Italiens Außenminister spricht bei Annalena Baerbock vor: Geld für private Seenotretter

Geld für private Seenotretter: Italiens Außenminister spricht bei Baerbock vor

Tagelang gab es Streit zwischen Italien und Deutschland um die staatliche Finanzierung privater Seenotretter. In Berlin wurde dies heruntergespielt.

Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrem italienischen Amtskollegen Antonio Tajani
Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrem italienischen Amtskollegen Antonio TajaniTobias Schwarz/AFP

Es gab einen bösen Brief an Kanzler Olaf Scholz, Kampfansagen in italienischen Medien – doch als am Donnerstag der italienische Außenminister Antonio Tajani in Berlin Amtskollegin Annalena Baerbock besuchte, schien es fast, als sei alles vorher geschehene ein Missverständnis gewesen. Dass es niemals eine heftige Kritik Italiens an Deutschland wegen der staatlichen Finanzierung privater Seenotretter gegeben hätte. Doch die heile Welt trügte, vom Tisch ist der Konflikt nach wie vor nicht. Das ließ auch die lange Wartezeit der Journalisten auf die beiden erahnen. Es gab wohl Redebedarf.

Mehr als eine Stunde lang verhandelten Baerbock und Tajani am Donnerstag hinter verschlossenen Türen – es ging um Flüchtlinge und darum, dass Deutschland private Seenotretter finanziert. In Italien schlagen seitdem die Wogen hoch. Die Befürchtung: Dann kommen noch mehr Flüchtlinge in das Land.

Natürlich sei es wichtig, so stellte es Tajani klar, Menschenleben zu retten. Dafür seien diese NGO-Schiffe auch da. Doch der italienische Außenminister sagte auch: „Kein Land darf allein gelassen werden.“ Sein Land könne nicht zu einem Magnet für illegale Einwanderer werden, die „dann zufällig alle in Italien landen, weil sichere Häfen unseres Landes näher liegen“. Viele Menschen wollten nämlich auch oft in andere europäische Länder weiterreisen, betonte Tajani.

Der einstige Berlusconi-Gefährte betonte auf die Frage, warum seine Regierung seit Tagen gegen die Seenotretter, die Deutschland finanzieren möchte, zu Felde ziehe: Deutschland sei ein befreundetes Land, es gebe eine traditionelle Zusammenarbeit innerhalb der EU, Nato und G7. Doch das hindere nicht daran, auch Kritik äußern zu dürfen, so der italienische Außenminister. „Wenn es ein Problem gibt, muss man das offen äußern dürfen.“ Aber die Freundschaft werde dadurch nicht beeinträchtigt.

Neben ihm stand eine lächelnde Bundesaußenministerin, die ihren Amtskollegen mit „lieber Antonio“ anredete, aber auch um noch einmal deutlich zu sagen, wie wichtig es sei, von Schleusern übers Mittelmeer geschmuggelte Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten. „Jedes Menschenleben zählt, und jeder Mensch, der im Mittelmeer stirbt, ist einer zu viel“, sagte sie. Die Außenministerin sagte den privaten Seenotrettern außerdem erneut ihre Unterstützung zu. „Die Seenotrettung ist eine rechtliche und europäische Verpflichtung.“ Und sie fügte hinzu: „Europa beginnt vor den Außengrenzen.“ Den Streit zwischen den beiden Staaten spielte sie ebenfalls runter. Es gebe schlimmere Situationen als böse Briefe beispielsweise.

Diesen hatte Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni am vergangenen Sonnabend an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geschrieben, sie kritisierte die staatliche Unterstützung von Seenotrettern scharf.

Italienische Ministerpräsidentin über Geflüchtete in ihrem Land

In dem Schreiben erklärte die ultrarechte Regierungschefin, dass Hilfe an Land besser in Deutschland als in Italien geleistet werden sollte. „Ich habe mit Erstaunen erfahren, dass Ihre Regierung, ohne sich mit der italienischen Regierung abzustimmen, beschlossen hat, erhebliche Mittel für Nichtregierungsorganisationen bereitzustellen, die an der Aufnahme von irregulären Migranten auf italienischem Gebiet und in der Rettung im Mittelmeer arbeiten“, schrieb Meloni an Scholz. EU-Länder, die Italien helfen wollten, sollten sich besser auf „strukturelle Lösungen“ wie die Zusammenarbeit mit Transitländern konzentrieren, um die Einreisen zu stoppen.

Die Regierungschefin wiederholte überdies den Vorwurf, dass Seenotrettungsorganisationen einen „Pull-Faktor“ für Migranten bei der Überfahrt des Mittelmeers von Nordafrika darstellten. Geflüchtete würden dadurch zur gefährlichen Fahrt über das Mittelmeer nur noch mehr ermutigt. 

Italiens Verteidigungsminister: Ein „schwerwiegendes Verhalten“

Italiens Verteidigungsminister Guido Crosetto sprach von einem „sehr schwerwiegenden“ Verhalten. „Damit tut Berlin so, als ob es nicht wüsste, dass es damit ein Land in Schwierigkeiten bringt, mit dem es theoretisch ‚befreundet‘ ist“, sagte er zur Zeitung La Stampa. Crosetto gehört zur rechten größten Regierungspartei Fratelli d’Italia. Protest kam auch vom kleineren Koalitionspartner Lega. Crosetto gehört wie Meloni zur ultrarechten Regierungspartei Fratelli d’Italia.

Rom betrachtet es als eine Einmischung in innere Angelegenheiten, dass die Bundesregierung Hilfsorganisationen fördern will, die sich auf italienischem Boden um Migranten kümmern. Das Auswärtige Amt hatte darauf verwiesen, dass damit ein Beschluss des Bundestags umgesetzt werde, der im November 2022 gefasst worden war. Demnach sollten von 2023 bis 2026 jährlich zwei Millionen Euro an United 4 Rescue fließen.

Das Bündnis, so die Idee damals, würde das Geld dann an einzelne Organisationen weitergeben, die Flüchtlinge auf dem Mittelmeer an Bord nehmen. Zwischenzeitlich entschied das Auswärtige Amt jedoch, dass es selbst über die Vergabe entscheiden will. Das erste Geld – jeweils zwischen 400.000 und 800.000 Euro – solle „in Kürze“ ausgezahlt werden, an ein Projekt zur Versorgung an Land und ein Projekt zur Rettung auf See. Bei einer der Organisationen handelt es sich um SOS Humanity.

Italien hatte zuletzt einen deutlichen Anstieg ankommender Flüchtlinge registriert. Seit Jahresbeginn sind laut italienischem Innenministerium mehr als 130.000 Migranten in Italien angekommen – also bereits fast doppelt so viele wie im Jahr 2022. Allein an der Küste der Insel Lampedusa landeten im September mehr als 10.000 Flüchtlinge. Am Donnerstag versicherte Baerbock bei dem Treffen mit Tajani, die EU werde kein Land alleine lassen. Auch Italien nicht.