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Lübecker Firma

Baader revolutionierte die Fisch- und Geflügelverarbeitung

Von Jürgen Hoffmann
Veröffentlicht am 28.08.2019Lesedauer: 4 Minuten
Aufgenommen in den 1930er-Jahren: Rudolph Max Joseph Baader (l.) an Bord eines russischen Fischtrawlers mit einer Klippfischmaschine
Aufgenommen in den 1930er-Jahren: Rudolph Max Joseph Baader (l.) an Bord eines russischen Fischtrawlers mit einer KlippfischmaschineQuelle: BAADER

Das Lübecker Unternehmen, das die Fisch- und Geflügelverarbeitung revolutionierte, feiert am Wochenende seinen 100. Geburtstag. Der Donnerstag wurde erst einmal zum „Innovation Day“ erklärt.

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Mehr als 1200 Mitarbeiter weltweit, davon mehr als 500 in Lübeck, Weltmarktführer für Komplettlösungen in der Fisch- und Geflügelverarbeitung mit einem Exportanteil von 95 Prozent, einer der größten Steuerzahler Schleswig-Holsteins – die Fakten des Spezialmaschinenbauers Baader sind beeindruckend. An diesem Wochenende feiert der traditionsreiche Mittelständler seinen 100. Geburtstag – und Firmenchefin Petra Baader verrät das Erfolgsrezept des Hidden Champion.

1919 gab es noch keinen Fernseher und natürlich auch keinen Computer. In Lübeck fuhren vor 100 Jahren erst sehr wenige Autos, die Arbeitszeiten waren lang, die Löhne schlecht, die automatisierte Lebensmittelherstellung befand sich in den Kinderschuhen. Im Sommer des Jahres gründete Rudolph Max Joseph Baader auf der Lübecker Altstadtinsel die Firma Nordischer Maschinenbau.

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Ein Jahr später hob der gelernte Schlosser und Ingenieur ein Forschungsinstitut für die Fischindustrie aus der Taufe, aus dem 1952 die Bundesforschungsanstalt für Fischerei wurde. Rudolf Max Baader entwickelte die weltweit erste automatisierte Fischverarbeitungsanlage: eine Heringsköpf- und Filetiermaschine. Die Neuerung revolutionierte die Branche, Baader vermietete seine begehrten Maschinen im Nordseeraum.

Verarbeitung bereits an Bord

Es folgten Jahrzehnte großer Technologiesprünge und Innovationen „made by Baader“. 1951 begann die Firma mit der Serienfertigung der Weißfischfiletiermaschine „Baader 99“. Sie wurde schnell fester Bestandteil vieler Kutter, weil jetzt die Verarbeitung der Fänge bereits an Bord möglich war. Heute, fast sieben Jahrzehnte später, werden die Fische mit einem Bildverarbeitungssystem elektronisch erfasst und bei den modernsten Anlagen werden die maschinellen Messer so eingestellt, dass die geschnittenen Filets eine einheitliche Größe haben. Und das blitzschnell: Pro Minute können bis zu 800 Filets produziert werden.

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1953 starb der Firmengründer. Ihm folgte Sohn Rudolf G. T. Baader. Er forcierte die Internationalisierung und Diversifikation des Unternehmens. Um dem Run auf die „Baader 99“ gerecht zu werden, wurde 1959 die Produktionskapazität erhöht – und die Firma zog um an ihren heutigen Standort an der Geniner Straße.

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Der Tiefseefischer Roman Fedortsov - Heimathafen Murmansk - postet auf Instagram und Twitter regelmäßig Bilder von Seemonstern, die er größtenteils aus der Barentssee und dem Europäischen Nordmeer gefischt hat. Sehen Sie hier eine schaurige Auswahl.

1995 übernahm seine Tochter Petra in schwieriger Zeit das Unternehmensruder. Dem Betrieb stand das Wasser bis zum Hals – vor allem weil das Geschäft mit einigen sozialistischen Staaten eingebrochen war. Petra Baader krempelte die Ärmel hoch und die Firma um. Mit Erfolg. Und sie kaufte zu: 1997 übernahmen die Lübecker die US-Firma Johnson Food Equipment, Hersteller von Geflügelverarbeitungsmaschinen, 2009 die dänische Gesellschaft Linco Food Systems.

Damit wurden die Norddeutschen zur weltweiten Nummer 1 für Fischbearbeitungs- und einer der führenden Anbieter von Geflügelbearbeitungsanlagen. Die wichtigsten Vertriebsmärkte sind heute Norwegen, Dänemark, USA und Chile. Besonders hohe Wachstumsraten erwartet das Familienunternehmen in den nächsten Jahren in Asien und Skandinavien.

Festakt in der „Kulturwerft Gollan“

Wie hat es der traditionsreiche Mittelständler nach ganz oben geschafft? Drei Prisen, die zum Erfolgsrezept gehören: Das Unternehmen steckt einen Großteil seiner Erlöse in Forschung und Entwicklung, ist so Technologieführer der Branche geworden. „Und wir stellen damit den Know-how-Transfer von Generation zu Generation sicher“, erläutert Petra Baader. Außerdem kümmern sich die Hanseaten von der Trave intensiv um ihre Kunden. Petra Baader: „Wir waren und sind ein Unternehmen mit Herz für Food, Technologie und Menschen.“

Aktuell befindet sich das Unternehmen mitten in der digitalen Transformation. Stichwort: Industrie 4.0. Die Firma will Innovationen entlang der gesamten Nahrungsmittelwertschöpfungskette über den eigenen Maschinenbereich hinaus vorantreiben. Jeder bisher manuelle Schritt wird analysiert und, „wenn es Sinn macht“, so die Firmenchefin, digitalisiert. Ziel: die Versorgung der wachsenden Weltbevölkerung mit „hochwertigen und nachhaltigen Lebensmitteln“ zu sichern, vor allem mit Fisch und Geflügel. Dabei sollen „Tierwohl, Transparenz und maximale Ressourcennutzung“ berücksichtigt werden. Petra Baader, die seit 1996 auch Honorarkonsulin für Norwegen ist: „Eine enorme Herausforderung für einen Mittelständler wie uns.“

Jetzt wird aber erst einmal gefeiert: Der Donnerstag wurde zum „Innovation Day“ erklärt. Im Technologie-Center des Unternehmens werden Experten über nachhaltige Bearbeitungsmethoden von Lebensmittel diskutieren. Abends findet ein Festakt in der „Kulturwerft Gollan“ statt, zu dem das Unternehmen Geschäftspartner aus aller Welt und Ministerpräsident Daniel Günther erwartet.