Das Leben ist leicht in Dubai, und das liegt nicht nur am guten Wetter. Dass es einmal regnet oder gar stürmt, ist so selten, dass ein internationales Medienereignis daraus wird, wenn es doch einmal passiert. So war es vor wenigen Wochen, als Luxusapartments unter Wasser standen und Highways zu Wasserstraßen wurden. Schnell tauchten Bilder von Luxusautos auf, die einfach auf Schlauchbooten über die Wassermassen hinwegglitten. Ob die Bilder echt waren? Wahrscheinlich eher nicht, aber das ist im Wüstenemirat nicht so wichtig.

Der Immobilienmarkt in Dubai blüht 
Der Immobilienmarkt in Dubai blüht, etwa an der künstlich angelegten Insel Marina Beach.
Ole Martin Wold

Dubai inszeniert sich als Ort der Verheißung, als neues Land der unbegrenzten Möglichkeiten, als der Ort, an dem ein schwimmender Rolls-Royce möglich erscheint, weil an diesem Ort alles möglich erscheint. Während sich die alten Machtzentren der Welt zwischen Kriegen, Terrorismus, Konjunktur- und Klimakrise aufreiben, schwebt man in Dubai eben über den Problemen, konzentriert sich auf die Zukunft, die schillernd, voller Luxus und Innovation sein soll. Das ist die Botschaft. Ob echt oder nicht, die Bilder, die Dubai produziert und in die sozialen Medien spült, haben eine Anziehung auf Millionen von Menschen. Eines der bekanntesten Dubai-Memes, millionenfach gesehen und gelikt auf Tiktok oder Instagram, geht so: "Du denkst, Geld kann kein Glück kaufen? Habibi, komm nach Dubai!"

Siemens' "König von Nigeria"

Natürlich kann man bezweifeln, dass es tatsächlich Glück ist, was die meisten Menschen in Dubai suchen, es gibt sicher auch banalere Absichten. Warum beispielsweise der deutsche Eduard Seidel Dubai zu seinem Lebensmittelpunkt machte, ist nicht bekannt. Aber es liegt nahe, dass es weniger mit dem stabilen Wetter, dem türkisen Meer oder gar dem Glück zusammenhing, als mit der Tatsache, dass Dubai und Deutschland kein Auslieferungsabkommen haben. Oder, dass Dubai keine Einkommenssteuern erhebt.

Der ehemalige Siemens-Manager Eduard Seidel ist ein Name, der in einem neuen Datenleck auftaucht, das Einblicke in die Eigentumsverhältnisse von hunderttausenden Immobilien in Dubai gibt und dessen Auswertung unter dem Namen "Dubai unlocked" veröffentlicht wird. Es wurde dem amerikanischen Thinktank Center for Advanced Defense Studies (C4ADS) zugespielt, der sie mit einem internationalen Journalistenkonsortium mit insgesamt 74 Medien aus 58 Ländern unter Leitung des Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) und der Finanzzeitung E24 aus Norwegen teilte. Der STANDARD war Teil dieses Rechercheprojekts.

Seidel leitete bis 2004 die Geschäfte des deutschen Konzerns in Nigeria, und sein interner Spitzname "König von Nigeria" verdeutlicht schon: Ihm eilte der Ruf einer gewissen Großspurigkeit voraus. Vor allem aber pflegte er beste Verbindungen zu allen Präsidenten, die während seiner Tätigkeit in Lagos amtierten. Macht und Reichtum dieses heimlichen Königs speisten sich aus den schwarzen Kassen von Siemens, die Ende 2006 aufflogen und den Münchner Konzern in eine Krise stürzten. Siemens hatte systematisch Amtsträger im Ausland bestochen, um an Aufträge zu kommen.

Neue Ermittlungen

Vor allem Männer aus dem mittleren Management wie Seidel machte die Münchner Staatsanwaltschaft in den auf die Enthüllungen folgenden Strafprozessen als Verantwortliche aus. Der entthronte König von Nigeria wurde Ende 2008 wegen "Bestechung ausländischer Amtsträger" zu einer Bewährungs- und einer Geldstrafe verurteilt. Was die Ermittler damals nicht wussten: Seidel hatte mindestens 54 Millionen Schweizer Franken in der Schweiz gebunkert. Das enthüllte 2022 ein Datenleck aus der damals noch existenten Großbank Credit Suisse. Eine Summe, die bei weitem überstieg, was er als Angestellter von Siemens während seiner Karriere verdienen konnte. Die Vermutung lag nahe, dass Seidel nicht nur ausländische Amtsträger aus den schwarzen Kassen seines Arbeitgebers bestochen, sondern sich auch selbst die Taschen vollgestopft hatte. Um diesem Verdacht nachzugehen, nahm die Münchner Staatsanwaltschaft 2022 nochmals Ermittlungen auf, und erst kürzlich wurde bekannt, dass ein Schweizer Bundesgericht den deutschen Ermittlern nun Einsicht in Seidels Schweizer Bankkonten gewährte – ein seltener Schritt. Eduard Seidel ließ über seinen Anwalt dagegen mitteilen, die Beantwortung der Fragen des STANDARD sei nicht "erforderlich", es gebe auch keinen aktuellen Anlass.

Vom Rammstein-Sänger bis zu Roger Federer

Immobilienbesitz ist auch in Dubai kein Verbrechen. Die "Dubai unlocked"-Daten nennen prominente Eigentümer aus Sport und Unterhaltung, beispielsweise Tennis-Legende Roger Federer oder Rammstein-Sänger Till Lindemann, der zwischenzeitlich ein Apartment besaß. Ein Blick auf die gelisteten Eigentümer aus dem Leak zeigt aber, dass das Emirat auch eine besondere Anziehung auf zumindest zwielichtige Gestalten hat. Da wäre zum Beispiel Isabel dos Santos, einst die reichste Frau Afrikas, deren Vermögen vor allem darauf gründet, dass ihr Vater fast vierzig Jahre Präsident Angolas war und der angolanische Staat Milliardenvermögen in ihre Firmen steckte. Interpol fahndet inzwischen international nach dos Santos wegen Korruptionsvorwürfen. Auf Instagram postet sie regelmäßig Partyfotos aus Dubai, verhaftet wurde sie bisher nicht. Auf Anfrage schreibt sie, sie habe ihre 132-Quadratmeter-Wohnung vor zehn Jahren für ihren persönlichen Gebrauch erworben. Das Geld stamme aus ihren "erfolgreichen Firmen", von denen sie Gehälter und Dividenden erhalten habe und die bis heute tausende Angestellte hätten.

Auch Rammstein-Sänger Till Lindemann besaß zwischenzeitlich ein Apartment in Dubai.
APA/dpa/Malte Krudewig

Detektive und Anlagenbetrüger

Auch einige Österreicher scheinen Gefallen an Dubai gefunden zu haben. Christoph Gsottbauer etwa, ein Privatdetektiv und ehemaliger Geschäftsführer der Wiener Detektei PRM. Er hatte unter anderem Verbindungen zu dem ehemaligen Wirecard-Manager Jan Marsalek und war in einige prominente FPÖ-Skandale verwickelt. Gsottbauer wurde zwischenzeitlich als Besitzer von drei Wohnungen im luxuriösen Stadtteil Dubai Marina aufgeführt, mittlerweile wurden alle von derselben Firma übernommen. Gsottbauer beantwortete Fragen des STANDARD dazu mit einem Tränen lachenden und einem schulterzuckenden Emoji. In den Daten findet sich auch Christian Berger, der sich mit Anlagebetrug und vermeintlichen Gewinnen unter anderem aus steigenden Bitcoin-Kursen mehrere Millionen erschwindelte – und Medienberichten zufolge nach Dubai floh, um den Strafverfolgungsbehörden zu entgehen. Auch er besitzt zwei Immobilien in Dubai. Fragen beantwortete er nicht.

Auch Ruja Ignatova leistete sich ein 500-Quadratmeter-Apartment in Dubai. Ignatova wurde als "Crypto-Queen" berühmt, die weltweit eine Milliardensumme für eine vermeintliche Kryptowährung namens OneCoin einsammelte. OneCoin stellte sich als Schneeballsystem heraus und brachte etwa 3,5 Millionen Opfer um ihr Erspartes. Ignatova steht auf der Liste der zehn meistgesuchten Personen des FBI und ist seit Jahren verschwunden.

Russische Ex-Spionin empfiehlt Dubai

Eine ganze Reihe ihrer engsten Komplizen tauchen in den "Dubai unlocked"-Daten auf und manche auch schnell wieder unter. So etwa ihr früherer Sicherheitschef, der 2021 in Frankreich festgenommen wurde und zwei Jahre später spurlos verschwand, trotz Hausarrests und elektrischer Fußfessel. Die Vermutung liegt nahe, dass die Dubaier Immobilien der OneCoin-Clique mit Geldern aus ihrer Betrugsmasche bezahlt wurden.

Der STANDARD hat im Rahmen der Recherche über zwei Millionen Immobilienkäufe in Dubai aus den Jahren 2000 bis 2022 ausgewertet. Sie zeigen einen dramatischen Anstieg der Immobilienkäufe seit dem Pandemiejahr 2020. Im Jahr 2022 erreichte das jährliche Investitionsvolumen einen historischen Höchststand von umgerechnet über 200 Milliarden Euro.

Was Immobilien in Dubai so interessant macht, hat Anna Chapman auf den Punkt gebracht. Ja, die Anna Chapman, die 2010 als russische Spionin in den USA aufflog und später durch einen Gefangenenaustausch freikam. Auch sie investierte dem Datenleck zufolge in eine Wohnung in Dubai. Auf Instagram schrieb sie über ihre Beweggründe: "Hier gibt es keine Grundsteuer, zinslose Ratenzahlungen bis zu 10 Jahren, Wohnungen werden hier fast immer schlüsselfertig verkauft. Unmittelbar nach der Vorauszahlung können Sie ein Haus vermieten und erhalten ein Einkommen."

"Kombination aus sauberem und schmutzigem Geld"

Der letzte Satz ist wohl entscheidend für viele Investoren. Wer Geld aus undurchsichtigen Quellen hat, kann es in Dubai schnell in Immobilien anlegen. Wenn Mieteinnahmen fließen, ist das Geld gewaschen. Solche Investoren stört es wohl auch weniger, dass die Vereinigten Emirate autokratisch regiert und seit Jahren für Menschenrechtsverstöße kritisiert werden.

Jodi Vittori, Professorin an der Georgetown University und Expertin für Korruption und illegale Finanzen, sagt, die Vereinigten Arabischen Emirate hätten eine Wirtschaft geschaffen, die eine Mischung aus legalen und illegalen Geschäften prägt. "Wenn dort nur schmutziges Geld durchkäme, wären sie geächtet", so Vittori. "Aber es ist diese Kombination aus sauberem und schmutzigem Geld und Handel, die es so effektiv macht. Sie können ein russischer Oligarch sein oder ein irischer Verbrecherboss oder die regionale Zentrale von JP Morgan. Sie könnten alle zusammen im selben Gebäude wohnen."

Der Vorwurf, dass das Emirat der Geldwäsche ermögliche, ist nicht neu. Und der Staat hatte eigentlich Besserung versprochen. Also alles Schnee von gestern?

Offenbar können Immobilien in Dubai auch mit Kryptowährungen bezahlt werden - Geldwäscheprüfungen macht das nahezu unmöglich
Offenbar können Immobilien in Dubai auch in Kryptowährungen bezahlt werden – Geldwäscheprüfungen machen das nahezu unmöglich.
Ole Martin Wold

Wohl eher nicht, das zeigt der Anruf eines Reporters aus dem "Dubai unlocked"-Konsortium. Er ruft Ende April bei einem Dubaier Immobilienunternehmen an, das mit dem Verkauf "ikonischer Wohn-, Gewerbe- und Freizeitimmobilien" wirbt, "zum Verkauf in der Region und darüber hinaus". Der Journalist gibt sich als britischer Investor aus und behauptet, er wolle eine Wohnung in Dubai für bis zu 500.000 Euro kaufen. Und er macht schnell klar, dass mit dem vermeintlichen Geld etwas nicht stimmt: "Ich würde lieber keine Banküberweisung machen", sagt er, "am liebsten würde ich bar bezahlen oder notfalls in Kryptowährung", ob sie das denn akzeptieren würden? "Ja, machen wir", antwortet der Verkäufer. Alles kein Problem, wie viele Zimmer die Wohnung denn haben solle?

Wie schwach die Überprüfung der Kunden ist, zeigt auch der Fall von Mohammad Safdar Gohir, der den deutschen Staat 136 Millionen Euro gekostet haben soll. Gohir war der Drahtzieher eines Umsatzsteuerbetrugs mit CO2-Zertifikaten, der auch mehrere Mitarbeiter der Deutschen Bank vor Gericht brachte. Gohir wurde auf Betreiben der Staatsanwaltschaft Frankfurt in Las Vegas festgesetzt und nach Deutschland ausgeliefert. Die "Dubai unlocked"-Daten zeigen, dass er, noch während er in den USA hinter Gittern saß, in Immobilien in Dubai investierte. Das Landgericht Frankfurt verurteilte ihn später zu acht Jahren Haft.

Hochrisikostaat für Geldwäsche

Den Wert von Daten wie jenen des neuen Immobilienleaks hat auch die deutsche Bundesregierung erkannt. Schon 2021 kaufte das Bundeszentralamt für Steuern auf Betreiben des damaligen Finanzministers Olaf Scholz einen Datensatz, der Grundbuchinformationen aus Dubai enthalten haben soll, und gab die Informationen an die Landesbehörden weiter. Sie sollten damit Einkünfte deutscher Staatsbürger identifizieren, die in Dubai erwirtschaftet und nicht versteuert wurden. Fragt man das Bundeszentralamt für Steuern, wie viele deutsche Staatsbürger Immobilien in Dubai gemeldet oder Einkünfte aus Vermietung in Dubai versteuert haben, verweist ein Sprecher auf die Landesbehörden. Die Landesfinanzämter geben an, solche Informationen nicht zu erfassen oder nicht auswerten zu können. Deutsche Ermittler hingegen warnen seit langem, dass Dubai ein "Zentrum für Geldwäsche" sei. Politischen Druck erfahren die Vereinigten Emirate unterdessen aus Straßburg. Im April blockierte das EU-Parlament einen Vorstoß der Kommission, das Land von der "grauen Liste" der Hochrisikostaaten für Geldwäsche zu streichen. Die Vereinigten Arabischen Emirate, zu denen auch das Emirat Dubai gehört, teilten lediglich mit, man nehme die eigene Rolle im Schutz des Weltfinanzsystems "sehr ernst" und arbeite mit internationalen Partnern daran, Kriminelle zu verfolgen und alle Formen illegaler Finanzgeschäfte zu bekämpfen.

Mit den geleakten Daten und offen zugänglichen Daten von Regierungsstellen der Vereinigten Arabischen Emirate lässt sich nun leicht herausfinden, was den deutschen Behörden offenbar schwerfällt. Im Fall des früheren "Königs von Nigeria", Eduard Seidel, findet man mit wenigen Klicks Mietverträge für zwei seiner Wohnungen, die er vermietet. Sie allein bescheren ihm ein Einkommen von über 110.000 Euro im Jahr.

Für dieses Einkommen könnte sich auch die Staatsanwaltschaft in München interessieren. Nach der Enthüllung seines in der Schweiz versteckten Vermögens leitete die Behörde 2022 ein neues Ermittlungsverfahren gegen Seidel ein. Im Zuge dessen stellt die Münchner Staatsanwaltschaft auch ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz, gegen das sich Seidel, wie kürzlich bekannt wurde, erfolglos zur Wehr setzte. Damit kann die Schweiz nun Informationen über seine früheren Bankguthaben nach München weitergeben. Ob die Ermittlungen schließlich in eine Anklage oder gar einen Prozess münden, ist noch nicht abzusehen. Selbst dann würde dem früheren Siemens-Manager in Dubai aber wohl nichts drohen. Dem Leak zufolge besitzt Seidel eine Villa auf der berühmten Palmeninsel. Schlimmstenfalls würde Dubai für ihn zum Käfig, zu einem immerhin ziemlich goldenen.

Denn egal, was im Rest der Welt droht, in Dubai geht das leichte Leben weiter. Diese Erzählung verbreiten inzwischen auch Influencer, um noch mehr Menschen und ihr Geld nach Dubai zu locken. Ob Nahostkonflikt, Klimakrise oder gar ein Weltkrieg, immer lautet ihre Antwort: Habibi, komm nach Dubai! (Carina Huppertz, Hannes Munzinger, Fabian Schmid, 14.5.2024)