Rosenheim: Gesine Schwan zum Thema Migration
  1. ovb-online-de
  2. Rosenheim
  3. Stadt Rosenheim

Gesine Schwan in Rosenheim zur Migration: „Müssen die Karten offen auf den Tisch legen“

Kommentare

Politologin Gesine Schwan
Die Politologin Gesine Schwan ist sich sicher: Das Problem der Migration kann so angegangen werden, dass es für alle tragbar ist. Und dieser Optimismus speist sich aus weiteren positiven Überzeugung: „Politik muss nicht spalten. Kluge Politik kann auch versöhnen“. © Thomae

Migration ist ein Thema, das auch die nächsten Jahrhunderte aktuell sein wird: Davon ist Politologin Gesine Schwan überzeugt. Deshalb sollte sich ihrer Meinung nach vieles an der Migrationspolitik ändern. Das sind ihre Forderungen.

Rosenheim – „Vorankommen werden wir nur, wenn wir die Karten offen auf den Tisch legen und dann versuchen, gemeinsam darüber zu diskutieren“. Das ist eine der Kernüberzeugungen der renommierten Politologin Gesine Schwan. Sie sprach am Montag (6. 5.) auf einer Veranstaltung des Grünen Ortsverbandes Rosenheim zum Themenkreis Migration. Und zu den Wahrheiten, die hierbei auf den Tisch müssen, gehört ihrer Meinung nach, dass Migration kein vorübergehendes Phänomen ist, „sondern uns die nächsten zwei, drei Jahrhunderte beschäftigen wird“. Schon deswegen, auch das ist eine Überzeugung von Gesine Schwan, die zweimal für das Amt der Bundespräsidentin kandidierte, weil Gegenmaßnahmen nur unzureichend greifen werden: Der Versuch durch Druck auf die Migrationswilligen etwas zu bewirken, etwa durch eine rigorose Abschiebungspolitik oder der „Austrocknung“ von Migrationswegen, werde auf Dauer nur wenig Erfolg haben. „Migrantenströme finden immer neue Wege und die einzigen die von der „Abwehr“ wirklich profitieren sind die Schleuser“, so Gesine Schwan.

Für sie liegt deshalb der einzig aussichtsreiche Weg, mit der Migration so umzugehen, dass sie für die einheimische Bevölkerung verkraftbar bleibt. Und brachte ein Beispiel dafür, wie das genau nicht funktionieren wird. In Greifswald habe der dortige Landrat eine Migrantenunterkunft für fünfhundert Personen sozusagen verordnet. Das, so Gesine Schwan, fast im Handstreich, jedenfalls ohne mit der Bürgerschaft auch nur ein Wort zu reden. Dass danach der Aufschrei groß gewesen sei und die Proteste massiv, sei nur allzu verständlich.

Bürger sollen mehr miteinbezogen werden

Sie warb deshalb dafür, gerade in den Kommunen die Bürger frühzeitig an allen diesbezüglichen Überlegungen zu beteiligen, denn für sie gehören an den Tisch, an dem die Karten offen aufgelegt werden sollen, immer Partner, die sich dann auch auf Augenhöhe gegenüberstehen. Nur dadurch könne so etwas wie ein erstes Grundvertrauen zwischen den verschiedenen Gruppen entwickeln. Und erst dieses Grundvertrauen mache es möglich, über gegensätzliche Positionen überhaupt erst einmal zu diskutieren. Wenn es dann gelänge, auch dort, wo die Gegensätzen unversöhnlich schienen, eine Ebene zu finden, auf der ein gemeinsames Gespräch noch möglich ist, dann könnten von dort aus zusammen neue Lösungsmöglichkeiten gesucht werden. Nicht zuletzt auch für die Frage, wie viele Migranten eine Gemeinde aufnehmen könne.

Diese „kommunalen Entwicklungsbeiräte“, so betonte Gesine Schwan, sollten keinesfalls in Konkurrenz zu Gemeinderat oder Stadtrat treten, sondern seien als eine Möglichkeit gedacht, in kommunale Überlegungen auch alle Akteure der Bürgerschaft möglichst direkt einzubinden. Die Beiräte seien dabei mittlerweile weitaus mehr als nur ein theoretisches Denkspiel, sie seien vielmehr in den verschiedensten Kommunen zu den verschiedensten Themen ein erfolgreiches Modell gewesen.

Ängste müssen angesprochen werden

Einige Gäste der Veranstaltung sahen hierbei aber ein Problem: Das Thema Migration sei oft mit Angst verbunden, zumindest mit Unbehagen, was eine sachliche Lösungsfindung nicht einfacher mache. Befürchtungen wie „Ein Land voller Migranten ist dann nicht mehr das Land, das ich kenne“ seien auch nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Gesine Schwan stimmte dem insofern zu, als auch solche Befürchtungen natürlich zu den Karten gehörten, die auf den Tisch kommen müssen. Allerdings warb sie auch hier für Weitblick, sozusagen über die eigenen Befürchtungen hinaus: „Das Land, das wir kennen und möglicherweise lieben, ist keine unveränderbare Größe. Im Gegenteil. Es ist wie alles im Leben im stetigen Wandel. Es geht also nicht darum, sich an Vergangenem festzuklammern, denn damit muss man scheitern. Es geht darum, sich zu überlegen, wie man die sich verändernde Gegenwart so gestalten kann, dass möglichst viele damit zufrieden leben können“.

Sich dieses klarzumachen sei kein einfaches Unterfangen, gab Gesine Schwan zu. Aber es sei möglich ,das könne sie schon aus der eigenen Lebenserfahrung versichern, meinte die Einundachtzigjährige.

Auch interessant

Kommentare