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Die Wulffs – Ein Königsdrama. Ein Horrorfilm

Korrespondent
Schon als Christian Wulff Bettina Körner kennenlernte, gab es Tratsch. Berechnend sei sie, habe ihn eingefangen. Trotzdem folgten strahlende Jahre, dann der Absturz – und jetzt die erwartete Trennung.

„Bettina und Christian Wulff haben sich am Wochenende einvernehmlich räumlich getrennt, nehmen ihre Verantwortung für ihren Sohn gemeinsam wahr und werden keine weiteren Erklärungen zu ihrer privaten Situation abgeben.“

Mit diesen dürren Worten, schriftlich abgegeben von Christian Wulffs Rechtsanwalt Gernot Lehr, ist an diesem Montag ein Märchen zu Ende gegangen. Ist ein Traumpaar gescheitert. Eine wundervolle Liebesgeschichte. Ein Königsdrama. Ein Horrorfilm für die direkt Beteiligten. Unfassbar.

Und doch sagen viele jetzt, längst nicht nur in der Politik oder im Umfeld der Wulffs: Siehste! Das war doch vorhersehbar. Das konnte ja nicht gut gehen. Das haben wir doch gleich gewusst. Tschaka! Als habe man eine Wette gewonnen. Vermutlich sind viele Wetten gewonnen worden an diesem Montagmorgen in Deutschland.

Wenn das man gut geht, sagten sie in Niedersachsen

Gelohnt haben dürften sich dabei die wenigsten. Es gab ja kaum jemanden, der dagegengehalten und darauf gesetzt hätte, dass das Jawort, das Christian Wulff und Bettina Körner im Juni 2008 im Schlosshotel Münchhausen (!) einander gegeben haben, wirklich ewig gelten könnte. Oder wenigstens ein paar Jahre länger, als die Amtszeit eines Bundespräsidenten dauert, wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischenkommt.

Wer damals nach Hannover kam, in den Überschwang der neuen Liebe, die in aller Öffentlichkeit in Szene gesetzt wurde, der hatte nach kürzester Zeit jenen Gerüchtesound im Ohr, der sich früh über diese Beziehung legte: dass Bettina den Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen, einen ziemlichen Langweiler, wie alle fanden, berechnend eingefangen habe. Dass die „PR-Beraterin“ sich ihn nach allen Regeln der Kunst quasi zugelegt habe, um an seiner Seite zu glänzen, und sie ihn, irgendwann, auch wieder ablegen werde, gebraucht, verbraucht. Und dann: auf ein Neues.

Dass andersherum er von ihr so umfassend gefangen genommen worden sei, sie ihn derart aus seinem bürgerlich-braven Takt gebracht habe, dass er nun gar nicht mehr wiederzuerkennen sei. Aus dem artigen Christian sei ein feuriger Lebemann geworden. Gewandt im Smalltalk, präsent auf allen Partys. Was für ein Wandel! Wenn das man gut geht. So redeten sie damals in Niedersachsen.

Manche taten das, weil sie eben gern tratschen. Manche aber auch, weil sie schon zu diesem Zeitpunkt ein wenig in Sorge waren um Christian Wulff. Weil sie schon zu diesem Zeitpunkt nicht glauben konnten, dass diese Beziehung gut sein konnte für ihn. In Sorge waren manche auch um seine erste Ehefrau Christiane, die, mit viel Abstand betrachtet, viel eher als Bettina eine richtige Lebensliebe gewesen ist. 18 Jahre lang waren die beiden beieinander.

Sie war für ihn das Maß aller Dinge

Aus unmittelbarer Nähe aber, aus Christian Wulffs Sicht, war Bettina die Frau seines Lebens. Sie hat in ihrem Buch „Jenseits des Protokolls“ sehr ausführlich und ein bisschen von oben herab beschrieben, wie die beiden zusammenkamen. Wie sie sich zum ersten Mal gesehen haben in einem Flugzeug nach Südafrika. Wie er sich da den Kopf gestoßen habe vor lauter Aufregung. Wie er sie, zurück in Hannover, umgarnt, besimst, bezirzt und sich schließlich in ihre Wohnung geschlichen habe nach Dienstschluss. Er hatte sie erobert. Und sie war für ihn nun das Maß aller Dinge.

„Deutschland bekommt eine tolle First Lady“, diktierte er den Journalisten, als feststand, dass er Bundespräsident werden sollte. Diesen bewundernden Blick auf seine junge Frau hat sich Christian bis ganz zuletzt bewahrt. Ob er auch bis zuletzt gekämpft, gehofft, geworben hat, das weiß man nicht. Das muss man auch nicht wissen.

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Noch im Juni 2012, nach all dem Präsidenten-Horror, nach diesem dramatischen Absturz von Bellevue nach Großburgwedel, hat Christian Wulff seiner Gattin vor den versammelten Geburtstagsgästen eine Liebeserklärung gemacht, die einigen Gästen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er liebe seine Frau „abgöttisch“, sagte der gescheiterte Präsident, während die Angebetete etwas gelangweilt zur Seite blickte.

In dieser Szene spiegelt sich eine Beobachtung, die beinahe alle Menschen wiedergeben, die Christian Wulff nach seinem Rücktritt aus dem Amt des Bundespräsidenten getroffen haben. Der 53-Jährige habe eine stellenweise mit der Realität seiner Umgebung nicht so recht vereinbare Sicht auf die Dinge.

Bettina Wulff beeilte sich, ihr Buch zu schreiben

Bettina Wulff jedenfalls, daran gibt es keinen Zweifel, sah ihren Ehemann schon seit längerer Zeit weitaus kritischer. Man kann das alles nachlesen in ihrem autobiografischen Buch „Jenseits des Protokolls“, in dem sie nicht nur intime Details ihrer Ehe ausplauderte, sondern auch die emotionale Distanz durchscheinen ließ, auf die sie in Schloss Bellevue gegangen war.

Am eindrücklichsten spürt man das beim Nachlesen jener Episode, die sich um den Rücktritt von Christian Wulff rankt. Ihr sei bei dessen Rücktrittserklärung wichtig gewesen, nicht direkt an der Seite ihres Gatten zu stehen. Deshalb habe sie sich im Langhanssaal des Schlosses Bellevue auch „ganz bewusst ein Stück weit entfernt von Christian“ aufgestellt. Das war Bettinas Signal in einer Stunde, in der man auch näher hätte zusammenrücken können.

Auch in den folgenden Monaten demonstrierten die beiden eher Distanz als Nähe. Bettina Wulff beeilte sich, ihr Buch zu schreiben. Sie wollte „nicht all die Sachen auf mir sitzen lassen“, die im Laufe der Jahre an und durch die Öffentlichkeit gezogen worden waren.

Dabei muss man genau das können, wenn man Ja sagt zum Leben in der Öffentlichkeit, in und mit der Politik. Man muss „Sachen“ öffentlich auf sich sitzen lassen können, weil jedes Dementi, jede Bewegung, diese „Sache“ in der Regel nur schlimmer macht; verlängert; neue „Sachen“ gebiert.

„Jenseits des Protokolls“ ist voll von solchen „Sachen“. Von intimen Ehedetails, die unterstrichen wurden, von Bettina Wulffs öffentlichen Berichten über die Paartherapie, der sie und ihr Mann sich angesichts ihrer latenten Ehekrise unterzogen hätten. Bis heute weiß man nicht, was er von dieser Art der Öffentlichkeitsarbeit gehalten hat.

Wulff äußerte sich nicht öffentlich in eigener Sache

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Klar ist dagegen, dass Bettina im vergangenen August allen schon damals durch die Republik wabernden Trennungsgerüchten sehr entschieden entgegengetreten ist. Man plane klipp und klar „eine gemeinsame Zukunft“, sagte sie damals der „Welt am Sonntag“. Sie selbst wisse auch nicht, warum um ihre Person immer wieder Geschichten erzählt würden, die jeder Grundlage entbehrten. Das sei in ihrer Jugend schon so gewesen. Nicht zu ändern, so was.

Anders als seine Frau, anders auch als viele Beteiligte in der juristischen Aufarbeitung der Präsidenten-Affäre hat Christian Wulff sich nach seinem Rücktritt nie öffentlich in eigener Sache geäußert. Er wolle das Ende der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abwarten, hat er Anfragen fast schon mantramäßig beantwortet. Fast als wolle er seinen Abschiedssatz als Präsident noch im Nachhinein einem Realitätstest unterziehen: „Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig.“

Wenn doch etwas über seine private Sicht der Dinge bekannt wurde, dann waren es Berichte über einen Mann, der Bitterkeit empfand. Der sich zu Unrecht im Stich gelassen, verfolgt und aus dem Amt gedrängt fühlte von den Medien, von der Justiz, auch von den eigenen Leuten in Hannover und Berlin. Der nicht verstehen kann, dass die Staatsanwälte in Hannover nicht längst seine Akte geschlossen haben wegen erwiesener Unschuld des Ex-Präsidenten.

Sehnsucht, das öffentliche Leben nicht mehr allein bestreiten zu müssen

Auch Christian Wulff hat Distanz gehalten zu seiner Frau in den vergangenen Monaten. Er hat häufig in Berlin gearbeitet, während sie sich in Großburgwedel um die beiden Kinder kümmerte. Er hat sich, vorsichtig, wieder in der Öffentlichkeit sehen lassen. Zunächst auch in Berlin, dann im Ausland, in Südkorea und Italien. Er hat einen Kongress in Bochum besucht und dort Jimmy Carter getroffen. Er hat eine Rede gehalten in Heidelberg. Bei allen diesen öffentlichen Auftritten war Christian Wulff allein, ohne seine Frau. Nur in Duderstadt zeigte man sich einmal gemeinsam, als er sie zu einer Charity-Veranstaltung begleitete. In eigener Sache reiste Christian Wulff wieder ohne seine Frau. Wie damals.

Seine erste Ehe, so hat er es später bewertet, scheiterte auch daran, dass er und seine damalige Frau ständig allein „in verschiedenen Universen“ unterwegs gewesen seien. Sie in Osnabrück mit Tochter, Haushalt, Pferden. Er in Hannover oder sonst wo mit Parteifreunden, Prominenz, beruflichen Pflichten. Seine Liebe zu Bettina entsprang auch der Sehnsucht, dieses politische, dieses öffentliche Leben endlich nicht mehr allein bestreiten zu müssen. Sondern mit einem Strahlen an seiner Seite.

Das Haus ist kaum zu verkaufen

Kurz vor Weihnachten haben sich Christian und Bettina Wulff, gewollt oder ungewollt, noch einmal als glückliche Familie präsentiert. Ein Fotograf der „Bild“-Zeitung hat die beiden in Großburgwedel beim Einkauf für die Festtage abgelichtet. An der Kasse, mit Einkaufstüten und einem einigermaßen freundlichen Lächeln. Ein Bild, das signalisierte: Bei den Wulffs ist auch am Ende dieses schweren Jahres noch alles okay.

Aber da war nichts mehr okay. Schon ein paar Tage zuvor hatte es wieder zu köcheln begonnen in der hannoverschen Gerüchteküche. Christian Wulff, so hieß es am Rande niedersächsischer Wahlkampfveranstaltungen, habe sich unlängst darüber beklagt, wie schwer es sei, das bundesweit bekannte Gelbklinker-Eigenheim in Großburgwedel zu veräußern. Die Familie wolle dort nach all den Dingen, die mit diesem Gebäude verbunden würden, nicht mehr leben. Aber ein Käufer sei nirgends in Sicht.

Spätestens zum Jahresbeginn hat Christian Wulff auch in dieser Angelegenheit einen vorläufigen Schlussstrich gezogen. Er sei aus jenem Haus ausgezogen, mit dessen Kauf sein Sturz als Präsident so eng verbunden ist. Er wohne wieder in einer kleinen Wohnung in Hannover. Dort, wo im Jahr 2006 die große Romanze begonnen hatte und wo die beiden an diesem Montag ihre Trennungserklärung unterzeichnet haben.

Traurig oder aufgelöst wirkte sie nicht

Allein in Großburgwedel: Bettina Wulff nach Unterzeichnung der Trennungserklärung am Steuer ihres Wagens
Allein in Großburgwedel: Bettina Wulff nach Unterzeichnung der Trennungserklärung am Steuer ihres Wagens
Quelle: Getty Images

Danach ist Bettina Wulff wieder nach Großburgwedel gefahren, wo jetzt wieder die Reporter warten auf einen Satz, ein Foto, einen Blick. Nichts davon gibt es. Die wieder Alleinstehende bleibt im Auto, bis sich das Garagentor hinter ihr geschlossen hat. Immerhin, so berichtet die Nachrichtenagentur dpa: Traurig oder gar aufgelöst wirkt Bettina Wulff nicht an diesem grau-kalten Montagmittag.

In der Rücktrittsrede des Bundespräsidenten, gehalten am 17. Februar vergangenen Jahres, hat Christian Wulff gesagt: „Ich danke meiner Familie, vor allem danke ich meiner Frau, die ich als eine überzeugende Repräsentantin eines menschlichen und eines modernen Deutschland wahrgenommen habe. Sie hat mir immer – gerade auch in den vergangenen Monaten – und auch den Kindern starken Rückhalt gegeben.“

Man muss Christian Wulff wünschen, dass er diesen Rückhalt künftig von anderer Seite bekommt.

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