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„Man kann es nicht allen recht machen“: Jetzt steckt Wagenknecht mit ihrer Partei in einer paradoxen Situation
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Sahra Wagenknecht
Fabian Sommer/dpa Sahra Wagenknecht, Bundesvorsitzende vom BSW spricht auf der Vorstellung der EU-Wahlkampagne ihrer Partei.
  • FOCUS-online-Redakteur

Das Bündnis Sahra Wagenknecht will bei der Europawahl und bei den Landtagswahlen im Osten die ersten Erfolge erringen. Doch die junge Partei befindet sich noch im Aufbau. Gelingt ihr auch mit wenig Personal ein überzeugender Wahlkampf?

Sahra Wagenknecht und ihre Partei sind in einer paradoxen Situation. Einerseits will das im Januar neu gegründete BSW bei der anstehenden Europawahl und den Landtagswahlen an etablierten Parteien vorbeiziehen, sogar eine Regierungsbeteiligung steht im Raum. Andererseits tritt die Parteispitze auf die Bremse. Nicht jeder Interessent darf Mitglied werden, langsames Wachstum ist angesagt.

Diesen organisatorischen Spagat muss Christian Leye organisieren. Er ist seit der Gründung Generalsekretär des BSW. Wie viele seiner Mitstreiter war er davor bei der Linken aktiv, unter anderem als Mitarbeiter von Sahra Wagenknecht, Landessprecher in Nordrhein-Westfalen und Bundestagsabgeordneter.

Politikerfahren ist er also, dennoch sagt er im Gespräch mit FOCUS online über die aktuelle Phase: „Der Arbeitsaufwand ist eine enorme Herausforderung. So etwas kann man auch nur einmal im Leben machen.“

Nur 600 Mitglieder, aber 18.000 Unterstützer

Die Last der Parteiarbeit verteilt sich derzeit vor allem auf die Schultern der rund 600 Mitglieder. Dabei könnte es ein Vielfaches sein: Rund 18.000 Unterstützerinnen und Interessenten haben sich beim BSW registriert, doch Mitglieder können sie erstmal nicht werden. „Wir wollen keine Menschen mit extremistischem Hintergrund in der Partei“, erklärt Leye. Deshalb führt man Gespräche mit den Interessenten und recherchiert auch mal ihren Hintergrund. Die Partei soll nicht von Menschen mit ganz anderen Ansichten gekapert werden.

Gründungsparteitag der neuen Wagenknecht-Partei
Kay Nietfeld/dpa Christian Leye, Generalsekretär, spricht beim Gründungsparteitag der neuen Wagenknecht-Partei.
 

Tatsächlich bringt das Vorteile mit sich: Beim Erstellen der Wahlprogramme müssen weniger Ansichten unter einen Hut gebracht werden. Und bei der Aufstellung der Kandidatenlisten herrscht außerdem weniger Konkurrenz um die aussichtsreichen Plätze. Der Landesverband Thüringen hat zum Beispiel derzeit nicht viel mehr als 50 Mitglieder. Erreicht das BSW bei der Wahl im September zwischen 15 und 20 Prozent – was die Umfragen derzeit vorhersagen – könnten knapp 20 BSW-Kandidaten in den Landtag einziehen.

Kritik von Bodo Ramelow: „Ist das ein Kalifat?“

Kritik an dem exklusiven Kreis übt der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Mit dem Fokus auf Parteichefin Sahra Wagenknecht würde das BSW die Parteiendemokratie „ad absurdum“ führen. „Ist das eine Oligarchie oder gar ein Kalifat?“, fragte er im „Stern“. Entschieden werde „wie früher“ in Berlin. Die Interessenten im Wartestand könnten erst später irgendwann ihre Mitgliedsrechte ausüben, wenn es nichts mehr zu verteilen gebe.

Leye zeigt sich belustigt über die Kritik aus seiner ehemaligen Partei: „Mir ist nicht bekannt, dass Bodo Ramelow einen Mitgliedsantrag bei uns gestellt hat.“ Außerdem würde der Ministerpräsident vermutlich auch Kritik äußern, wenn beispielsweise ehemalige AfD-Mitglieder den Weg in die Partei finden würden, vermutet der Generalsekretär.

Er räumt aber auch ein, dass nicht restlos alle Interessenten im Wartestand begeistert vom Vorgehen der Partei sind. „Der überwiegende Teil der Unterstützer zeigt viel Verständnis. Aber es gibt vielleicht fünf Prozent der Interessenten, die das kritisch sehen“, so Leye.

„Man kann es im Leben nicht allen recht machen“

Die Parteiführung muss sich deshalb immer wieder erklären. Sahra Wagenknecht warb beispielsweise Ende April bei einer Veranstaltung in Leipzig um Unterstützung, bat aber auch wortreich um Verständnis für die langen Aufnahmezeiten. Scheinbar hatte es bei dem ein oder anderen Interessenten Unmut gegeben.

Leye scheint das nicht so sehr zu stören: „Wir versuchen ein Optimum zu erreichen zwischen dem Schutz der Partei und der Zufriedenheit unserer Leute. Wir wissen aber auch: Man kann es nicht allen recht machen im Leben. Die allermeisten Unterstützer verstehen es sehr gut, dass sie nicht schnell ein Parteibuch kriegen.“

 „Trotz einer nahezu reibungslosen Parteigründung hätten wir manche Dinge intern aber noch besser kommunizieren müssen“, räumt der Generalsekretär ein. An der ein oder anderen Stelle gebe es Reibungsverluste, was in der Anfangsphase normal sei. So musste beispielsweise der Landesparteitag in Thüringen verschoben werden.

„Wir haben einige Baustellen“

„Es passiert im Moment alles gleichzeitig, wir haben einige Baustellen“, erklärt Leye: Mitgliedsanträge prüfen, Landesverbände gründen, Wahlprogramme schreiben, Straßenwahlkampf. „Wir brauchen eigentlich überall Personal, vor Ort wie in der Parteizentrale. Für diejenigen Leute, die wir haben, ist es eine große Herausforderung.“

Möglicherweise hängt damit auch zusammen, dass zwei Zielmarken zur Mitgliederbegrenzung mittlerweile nicht mehr genannt werden. Berichten zufolge wollte das BSW bis Jahresende maximal 1000 und bis zur kommenden Bundestagswahl 2000 Mitglieder aufnehmen. „Ich möchte mich nicht auf eine Zahl festlegen. Unser Wachstum ist keine genaue Wissenschaft“, kommentiert Leye das heute.

Um die Partei professioneller aufzustellen, sind einige Stellen ausgeschrieben. Laut Leye gibt es zahlreiche Bewerber. Die Stellen zu besetzen, ist auch dringend notwendig, denn selbst bei einer großen Zahl von Unterstützern benötigen diese noch eine zentrale Steuerung. Wie viele Mitarbeiter die Parteizentralen in Bund und Ländern haben, kann oder will das BSW auf Anfrage nicht mitteilen. Es scheint, als würde ein Teil der Arbeit für die Partei auch in Büros der Abgeordneten organisiert werden. Offiziell erlaubt wäre das nicht.

Hat sich das BSW selbst ein Bein gestellt, indem es sich erst ein halbes Jahr vor der Europawahl gegründet hat und nun vor Schwierigkeiten beim Wahlkampf steht? Leye sieht das nicht so. „Wir wären früher noch gar nicht bereit gewesen zur Gründung. Insofern ist es müßig zu spekulieren, ob uns ein paar Monate mehr gutgetan hätten.“ Klar ist dem Generalsekretär aber: Es stehen noch stressige Zeiten bevor.

sebs/
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