Europawahl 2023: Eroglu und Häusling äußern sich zu Angriffen auf Politiker
  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Fritzlar-Homberg
  4. Bad Zwesten

Europawahl 2023: Eroglu und Häusling äußern sich zu Angriffen auf Politiker

KommentareDrucken

Äußern sich zu Angriffen auf Politiker: Engin Eroglu (Freie Wähler, links) und Martin Häusling (Grüne).
Äußern sich zu Angriffen auf Politiker: Engin Eroglu (Freie Wähler, links) und Martin Häusling (Grüne). © Freie Wähler / Claudia Feser

Die jüngsten Angriffe auf Politiker verschiedener Parteien haben eine Debatte über Sicherheit ausgelöst. Die Europaabgeordneten Engin Eroglu (FW) und Martin Häusling (Grüne) äußern ihre Besorgnis darüber.

Schwalm-Eder – In den vergangenen Tagen hat es mehrere Angriffe auf Politiker verschiedener Parteien gegeben – neben SPD und Grünen war auch die AfD betroffen. Die Mitglieder des Kreistages hatten am Montag die Angriffe verurteilt und zeigten sich besorgt über die Zunahme an Gewalt gegenüber Politikern. Jüngster Vorfall: Am Mittwoch wurde die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey angegriffen.

Derzeit sind auch zwei Politiker aus dem Schwalm-Eder-Kreis aktiv im Wahlkampf. Die Europaabgeordneten Engin Eroglu von den Freien Wählern und Martin Häusling von den Grünen kandidieren erneut für das Europaparlament. Die Wahl dafür findet am Sonntag, 9. Juni, statt. Wir haben mit Häusling und Eroglu darüber gesprochen, wie sich die Angriffe auf sie und ihre Arbeit auswirken.

Fühlen Sie sich bedroht?

Martin Häusling: Ich persönlich fühle mich nicht bedroht. Aber es ist ein komisches Gefühl, wenn man Wahlveranstaltungen hat, wo Polizei vor der Tür stehen muss.

Engin Eroglu: Nein, da fühle ich mich durch den jüngst bekannt gewordenen Hackerangriff auf mich durch den chinesischen Staat viel mehr bedroht und frage mich, was Nancy Faeser plant, hier zum Schutz deutscher Politiker zu tun.

Haben Sie Sorge, dass die Wahlkämpfer Opfer von Übergriffen werden könnten?

Häusling: In Hessen scheint die Situation noch nicht so schlimm zu sein. Wir empfehlen natürlich unseren Helfern, Plakate tagsüber und zu zweit aufzuhängen. Was mir aber auffällt, ist der extrem gewordene Vandalismus gegenüber Wahlplakaten.

Eroglu: Ja, ich habe die Sorge, da die Gesellschaft am linken und rechten Rand polarisiert wird.

Können Sie sich erklären, warum sich die Übergriffe gerade jetzt häufen?

Häusling: Insgesamt ist die Tonlage rauer geworden. Sachliche Diskussionen sind schwieriger geworden. Es ist spürbar, dass Rechtsextreme und antidemokratische Kräfte das politische Klima vergiften. Was mir Sorgen macht, ist, dass auch demokratische Parteien uns Grüne als Hauptgegner ausgerufen haben und somit auch zur Verschärfung der Tonlage beigetragen haben. Das verurteile ich zutiefst. Es muss klar sein, dass gerade in diesem Europawahlkampf die demokratischen Kräfte der Mitte zusammenstehen müssen gegen die Angriffe von Rechts.

Eroglu: Der Angriff auf Herrn Ecke in Dresden ist aufs Schärfste zu verurteilen. Dennoch muss man mit Blick auf die jüngere Geschichte leider feststellen, dass Angriffe auf Politikerinnen und Politiker leider keine neue Erscheinung sind. Man denke nur an den verstorbenen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, auf den geschossen wurde, mit lebensverändernden Folgen, den Messerangriff auf Oskar Lafontaine, die Eierwürfe auf den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl oder zuletzt den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Übergriffe finden leider stetig statt, in Wahlkampfzeiten finden sie besondere Aufmerksamkeit. Der Staat muss dem mit aller Kraft entgegentreten!

Wünschen Sie sich – unabhängig von möglichen Bedrohungen – Unterstützung in den Wahlkämpfen?

Häusling: Wahlkämpfe sind für mich eine Zeit der politischen Diskussion und des fairen Wettbewerbs zwischen Programmen und Personen. Deshalb sollten Bürger und Bürgerinnen sich ihrer demokratischen Rechte bewusst sein und die Gelegenheit nutzen, sich zu informieren und mitzudiskutieren.

Eroglu: Ich wünsche mir von Bundesinnenministerin Nancy Faeser, besser geschützt werden. Als einer der Betroffenen des chinesischen Hackerangriffs auf Europaabgeordnete habe ich von Faeser auf den offenen Brief von 120 Betroffenen noch keine Reaktion erhalten. Die Hackerangriffe fanden ab 2021 statt, schon 2022 hat das amerikanische FBI auch die deutsche Bundesregierung über die chinesischen Attacken informiert. Ich als Betroffener wurde nicht darüber informiert, vermutlich zum Schutz der Beziehungen mit der Volksrepublik China. Hier fordere ich von Frau Faeser deutlich mehr Schutz ein, einhergehend damit, dass Wahlkämpfe vor der Beeinflussung ausländischer Mächte geschützt werden.

Werden Sie nach den jüngsten Angriffen auf Politiker ihr Verhalten ändern?

Eroglu: Nein.

Häusling: Nein. Ganz im Gegenteil. Ich werde weiterhin die öffentliche Diskussion suchen und mich jeglichen Debatten stellen.

Nancy Faeser hat eine bundesweite Ansprechstelle für bedrohte kommunale Amts- und Mandatsträger eingerichtet. Bringt das etwas?

Häusling: Ja, ich finde, dass es eine gute Idee ist. Vor allem um die Ehrenamtlichen und engagierten Helfer und die kommunalen Vertreter zu sichern.

Eroglu: Ja. Alle Parteien haben Probleme damit, ehrenamtliche Mandatsträger zu finden. Eine Anlaufstelle, die sich der Sorgen und Ängste der kommunalen Politiker annimmt und beratend zur Seite steht, bringt auf jeden Fall etwas.

Was macht Ihnen Hoffnung – außer besserer Strafverfolgung?

Häusling: Mir haben besonders die schnell organisierten Demonstrationen für unsere Demokratie gezeigt, dass die übergroße Mehrheit der Bürger zu Europa, unserer Verfassung und unserem demokratischen System steht – genau das macht mir Hoffnung für die Zukunft.

Eroglu: Wir leben in Deutschland, in einem wunderbaren Land. Sicherlich kann man vieles besser gestalten. Ich bin der Hoffnung, dass wir etwas erreichen können, wenn wir gemeinsam agieren und gestalten. Deshalb habe ich die Hoffnung noch nie verloren! (Maja Yüce)

Zu den Personen

Engin Eroglu (42) ist Landes- und Kreisvorsitzender sowie stellvertretender Bundesvorsitzender der Freien Wähler. Eroglu ist seit 1998 politisch tätig, seit 2019 ist er für die Freien Wähler Mitglied im Europäischen Parlament. Bei der Europawahl am Sonntag, 9. Juni, tritt er auf Platz 2 der Europaliste der Freien Wähler an. Engin Eroglu lebt in Schwalmstadt, er ist ledig. Hobby: Lesen.

Martin Häusling (63) ist gelernter Agrartechniker. Seit 1988 bewirtschaftet er den Kellerwaldhof nach Bioland-Richtlinien. Seit 15 Jahren sitzt Häusling für die Grünen im Europäischen Parlament. Für seine Fraktionen ist er agrarpolitischer Sprecher. Zuvor war er zwischen 2003 und 2009 Abgeordneter im Hessischen Landtag. Er ist Mitbegründer der hessischen Grünen.

In Frankenberg soll nach den Angriffen auf Politiker am 11. Mai eine Demonstration stattfinden.

Auch interessant

Kommentare