden zu konzentrieren. Ideale Reisedauer, um das ganze Land kennen zu lernen und noch weitere Stopps im Landesinneren, wie etwa Berat, Osumi Canyon, Weinberge, etc. zu erleben, wären für mich 14 Tage bis drei Wochen.
  • Reisezeit · Wir waren Anfang Mai in Albanien unterwegs, was in puncto Landschaft ein absoluter Volltreffer war. Zu dieser Jahreszeit ist alles saftig grün, vieles blüht und Trockenheit ist noch kein Thema. Auch die Temperaturen sind ideal zum Sightseeing, aber auch schon für erste Strandtage. Was man sich an der Küste bewusst sein sollte: Anfang Mai ist noch keine Saison, es werden erst langsam die Vorbereitungen getroffen, Strände gesäubert, Liegen aufgestellt, Hotels geöffnet. Da es im Sommer drückend heiß werden kann, würde ich wohl dennoch Mai/Juni oder dann wieder September/Oktober für eine Reise empfehlen.
  • Gastfreundschaft · Ehrliche Gastfreundschaft ist das, was uns entlang unserer Reise begegnet ist. Wir haben uns überall sehr willkommen (und auch sicher) gefühlt, als Tourist scheint man noch gern gesehen zu sein. Auch die Hilfsbereitschaft war im ganzen Land zu spüren.
  • Mietwagen · Wir haben unseren Mietwagen direkt über unsere Airline gebucht und am Flughafen in Tirana abgeholt. Die Erfahrung war vollkommen in Ordnung, Vergleichswerte zu anderen Anbietern fehlen. Da die Straßen teils eng und mit Schlaglöchern versehen sind, lohnt es sich eine ordentliche Versicherung abzuschließen. Außerdem ist – sofern dies geplant ist – darauf zu achten, welche Nachbarländer befahren werden dürfen. Und auch wenn man es kaum glauben mag: die teils langen Fahrtzeiten für vermeintlich wenige Kilometer auf Google Maps stimmen leider (fast immer).
  • Essen & Trinken · Nicht nur, dass die albanische Küche schmeckt, ist sie außerdem noch verhältnismäßig günstig. Außerhalb von Hotels bekommt man in den Restaurants zwei Hauptgerichte, Wasser und zwei Gläser Wein bereits um € 20,-. Sich vegetarisch zu ernähren sollte meinem Eindruck nach kein Problem sein, wenngleich die albanische Küche auch oft von Fleisch und Fisch geprägt ist.
  • Hotels · Die Preisspanne reicht von/bis, übernachten lässt es sich in einfach(er)en Unterkünften aber bereits ab € 50,- im Doppelzimmer. Für ein Doppelzimmer in einem etwas besserem / stilvolleren Hotel ist – je nach Reisezeit – grob mit € 90,- bis € 120,- inklusive Frühstück zu rechnen.
  • Bezahlung · Die offizielle Landeswährung in Albanien ist LEK. Inoffiziell wird jedoch auch überall der Euro als Währung akzeptiert, selbst in den entlegensten Bergdörfern. Unserer Erfahrung nach ist es also nicht mal nötig, LEK mit dabei zu haben. Einfach mit Euro bezahlen, meist bekommt man dann LEK, selten auch Euro retour. Wichtiger ist vielmehr, immer ausreichend Bargeld dabei zu haben. Kartenzahlung ist sehr selten möglich, teils sogar in Hotels nicht vorhanden.
Viel Potential, gefährlicher Aufschwung?

So begeistert ich von Albanien auch bin und das Land jedem sofort für eine Reise ans Herz legen möchte: Es gibt auch Schattenseiten, die mir bei der Frage, wohin sich das Land und im Speziellen der Tourismus entwickelt, in den Sinn kommen. Eine erst wenige Tage alte ZDF-Dokumentation veranschaulicht sehr gut, was auch uns während der Reise aufgefallen ist. Albanien ist als Reiseziel immer mehr im Aufschwung, rund 30% legt der Tourismus aktuell pro Jahr zu. Doch hat das Land die Kapazitäten? Und droht mit dem touristischen Aufschwung das kaputt zu gehen, wofür das Land heute steht?

Was als Erstes bei einer Reise durch Albanien auffällt, ist das große Müllproblem. Wilde Müllkippen, Müll am Straßenrand, Strände, die alles andere als sauber sind. Dachte ich anfangs noch, dass man sich an der Küste auf die Saison vorbereitet und am Säubern ist, scheint es sich vielmehr um ein generelles Problem zu handeln. Ein Problem, dass sich mit zunehmenden Tourismus wohl deutlich verschlimmern wird.

Der touristische Aufschwung bringt für viele Albaner aktuell jedoch primär Hoffnung. Denn bislang ist die Abwanderung eines der größten wirtschaftlichen Probleme im Land, mit zunehmenden Tourismus steigt auch die Zahl neuer Arbeitsplätze. Dass diese entstehen, zeigt der immense Bau-Boom an der südlichen Küste. Alleine in Vlora reiht sich ein neu gebautes Hotel an das nächste, in Drymades Beach und an der angrenzenden Green Coast werden komplette Küstenorte in Form von Villages und Resorts gänzlich neu aus dem Boden gestampft, dass man sich fragt, ob es überhaupt so viele potentielle Touristen wie neu gebaute Unterkünfte geben kann. Schnell wird bei einer Fahrt entlang der Küste klar, dass sich das Landschaftsbild in den nächsten Jahren extrem ändern und so einiges an unberührter Natur dafür geopfert wird. In den Ausbau der Straßen wird bereits ordentlich investiert. Und dann sind da auch noch Entscheidungen, wie ein relativ neu erlassenes albanisches Gesetz, das erlaubt, dass 5-Sterne-Projekte auch im Naturschutzgebiet gebaut werden dürfen.

Es wird spannend zu sehen sein, wie sich Albanien und der Tourismus im Land in den nächsten Jahren entwickelt. Und was dann noch von der heutigen landschaftlichen Schönheit, den günstigen Preisen und der Gastfreundschaft der Einheimischen übrig bleibt. Vielleicht muss und sollte man dem Land aber auch einfach zugestehen, den touristischen Aufschwung so zu nutzen, wie es beliebte Sommerdestinationen wie Italien, Spanien oder Portugal schon vor Jahren getan haben.

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