CSU-Staatssekretärin Dorothee Bär - Interview im Freibad - WELT
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Wirtschaft Dorothee Bär

Im Schwimmbad, außerhalb der Komfortzone

Wirtschaftsreporterin
Im ansonsten textilfreien Bereich: Dorothee Bär im Pool eines Spas in Berlin-Moabit Im ansonsten textilfreien Bereich: Dorothee Bär im Pool eines Spas in Berlin-Moabit
Im ansonsten textilfreien Bereich: Dorothee Bär im Pool eines Spas in Berlin-Moabit
Quelle: Dominik Butzmann (2)
Mit Sondererlaubnis zum Interview ins FKK-Bad: Staatssekretärin Dorothee Bär (CSU) setzt auf Provokation, um Frauenkarrieren zu beflügeln. Die Rettungsschwimmerin liebt das Wasser – und hohe Absätze.

Im pink gepunkteten Bikini steigt Dorothee Bär aus dem Swimmingpool des Berliner Vabali-Spa, als ein älterer Herr mit Handtuch um die Hüften auf sie zutritt. Das sei ein textilfreies Bad, erklärt er streng. Die dunkelhaarige Frau lächelt verbindlich. „Danke für die Information, aber wir haben eine Sondererlaubnis.“ Natürlich würde die aufstrebende CSU-Politikerin und Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium keine Nacktbilder machen. Ein Schwimmbad als Ort für das Interview aber hat sie selbst vorgeschlagen. Sie liebt das Wasser, ist ausgebildete Rettungsschwimmerin und war jahrelang Vorsitzende der Wasserwacht in Unterfranken.

Die Welt: Frau Bär, als Sie 2002 in den Bundestag kamen, diskutierten Ihre Fraktionskollegen über die angemessene Höhe Ihres Rocksaums. Können Sie den Herren jetzt Fotos im Bikini zumuten?

Dorothee Bär: Mal reden die Leute über mein Dirndl, mal über meine Absätze. Ich hab mir vorgenommen, mich davon nicht beeindrucken zu lassen. Und wenn die Fotos Aufmerksamkeit auf’s Schwimmen lenken, bin ich als langjährige Vorsitzende der Wasserwacht mehr als zufrieden. Das ist der einzige Sport, den nicht zu beherrschen tödlich sein kann.

Die Welt: Mit Klischees spielen Sie aber gern, oder? Sie eröffnen heute jedenfalls auch Autobahnabschnitte in Stilettos.

Bär: Ich mag einfach hohe Schuhe. Ich hab gar keine anderen. Als ich ins Bundesverkehrsministerium kam, hat mein Vorgänger mir mit auf den Weg gegeben, dass ich meinen Schuhschrank jetzt anpassen müsste. Aber mir war klar, dass ich meinen Schuhen treu bleiben werde. Mit flachen Schuhen würde ich mich auch verkleidet fühlen. Außerdem sind meine Absatzschuhe wirklich bequem, selbst wenn ich damit über Baustellenschutt laufe. Jetzt muss ich sie einfach öfter putzen (lacht).

Die Welt: Jung, weiblich, schön – beflügeln solche Attribute eine Karriere in der Politik oder sind sie eher hinderlich?

Bär: Ob schön oder nicht, liegt immer im Auge des Betrachters. Und wie meine Oma immer sagt: Alt wirst du von allein. Ich bin mit 14 in die Junge Union eingetreten und mit 16 in die CSU. Natürlich haben sich am Anfang viele gedacht: Lass das Madel erst mal kommen.

Die Welt: Manuela Schwesig, die Familienministerin, musste sich von Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagen lassen, sie solle „nicht so weinerlich“ sein. Nervt es Sie, dass Männer immer noch versuchen, Frauen durch althergebrachte Rollenbilder auszubremsen?

Bär: Manchmal nervt das schon. Aber je älter man wird, desto eher kontert man mit einem flotten Spruch. Mit 24 war ich im Innenausschuss des Bundestages, und da habe ich gemerkt, dass es nicht nur darauf ankommt, was man sagt, sondern auch, wer es sagt. Harte Themen helfen, um Gewicht zu bekommen. Seit ich im Bundesverkehrsministerium bin, behandeln mich einige Kollegen wesentlich freundlicher als zu meiner Zeit als zuständige Sprecherin für Familien- und Frauenpolitik. Vielleicht hoffen sie auf eine neue Umgehungsstraße für ihren Wahlkreis (lacht). Diskriminierung von Frauen im Alltag gibt es übrigens auch von Frauen. Erst heute im Flugzeug haben ein Mann und ich unsere Koffer in das gleiche, angeblich falsche Fach gestellt. Mich hat die Stewardess angepflaumt, den Mann nicht. Da hab ich zurückgepflaumt. Aber wissen Sie, dafür dass Sie über alte Rollenbilder klagen, reden wir ein bisschen viel über Klischees.

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Die Welt: Dann reden wir über Zahlen. In der CSU haben Sie einst mitgeholfen, eine 40-Prozent-Quote durchzusetzen. Jetzt stellt sich ausgerechnet Ihre Partei gegen das Gesetz für eine Frauenquote in der Wirtschaft. Müssen Sie da noch Überzeugungsarbeit leisten?

Bär: Die Frage ist, wie wir sie am besten ausgestalten. Ich trete stark für die Frauenquote ein. Aber man kann nicht in jeder Position alles öffentlich austragen, wenn ich nicht dafür zuständig bin. Ich sage immer: Eine Quote ist eine Krücke, aber sie ist notwendig. Legitim ist aber auch die Sorge, die Wirtschaft zu sehr zu gängeln.

Die Welt: Sie selbst haben heute einen Führungsjob. Geben Sie da auch anderen Frauen Auftrieb?

Bär: Ich bin Mentorin für ein Nachwuchsprogramm der Frauen Union. Es ist aber gar nicht so einfach, junge Frauen zu finden, die dabeibleiben. Einige meiner Mentees nutzen das Erlernte lieber in der Wirtschaft statt in der Politik. Den meisten ist das zu anstrengend, wenn sie sehen, wie mein Alltag aussieht ...

Die Welt: ... mit einem vollen Terminkalender in Berlin, Wahlkreisarbeit in Unterfranken und daheim drei kleinen Kindern.

Bär: An den meisten Tagen bin ich von früh morgens bis spät in die Nacht auf den Beinen. Auch jetzt geht es ja schon auf Mitternacht zu. Aber das hier empfinde ich gar nicht als Arbeit.

Die Welt: Handy aus, Wellness und ein paar Stunden nur für sich allein – gibt es das in Ihrem Leben?

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Bär: Wenn ich auf Reisen bin, gehe ich gern früh morgens ins Hotelschwimmbad. Und mit einem guten Krimi kann ich spät abends schon mal eine Stunde in der Wanne liegen. Da bleibt das Handy dann aus. Am Wochenende mit den Kindern gibt es auch Smartphone-freie Stunden. Von einem gesetzlich festgeschriebenen Recht auf Nichterreichbarkeit halte ich allerdings gar nichts. Ich habe mir meinen Job ja ausgesucht und finde es in Ordnung, erreichbar zu sein. Ich selbst möchte am Wochenende wissen, was gerade los ist. Und zu einer Statusmeldung auf Facebook oder einem Tweet musste ich mich auch noch nie zwingen.

Die Welt: Sie sind in den sozialen Netzwerken sehr präsent. Wann machen Sie das noch alles?

Bär: Das ist doch wie atmen. Das mache ich nebenbei mit. Ich bin ja im Ministerium auch für digitale Infrastruktur zuständig. Wichtig ist es mir, dass ich authentisch und nahbar bin, aber keinen Seelenstriptease mache. Über Twitter habe ich schon tolle Leute kennengelernt. Und man hat eine tolle Reichweite.

Die Welt: Wissen Sie genau, wie viele Follower Sie haben?

Bär: Etwa 29.900. Ich bin kurz davor, die 30.000 zu knacken. Das schafft super Möglichkeiten – auch die, mal Sie als Journalisten zu umgehen. (lacht) Neun von zehn Pressemitteilungen landen im Müll. Neun von zehn Tweets werden irgendwo zitiert. Das wird zwar weniger, je mehr Politiker das machen. Aber mit meinem Tweet zur Papstwahl bin ich eine halbe Stunde im ZDF in der Banderole gelaufen.

Die Welt: Was haben Sie denn geschrieben?

Bär: „Ich bin ja so aufgeregt.“ Das war, als weißer Rauch aufstieg und man noch nicht wusste, wer nun Papst ist. Jetzt kann man über die Sinnhaftigkeit streiten. Aber die „Süddeutsche“ hat das für eine Kolumne aufgegriffen. Ich war in meinem Wahlkreis in allen Zeitungen. Diese Reichweite erreichen Sie mit einer Pressemitteilung ja nie.

Die Welt: Reichweite als Ziel – frei von Inhalten?

Bär: Leider ist es inzwischen für viele doch völlig wurscht, was genau man sagt. Hauptsache, man ist mal wieder präsent in den Medien. Manchmal rackerst du dich drei Stunden auf einer Abendveranstaltung im Wahlkreis ab und bekommst kaum Reaktionen. Und dann sehen dich die Leute in einem Schnittbild im Fernsehen und sind total aufgeregt. Aber das Schöne daran ist: Je bekannter man wird, desto eher kann man diese Plattform nutzen, um wichtige Inhalte und Positionen zu verbreiten oder etwas durchzusetzen.

Die Welt: Wie halten Sie das bei Ihren Kindern, dürfen die sich im Netz bewegen?

Bär: Bei meinen Kindern bin ich extrem streng. Meine Achtjährige darf Facebook noch nicht nutzen. Da habe ich Sorge, dass sie zu viel von sich preisgibt oder falsche Freunde findet. Computerspiele dagegen sind okay. Ich bin Gründungsmitglied des Deutschen Computerspielpreises und freue mich, dass die Zuständigkeit dafür jetzt beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur liegt. Ich war von Anfang an in der Jury und habe da tolle Spiele auch für ganz Kleine kennengelernt. Wichtig ist natürlich, dass die Spiele auf das jeweilige Alter zugeschnitten sind und dass es klar begrenzte Computerzeiten gibt. Fünf Minuten gut gemachtes „Drag and drop“ pro Tag kann für ein zweijähriges Kind völlig in Ordnung sein.

Die Welt: Immerhin konnten Sie sich beim Digitalen in die Sacharbeit stürzen, während sich Ihr Minister im Maut-Streit aufrieb.

Bär: Hat er ja gar nicht. Der Minister hat die Infrastrukturabgabe gerade erfolgreich durch das Kabinett gebracht. Wir haben uns bereits im Wahlkampf gemeinsam für das Thema eingesetzt, weil wir es beide für wichtig und richtig halten. Damals war Alexander Dobrindt Generalsekretär und ich seine Stellvertreterin. Und nun haben wir die Möglichkeit, die Maut praktisch umzusetzen. Wir schließen eine Gerechtigkeitslücke und haben noch dazu jährlich eine halbe Milliarde Euro Zusatzeinnahmen. Das ist sehr viel Geld für unsere Verkehrsinfrastruktur, auf das wir nicht verzichten wollen und können.

Die Welt: Und Sie haben die Tür aufgestoßen für nutzerabhängige Gebühren auch für deutsche Autofahrer.

Bär: Es wird keine Mehrbelastung für inländische Kfz-Halter geben.

Die Welt: Um nach oben zu kommen, so scheint es, braucht man den richtigen Mix aus Anpassung und Rebellion. In Ihrer Jugend hatten Sie mal lila Haare. Dagegen wirkt Ihre politische Laufbahn eher angepasst. Ist Ihnen manchmal danach, richtig auszubrechen?

Bär: So eingeengt fühle ich mich gar nicht. Und was „die Leit“ sagen, das hat mich noch nie groß interessiert. Mal sehen, wie sie auf ein Interview im Schwimmbad reagieren.

Die Welt: Was könnte denn schlimmstenfalls passieren?

Bär: Na ja, dass einen das wieder einholt. Fotos im Schwimmbad, das ist schon außerhalb der Komfortzone. Andererseits ist Schwimmen eben wirklich mein Hobby, und Schwimmkompetenz ist gerade für Kinder im Notfall überlebenswichtig. Und man darf es sich auch nicht immer zu leicht machen.

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