Technologieoffenheit statt Kalifatsstaat – Meine Demo-Rede vom 11. Mai 2024

Heute sprach ich auf Einladung der Kurdischen Gemeinde Landesverband Baden-Württemberg auf einer Demonstration gegen Antisemitismus und Extremismus, für Demokratie und Vielfalt.

Ein deutsch-kurdisches Foto vor dem Rathaus Stuttgart. Namensliste auf dem Blogpost. Klick führt zum Redeskript von Dr. Michael Blume.

Treffen vor der KGBW-Demo, von links nach rechts: Mona Kizilhan, Gülistan Nas, Michael Blume, Farhad Alsilo, Jan-Ilhan Kizilhan. Foto mfG: Julis Stuttgart

Beeindruckend war für mich das Zusammenstehen von Demokratinnen und Demokraten quer über alle Religionen und Herkünfte hinweg.

Kundgebung gegen das Kalifat von der KGBW. Klick führt zum Redeskript von Dr. Michael BlumeKGBW-Aufruf mit der LAKA Baden-Württemberg, der EuropaUnion Stuttgart, dem Bündnis Baden-Württemberg für Demokratie & Menschenrecht und den Julis Stuttgart zur Kundgebung am 11.05.2024, mfG

Auch hierzu konnte ich meine duale Rede (noch in Stuttgart) schreiben und hier als pdf und Volltext bloggen:

Lieber Vorsitzender Turan Tekin,

liebe Simel Sever, liebe Gülistan Nas, liebe Argyri Paraschaki-Schauer,

lieber Michael Conz, lieber Farhad Alsilo,

liebe Freundinnen und Freunde aller Religionen, demokratischen Parteien und Weltanschauungen, der Medien und Wissenschaften, liebe Mitmenschen,

als mich die Einladung über die Familie Kizilhan erreichte, heute zu Ihnen zu sprechen, sagte ich sofort zu. Denn es gibt wenige Menschen, die mich so beeindruckt und im Kampf gegen Hass und Antisemitismus so unterstützt haben wie Prof. Jan-Ilhan Kizilhan!

Als ich von Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Auftrag erhielt, ab 2015 1.100 besonders schutzbedürftige, vor allem ezidische Frauen und Kinder aus der Gewalt des sogenannten „Islamischen Staates“ nach Baden-Württemberg, später auch Niedersachsen und Schleswig-Holstein zu evakuieren, da waren Prof. Kizilhan und Mirza Dinnayi die beiden ersten Menschen, die ich fragte. Und beide sagten sofort zu.

Am Ende waren wir zwölf Deutsche, acht Frauen und vier Männer von den Zwanzigern bis in die Fünfziger. Wir waren – und sind – christlicher, islamischer, ezidischer und keiner Religionszugehörigkeit. Wir waren verschiedener – etwa deutscher, kurdischer, türkischer, arabischer – Herkunft, hatten verschiedene Bildungswege beschritten und sprachen zusätzlich zu Deutsch verschiedene Sprachen. Und genau DAS, genau diese Vielfalt machte uns mitten im Kriegsgebiet mit unseren Verbündeten in Kurdistan-Irak gegenüber den mörderischen Fanatikern des selbsternannten IS-Kalifatsstaates zum gemeinsamen „Team Baden-Württemberg“.

Susanne Jakubowski, Michael Blume und Mona Kizilhan im Schatten des Stuttgarter Rathauses. Klick führt zum Redeskript von Dr. Michael Blume

Mit Susanne Jakubowski von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs und mit Mona Kizilhan gegen Antisemitismus und Extremismus. Foto mfG: Friedrich-Ebert-Stiftung

Wenn wir gesehen wurden – mit unseren unterschiedlichen Haut- und Haartönen, mit unseren diversen Kleidungsstilen, Dialekten und Funktionen – so wurden wir oft verblüfft gefragt, „zu wem wir denn gehören“. Und wenn wir dann antworteten, dass wir zu einem ernsthaft demokratischen, deutschen Bundesland namens „Baden-Württemberg“ gehören, dann war die Antwort oft: „So vielfältig! So sollte es bei uns auch sein!“

Und manche Ältere wussten sogar noch zu erzählen von den Zeiten vor Saddam Hussein, als es in den Bergen Kurdistans noch eine große Vielfalt an Religionen, Kulturen, Stämmen und Sprachen gab und jene als gebildet galten, die die Weisheit nicht nur der eigenen Tradition zu schätzen gelernt hatten.

Und wenn Sie sich den Irak und Deutschland vergleichend anschauen, so werden Sie verblüfft große Ähnlichkeiten feststellen! Beide Länder werden aus einer zentralistischen Hauptstadt mit B am Anfang regiert, die sich beide auch ausdrücklich auf das klassische Babylon beziehen: Berlin und Bagdad.

Beide Hauptstädte liegen an sterbenden Flüssen, die früher Reichtum verbürgten und heute angesichts von Klimakatastrophe und Wasserkrise als Symbole der Sorge gelten.

In beiden Ländern gibt es aber auch Gebirgsregionen, in denen sich eine große Vielzahl von Sprachen, Stämmen, Religionen gegen die Übermacht der Zentralmacht zu behaupten versucht hat. Erst der preußische Zentralist Bismarck vermochte 1871 die Königreiche Württemberg, Bayern und Sachsen ins deutsche Kaiserreich zu zwingen. Und erst britische Imperialisten schufen ab 1920 aus den osmanischen Vilayets Bagdad, Mossul und Basra das spätere Königreich Irak.

In beiden Staaten blühte noch das Judentum, bis antisemitische Diktatoren die Macht übernahmen.

Das arabische und kurdische Judentum ging noch auf die Deportation der Hebräer nach der Zerstörung des ersten Tempels von Jerusalem um 586 vor Christus zurück. Um Babylon wurden große Teile der Bibel verschriftet, ebenso der Babylonische Talmud. Eine der ersten Rabbinerinnen der Geschichte, Asenath Barzani (1590 – 1670), leitete eine große Jeschiwa – in Mossul. Ich weiß, das klingt heute wie ein Märchen aus Tausend und Einer Nacht!

Von Babylon aus kam der Begriff der „Bildung“ zu uns nach Deutschland: Der Mensch sei „im Bilde Gottes geschaffen“, überlieferten die jüdischen Schriftgelehrten im Gegenüber zum babylonischen Götterkult in der Thora, 1. Mose 1, 27. Und über den große, jüdisch-arabischen Arzt und Gelehrten Maimonides (1136 – 1204) kam diese Lehre dann zum deutschsprachigen Meister Eckhart (1260 – 1328), der das edelste Wort der deutschen Sprache schuf: Bildung!

Es war dann der österreichisch-deutsche Diktator, glühende Antisemit und Massenmörder Adolf Hitler (1889 – 1945), der gemeinsam mit seinem Verbündeten Großmufti Mohammed Amin al-Husseini (1886 – 1974) auch die Farhud-Pogrome von Bagdad sowie Morde in der Provinz Palästina entfesselte.

Im Judentum gibt es die scherzhafte Frage, warum Moses das Volk vierzig Jahre durch die Wüste wandern ließ, damit es dann doch nur den einzigen Landstrich ohne Erdöl erreichte.

Heute können wir mit der Rentierstaatstheorie aus der Politikwissenschaft und der Ressourcenfluch-Theorie aus der Wirtschaftswissenschaft antworten: Auch hier war Gottes Ratschluss weise. Denn Länder mit zu großen Erdöl- und Erdgas-Konzernen werden niemals zu Demokratien.

Während Deutschland also nach der militärischen Befreiung vom NS-Regime zu einer föderalen Demokratie werden konnte, fiel und fällt der Irak immer wieder in eine zentralistische Öl-Diktatur zurück. So vollendete der antisemitische Diktator Saddam Hussein (1937 – 2006) nicht nur die Zerstörung und Vertreibung des irakischen Judentums, sondern setzte in der Operation Anfal von 1986 bis 1989 noch Giftgas gegen kurdische, assyrische, chaldäische, also gegen christliche, muslimische, ezidische Menschen ein.

Und wir sehen den Ressourcenfluch des Öls auch weiterwirken: Viele Ezidinnen und Eziden glauben, dass sie von kurdischen Peschmerga für Kirkuk verraten wurden. Und viele Kurdinnen und Kurden glauben, dass die irakische Zentralgewalt die kurdischen Peschmerga gegeneinander ausspielte, um wieder Zugriff auf die Ölfelder von Kirkuk zu erhalten.

Und heute, genau heute im Mai 2024 hat auch der Emir von Kuwait das ohnehin schwache, aber immerhin gewählte Parlament auf Jahre hinaus aufgelöst. Auch er bestätigt damit die Rentierstaats-Theorie und den Ressourcenfluch, nach der Öl- und Gas-Staaten nicht zu Demokratien werden; egal, wie viele Menschen dafür in Golfkriegen und Foltergefängnissen bereits getötet wurden.

Und heute stehen wir auch hier in Stuttgart wieder entsetzt beieinander, weil sich auch in Hamburg und in vielen europäischen Städten wieder die Antisemiten erheben. Einige fordern einen Kalifatsstaat, andere einen faschistischen Staat und wieder andere bekennen sich zum Marxismus, zu sogenannten postkolonialen Studien oder gar zum Klimaschutz. Doch sie alle greifen unsere gemeinsame Demokratie an und führen unseren Rechtsstaat vor, der ihnen als lächerlich und schwach erscheint.

Erst vor wenigen Wochen sprach ich hier an gleicher Stelle auf Einladung der Jüdischen Studierenden-Union und forderte das vom Grundgesetz vorgeschriebene Verbot einer neo-faschistischen Partei. Und heute stehe ich vor Ihnen und fordere das Verbot der islamistischen Gruppe „Muslim interaktiv“, einer ideologischen Nachfolgeorganisation von Hizb-ut-Tahrir.

Ich unterstütze auch die Forderung meines Bundes-Kollegen Felix Klein, die Aufrufe zur Vernichtung von Staaten generell unter Strafe zu stellen. Denn ob es gegen die Bundesrepublik Deutschland, gegen die USA, gegen Israel oder gegen die Ukraine geht – ich habe es am 9.11.2023 hier im Landtag von Baden-Württemberg gesagt und wiederhole es auch heute wieder:

„Wer eine Religion, ein Volk, einen Staat der Vernichtung preisgibt, macht sich mitschuldig, dass keine Religion, kein Volk, kein Staat mehr sicher ist.“

Rabbi Jonathan Sacks (1948 – 2020) hat mich von der Beobachtung des feindseligen Dualismus überzeugt: Wer eine Gruppe von Menschen vertreiben, ja vernichten will, wird auch nicht die Rechte irgendeiner anderen Gruppe respektieren.

Die Nazis ermordeten daher mit den Jüdinnen und Juden auch die christlichen Sinti und Roma, Hussein ermordete Kurdinnen und Schiiten, der sogenannte IS / Daesh tötete Eziden und Christinnen. Auch Farhad Alsilo wird heute zu Euch sprechen; einer der Augenzeugen des Genozids am Ezidentum und einer der Jungs, den wir aus dem Irak in Sicherheit bringen konnten.

Es wird ja viel über die Sorgen der Rassisten, Antisemitinnen und Sexisten gesprochen, die „wir“ ernstnehmen sollten. Aber meine Bitte gerade auch an den deutschen Bundestag und die deutsche Bundesregierung ist: Nehmt bitte stärker die Sorgen der Verfolgten und der Demokratinnen und Demokraten ernst!

Was bedeutet es für Menschen, die vor der Gewalt des IS und anderer Autokraten geflohen sind, wenn sich der deutsche Rechtsstaat hier offen und fast ohne Gegenwehr verhöhnen lässt? Was bedeutet es zum Beispiel für Alevitinnen und Aleviten, wenn hier Gruppen pro Kalifatsstaat und rechtsextreme „Graue Wölfe“ ungestraft weiterhetzen und sogar Spenden sammeln dürfen? Warum erkennt der Bundestag die Völkermorde an den Armeniern und Eziden an, um danach aber keinen erkennbaren Schutz für ezidische und armenische Menschen zu beschließen?

Ich las diese Woche entsetzt, dass ein 19jähriger in Bautzen „Heil Hitler!“ brüllte und danach einen Streifenwagen unserer Polizei anpinkelte. Und was taten wohl unsere sächsischen Polizistinnen und Polizisten?

Genau: Sie „fertigten eine Anzeige aus“ und ließen den Nazi-Brüller laufen. Ein hartes Durchgreifen haben in Deutschland allenfalls Ausländer und Klimaschützerinnen zu befürchten. Hier kann ich nur Ahmad Mansour Recht geben: Auf Kinder und Jugendliche aus autoritären Verhältnissen muss der deutsche Rechtsstaat schwach, willkürlich und hilflos erscheinen.

Auch meine deutsch-türkische und christlich-islamische Familie und ich erleben täglich vor allem digital Hass und Hetze. Wenn sich aber selbst ein von allen demokratischer Parteien Beauftragter nicht mehr sicher sein kann, wie sollen sich dann Hunderttausende ehrenamtlich Aktive für unsere Demokratie noch sicher fühlen?

In einem Gedicht „Die Feuer des Hasses“ habe ich gesagt: „Ich bin kein Optimist mehr, ich habe nur noch Hoffnung.“

Denn Antisemitismus, Rassismus und Sexismus sind nicht nur ein Problem von Anderen. Auch wir selbst haben diese Traditionen des Hasses kulturell geerbt und nur wenige von uns sind bereit, sich diesem Bösen im eigenen Inneren zu stellen.

Vor allem aber finanzieren wir selbst durch unsere Gier und Reaktanz die Propaganda, Kriege und Terrorgruppen des Hasses. Mit jeder Einheit Öl und Gas verbrennen wir nicht nur ein weiteres Stück unserer Mitwelt, sondern bezahlen auch die digitalen und mörderischen Kampagnen unserer Feinde.

Wir selbst finanzieren Putins fossile Sturmtruppen sowie rechts- und linksdualistische Verbündete bis in unsere Parlamente hinein – und vergießen dann Krokodilstränen über das Schicksal der Ukraine! Wir selbst finanzieren die fossile Zentralregierung in Bagdad, die Kontakte nach Israel mit Todesstrafe verbot. Wir finanzieren Katar, in denen die Hamas und die Taliban ihre Hauptquartiere genommen haben.

Wir finanzieren islamistische Regime und Terrorgruppen, die von kaum etwas anderem bestehen als von Öl- und Gaseinnahmen durch Verkauf, Raub und Schmuggel. Wir bekräftigen „Jin – Jiyan – Azadi“ in schicken Berliner Talkshows, um direkt danach durch weiteren Öl- und Gasverbrauch das mörderische Altherren-Regime im Iran weiter zu stärken.

Auch die Linke und frühere Klimaaktivistin Greta Thunberg demonstriert an der Seite von Islamisten und Antisemiten in Malmö, Schweden, gegen die israelische Künstlerin Eden Golan. Sie hatte aber kein Problem mit der Teilnahme der fossilen Diktatur von Aserbaidschan, die sich fossile Lobbyisten bis nach Berlin, Straßburg und Brüssel eingekauft hat, die das eigene Volk unterdrückt und zuletzt Zehntausende armenische Christinnen und Christen mit Gewalt aus Berg Karabach vertrieb. Habt Ihr große Proteste dagegen gehört? Ich nicht.

Am Ende des Tages sind eben auch dualistische Menschen nicht wirklich für Menschenrechte und ehrliche Wissenschaft aktiv, sondern immer wieder nur gegen Demokratien und gegen Juden ausgerichtet. Nur wer bereits verschwörungsgläubig und autoritär eingestellt ist, wird von „Follow the Science“ bis in den Antisemitismus abstürzen! Eine ehrliche Auseinandersetzung gerade auch mit linkem Antisemitismus, der sich ja schon im Bündnis von RAF und PLO terroristisch manifestierte, steht leider auch bei uns in Deutschland noch immer aus.

Aus all diesen Gründen begrüße ich es sehr, dass mit den Jungliberalen heute auch die Jugendorganisation einer demokratischen Partei zur Kundgebung gerufen hat. Ich möchte Euch und alle jungen Aktiven für unsere Demokratie abschließend aufrufen, sehr genau hinzuhören, wie die Metapher von der Technologieoffenheit von Politik und Wirtschaftsbossen verwendet wird.

Ehrliche Menschen leben diese Technologieoffenheit und steigen, wenn sie die Mittel dazu haben, also längst vom Verbrennermotor auf Elektroautos um, investieren in erneuerbare Friedensenergien und reduzieren ihren Konsum an Produkten der industriellen Massentierhaltung zugunsten besserer Alternativen. Niemand kann alles, aber jede und jeder etwas tun.

Wer sich dagegen jeder Veränderung des eigenen Ressourcenfluches verweigert, hat sich der fossilen Reaktanz ergeben.

Fossile und korrupte Stimmen quer durch Politik, Medien, Wirtschaft und Wissenschaft benutzen den Begriff „Technologieoffenheit“ jedoch nur, um Veränderungen weiter zu verzögern und selbst noch so lange wie möglich Profit zu machen.

Sie verhalten sich wie jene Boeing-Manager, die für kurzfristige Profite einen der größten Konzerne der Erde geschrottet und Hunderte von Menschenleben auf dem kaum existenten Gewissen haben. Ihnen ist es egal, dass Deutschland nach der Solarindustrie nun auch seine Autoindustrie an China zu verlieren droht!

Ich fahre jetzt selbst seit sieben Jahren (!) mit großer Begeisterung ein französisches Elektroauto. Derzeit nutzt es mein Sohn im freiwilligen Wehrdienst, um zur Kaserne nach Bayern zu fahren, die, klar, keinen funktionierenden ÖPNV-Anschluss hat.

Gerade auch als stolzer Baden-Württemberger bin ich entsetzt, dass es immer noch keine vergleichbar erschwinglichen E-Fahrzeuge aus unserem Autoländle gibt! Dafür „gönnen“ sich Mercedes-Aktionärr aktuell eine fossile Rekord-Dividende. Nun ja. Die Shareholder-Value-Strategie von Boeing lässt grüßen.

Seien wir ehrlich zu uns selbst: Wir Deutschen finanzieren unsere fossilen Feinde auch deswegen täglich weiter, weil wir in den vergangenen Jahrzehnten nicht ausreichend „technologieoffen“ gewesen sind!

Wir haben so lange auf Kupferkabel gesetzt, bis Estland uns in der Digitalisierung weit überholt hat. Wir haben so lange an der Bundeswehr gespart, bis wir hastig Arrow 3-Raketensysteme aus Israel bestellen mussten. Und wir haben so lange die Umstellung auf Wasser- und Solarenergie verzögert, bis uns sogar Äthiopien die Umstellung auf Elektromobilität vorgemacht hat. Und in gerade jenen deutschen Regionen, in denen wir mangels Geburten am schnellsten altern und schrumpfen, lassen wir dann auch noch Rassismus gedeihen! Reaktanz droht unsere Demokratie und Zukunft zu ersticken.

Ich rufe daher hier und heute auf dem Marktplatz in Stuttgart aus: Wer wirklich technologieoffen ist, steht für unsere Zukunft als solare, vielfältige, kulturell und auch wirtschaftlich blühende Demokratien ein!

Wer dagegen weiterhin fossilen und korrupten Lobbyismus betreibt, nimmt die Zerstörung unserer Mitwelt und die Förderung von Antisemitismus, Rassismus und Sexismus, von Diktaturen, Terror und Gewalt wissentlich und schuldhaft in Kauf!

Vielen Dank, dass Ihr alle da wart! Gegen Antisemitismus, Rassismus und Sexismus, für Demokratie, Wissenschaft und für unsere gemeinsame Zukunft!

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

17 Kommentare

  1. Nationalismus, Islam und Demokratie haben was gemeinsam – sie schaffen eine einigende Religion. Aus den vielen deutschen Völkern machte der Nationalismus ein deutsches Volk, bei dem die Dialekte, Minderheitensprachen, Identitäten, dem Hochdeutschen und dem Staatsgott Nation geopfert wurden. Der Islam machte aus vielen verfeindeten Stämmen Araber mit der dominanten Sprache Arabisch, woanders musste er mehr Kompromisse eingehen. Amerika und Europa versuchen das Gleiche – sie etablieren sich als Wertestaaten, deren Staatsreligion Toleranz und Vielfalt als Gebote verordnet.

    Im Römischen Reich Konstantins dürfte es genauso hoch her gegangen sein wie heute bei uns, jede Religion und jeder Stamm hatte seinen Orban, Trump oder Höcke. Konstantin machte, was Mohammed machte, was die Ägypter machten, Echnaton aber nicht vollenden durfte, was wir machten, als wir uns vor 200 Jahren die Nationen und Nationalstaaten aus den Fingern saugten – er verschmolz viele Religionen zu einer synkretistischen, weil sich sonst alle gegenseitig ermordet hätten.

    Eine Staatsgrenze ist im Wesentlichen ein Gitter vom Zookäfig, es schützt die Raubtiere darin und vor ihnen. Was die Kolonialmächte im Nahen Osten getan haben, war, alle Käfige abzureißen und dann die Gitter quer durch die Gehege zu ziehen, sodass Pumas, Bären, Löwen und Krokodile im selben Bett lagen. Deswegen ist dort jeder jedermanns Kolonialmacht, Homo homini Putin est. Die neuen Grenzen werden so ausgehandelt wie immer – durch Krieg, Hass, Massaker, ethnische Säuberung, Völkermord. Nachdem sich die Kolonialmächte in Afrika oder Mitteleuropa zurückgezogen hatten, nach dem Kollaps Jugoslawiens, hatten Sie das Gleiche. Tito hat es nie geschafft, eine Nation zu gründen, weil sich die Serben zu wichtig gemacht haben, in vielen Ländern sehen Sie verwandte Probleme, ob in Irak oder in Ruanda – bei uns können ja auch Bayern die Preußen und die Ossis die Wessis nur akzeptieren, wenn die Augenhöhe stimmt. Ich als Schlesier bin skeptisch gegenüber den Polen, als Pole gegenüber den Deutschen, als Deutscher gegenüber allen anderen EU-Staaten, als sie alle gegenüber Europa, als Europäer gegenüber ihnen allen und Amerika, als Provinzler im Fernen Osten des Amerikanischen Imperiums, gegenüber den Europäern, als Mensch gegenüber dem Amerikanischen Imperium. Und ich suche fairen Ausgleich zwischen ihnen allen, weil ich sie alle gleich zum Kotzen finde.

    Frieden gibt es dort, wenn ein Führer den Staat durch Personenkult zu einen versucht: Ich bin der Staat, alles andere hat keine Bedeutung, Saddams Inquisition dürften die kurdischen Ketzer gut in Erinnerung haben. Aber es besteht auch die Hoffnung, sich unter einem virtuellen Führer zu versammeln, der die Einheit durch Religion betont – und deswegen wird das Kalifat zur Friedensreligion, zum Symbol von Hoffnung, Freiheit, Nächstenliebe, all den Dingen, für die der IS so berühmt ist.

    Kalifat und Demokratie wollen also im Grunde das Gleiche und erwachsen aus dem gleichen Geist – das Kalifat hat den Vorteil, mehr User-Friendly zu sein. Weil weniger Standardkomponenten verbaut werden, das System generell einfacher gestrickt ist, gibt es weniger Reibereien und das Ganze braucht deutlich weniger Wartung. Ist ja einfacher, wenn die Löwen alle anderen Tiere im Zoo auffressen und nach Löwenmanier leben, als wenn sich Löwen und Gazellen auf Kompromisse einigen müssen (dass die Löwen dann nix zu fressen haben außer Löwen und das Heilsversprechen ihnen um die Ohren fliegt, ist normale Evolution, so sind ein paar Nager zu den vielen Säugetier-Arten heute geworden, als sie keine Dinosaurier mehr zu fressen hatten).

    Menschenrechtsbasierte Demokratie, auch wenn sie eine deutlich höher entwickelte Steuerungs-Software benötigt, als wir sie bislang haben, und Europa erst Jahrtausende nach Griechenland genug Selbsterkenntnis und Sinn für Humor entwickelt hat, um sich den Windows Blue Screen of Death als Fahne zu erwählen, kommt dem Heilsverspreichen deutlich näher. Sie verpasst dem Olymp einen Zeus, der Zeus frisst aber nicht alle anderen Götter auf. Der Islam macht gutes Marketing, Sie können den Anbieter rasch wechseln, indem Sie einen kurzen Spruch aufsagen, doch dann wird das Produkt schnell lästig, weil Zwecks erfolgreicher Integration und Assimilation sehr viele individuelle und kulturelle Eigenschaften gelöscht werden müssen. Toleranz hingegen versucht, den Zwang in zwischenmenschlichen Beziehungen auf das absolute Minimum zu reduzieren und schafft Freiräume, Käfige, in denen jedes Tierchen nach seinem eigenen Handbuch und Pläsierchen selig werden kann. Statt Fressen und Verdauen, Plug’n’Play.

    Das hat den Nachteil, dass die demokratischen Regeln zu wenig sind, um das Leben aller zu bestimmen – unser Zeus hindert die Leute daran, Andere am Leben zu hindern, er sagt uns nicht, wie wir leben sollen. Wer erwartet, dass sein Gott, sein Handbuch, seine Religion, all seine Fragen beantwortet, ist hier aufgeschmissen. Er muss sich einen zweiten suchen, ein Regelwerk, einen Guru, eine Tradition, eine Kultur, die ihm wie ein Maßanzug passt. Sie können sich auch der menschlichen Natur ganz hingeben und sich wie ein Schwein im eigenen Dreck suhlen, dann ersetzt Ihnen die Polizei doch die Moral – aber eben nur das Minimum, das nötig ist, dass Sie Andere nicht nerven, nicht das, was Sie brauchen, um morgens in den Spiegel sehen zu können, ohne zu kotzen.

    Und wenn es keinen Gott außer Gott und über Gott gibt, fällt’s schwer zu schlucken, dass Allah zum Abteilungsleiter in der Firma von Gottes Boss degradiert werden soll (wenn Ihr Boss nicht über Ihnen steht, nennen Sie es Kind, passt irgendwie zur Theologie, nicht?). Dass der Islam nur für bestimmte Käfige gelten soll, nicht für den ganzen Zoo. Wenn Sie der König des Dschungels sein wollen, sind Gitterstäbe zwischen Ihnen und den zu Löwenjungen zu Verdauenden unerträglich.

    Eine Lösung wäre, zu akzeptieren, dass der Löwe eben nicht der König des Dschungels ist. Dass der König des Zoos ihm zwar den Koran gegeben hat, aber anderen Viechern auch andere Bücher und Lifestyles, und auch leere Notizbücher, um sich neue Bücher zu schreiben, und dass Konvertieren in alle Richtungen, der Käfigwechsel zu einem, der zu einem besser passt, das Schaffen neuer Käfige, durchaus in seinem Sinne ist. Man muss sich halt Mühe geben, wenn man den Kundenstamm halten will, Monopole ruinieren die Qualität, und sind deswegen anti-islamisch, wie generell anti gegenüber allem, dessen Wert durch Leistung aufrechterhalten werden muss.

    Wenn ich mir den Islam so ansehe – es ist eine Religion, die funktioniert, wenn alle Beteiligten danach leben. Wenn die Mächtigen sie den Schwächeren aufzwingen, selbst aber ihre Pflichten nicht erfüllen, machen sie Allah zu ihrer Bitch, Hund und Hure. In den meisten Religionen werden solche Aufträge an Subunternehmer weitergereicht. Und weil alle islamischen Führer ihre Hände noch dran haben, und ihnen sogar umso mehr zum Klauen wachsen, je radikaleren Islam sie predigen, weil die muslimischen Männern ihre Frauen drangsalieren, sich ihnen gegenüber aber nicht gerade vorschriftsmäßig verhalten und sich ansonsten auch alle Freiheiten herausnehmen, nehme ich einfach mal an, so etwas wie eine islamische Welt gibt es nicht, die meisten Muslime sind keine Muslime, sondern Hochstapler, und das ganze Kalifats- und Scharia-Getue zählt so viel, wie sich mit dem Koran den Arsch abzuwischen. Das gleiche Problem sehe ich aber auch bei anderen Religionen, ob Christentum, Judentum, Nation, Demokratie, Kommunismus. Also schlage ich einfach vor, wir akzeptieren, dass wir alle Satanisten sind, wünschen den Wenigen, die es tatsächlich mit Religion ernst meinen, sich Mühe geben und danach leben, die Erlösung und das Paradies, nach dem sie sich sehnen, und reden übers Geschäft, damit wenigstens dieses Leben von der Hölle verschont wird, die die Teufel in uns stets herbeizurufen versuchen.

    Wenn Sie zu Gott wollen, kommen Sie von irgendwo her, wo es an Gott mangelt. Und Sie sind nicht da, Sie sind irgendwo mitten auf dem Weg. Egal, was jeder von uns sein will, er ist, was er ist. Und wenn Sie allen einen Kompromiss abverlangen, muss er auch für alle machbar und erträglich sein. Weil wir aber alle verschieden sind und Verschiedenes wollen und Verschiedenes können, kann er nur ein Teilkompromiss sein. Ein Zeus kann die anderen Götter umso weniger ersetzen, je mehr Gläubige er hat. Er muss sich zurückziehen. Und nur Streit schlichten, wenn sie ihr Ego nicht im Zaum halten können. Dann aber müssen sie vor seiner Macht niederknien.

    So viel zu meinem Versuch, einen modernen Synkretismus philosophisch zu untermauern. Die alten Religionen sind zu klein, um die Vielfalt der Moderne zu fassen. Sie können sich keinen Gott mehr leisten, der sowohl Frieden schafft, wie auch das Leben aller regelt. Die Funktionen müssen getrennt werden. Und wenn dazu der Wächter-Gott Mensch werden muss, damit der Gott der Muslime, Christen, Juden, als regelnder Gott der jeweils Einzige bleiben kann – warum nicht. Ich verkaufe Frieden. Das Marketing wird der Zielgruppe angepasst.

    • @Paul S.

      Das Generieren von Texten durch KI-Algorithmen wird ja immer leichter. Entsprechend wichtiger wird empirisch überprüfbare Qualität.

      Ich habe den Bing-Copilot gerade ergebnisoffen gefragt bzw. gepromptet: “Worin besteht der Zusammenhang zwischen Technologieoffenheit und Friedensenergien?”

      Hier ist die Antwort:

      Der Zusammenhang zwischen Technologieoffenheit und Friedensenergien liegt in der Förderung von erneuerbaren Energien als Mittel zur Unterstützung von Frieden und Sicherheit. Technologieoffenheit bedeutet, alle verfügbaren Technologien gleichberechtigt zu betrachten und die effizientesten und nachhaltigsten Lösungen zu wählen, unabhängig von aktuellen Trends³.

      Erneuerbare Energien werden als Friedensenergien bezeichnet, weil sie das Potenzial haben, Konflikte um fossile Brennstoffe zu reduzieren und eine unabhängige, dezentralisierte Energieversorgung zu ermöglichen. Sie tragen zur Verringerung von Treibhausgasemissionen bei und fördern eine nachhaltige Entwicklung, die nicht auf endlichen Ressourcen basiert¹.

      Durch die Nutzung von Technologieoffenheit im Bereich der Energieerzeugung können Länder ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern und damit auch die Finanzierung von Konflikten und autoritären Regimen durch den Handel mit diesen Ressourcen. Dies fördert globale Zusammenarbeit und kann zu einem friedlicheren Miteinander führen¹².

      In diesem Sinne ist Technologieoffenheit ein Schlüsselkonzept, um den Übergang zu einer nachhaltigeren und friedlicheren Welt zu unterstützen, in der erneuerbare Energien eine zentrale Rolle spielen.

      Quelle: Unterhaltung mit Bing, 12.5.2024
      (1) Technologieoffenheit – Begriffserklärung. https://energieberatung-wissen.de/glossar/technologieoffenheit/.
      (2) Erneuerbare Energien als Friedensenergien. https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/erneuerbare-energien-als-friedensenergien/.
      (3) Solarpunk: Balkonsolar & Biogas als erneuerbare Friedensenergien. https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/solarpunk-balkonkraftwerke-und-biogas-als-erneuerbare-friedensenergien/.
      (4) Können erneuerbare Energien den Frieden fördern?. https://www.derstandard.de/story/3000000188475/koennen-erneuerbare-energien-den-frieden-foerdern.

  2. Guten Morgen @Michael Blume,
    Sehr schöne Rede! Lehrreich, wie Sie den Bogen von der Geschichte Deutschlands und des Irak bis hin zur Technologieoffenheit spannen. Danke für die Klärung zum Begriff! Ich finde, der Begriff “Technologieoffenheit” wird von bestimmten Gruppen mittlerweile in ähnlicher Weise umgedeutet und inflationär missbraucht wie der Begriff “Freiheit”.
    “Technologieoffenheit” bringen viele ins Feld, die möglichst lang eine im eigentlichen Sinne nachhaltige Transformation hinauszögern wollen. “Freiheit” schreien oft die am lautesten, die einen egozentrischen, von aller Solidarität und Verantwortung gegenüber Mitmensch und Mitwelt “befreiten” Lebensstil rechtfertigen und propagieren wollen.

    • Danke & Zustimmung, @Peter Gutsche 🙏

      Auch hier auf dem Blog tobt sich seit Längerem ein Account unter der Bezeichnung „Armin Quentmeier“ sowohl gegen Einsparungen – etwa von Fleisch aus Massentierhaltung – wie auch gegen erneuerbare Friedensenergien aus. Sogar eine KI-Auswertung seiner Beiträge wurde da deutlich!

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/von-ursula-von-der-leyen-bis-armin-quentmeier-tests-zur-these-des-saekularen-ki-talmud/

      Freilich feiere ich die Drukos von @Armin Quentmeier inzwischen als psychologische Kunstwerke in Reaktanz! Der autoritäre und höhnische, „antigrüne“ Dualismus, antisozialistische Tiraden bei gleichzeitiger Anbiederung an die Altherren-Diktatur in China 🇨🇳, die wiederholte und einseitige Berufung auf lateinische Autoritäten (Lehrer, Papst) bei Verleugnung von Inhalten, die Abwertung von klimabewussten Medizin-Studierenden als „Kinder“ usw. – es ist grandios zu lesen, ein Stück Literatur!

      Inhaltlich bin ich aber selbstverständlich bei Ihnen: Ehrliche Technologieoffenheit nutzt und fördert bereits bestehende Solarpunk-Alternativen zu fossilen Technologien nach Kräften! Fossiler Lobbyismus nutzt dagegen „Technologieoffenheit“ nur als Schlagwort, um die Energiewende möglichst lange zu verzögern.

      Habe daher bewusst die junge Generation aktiver Demokratinnen und Demokraten aufgefordert, sich da nicht länger täuschen zu lassen. Denn schließlich wird vor allem ihre ökologische, politische und auch wirtschaftliche Zukunft durch fossilen Lobbyismus verzockt.

  3. Interessante Rede. Ich verstehe allerdings nicht, warum Sie Deutschland als zentralistisch regiert betrachten, angesichts unserer föderalen Struktur. Bildung ist Ländersache, um nur ein Beispiel zu nennen. Unter zentralistisch verstehe ich, dass alles in unserem Fall von der Bundesregierung bzw dem Bundestag entschieden werden würde.
    Meines Wissens behielten die Fürsten im Kaiserreich auch weiterhin umfangreiche Kompetenzen und “nur” die Außenpolitik zum Beispiel wurde von Berlin entschieden. Württemberg entsandte Abgeordnete in den Reichstag. Auch in der Kultur oder der Verwaltung blieben Zuständigkeiten bei den Fürstentümern im Reich.
    Dass die JuLis Mitveranstalter waren, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn gerade die FDP redet der Marktradikalität das Wort. Die Unternehmen haben Sie ziemlich heftig kritisiert. Die namentliche Nennung eines großen Unternehmens in unserem Land fand ich mutig. Natürlich gibt es viele Versäumnisse und Fehler seitens der Industrie. Aber gerade das Hin und Her durch die Politik ist nicht förderlich. Das haben Sie mit Ihrer Kritik an der Metapher Technologieoffenheit sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.
    Zum Thema Islam möchte ich nur sagen, dass dies ein sehr kompliziertes ist. Ich habe mich seit vielen Jahren dafür interessiert und immer noch nicht ganz die zahlreichen Splittergruppen durchschaut. Sunniten und Schiiten sind mir noch einigermaßen verständlich, aber auch da gibt es einige Abspaltungen. Das mit dem Kalifatsstaat ist mir bisher ziemlich unbekannt gewesen.
    Abschließend noch eine Anregung: Wir müssen bei der Verwendung von Worten wie Extremisten und Extremismus aufpassen, dass nicht unredliche Leute in der deutschen Politik diese Begriffe neu definieren bzw weiter ausdehnen. Denn der Versuch, unliebsame politische Konkurrenz, die in ihrer überwältigenden Mehrheit auf dem Boden der FDGO steht, als Extremisten zu brandmarken, ist gefährlich. Das bedeutet Ausgrenzung und im schlimmsten Fall Verfolgung und andere Repressionen. Auch hier gilt es, den Anfängen zu wehren.
    Danke für Ihren Einsatz!

    • Vielen Dank für die interessierte und konstruktive Rückmeldung, @Marie H.!

      Und um es gleich klarzustellen: Sehr bewusst habe ich nicht die Bundesrepublik Deutschland als “zentralistisch” bezeichnet, sondern sehr sorgfältig formuliert:

      “Beide Länder werden aus einer zentralistischen Hauptstadt mit B am Anfang regiert, die sich beide auch ausdrücklich auf das klassische Babylon beziehen: Berlin und Bagdad.”

      Wie ich schrieb, widersetzten sich sowohl in der Weimarer Republik wie dann auch in der Bundesrepublik Deutschland föderale Traditionen dem Berliner Zentralismus. Aufgrund des Öl-Ressourcenfluchs setzte sich dagegen im Irak wieder ein autoritärer und auch antisemitischer Zentralismus aus Bagdad durch. Ich halte das als überzeugter Föderalist für bedauerlich – und für gefährlich.

      Aus meiner Sicht basiert jede lebendige Demokratie auf einer starken Rolle von Kommunalpolitik, die m.E. zum Überleben der Klima-, Wasser- und schließlich Mitweltkrise im 21. Jahrhundert sogar noch wichtiger wird als jemals zuvor:

      https://scilogs.spektrum.de/natur-des-glaubens/hoffnung-in-kaisersbach-was-wir-alle-gegen-die-wasserkrise-tun-koennen/

      Entsprechend freue ich mich, dass die neue, deutsche Buchstabiertafel mit A wie Aachen beginnt und feiere als begeisterter Europäer die bundesstaatlichen Strukturen der Europäischen Union. Solange die Rechte und Gestaltungsspielräume gewahrt und sogar gestärkt würden, hätte ich mir sogar eine Europäische Verfassung vorstellen können.

      • Vielen Dank für die Antwort, dann habe ich Sie missverstanden. Sorry.
        Bei der Beurteilung der Kommunalpolitik bin ich Ihrer Meinung.
        Dieser Bereich war für die Parteien ein wichtiges Reservoir für den politischen Nachwuchs. Mittlerweile gibt es jedoch viele Wahlbündnisse, sog. “Liste für XY” oder “Bürger für XY”. Das dürfte den Parteien evtl noch Kopfzerbrechen bereiten.

          • Danke, @Marie H.

            Ja, das bestätigt leider meine Befürchtungen zur Shareholder-Strategie auch bei Mercedes – bei gleichzeitiger Einsparung bei der Entwicklung neuer, solarer Technologien! Denn just in diesem Jahr wird der Konzern eine neue Rekord-Dividende von 5,30 Euro auszahlen!

            https://mbpassion.de/2024/05/dividende-von-530e-je-aktie-bestaetigt/

            Sollten Ola Källenius, Vorstand und Aufsichtsrat diesen fossilen Irrweg fortsetzen, dann fürchte ich um die Zukunft einer der wichtigsten Branchen in “The Länd”. Denn ich fahre ja nun seit sieben (!) Jahren ein französisches Elektroauto und chinesische und auch südkoreanische Anbieter bieten immer bessere Modelle an. Wer da zu viele Gelder ausschüttet, statt sie in die elektromobile Entwicklung und Forschung zu stecken, fördert nicht nur die Erlöse von Putin, Iran & arabischen Diktaturen, sondern riskiert auch die Zukunft ganzer deutscher Unternehmenszweige…

  4. @Paul S 11.05. 22:38

    „Die alten Religionen sind zu klein, um die Vielfalt der Moderne zu fassen. Sie können sich keinen Gott mehr leisten, der sowohl Frieden schafft, wie auch das Leben aller regelt.“

    Demokratie ist ja auch die Basis für Pluralismus. Was ziemlich gut funktioniert. Und wenn der Pluralismus verloren geht, leidet auch die Demokratie.

    Das Toleranzparadoxon muss dann eben unterscheiden, wenn hier jemand den Pluralismus ausnutzt, um zu versuchen, ihn abzuschaffen. Solche Zeitgenossen sind in geringen Mengen unvermeidlich, wenn es zu viele werden, kann das aber irgendwann auch kritisch werden.

    Wissenschaft gehört hier durchaus dazu, sie ist auch von Grund auf pluralistisch und mit dem demokratischem Projekt durchaus grundlegend verbunden. Entsprechend greifen die Feinde der Demokratie meistens auch die freie Wissenschaft an.

    @Michael 12.05. 12:08

    „Denn schließlich wird vor allem ihre ökologische, politische und auch wirtschaftliche Zukunft durch fossilen Lobbyismus verzockt.“

    Die Geschäfte von wenigen ruinieren hier die Lebensgrundlagen von allen. Und wenn die Freiheit dem im Wege steht, wird die auch noch aufgegeben. Die Verschwendung, die sich in den reichen Ländern ausgebreitet hat, ist hier Teil des Problems. Die müsste eigentlich schnellstens abgebaut werden, die Widerstände dagegen sind aber erheblich. Auch bei den Menschen, die sich an unseren verschwenderischen Lebensstil gewöhnt haben und meinen, dass ihnen das zusteht, weil sie schließlich hart dafür gearbeitet haben.

    Wenn jetzt selbst die Wissenschaft sagt, dass das so nicht mehr weitergehen kann, ignoriert man das einfach, und schiebt es als grüne Propaganda beiseite.

    Dabei wäre ein Leben mit deutlich weniger Verschwendung sogar weniger mühsam und viel entspannter. Man spart ja auch neben Geld und Rohstoffen jede Menge Arbeit ein, wenn man seinen Konsum kritisch überprüft und alles Verzichtbare einfach mal weglässt.

    So würden jedenfalls wirklich die Mittel frei, um die Energiewende auch global hinzubekommen. Und mehr Aufrüsten und damit unsere Freiheit zu verteidigen wäre gleich auch noch drin.

  5. @Michael 12.05. 15:15

    „Aus meiner Sicht basiert jede lebendige Demokratie auf einer starken Rolle von Kommunalpolitik, die m.E. zum Überleben der Klima-, Wasser- und schließlich Mitweltkrise im 21. Jahrhundert sogar noch wichtiger wird als jemals zuvor..“

    Vernünftige Radwege und Fernheizungslösungen müssen ja auch die Kommunen realisieren. Derweil die fossilen Lobbyisten im Bund weiterhin den Absatz von Privatautos fördern und den Stromkonzernen dabei helfen, die Strompreise hoch zu treiben.

    Kopenhagen ist hier sehr viel weiter, sicher auch durch konsequente Kommunalpolitik. Aber auch, weil Dänemark keine eigene Autoindustrie hat.

    Überhaupt hat man als Bürger meistens mit den örtlichen Ämtern zu tun.

  6. “Denn Länder mit zu großen Erdöl- und Erdgas-Konzernen werden niemals zu Demokratien.” …. Norwegen!?

    • Ja, „…werden niemals zu Demokratien.“ Norwegen, die Niederlande und die USA waren bereits Demokratien und waren dennoch unterschiedlich vom Ressourcenfluch betroffen. Norwegen 🇳🇴 hat auf die Gefahr sehr klug reagiert, indem es die Einnahmen in einen regierungsunabhängigen Staatsfonds gab:

      https://de.m.wikipedia.org/wiki/Staatlicher_Pensionsfonds_(Norwegen)

      Sie sehen also, Demokratien können auf den Ressourcenfluch reagieren. Wir könnten ihn mit erneuerbaren Friedensenergien sogar abbauen – und damit unsere Mitwelt und den Frieden schützen. Das ist der Weg.

  7. Ich kann diese Plattform nicht mehr nutzen. Ein kurzes Lesen und Schreiben einen Drukos frist mittlerweile ca. 60 MByte. Da das massive Energievergeudung ist, werde ich hier nicht mehr lesen und schreiben. So geht es auch mit spektrum.de. Adieu!

    • Das steht Ihnen selbstverständlich frei, @Ekkehard Erben. Ob es klug ist, angesichts der riesigen Datenmengen für Filme und Spiele ausgerechnet beim Wissenschaftsbloggen zu sparen, müssen Sie schon selbst entscheiden. Ich halte es für wichtiger denn je. Aber es geht nur freiwillig.

      Ihnen alles Gute & beste Grüße!🖖

  8. Zitat Blume: „Ich las diese Woche entsetzt, dass ein 19jähriger in Bautzen „Heil Hitler!“ brüllte und danach einen Streifenwagen unserer Polizei anpinkelte. Und was taten wohl unsere sächsischen Polizistinnen und Polizisten?
    Genau: Sie „fertigten eine Anzeige aus“ und ließen den Nazi-Brüller laufen. Ein hartes Durchgreifen haben in Deutschland allenfalls Ausländer und Klimaschützerinnen zu befürchten.“
    Sehr geehrter Herr Blume, ich teile Ihr Entsetzen über diesen Vorfall und die praktisch nicht stattfindende Strafverfolgung. Was aber der Nachprüfung bedarf, ist Ihre folgende Aussage: „Ein hartes Durchgreifen haben in Deutschland allenfalls Ausländer und Klimaschützerinnen zu befürchten.“ Eine Reihe von Berichten der letzten Wochen, Monate oder Jahre zeigt das genaue Gegenteil. Ein paar Beispiele gefällig?
    1. Zwei Brüder eines „Balkan-Clans“ Kölner Polizisten ins Krankenhaus – Richter spricht mildes Urteil. .Ein Beamter wurde schwer verletzt und musste operiert werden, er war ein halbes Jahr krankgeschrieben. Einer der beiden Brüder, Sabrija H. erhielt laut einem Bericht der „Bild“ 40 Sozialstunden, der 16-jährige Bruder nur eine Verwarnung. Quelle: Focus 10.5.2024.
    2. In Magdeburg prügeln und treten einen Bauarbeiter, 33 Jahre alt, tot. Alle drei wurden gefasst, keiner muss in Haft. Das muss man sich einmal vorstellen: ein Mensch wird auf offener Straße zu Tode geprügelt und getreten und die Täter werden nicht einmal in Untersuchungshaft genommen, sondern spazieren als freie Männer durch die Stadt! Quelle: Bild 15.5.2024; mdr nachrichten 17.5.2024
    3. „Vor drei Jahren war eine 15-Jährige im Stadtpark von mehreren jungen Männern vergewaltigt worden. Nach einem langen Prozess hat das Hamburger Landgericht am Dienstag die Urteile gesprochen: Ein Freispruch und neun Jugendstrafen.
    Einer der Angeklagten muss für zwei Jahre und neun Monate in Haft, die anderen acht Angeklagten bekamen Bewährungsstrafen. Die acht, die Bewährung bekamen, müssen jetzt jeweils 60 Sozialstunden leisten. Das Gericht war nach eineinhalb Jahren Prozess davon überzeugt, dass neun der Angeklagten, die damals zwischen 16 und 20 Jahre alt waren, die Jugendliche in mehreren Gruppen vergewaltigt hatten. Quelle: ndr nachrichten 28.11.2023. PS.: Bis auf eine Ausnahme hatten alle Täter einen Migrationshintergrund.
    4. Sehr beeindruckend sind auch die Bilder einer Prügelei in Leipzig; auch hier lohnt ein Blick in das entsprechende Video, leicht zu finden, z. B. hier: https://www.n-tv.de/panorama/Maenner-liefern-sich-Strassenschlacht-in-Leipziger-Brennpunkt-article24939550.html

    Wenn Sie halbwegs aufmerksam Zeitungen und Internet-Nachrichten durchgehen, können Sie noch zahlreiche solcher Horrormeldungen und Urteile finden, die nichts anderes sind als eine zynische Verhöhnung der Opfer.

    Stichwort „Klimaschützer“ (eigentlich eine unglaubliche Anmaßung für Kriminelle, eine Stufe vorm Terrorismus): Schauen Sie sich die lächerlichen Strafen für Klimakleber an, wenn es überhaupt Urteile gegeben hat! Aber wehe, einer der blockierten Autofahrer packt einen dieser selbsternannten Klimaschützer an und zieht ihn von der Straße – da verstehen die Behörden keinen Spaß mehr! Aber wenn nur zwei Männer das Auto einer grünen Politikerin blockieren, dann soll angeblich der Rechtsstaat in Gefahr sein.

    Und ich erinnere an gewalttätige Demonstranten im Hambacher Forst oder an einer Baustelle der A49. Hier kam es zu zahlreichen Straftaten, u.a. Widerstand gegen Polizeibeamte, Landfriedensbruch und Sachbeschädigung. Kaum ein Täter landete vor Gericht!
    Diese wenigen Beispiele zeigen deutlich, dass Ihre Aussage schlichtweg falsch ist und nicht durch Tatsachen gestützt werden kann: „Ein hartes Durchgreifen haben in Deutschland allenfalls Ausländer und Klimaschützerinnen zu befürchten.“

    • Lieber Herr Quentmeier,

      oha, die Sorge um manche Zustände unseres Rechtsstaates teilen wir also!

      Allerdings muss ich Sie daran erinnern, dass gegen Klimaaktivistinnen und -aktivisten sogar die m.E. fragwürdige “Präventivhaft” in Bayern eingesetzt wurde, wogegen der Rechtsextremismus in unserem Land regional eskalieren darf:

      “Dass die polizeiliche Präventivhaft gegen Klimaaktivistinnen und -aktivisten unverhältnismäßig ist, meint auch der Justizjournalist Ronen Steinke. Er vergleicht den Polizeigewahrsam mit der klassischen Strafhaft. Bei einem Strafverfahren gegen die Münchner Straßenblockierer wäre es zweifelhaft, ob sie überhaupt eine strafbare Nötigung begangen haben. Und selbst wenn, würde kein Gericht sofort eine Haftstrafe aussprechen, denn die wäre unverhältnismäßig. Unverhältnismäßig sei jetzt auch die 30-tägige “Langzeit-Präventivhaft” der Münchner Polizei gegen die Klimaaktivistinnen und -aktivisten.”

      https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/praeventivhaft-klima-protest-bayern-101.html

      Ich wünsche mir einen wehrhaften und zugleich eben auch nachvollziehbaren Rechtsstaat, der gerade auch den jungen Generationen – welcher Herkunft auch immer – klare Orientierungen bietet. Er sollte weder den Anschein politischer Voreingenommenheit erwecken noch Wirtschaftskriminalität hinnehmen:

      https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/cum-ex-aufarbeitung-100.html

      “Im Interview mit WDR-Investigativ sagte Brorhilker zu ihrer Entscheidung: “Ich war immer mit Leib und Seele Staatsanwältin, gerade im Bereich von Wirtschaftskriminalität, aber ich bin überhaupt nicht zufrieden damit, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird. Da geht es oft um Täter mit viel Geld und guten Kontakten, und die treffen auf eine schwach aufgestellte Justiz.” Außerdem könnten sich Beschuldigte oft aus Verfahren schlicht herauskaufen, wenn etwa Verfahren gegen Geldbuße eingestellt würden. “Dann haben wir den Befund: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.” Sie als einzelne Staatsanwältin könne daran wenig ändern.”

      Und damit schließt sich auch der Kreis zur fossilen Reaktanz: Wer wirklich weniger Gewalt, Krieg, Flucht und auch Kriminalität erleben möchte, muss so schnell wie irgend möglich die “externalisierten Kosten” der Verbrennung fossiler Rohstoffe reduzieren. Es macht auch logisch überhaupt keinen Sinn, Krieg und Terror befördernde Regime wie Putin-Russland, Iran, Katar, Venezuela usw. fossil zu finanzieren, die Atmosphäre des Planeten immer weiter aufzuheizen, Menschen zu traumatisieren und in die Flucht zu treiben – und dann die Folgen zu bejammern. Solche psychologische Externalisierung führt nur in Rassismus als einer besonders gefährlichen Ausprägung des feindseligen Dualismus. Gerade auch wissenschaftlich informierte Menschen sollten diesen Kurzschluss erkennen, vermeiden, aufklären.

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