Film- und Fernsehmuseum Hamburg e.V.:  Veit Harlan

H - K

Veit Harlan - "Des Teufels Regisseur"

Regisseur

 

Am 22. September 1899 wurde Veit Harlan als Sohn von Walter Harlan (Bühnenschriftsteller) und seiner Frau Adele Harlan geb. Boothby in Berlin geboren. 1915 debütierte er nach Schauspielunterricht am Max-Reinhardt Seminar als Schauspieler in einem Theaterstück. Nach seiner Teilnahme am ersten Weltkrieg 1916-1918 arbeitete er als Schauspieler an verschiedenen Bühnen in Berlin und Thüringen. Ab 1927 hatte er erste Auftritte in Filmen.Mit der Schauspielerin Hilde Körber, die er 1929 heiratete, hatte Harlan drei Kinder. Die Ehe wurde neun Jahre später geschieden. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 bekannte sich Harlan in einem Interview des Völkischen Beobachters zu deren Politik und arbeitete wenig später erstmals erfolgreich als Filmregisseur ("Krach im Hinterhaus", 1934). Die Verfilmung der "Kreutzersonate" nach Leo N. Tolstoi wurde ein großer Kassenerfolg. Harlan drehte einen im Propagandastil der NS-Zeit gehaltenen Spielfilm ("Der Herrscher", Nationaler Filmpreis 1937) und wurde danach von Joseph Goebbels zu einem der führenden Regisseure des Nationalsozialismus aufgebaut. Die Schwedin Kristina Söderbaum, die später erst Harlans Geliebte und dann Gattin werden sollte, trat in seinem Spielfilm "Jugend" 1938 erstmalig auf. Harlan stellte sich im gleichen Jahr in den Dienst der NSDAP und nahm Elemente der NS-Propaganda in seine Filme auf (siehe "Verwehte Spuren", 1938). 1939 heirateten Harlan und Söderbaum, aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Weitere Filme, technisch hochqualifiziert und melodramatisch in Bild und Ton, unterstützten in ihrer Ideologie das NS-Regime. Goebbels beauftragte Veit Harlan 1940 mit der Regiearbeit für den antisemitischen Hetzfilm "Jud Süß", nach dem Roman "Jud Süß Oppenheimer" von Lion Feuchtwanger, der seinerseits nicht antisemitisch geprägt war. Am Drehbuch wirkte Harlan gestaltend mit. Der Film wurde u.a. mit den Schauspielern Kristina Söderbaum und Heinrich George in Osteuropa während des Zweiten Weltkrieges gedreht und rechtfertigte die Deportationen der Juden in Konzentrationslager.

 

In einem späteren Gerichtsverfahren wurde dieser Film zu einem der Hauptanklagepunkte gegen Harlan. In weiteren nachfolgenden Filmen glorifizierte Harlan Vaterlandsliebe, Nationalstolz und nationale Opferbereitschaft (z.B. "Der große König" 1941). 1943 erhielt er zum 25jährigen Jubiläum der Universum Film AG den Professorentitel. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges drehte Veit Harlan "Kolberg", einen Film, der die Deutschen zum Durchhalten und Weiterkämpfen animieren sollte. Mit 8,5 Millionen Reichsmark Budget war dies der bis dahin teuerste Film der deutschen Filmgeschichte.Harlan siedelte bei Kriegsende mit Söderbaum nach Hamburg über.Nach Beendigung des Krieges wurde Harlan oft verhaftet und vor ein Gericht gestellt, dann aber letztendlich als "Entlasteter" eingestuft. In den Jahren 1947 bis 1950 kam es zu drei Prozessen vor dem Hamburger Schwurgericht. Harlan musste sich für die Unterstützung der NS Propaganda in seinen Spielfilmen verantworten und wurde wegen "Jud Süß" für Verbrechen an der Menschlichkeit angeklagt. Man warf ihm Mitschuld an der Judenvernichtung vor, was er abstritt und stattdessen behauptete, er sei zu dieser Arbeit gezwungen worden.Veit Harlan wurde in allen drei Prozessen aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Letztlich lies sich nach Meinung des Gerichtes unter Vorsitz von Walter Tyrolf (selbst Mitglied der NSDAP und als Staatsanwalt des Sondergerichts Hamburg verantwortlich für zahlreiche Todesurteile) nicht beweisen, dass aufgrund eines Filmes den Juden Leid geschehen sei. 1947 schon übernahm Harlan anonym erste Regiearbeiten für das Theater. Immer wieder kam es zu Protestreaktionen aus der Bevölkerung und besonders aus den Reihen der Film- und Theaterschaffenden. Die Intendantin Ida Ehre z.B. erteilte Harlan und Söderbaum in den Hamburger Kammerspielen 1948 Hausverbot. Mit "Unsterbliche Geliebte" gelang Harlan 1951 ein Comeback, das aber Gegenreaktionen, Demonstrationen und Boykottversuche auslöste. Mit seiner Frau Kristina Söderbaum in den Hauptrollen drehte er in den Jahren 1952 bis 1958 noch mehrere Filme und konnte sich in der Filmwelt erneut etablieren. Kontroverse Diskussionen um seine Person und Kritik an seinem Wirken musste sich Veit Harlan den Rest seines Lebens gefallen lassen.
1964 starb Veit Harlan während eines Urlaubes auf Capri an Herzversagen. 1966 wurde seine während der Nachkriegszeit geschriebene Autobiographie veröffentlicht ("Im Schatten meiner Filme"). Neuere Aufarbeitungen des Themas versuchen, der Geschichte seiner Filmarbeit eine nicht mehr nur eindimensionale Betrachtung zukommen zu lassen. Es wird differenziert zwischen seinen unbestritten talentierten Beiträgen als Regisseur zur Filmgeschichte und seiner Haltung zur Politik des NS-Regimes, die unentschuldbar bleiben wird.
(Vgl. Frank Noack, Veit Harlan - Des Teufels Regisseur)

Literatur zum Thema

Wolfgang Kraushaar: Der Kampf gegen den "Jud Süß"- Regisseur Veit Harlan. In: Mittelweg 36. 4 (1995), 6; S.4-33
Dietrich Kuhlbrodt: "Jud Süß" und der Fall Harlan/Lüth. Zur Entnazifizierung des NS-Films. In: Peter Reichel (Hrsg.): Das Gedächtnis der Stadt. Hamburg im Umgang mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit. Hamburg 1997; S. 101-112
Frank Noack: Veit Harlan - Des Teufels Regisseur. München 2000.
Herbert Pardo; Siegfried Schiffner: Jud Süß - Historisches und juristisches Material zum Fall Veit Harlan. Hamburg 1949.
Michael Töteberg: Filmstadt Hamburg. Hamburg 1990; S. 122-126
Siegfried Zielinski: Veit Harlan. Analysen und Materialien zur Auseinandersetzung mit einem Film-Regisseur des deutschen Faschismus. Frankfurt a.M. 1981.