Zukunft von Galeria in München: Das sagen die Experten | Abendzeitung München

Zukunft von Galeria in München: Das sagen die Experten

Schon wieder ist das Schicksal von Galeria Karstadt Kaufhof unsicher. Das Warenhaus scheint tot – es sei denn, man findet ein neues Konzept. Aber es gibt auch ein Leben danach, sagen Experten.
| Martina Scheffler
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Die Galeria-Filiale am Marienplatz - ein "Top-Standort", doch was ist mit anderen Häusern?
Die Galeria-Filiale am Marienplatz - ein "Top-Standort", doch was ist mit anderen Häusern? © imago/Sven Simon

München - Nein, München muss sich nicht fürchten. Da ist sich Joachim Stumpf, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung, sehr sicher. Die Überlebenschancen der noch bestehenden Filialen des letzten großen deutschen Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof in der Landeshauptstadt seien "ausgesprochen groß", schließlich sei München "ein unglaublich starker Einzelhandelsstandort", sagt Stumpf der AZ.

Galeria Kaufhof: Welche Standorte bleiben?

Im Januar will die seit vielen Jahren um den Fortbestand kämpfende Kette des Immobilieninvestors René Benko verkünden, wie es mit ihren Standorten weitergeht. Wer bleibt?

Sieht Warenhäuser immer noch als "Magnet": Bernd Ohlmann.
Sieht Warenhäuser immer noch als "Magnet": Bernd Ohlmann. © dpa/Stefan Puchner

Der Marienplatz sei einer der Top-Standorte, sagt Stumpf. Doch was ist mit dem Haus an der Münchner Freiheit, das etwa in einer Prognose der "Immobilienzeitung" Ende Oktober bereits abgeschrieben wurde? Die Münchner Freiheit selbst sei auch "ein absoluter Tophandelsstandort", sagt Stumpf, "alle ÖPNV-Verbindungen, hohe Bevölkerungsdichte, und das Haus am Nordbad hat schon geschlossen" - somit würden auch "Warenhausfans" angezogen, die früher dorthin gingen.

Eine Frage der Miete

Aber: Ob eine Filiale überlebt, sei auch eine Frage der Miete. Und, so der Handelsexperte, es ergebe doch für einen Vermieter keinen Sinn, an einem solchen Standort "für ein in die Jahre gekommenes Konzept Zugeständnisse zu machen". An der Lage gebe es gute Alternativen für die Nachnutzung, vielfältige Nahversorgung etwa, vielleicht nur auf zwei Etagen, "zum Beispiel Bildung, Büro, Freizeit oder Wohnen". Stumpf hat keine Sorge, dass der Standort ohne Galeria veröden könnte.

Etwas emotionaler sieht es Bernd Ohlmann, Pressesprecher des Handelsverbands Bayern. "Für München wie für jede andere bayerische Stadt wäre es ein herber Verlust", sollten weitere Galeria-Filialen schließen. Außerdem glaubt Ohlmann an die Warenhäuser: "Allen Unkenrufen zum Trotz sind sie ein Magnet."

Nachnutzung ist oft kompliziert

Und auch die Nachnutzung sei oft kompliziert. "Viele Kommunalpolitiker haben Schweißperlen auf der Stirn", wenn die Schließung eines großen Warenhauses drohe. "Die fragen sich, was machen wir mit der Immobilie? Abreißen? Das ist eine gigantische Aufgabe. Da hilft nichts von der Stange. Individuelle Lösungen sind gefragt."

Das gilt wohl auch für die Filialen, die noch weiterbestehen wollen. Es komme darauf an, mit welchem Konzept ein Haus vertreten sei, sagt Ohlmann der AZ. "Das Warenhausgeschäft ist unglaublich kompliziert", stellt auch Stumpf fest. "Da darf man nicht zentralistisch vorgehen" - sprich: eine Lösung für alle Häuser. Er sieht regionale Warenhäuser wie etwa in Weilheim als Vorbild. Ein auf den Standort angepasstes Angebot, Service, Beratung, das sei wichtig.

"Schwierig" sei das Konzept Warenhaus, findet ebenso Bernhard Swoboda, Wirtschaftsprofessor mit Schwerpunkt Marketing und Handel an der Universität Trier. "Es sei denn, Sie bieten an, was andere nicht in der Lage sind zu bieten" – also Luxus oder Außergewöhnliches, sagt er der AZ und nennt als Beispiele die Häuser der Kadewe-Gruppe (unter anderem Oberpollinger) – auch an der ist René Benko beteiligt.

Soll ein Warenhaus mit einem neuen Konzept überleben, müsse dies also ein "trading up" beinhalten, eine deutliche Aufwertung, ist Swoboda sicher. "Das Konzept ,Alles unter einem Dach' verliert immer mehr an Attraktivität." Schuld am Warenhaussterben ist dem Ökonomen zufolge nicht nur die Online-Konkurrenz, sondern auch ein verändertes Konsumentenverhalten und das Aufkommen von großen Fachmärkten. "Die Menschen gehen lieber in ein spezialisiertes Geschäft mit großer Auswahl."

Bei Galeria dagegen, so ist Stumpfs Erfahrung als Kunde, werde einem oft nur ein Modell für ein weißes Hemd oder eine Cordhose gezeigt.

Seit Ende der 1980er Jahre "hat das Warenhaus massiv an Bedeutung verloren", sagt der Handelsexperte. 13 Prozent Marktanteil habe es einmal gehabt, "jetzt nicht mal mehr ein Prozent". Dies sei auch die Branche, "die am schnellsten merkt, wenn Ausgaben zurückgehen" wie jetzt gerade, sagt Swoboda.

Wandel: Textil- und Schuhgeschäfte am meisten betroffen

Am stärksten betroffen vom Wandel im Handel seien Textil- und Schuhgeschäfte in Innenstädten, sagt Stumpf. "Und genau dort haben auch die Warenhäuser ihre Kompetenz" und seien somit unter Druck. 20 Millionen Quadratmeter Verkaufsfläche von derzeit 120 Millionen bundesweit werden Prognosen zufolge in den nächsten fünf Jahren verloren gehen, so der Experte.

Doch Stumpf teilt den Pessimismus vieler Politiker und Innenstadtkaufleute nicht, die Verödung befürchten, wenn Galeria weg ist.

"Staatshilfe wäre eine extreme Ungleichbehandlung"

"Schauen Sie sich das ehemalige Hertie-Portfolio an" - etwa den Standort an der Tegernseer Landstraße. "Da ist jetzt ein Quartiersversorger drin, Fitness, Büros, Ärzte, das ist städtebaulich viel attraktiver. Je größer eine Stadt und je attraktiver der Standort, desto vielfältiger sind die Nachnutzungsmöglichkeiten."

Was ist nun von der Offerte des Onlinehändlers buero.de zu halten, der an fast 50 Galeria-Filialen interessiert ist? "Extrem wünschenswert" sei ein Weiterbetrieb, gerade, wenn in kleineren Städten dadurch die Versorgungssituation gesichert sei, sagt Stumpf.

Aber buero.de habe keine Warenhauserfahrung und müsse sein Können erst einmal unter Beweis stellen – und investieren, "viele Hundert Euro pro Quadratmeter", schätzt Stumpf. Eine Staatshilfe für Galeria – es wäre nicht die erste – wäre dagegen eine "extreme Ungleichbehandlung".

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3 Kommentare
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  • Shanna am 11.11.2022 20:12 Uhr / Bewertung:

    Das ganze Konzept mit der Markenaufteilung bei Klamotten ist völilg veraltet. - ab Größe 44 gibt es nichst mehr von Stange - und die "Dickenabteilung" (dazu zähl ich mich selbst) - sowas von lächerlich ! Viel zu klein, viel zu wenig Auswahl, viel zu teuer. Früher hab ich wenigstens noch Schuhe gefunden: ihnzwischen kann ich nur noch lachen: entweder voll jugendlich - oder Marken, die sich keiner leisten kann - ja, ich bin älter - sorry - neulich war ich der Lebensmittelabteilung - aber aber hallo - es war schon immer teurer - o.k. .- aber jetzt findest du gar nix Bezahlbares mehr - und die Auswahl- unterirdisch - lasst die endlich Bankrott gehen und verkauft die Immobilie an jemand anderen, der sich ausnahmsweise mal wieder an Kunden orientiert, statt an einem völlig veralteten Konzept festzuhalten.

  • Bluto am 11.11.2022 18:04 Uhr / Bewertung:

    "Bei Galeria dagegen, so ist Stumpfs Erfahrung als Kunde, werde einem oft nur ein Modell für ein weißes Hemd oder eine Cordhose gezeigt."
    Mit Verlaub, was immer nach so einer Aussage kommt, kann ich nicht mehr ernst nehmen.
    Der wahrscheinlich einzige Laden, in dem man mehr weiße Hemden bekommt als in einer Galeria-Filiale dürfte das Zentrallager der Mormonen in Salt Lake City sein.

  • Monika1313 am 11.11.2022 14:52 Uhr / Bewertung:

    Ganz ehrlich, es hat sich nichts geändert in den letzten Jahren. Man hat immer wieder das tote Pferd mobilisiert, egal in welcher Schieflage die Galeria war. Es ging dem Konzern nie um die Kunden und deren Annehmlichkeiten. Es gibt zwar noch einige wenige Verkäufer*innen in den Etagen, die jedoch mehr mit umräumen und einräumen beschäftigt sind, als mit dem Verkauf der Waren. Gerne wird dann noch von der Abteilungsleitung die Pauseneinteilung gemacht, die bei Kaufhof sehr zeitintensiv ist. Abgesehen davon, dass die meisten keine wirklichen Verkäufer*innen mit Fachkenntnissen sind. Es gibt pro Etage eine Kasse und dort hat auch nur eine Kasse geöffnet und unter Umständen wartet man ewig. Unzählige Male habe ich spätestens in Kassennähe meine Kaufabsicht abgebrochen, die Ware abgelegt und bin nach Hause und ins Internet. Das sehen die Geschäftsführer leider nicht. Sie reiten lieber weiter das tote Pferd. Wer die Geschichte nicht kennt, kann ja googlen.