Zum frühen Tod des Fotografen Robert Conrad: Arbeitsgebiet Ruine

Zum frühen Tod des Fotografen Robert Conrad: Arbeitsgebiet Ruine

Leer stehende Plattenbauten in Ostdeutschland, verfallende Häuser in Berlin-Prenzlauer Berg. Robert Conrads Fotografien bewahren Gedächtnis.

Erste Abrisse in der Fischstraße in Greifswald, 1986
Erste Abrisse in der Fischstraße in Greifswald, 1986Robert Conrad

In den Fotografien, die er auf seiner Internetseite zeigt, finden sich nicht sehr viele Menschen. Aber man kann nicht sagen, dass Robert Conrad Menschen nicht interessierten. Sie interessierten ihn vermittelt dadurch, wie sie ihre Welt gestalteten. Ihre Städte, ihre Landschaften. Arbeitsgebiet: Fotografien von Kulturlandschaften, heißt es auf seiner Website. Auch Ruinen zählte er dazu.

Robert Conrad (1962–2023)
Robert Conrad (1962–2023)Thomas Kemnitz

Er richtete seine Kamera etwa auf den Leerstand im „industriellen Wohnungsbau“ in den neuen Bundesländern, wie er es nannte. Er war in Wittstock, in Perleberg, Hoyerswerda und Halle-Neustadt und dokumentierte, was passiert, wenn der Mensch sich nicht mehr um seine Geschöpfe kümmert, und seien es Gebäude. Er zeigt die Risse, durch die die Natur sich drängt, so als wolle sie sich das zurückholen, was ihr einst in Form von Bauland genommen wurde. Unter dem Beton liegt die Wiese, liegt der Wald.

Robert Conrad, geboren 1962 in Quedlinburg, ist in Rostock und Greifswald aufgewachsen. Von 1983 bis 1990 arbeitete er als Fotograf und Filmautor. Daneben, so schreibt es der Lukas-Verlag in seinem Autorenprofil, hat es vergebliche Versuche gegeben, in der DDR ein Studium aufzunehmen. Die Stasi vermerkt stattdessen im „Operativen Vorgang“: „… soll kriminalisiert werden“. Robert Conrad arbeitete als Heizer, als Bibliotheksgehilfe und auf dem Bau. Nach der Wende endlich das Studium: Von 1990 bis 2000 studierte er in Berlin Kunstgeschichte und Architektur. Sein Interesse an Gebäuden drückte sich nicht nur durch seine fotografische Tätigkeit aus. Er arbeitete seit dem Jahr 2000 als Architekt in Berlin, vorrangig in den Bereichen Baugeschichte und Bauforschung. Seit 2005 aber war er dann hauptsächlich als Fotograf tätig, nahm Auftragsarbeiten vor allem für Denkmalämter, Planungsbüros, Fachverlage und Museen an, es gab Arbeitsaufenthalte in Italien, England, USA, Marokko, Indien und Russland.

Robert Conrad reiste illegal durch die Sowjetunion

Im Berliner Lukas-Verlag sind sechs Bücher mit Fotografien von Robert Conrad erschienen, etwa „Unerkannt durch Freundesland“, ein Fotoband, mit dem er seine illegalen Reisen durch das Sowjetreich dokumentierte. Und „Durchgangszimmer Prenzlauer Berg. Eine Berliner Künstlersozialgeschichte der 1970er und 1980er Jahre in Selbstauskünften“.

Überhaupt der Prenzlauer Berg. „Ein Gründerzeitbezirk vor seiner Sanierung und dem Beginn der Gentrifikation“, überschreibt er die Fotoserie. Die Arbeiten sind kurz vor und nach dem Mauerfall entstanden. Harte, körnige Kontraste zeigen den Verfall. Das hat nichts Nostalgisches, aber etwas sehr Zugewandtes. Robert Conrad hat hier nicht in erster Linie die Zerstörung gesehen. Man spürt die Liebe. Und so hat Robert Conrad das Gedächtnis dieses Bezirks bewahrt.

Robert Conrad lebte und arbeitete in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Am 9. oder 10. Mai ist er in seinem 61. Lebensjahr offenbar überraschend gestorben. Das teilte Frank Böttcher, der Verleger des Lukas-Verlags auf seiner Facebook-Seite mit. Zur Todesursache ist nichts bekannt.