Hamburg: Kalifat-Islamisten schlüpfen plötzlich mit AfD-Taktik in Opferrolle  - FOCUS online
  1. Nachrichten
  2. Panorama
  3. Aus aller Welt
  4. Hamburg: Kalifat-Islamisten schlüpfen plötzlich mit AfD-Taktik in Opferrolle 

Demonstration in Hamburg: Kalifat-Islamisten schlüpfen plötzlich mit AfD-Taktik in Opferrolle 
  • Kommentare
  • E-Mail
  • Teilen
  • Mehr
  • Twitter
  • Drucken
  • Fehler melden
    Sie haben einen Fehler gefunden?
    Bitte markieren Sie die entsprechenden Wörter im Text. Mit nur zwei Klicks melden Sie den Fehler der Redaktion.
    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
Teilnehmer einer Islamisten-Demo hielten bei der Demonstration am 27. April unter anderem ein Plakat mit der Aufschrift «Kalifat ist die Lösung» in die Höhe.
Axel Heimken/dpa Teilnehmer einer Islamisten-Demo hielten bei der Demonstration am 27. April unter anderem ein Plakat mit der Aufschrift «Kalifat ist die Lösung» in die Höhe.
  • FOCUS-online-Reporter

Alles nur Missverständnisse, Hetze und Kampagnen? Bei ihrer Demonstration in Hamburg nutzen die Islamisten von „Muslim Interaktiv“ ähnliche Taktiken wie die AfD – sie wollen damit jedoch Muslime in Deutschland ansprechen.

Meinungsdiktatur, Zensur, Verbotskultur – Schlagworte, mit denen sonst gerne die AfD den öffentlichen Diskurs aufmischt, machen sich nun die Islamisten um „Muslim Interaktiv“ zu eigen. Bei ihrer Demonstration im Hamburger Stadtteil St. Georg am Samstagnachmittag stellen sie sich als Opfer „medialer Hetze“ dar und wähnen sich dem Hass vermeintlicher Experten ausgesetzt. 

Nach Einschätzung der Polizei folgen dieses Mal sogar rund 2300 Männer dem Aufruf der vom Hamburger Verfassungsschutz als extremistisch eingestuften Organisation – deutlich mehr als Ende April. Dass damals Schilder hochgehalten wurden mit Schriftzügen wie „Kalifat ist die Lösung“ war einer der großen Aufreger – solche Losungen sind dieses Mal verboten. 

Warum eine Kalifat-Demo in Deutschland?

Ähnlich wie die AfD gerne Grenzüberschreitungen relativiert, rudert nun auch Redner und „Muslim Interaktiv“-Kopf Raheem Boateng zurück. Plötzlich behauptet er, sie hätten damit gar kein Kalifat in Deutschland gefordert, sondern im Nahen Osten. Offen bleibt allerdings – vermutlich bewusst – welche Rolle Israel in einem solchen Gefüge hätte. Offen bleibt auch, warum sie dies in Deutschland fordern. 

Auf genau diese Weise relativiert Boateng außerdem den Vorwurf des Antisemitismus. „Es hat ein Existenzrecht“, betont er für das „jüdische Leben“ - und nicht den Staat Israel. Viel mehr müsse der Nahe Osten weg von „Zionismus und arabischem Nationalismus“. Ein Kalifat würde dabei keine Bekenntnisse vorschreiben, alle müssten nur die Rechte und Pflichten kennen und achten. Welche das für Juden, Frauen oder andere Minderheiten wären, thematisiert er nicht.

Vorwurf an Deutschland: „Muslime sollen still und unsichtbar sein“

Bezeichnend: Frauen sind in dem Aufzug derweil kaum zu finden, sie bleiben am Rand. Wohl demonstrativ mischt sich Reporterin Dunja Hayali in die erste Reihe.  Doch Deutschlands Verbundenheit mit Israel ist Boateng offensichtlich ein Dorn im Auge. Mehrfach reibt er sich an der Staaträson, die dem „Volk und uns Muslimen aufgezwungen“ werde. In dieses Narrativ passen auch die jüngst wieder aufgeflammten Debatten um Leitkultur und Wertegemeinschaft. „Muslime sollen still und unsichtbar sein“, beklagt der Redner. Und sie sollten schweigen, wenn ihre „Geschwister in Gaza massakriert“ würden. Dass die internationale Gemeinschaft deutliche Kritik am israelischen Vorgehen übt und die USA als engster Verbündeter zuletzt Munitionslieferungen zurückgehalten haben sollen, findet in dieser Erzählung keinen Platz. 

Lieber beschwört Boateng das Bild einer islamhassenden Mehrheitsgesellschaft, so wie die AfD gerne ein „wokes“ oder „links-grünes“ Diktat herbeiredet. Hier ist es nun eine vermeintliche Assimilationspolitik. „Das Land hat sich verändert“, beklagt er dann, um darauf hinzuweisen, dass das Grundgesetz keinen Wertekonsens verlange. Mit einer vorangegangenen dreistufigen Choreografie der Teilnehmer redet er schließlich eine Zensur wie in Moskau und Peking herbei: Zum Auftakt reichen die Organisatoren zunächst Schilder hin, auf denen etwa „verboten“, „censored“ oder „banned“ steht.

Wie passt das mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zusammen?

Anschließend werden schwarze Fahnen geschwenkt und dann nur weiße, unbeschriftete Plakate in die Höhe gestreckt. Dazu minutenlanges Schweigen. „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“ lässt grüßen.  Wofür das alles nötig ist, wenn in Deutschland doch gar kein Kalifat entstehen soll oder kein allgemeiner Antisemitismus präsent ist, bleibt offen. Dann hätten die Auflagen für die Demonstration faktisch keine Auswirkungen gehabt. 

So aber stellt Boateng die erste Demonstration als ein „Experiment“ dar, bei dem die Islamisten es „gewagt“ hätten, öffentlich ihre Meinung zu sagen und sich als Muslime zu zeigen. Das sei mit Hass beantwortet worden. Zum Schluss folgt der Aufruf zum Widerstand gegen eine vermeintliche Unterdrückung. Sie würden sich keinem „Wertediktat“ unterwerfen und selbstbewusst ihre Interessen formulieren. Wie das im Einklang mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung funktionieren soll, bleibt das ungelöste Rätsel. Die Menschen, die vorgeben, auf der Demo ein Kalifat im Nahen Osten zu fordern, würden wohl nur zu gerne in Deutschland bleiben und einen unfreien Gottesstaat bequem aus der Ferne bewundern. 

Wie genau sie es mit den Freiheiten nehmen, die sie für sich beanspruchen, zeigt sich indes noch lange bevor die Demonstration beginnt. Da verweigern die Ordner den Pressevertretern, die Versammlungsfläche zu betreten. Erst nach mehrfachen Unterredungen durch die Polizei gewähren sie widerwillig Zugang. Allen Teilnehmern empfehlen die Veranstalter dann sicherheitshalber, nicht mit den Journalisten vor Ort zu sprechen.

Kommentare
Teilen Sie Ihre Meinung
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit.
Teilen Sie Ihre Meinung
Sie waren einige Zeit inaktiv, Ihr zuletzt gelesener Artikel wurde hier für Sie gemerkt.
Zurück zum Artikel Zur Startseite
Lesen Sie auch