Bloch verordnet in "Der Fremde" einem Vater und seiner Tochter eine Paartherapie. Nach einem Schlaganfall w�chst bei dem ehemaligen "besten Freund" des Psychologen die Distanz zu seinem eigen Fleisch und Blut. Der "abwesende Vater", eine ungl�ckselige Familien-Tradition, ein hohes Anschlusspotenzial f�r den Zuschauer und ein Erz�hlrhythmus, der dem Leben abgelauscht ist – dieser "Bloch" beweist, dass der Mensch spannender ist als jeder Krimifall & dass die Reihe das sozial(!) relevanteste Langzeitprojekt der letzten Jahre ist.
Foto: SWR / Stephanie SchweigertAtmosph�rischer Einstieg in "Bloch – Der Fremde": Wie verwandelt tanzt der Provinzunternehmer nachts auf dem Dach seiner Firma. Stark: Vadim Glowna
Jenni Haller ist verzweifelt. Ihr Vater, ein angesehener Unternehmer, ist nach einem Schlaganfall wie ausgewechselt. Sonderbare Anweisungen gef�hrden den Familienbetrieb. Als er ihr im Affekt k�ndigt, bestellt sie einen Gutachter, der die Zurechnungsf�higkeit des angeschlagenen Patriarchen �berpr�fen soll. Zuvor hatte Jenni Maximilian Bloch im Auftrag ihrer Mutter um Hilfe gebeten. Der Psychologe und der Gesch�ftsmann wider Willen – Haller musste vor 35 Jahren die Fabrik seines Vaters �bernehmen – waren einst beste Freunde. Gemeinsam machten sie Musik – bis Bloch einst gekr�nkt den Kontakt radikal abbrach. F�r den Psychotherapeuten steht fest, dass es hier um mehr als die Folgen eines Schlaganfalls, um mehr als Wahrnehmungsst�rungen, geht. Entm�ndigung des frisch verliebten Vaters ist f�r ihn keine L�sung. Auch kein vor�bergehender Burgfrieden. „Du musst an den Ursprung zur�ck“, fordert ihn Bloch auf und verordnet Vater und Tochter eine Paartherapie. Mehr noch als der alte Herr scheint sich die Tochter den alten Familienkonflikten nicht stellen zu wollen.
Foto: SWR / Stephanie SchweigertCash! Haller erinnert sich nur an die (tragische) Country-Legende. Mit seiner Firma, aber auch mit seiner Familie, scheint er abgeschlossen zu haben. Vadim Glowna
Was sich in der Inhaltsangabe ein wenig gezwungen liest, wirkt in den 90 Filmminuten psychologisch wie dramaturgisch h�chst �berzeugend: wunderbar klar werden die Charaktere und deren Konflikte dargelegt in einem Erz�hlrhythmus, den das Leben schreibt. Nur selten �berholt der (weitgehend unsichtbare) Autor seine Figuren – und das ist in diesem Fall genau die richtige Strategie. Alle Figuren stecken in verschiedenen Beziehungsfunktionen, keine verkommt zur Erf�llungsgehilfin der Dramaturgie. Diese vollzieht kleine Wendungen, wie zum Beispiel den Abbruch der Therapie und das Einlenken des Vaters, Wendungen, wie sie auch im Leben passieren k�nnen. Dieser Film, in dessen Mittelpunkt ein „abwesender Vater“ steht, der immer nur ein freies, unabh�ngiges Leben leben wollte, erz�hlt aber nicht nur eine Geschichte mit hohem Anschlusspotenzial, „Der Fremde“ vermittelt in Verlauf seiner Handlung auch sehr viel von der tempor�ren Struktur einer fundierten Psychotherapie – und wie die meisten „Bloch“-Filme wertet er Verhalten nicht, sondern versucht, „Beziehungen“ zu verstehen.
Foto: SWR / Stephanie SchweigertBloch (Dieter Pfaff) verordnet Vater und Tochter Hanni (sehr �berzeugend: Lisa Maria Potthoff) eine Paartherapie. Eine auff�llige Distanz ist bei beiden sp�rbar.
Dieser „Bloch“ ist ein Beispiel daf�r, dass spannender als jeder Krimifall die Geschichten sind, die die Menschen mit sich herumtragen. Und da dieser Bloch einer ist, der die Menschen mit ihren psychischen Problemen nicht zu „F�llen“ degradiert, ist die ARD-Reihe „Bloch“ das vielleicht sozial(!) relevanteste Fernsehfilm-Langzeitprojekt der letzten Jahre, das h�chst effektiv das Serielle mit dem Besonderen verbindet. Jeder Fall liegt anders und so wird auch jede Handlung anders aufgerollt. Allein Dieter Pfaffs Bloch ist jedes Mal der Fels in der Brandung und Ulrike Krumbiegels Clara sorgt daf�r, dass die Geschichten auch etwas mit Maximilian Bloch zu tun haben. Sch�n auch, dass die Beziehung der beiden langsam etwas Selbstverst�ndliches bekommt. Irgendwann muss Schluss sein mit dem ewigen K�mpfen!
Foto: SWR / Stephanie SchweigertBloch konfrontiert Vater & Tochter mit den emotionalen Orten ihrer "Beziehung".
„Der Fremde“ hat nun dar�ber hinaus noch ganz andere Qualit�ten. Den Film in die Stimmungslage des sp�ten Songwritings von Johnny Cash (nomen est omen!) einzubetten, das tr�gt viel bei zur Atmosph�re dieses �berragend gespielten, gut fotografierten, mit beil�ufigen Sinnbildern arbeitenden Films. Die emotionale Kraft der Musik (auch der Score ist vorbildlich) wirkt in die Szenen hinein. Und wenn man wei�, dass Lorenz Haller, dieser das falsche Leben gelebte Provinzmanager, die letzte Rolle des gro�en Vadim Glownas war, dann l�uft einem vielleicht nicht nur beim Schlussbild ein leiser Schauer �ber den R�cken.
Foto: SWR / Stephanie SchweigertDer Haller in "Bloch" war Vadim Glownas letzte Rolle. Er starb am 24. Januar 2012.
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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