Willi Graf: 75. Todestag des Widerstandskämpfers | Abendzeitung München

Willi Graf: 75. Todestag des Widerstandskämpfers

Am 12. Oktober 1943 stirbt Widerstandskämpfer Willi Graf durch die Guillotine. Zum Todestag erinnert die AZ an sein Leben.
| Nina Job
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Auf dieser Guillotine starb Willi Graf.
Auf dieser Guillotine starb Willi Graf.

München - Seine letzte Botschaft galt seiner Schwester Anneliese. Kurz bevor Willi Graf, 25 Jahre alt, Medizinstudent und Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime hingerichtet wurde, bat er den Gefängnispfarrer, seiner Schwester folgende Worte zu überbringen: "Du weißt, dass ich nicht leichtsinnig gehandelt habe, sondern in dem Bewusstsein der ernsten Lage. Du mögest dafür sorgen, dass dieses Andenken in der Familie, bei den Verwandten und Freunden lebendig und bewusst bleibt. Für uns ist der Tod nicht das Ende, sondern der Anfang wahren Lebens – und ich sterbe im Vertrauen auf Gottes Liebe."

Am Donnerstag vor 75 Jahren ist Willi Graf in Stadelheim ermordet worden. Er wurde geköpft – auf derselben Guillotine, auf der auch die anderen Widerstandskämpfer der Weißen Rose, Kurt Huber, Hans Leipelt, Christoph Probst, Alexander Schmorell sowie Hans und Sophie Scholl ermordet worden waren.

Willi Graf hatte am längsten im Gefängnis gesessen. Sechs Monate verbrachte er in Stadelheim, in dem sicheren Bewusstsein, dass auch er sterben muss. Mindestens acht Mal verhörte ihn die Gestapo.

Der gebürtige Rheinländer ist weniger bekannt als die anderen Widerstandskämpfer der Weißen Rose. Seine Rolle in der Gruppe war eine herausragende.

Willi Graf weigert sich, Mitglied der Hitlerjugend zu werden

Willi Graf wird am 2. Januar 1918 in Euskirchen-Kuchenheim in eine streng katholische Familie geboren. Bereits früh engagiert er sich im katholischen Schülerbund Neudeutschland. Und er zeigt früh eine klare Haltung gegen das Nazi-Regime: Der Schüler weigert sich, Mitglied der Hitlerjugend zu werden. "Obwohl sein Vater großen Druck auf ihn ausübte", sagt die Historikerin Miriam Gebhardt. "Der Vater fürchtete als Gastronom, Kunden zu verlieren." Willi Graf war der einzige Student aus der Widerstandsgruppe, der nicht in der Hitlerjugend war.

Auf dieser Guillotine starb Willi Graf.
Auf dieser Guillotine starb Willi Graf.

Auf dieser Guillotine starb Willi Graf. Foto: Haberland/Nationalmuseum

1937 beginnt er in Bonn Medizin zu studieren. Drei Jahre später wird er als Sanitäter zur Wehrmacht eingezogen. 1942, als er weiterstudieren darf, findet an der Uni kein regulärer Betrieb mehr statt. Im April 1942 wird er in eine Münchner Studentenkompanie versetzt, dort lernt er Hans Scholl und Alexander Schmorell kennen.

Nachdem die Freunde im Dezember 1942 aus der Sowjetunion von der "Front-Famulatur" zurückkehren, schließt sich Willi Graf dem aktiven Widerstand gegen die Hitler-Diktatur an. Seine Freunde haben zu diesem Zeitpunkt bereits vier regimekritische Flugblätter verbreitet.

Experten nennen Willi Graf "den Kundschafter"

Willi Graf arbeitet an den späteren Flugblättern mit, vervielfältigt sie, verteilt sie, beschafft Geld und zieht mit Hans und Alexander nachts los, um in München Parolen wie "Nieder mit Hitler!" an Häuserwände zu schreiben. Und er macht sich aktiv auf die Suche nach weiteren Unterstützern, Experten nennen ihn "den Kundschafter". Zum Jahreswechsel 1942/43 reist Graf mehrmals in seine Heimat Saarbrücken sowie nach Bonn, Freiburg, Köln und Ulm, um alte Freunde aus der katholischen Jugendbewegung zu überzeugen.

Mit der Verhaftung der Geschwister Scholl am 18. Februar 1943 ist auch sein Schicksal besiegelt. Vormittags besucht er noch eine Vorlesung, nachmittags erfährt er von der Festnahme. Er überlegt noch zu fliehen, entscheidet sich aber dagegen. Als er gegen Mitternacht nach Hause kommt in die Wohnung am Englischen Garten, läuft ihm seine Schwester entgegen. "Die Herren warten schon auf dich", sagt sie zu ihm.

Am 19. April 1943 wird er zum Tode verurteilt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Leichnam nach Saarbrücken zu seiner Familie überführt. Im Erzbistum München und Freising läuft derzeit eine Voruntersuchung, ob Willi Graf als Märtyrer seliggesprochen werden kann. 2019 soll die Entscheidung fallen.

Seine Schwester Anneliese († 2009) hat seine Botschaft bis zu ihrem eigenen Tod weitergetragen. Als sie bereits 2005 darauf angesprochen wurde, dass sich rechtsextremes Gedankengut wieder verbreitet, antwortete sie: "Ich habe nicht erwartet, so etwas noch einmal erleben zu müssen."

Lesen Sie hier: Historikerin Miriam Gebhardt im AZ-Interview über Willi Graf: "Er schützte das Leben der anderen"


St. Sylvester erinnert an den Widerstandskämpfer

In München findet anlässlich des 75. Todestag von Willi Graf öffentlich nicht viel statt – im Gegensatz zu Saarbrücken, wo der Widerstandskämpfer und Medizinstudent zur Schule ging und 2003 posthum zum Ehrenbürger ernannt wurde. Die 1. Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung, Hildegard Kronawitter, wird an Grafs Todestag ebenfalls in Saarbrücken sein. Ein öffentliches Gedenken gibt es am Donnerstag, 18 Uhr, im Rahmen eines Gottesdienstes in Sankt Sylvester in der Biedersteiner Straße 1a (Schwabing). Willi Graf besuchte die Kirche regelmäßig, er wohnte in der Nähe in der Mandlstraße 26. Eine Tafel erinnert daran.

Zum Gottesdienst wird das Kreuz aus der JVA Stadelheim nach St. Sylvester gebracht, vor dem Willi Graf und die anderen Mitglieder der Weißen Rose vor ihren Hinrichtungen beteten.

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