Der Prozeß in Deutsch | Schülerlexikon | Lernhelfer

Der Prozeß

Einordnung des Romans

Eine Einordnung des Romans „Der Prozess“ (original „Der Proceß“, in der PDF vorliegende Schreibweise „Der Prozeß“) von FRANZ KAFKA innerhalb der Literaturwissenschaft ist umstritten. Die Literatur des Autors wird zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit eingeordnet, aber eigentlich bildet sie einen originären Beitrag innerhalb der deutschen Literatur.

Am 3. Juni 1924 starb FRANZ KAFKA. Er verfügte, seine literarische Hinterlassenschaft „restlos und ungelesen zu verbrennen“. An MAX BROD hatte KAFKA zuvor selbstzweifelnd über seine Arbeiten geschrieben:

„. . . Die Romane lege ich nicht bei. Warum die alten Anstrengungen aufrühren? Nur deshalb, weil ich sie bisher nicht verbrannt habe? . . . Wenn ich nächstens komme, geschieht es hoffentlich. Worin liegt der Sinn des Aufhebens solcher ,sogar´ künstlerisch mißlungener Arbeiten? Darin, daß man hofft, daß sich aus diesen Stücken ein Ganzes zusammensetzen wird, irgendeine Berufungsinstanz, an deren Brust ich werde schlagen können, wenn ich in Not bin. Ich weiß, daß das nicht möglich ist, daß von dort keine Hilfe kommt. Was soll ich also mit den Sachen? Sollen die, die mir nicht helfen können, mir auch noch schaden, wie es, dieses Wissen vorausgesetzt, sein muß?“
(Brief an Max Brod [Prag, ca. 4.1.1918] in: Franz Kafka; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.)

An KAFKAs Weisung hielt sich sein Freund und Nachlassverwalter MAX BROD nicht. Der Roman „Der Prozess“ wurde 1925 posthum veröffentlicht. Dieser Roman KAFKAs wird zuweilen als grotesk-komischer Roman bezeichnet. Andere deuten ihn als „erkenntnistheoretische Reflexionsprosa“ oder wieder andere „als ein Entmenschlichungsprozess" der Hauptfigur Joseph K.

K. jedoch ist am ehesten das exemplarische Opfer einer brutalen Welt des Fressens und Gefressenwerdens. Joseph K. wird innerhalb eines Jahres, in dem ein Prozess gegen ihn angestrengt wird, aus dem gutbürgerlichen Milieu, aus dem er stammt und in dem er bis zum Prozessbeginn lebte, herausgerissen und fällt in der sozialen Leiter bis ganz nach unten. Das allerdings kann relativ leicht geschehen in einer Gesellschaft, in der jeder sich selbst der nächste ist:

Inhalt des Romans „Der Prozeß

(siehe PDF "Franz Kafka - Der Prozeß")

Der Bankangestellte Joseph K. wird verhaftet. Zunächst glaubt er an „einen groben Spaß“, den ihm „die Kollegen in der Bank veranstaltet hatten“. Das Gericht findet zunächst im Zimmer des Fräulein Bürstner statt, später residiert es auf Dachböden armseliger Mietskasernen. Bis zu seiner Verhaftung war K. s Leben von Ordnung und Pflicht erfüllt. Je mehr er sich mit seinem Prozess beschäftigt, um so mehr gerät sein Leben aus den Fugen. Das Gericht mischt sich in sein Privatleben ein. Man hört ihm nicht zu. Stattdessen verändert sich K. selbst. Er kann sich nicht auf seine Arbeit konzentrieren, seine Arbeitstelle in einer Bank ist gefährdet. Je mehr sich K. mit dem Prozess beschäftigt, umso mehr entdeckt er die Erotik für sich. „Die Frauen haben eine große Macht,“ sagt Josef K. Je stärker er sich auf die groteske Situation, in der er sich befindet, einlässt, in umso tiefere Schuld verstrickt er sich. Unschuldige werden seinetwegen verprügelt, seine Selbstverletzungen wachsen zuhauf: „Die Verachtung, die er früher für den Prozess gehabt hatte, galt nicht mehr.“ Vereinsamung, Verzweiflung und Verarmung führen dazu, dass er sein Schicksal annimmt, ein Urteil akzeptiert, das ohne Gesetz zustande kommt, bereit ist zu sterben, immer noch ungläubig ob dessen, was ihm geschieht:

„ 'Wie ein Hund!' sagte er, es war als sollte die Scham ihn überleben“.

Auf einem Felsen wird er entkleidet, nackt auf einen Stein gelegt und mit einem Messer erstochen.

Hinrichtung als Opferung

Diese Hinrichtung ähnelt einem archaischen Opferzeremoniell. Es sind die neuen Mythen, die die alten, schon vergessenen, überlagern und vereinnahmen: Die Anonymität und automatische Funktionsweise der Menschen in der Großstadt, wie sie ALFRED DÖBLIN ähnlich in „Berlin - Alexanderplatz“ beschreibt, das wahllose Herausgreifen eines Menschenschicksals aus der Masse, das Vorführen eines Schicksals, gewinnt die Oberhand, dieser Vereinsamung kann niemand entfliehen. Nur wird Joseph K. bei KAFKA nicht wieder in die Anonymität entlassen, wie Franz Biberkopf: Er ist das Opfer, ist ausgewählt aus der Masse, um für die Masse zu sterben.

Deutungsmöglichkeiten

Möchte man sich dem Roman KAFKAs dahingehend nähern, dass er Deutungen erfährt, begibt man sich schnell ins Reich der Spekulation. In der Literatur wird viel über Schuldgefühle geschrieben, also Schuld als Versagen, Schuld an der eigenen Existenz, Schuld im Sinne eigener Ängste, die vom (literarischen) Subjekt nicht überwunden werden können. Inwieweit es sich hier um einen autobiografischen Bezug zum Autor handelt, kann in Untersuchungen ebenso spekuliert werden, wie darum, ob nicht die „Inszenierungen von Schuld“ im Werk KAFKAs überhaupt – und im Speziellen im „Proceß“ – leitmotivisch sind. Allerdings begibt man sich in solchen Untersuchungen stets in die Gafahr, ein Werk „überzuinterpretieren“. Gewiss ist der Autor nicht vollends von seinem Werk zu trennen – und im Falle KAFKAs spielt das autobiografische Element eine zentrale Rolle. Die Projizierung seiner Ängste in die Literatur scheint folgerichtig. Literatur soll und muss allerdings stets durch den Verstand des Lesers, und hier wird sie vollendet: Jeder Leser findet seine eigenen Deutungshorizonte.

Zur Inszenierung von Schuld, vgl.: Hiebel, Hans Helmut: Der Proceß/Vor dem Gesetz, in: Kafka-Handbuch 2008. Leben-Werk-Wirkung. Hrsg. Bettina von Jagow und Oliver Jahraus, S. 456-476.

Stand: 2010
Dieser Text befindet sich in redaktioneller Bearbeitung.

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