Ex-Notenbankchef: Wie die Finanzkrise Alan Greenspan entzauberte - WELT
WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geld
  3. Ex-Notenbankchef: Wie die Finanzkrise Alan Greenspan entzauberte

Geld Ex-Notenbankchef

Wie die Finanzkrise Alan Greenspan entzauberte

Alan Greenspan galt lange Jahre als "Orakel" der Geldpolitik Alan Greenspan galt lange Jahre als "Orakel" der Geldpolitik
Alan Greenspan galt lange Jahre als "Orakel" der Geldpolitik
Quelle: dapd
Der "Magier" der Geldpolitik wird 85 Jahre alt. Greenspan verdanken die USA einen riesigen Boom – auf den dann der totale Absturz folgte.

Sein Gang ist gebeugt, seine große Hornbrille lässt ihn eulenhaft aussehen, und wenn er spricht, dann vernuschelt er seine Worte bis zur Unverständlichkeit. Und doch hat Alan Greenspan zwei Jahrzehnte lang die größte Volkswirtschaft der Welt dominiert. In seiner Amtszeit als Chef der Zentralbank Fed erlebten die USA eine ihrer längsten Boom-Phasen. Als „Magier“ und „Orakel“ verehrten ihn Bewunderer.

Doch der Glanz des Kult-Bankers, der am Sonntag 85 Jahre alt wird, ist matt geworden. Kritiker halten ihm vor, die Grundlagen für jene Kultur der Gier und der Sorglosigkeit gelegt zu haben, welche die Welt nach seinem Abgang in die Finanzkrise stürzte. Eine Zeitlang hatte es so ausgesehen, als habe Greenspan, diese Mischung aus Kauz und Genie, als Fed-Chef (1987 bis 2006) ein Wundermittel für endloses Wirtschaftswachstum gefunden.

Nach der Rezession der frühen 1990er Jahre entfachte er durch eine Politik der niedrigen Zinsen einen lang anhaltenden Wirtschaftsboom und widerlegte die Befürchtung vieler Ökonomen, dass zu schnelles Wachstum zu Inflation führe. Von staatlicher Regulierung der Märkte hielt Greenspan wenig. Er vertraute darauf, dass den Finanzmärkten eine instinktive Vernunft innewohne, die sie vor Fehlentwicklungen schütze.

Gefährliche Viren schleichen sich ein

Das ging eine Zeit lang gut. Greenspan wachte über einen beispiellosen Zuwachs an Prosperität. Die Finanzwelt verehrte ihn, ein Wort aus Greenspans Munde konnte ein weltweites Beben an den Märkten auslösen. So trat er 1996 einen globalen Ausverkauf von Aktien los, nur weil er in einer Rede angedeutet hatte, dass die Kurse generell zu hoch seien. Greenspan wurde zum Star der Cocktail-Partys und der Medien. Politiker buhlten um seine Gunst.

Doch in den komplexen Finanz-Organismus, der sich durch Greenspans Therapie so kraftstrotzend entwickelte, hatten sich gefährliche Viren eingeschlichen. Weitgehend unbemerkt von Greenspan breiteten sie sich aus und befielen schließlich den ganzen Körper. Denn Greenspans Politik der niedrigen Zinsen hatte eine Immobilienblase ausgelöst. Banken verliehen das billige Geld an Hauskäufer, ohne deren Kreditwürdigkeit genau zu prüfen. Millionen US-Verbraucher nahmen Geld auf, das sie nie würden zurückzahlen können.

2008 platzte die Blase, die Finanzwelt stand am Rande des Kollaps. Seither sieht sich Greenspan mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Sein Nimbus der Unfehlbarkeit ist dahin, auch wenn er in den USA weiterhin als Finanzexperte Gehör findet. Er habe „furchtbar viele Fehler“ gemacht, sagte Greenspan im vergangenen Jahr vor einem Kongressausschuss zur Finanzkrise.

70 Prozent seiner Entscheidungen seien richtig gewesen. Die restlichen 30 Prozent hätten zu der Krise beigetragen. Ein Mea Culpa vermied Greenspan aber. Das Ziel, mehr Amerikanern zu einem Eigenheim zu verhelfen, sei damals politisch unumstritten gewesen. Und überhaupt: Finanzkrisen ließen sich nur schwer prophezeien. Drei Jahre vor dem großen Börsencrash von 1929 geboren, wuchs Greenspan mit der Mutter und den Großeltern in ärmlichen Verhältnissen in einem engen Appartement in Manhattan auf.

Er hatte zwei große Talente: die Mathematik und die Musik. Greenspan besuchte die Juillard School, das renommierteste Musikkonservatorium der USA, und spielte ein Jahr lang Saxofon und Klarinette in einer Swing-Band. Doch schließlich zog es ihn von den Noten zu den Zahlen zurück. Greenspan studierte Wirtschaft und gründete danach eine erfolgreiche Beratungsfirma. Später arbeitete er für die Präsidenten Richard Nixon und Gerald Ford, bevor ihn Ronald Reagan 1987 an die Spitze der Fed holte.

AFP

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema