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30.11.2023

Ein unverbesserlicher Romantiker

Zum Tod von Rob Krier


Von Frank R. Werner

Als ich Rob Krier zum ersten Mal begegnete, war er wie ich Assistent an der Uni Stuttgart. Im Gegensatz zu mir hatte er jedoch bereits eine einschl�gige Karriere hinter sich, als Mitarbeiter bei Oswald Mathias Ungers und � man staune � Frei Otto sowie als Inhaber eines kleinen, eher wenig erfolgreichen Architekturb�ros. Um mit mir �ber seine Architektur zu diskutieren, lud er mich zu sich nach Warmbronn ein, wo er damals mit seiner Familie lebte. Von eigenen Projekten war dann aber nicht mehr die Rede. Stattdessen zeigte er mir voller Stolz eine ganze Armada �berlebensgro�er humanoider Torsi aus Styropor, die er ziemlich bunt bemalt hatte. Vermutlich um das �minderwertige� Material zu camouflieren.

Da ich einen guten Draht zum Kulturausschuss des Asta hatte, �berredete mich Rob, f�r ihn eine Ausstellung dieser Gebilde in unserer Uni zu arrangieren. Der Abend wurde ein Desaster. Als ein bekannter Stuttgarter K�nstler Robs Kunstwerke lauthals als �Schrott� bezeichnete, gingen Rob und er handgreiflich aufeinander los. Was Robs Fr�hlichkeit indes keinen Abbruch tat. Ich konnte damals allerdings nicht ahnen, dass diese seltsamen Figurinen das ganze sp�tere Lebenswerk von Rob als unverzichtbare Erkennungsmerkmale begleiten sollten.

Weitaus wichtiger erschien uns damals, dass Rob an einem h�chst umf�nglichen Buch arbeitete, in dem er liebevoll und fast idyllisch l�ngst zerst�rte Pl�tze und Stadtr�ume in Stuttgart und andernorts zeichnerisch rekonstruierte � mit Mitteln des 18. und 19. Jahrhunderts. Ein moderner Pierre Patte sozusagen. 1975 erschien das Buch unter dem Titel Stadtraum in Theorie und Praxis und wurde aus dem Stand heraus zum st�dtebaulichen Standardwerk der Nachmoderne.

1976 wurde der 1938 in Grevenmacher geborene Krier als erster von uns Assistenten zum Professor berufen � an die TU Wien, wo er bis 1998 das ihm geradezu auf den Leib geschnittene Institut f�r Gestaltungslehre leitete. B�se Zungen meinten damals, er sei nur deshalb berufen worden, weil die Wiener Berufungskommission mitten in den Semesterferien nur halb besetzt gewesen sei und gar nicht gewusst habe, um wen es sich bei dem Berufenen eigentlich handele. Doch allen Neidern zum Trotz war Krier in Wien richtig angekommen. Er machte einen hervorragenden Job, war ein begnadeter Lehrer und leistete sich nebenbei eines der sch�nsten historischen Ateliers der Stadt Wien, wo er seine eigene bauk�nstlerische und bildhauerische  Arbeit weiter verfolgen konnte.

Rob verdanke ich in dieser Zeit eine unfreiwillige Nacht auf einem Wiener Polizeirevier. Er hatte mich aus Berlin �einfliegen� lassen, um mir seine neuesten Architekturen zu zeigen. Es war ein gl�hend hei�er Sommertag und Rob stand der Sinn mehr nach Heurigem als nach Architektur. So fuhr er mich gegen Ende des Tages in den innerst�dtischen Park am Karlsplatz. Er platzierte mich auf einer Bank und sagte: �Ruhe Dich ein wenig aus, Du hast ja noch ausreichend Zeit bis zum Abflug�. Er selbst hatte noch einen Termin und musste weiter. Ich hatte auf meiner sch�nen halbschattigen Bank direkt den weltber�hmten Pavillon Otto Wagners f�r die Haltestelle Karlsplatz vor Augen. Trotzdem �bermannte mich die Heurigen-M�digkeit.

Das n�chste, was ich wahrnahm, war der Umstand, dass mich rohe H�nde in stockfinsterer Nacht auf der Bank liegend r�ttelten und Stimmen streng insistierten, ob ich denn eine hilflose Person sei oder gar unter Drogen st�nde. Zur Abkl�rung musste ich mit auf die n�chste Wache, wo ich mich allerlei Tests unterziehen musste. Rob und seinen teuflischen Heurigen verfluchend, konnte ich erst am n�chsten Tag zur�ck nach Berlin fliegen.

In den Wiener Jahren entstanden bedeutende Berliner IBA-Projekte wie die Wohnanlage Ritterstra�e-Nord (1988) sowie einzelne Wohn- und Gesch�ftsh�user in Berlin. Kriers Architektur vertrat immer eine ganz private, romantisch verbr�mte Spielart der Postmoderne. Eine Spielart, die in ihren besten Ausf�hrungen sehr den Nutzern*innen zugewandt war und ist. So wundert es kaum, dass er in Potsdam, Berlin, Wien und vor allem verschiedenen niederl�ndischen St�dten bis in das 21. Jahrhundert hinein eine ganze Reihe von Wohnsiedlungen und Stadtr�umen realisieren konnte, die allesamt wie sp�te 3D-Modelle zu seinem fr�heren Buch Stadtraum wirken. Stets best�ckt mit den bekannten humanoiden Bronze-Torsi anstelle der alten Styropor-Plastiken.

Als Sp�twerk entstand auf der Basis seiner stadtr�umlichen Vorstellungen bis 2008 die weitl�ufige Cit� Judiciare in Luxemburg in Zusammenarbeit mit seinem Bruder Leon Krier. Rob hat mir ein wunderbares Aquarell dieses Projekts hinterlassen.

2003 verlegte Krier sein B�ro nach Berlin, wo er es bis 2010 mit seinem Schwiegersohn Christoph Kohl weiterf�hrte. Mit Berlin ist Krier nie mehr richtig �warm geworden�. Er betrachtete das sogenannte �Neue Berlin� als schweres Vergehen an der Architektur und der Stadt. Trost fand er bis zuletzt in seinen bildhauerischen Arbeiten.

Krier blieb unter Architekt*innen Zeit seines Lebens ein Au�enseiter. Seine lebensfrohe, den Menschen zugewandte Art, sein wunderbarer luxemburgischer Akzent und sein mitunter dandyhafter Gro�k�nstler-Habitus machten ihn aber zu einem liebenswerten Zeitgenossen. Er war in der ganzen Welt ein gern gesehener Gast und Gastprofessor. Ganz im Gegensatz zum ernsten bis verbitterten Auftreten seines dogmatischen Bruders Leon Krier, der freilich kaum je etwas gebaut hat.

Krier hat uns die l�ngste, pers�nlichste und sch�nste Autobiografie hinterlassen, die ich je zu Gesicht bekommen habe. Eine Autobiografie, die nicht nur vom eigenen K�nnen und Streben nach Ruhm berichtet, sondern auf anr�hrende, ja fast intime Weise von pers�nlichen Verlusten, R�ckschl�gen, �ngsten und unerf�llten Sehns�chten berichtet. Am 20. November ist Rob Krier in Berlin gestorben. Mit ihm ist einer der gro�en unvollendeten Player der internationalen Postmoderne von uns gegangen. Ein unverbesserlicher Romantiker, dem wir lange nachtrauern werden.

Dieser Text erschien am 27. November beim Online-Magazin Marlowes. Die Zweitver�ffentlichung auf BauNetz erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Marlowes-Redaktion und des Autors.


Zum Thema:

Im Februar 2022 sprach Krier im Video-Interview in der Reihe Berliner St�dtebaugespr�che ausf�hrlich �ber sein Leben sowie seine Vorstellungen von Architektur und Stadt.


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Rob Krier (1938�2023)

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