Eigentlich sollte die kritische Edition von Hitlers „Mein Kampf“ ab heute in den Buchhandlungen stehen. Doch wer danach suchte, wurde fast nirgends fündig. Die Erstauflage hatte noch nicht einmal ausgereicht, um alle Vorbestellungen zu decken. Zudem weigern sich viele Buchhandlungen strikt, das Werk auszulegen.
- Auf Amazon ist die Ausgabe „derzeit nicht verfügbar“.
- Viele Händler legen das Buch absichtlich nicht aus.
- Die erste Auflage umfasste 4000 Exemplare, eine zweite ist geplant.
Wer heute die kritische Edition von Hitlers „Mein Kampf“ mit Kommentaren des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) kaufen wollte, wurde enttäuscht.
Laut IfZ-Direktor Andreas Wirsching reichte die bundesweite Erstauflage von 4000 Exemplaren noch nicht einmal aus, um alle Vorbestellungen auszuliefern. Schon vor Erscheinen des Buches wollten sich 15.000 Menschen ein Exemplar sichern, erklärt er. Weitere Auflagen seien jedoch geplant, die nächste soll am 18. Januar erscheinen.
Unerwarteter Ansturm
Einen solchen Ansturm auf das Buch hatte zuvor niemand erwartet. Große Buchhandlungen wie „Hugendubel“ oder „Thalia“ hatten gar nicht geplant, das Buch auszulegen.
Warum das so ist? FOCUS Online hat nachgefragt. Klare Antworten gibt es aber keine. Weder von Verkäufern, die bereits von zahlreichen Kundennachfragen genervt sind. Noch von Pressesprechern.
Sophie von Klot, Sprecherin von „Hugendubel“ sagt: „Man kann das Buch online und in der Filiale bestellen, doch wir präsentieren den Titel nicht.“ Auf Nachfrage, warum die Filialen „Mein Kampf: Eine kritische Edition“ nicht direkt anböten, heißt es nur: „Das wurde so entschieden. Wir müssen ja nicht jeden Titel präsentieren.“
Ähnlich reagiert Julia Hattrup von „Thalia“ auf FOCUS-Online-Anfrage: „Die kommentierte Ausgabe von ,Mein Kampf' wird bei Thalia auf Kundenwunsch bestellbar sein. Eine gesonderte Präsentation in unseren Buchhandlungen ist nicht vorgesehen und das Buch wird nicht in den Buchhandlungen vorrätig sein.“
Jüdischer Weltkongress kritisiert Neuauflage
Der Jüdische Weltkongress (WJC) vertritt ebenfalls die Meinung, Hitlers Hetzschrift habe in Buchhandlungen nichts zu suchen: Mein Kampf hätte bereits vor 90 Jahren vernünftig untersucht und kommentiert werden sollen, sagt WJC-Präsident Ronald S. Lauder in einem Statement, das auf der Webseite des Kongresses veröffentlicht wurde. „Es wäre das beste, ,Mein Kampf' dort zu lassen, wo es hingehört: in den Giftschrank der Geschichte.“
Auch im Netz ist die Ausgabe mit rund 3700 Fußnoten des IfZ nicht überall zu finden. Bei Internet-Gigant Amazon ist das Werk laut Info im Shop „derzeit nicht verfügbar“. Das liege an der bundesweit limitierten Auflage, erklärt Pressesprecher Christian Senft. Sollte der Onlineshop das Buch wieder führen, gehen die Erlöse aus dem Verkauf „an eine Organisation, die sich zu Gunsten von Opfern des Nationalsozialismus engagiert“, versichert Senft. Eine Ausgabe mit rund 2000 Seiten kostet 59 Euro.
Manche Buchhandlungen führen „Mein Kampf“
Eine der wenigen Ausnahmen ist die Münchner Buchhandlung „Lehmkuhl“. Dort waren einige Exemplare im Verkauf. Aus folgendem Grund: „Es ist ein zentraler Text des Nationalsozialismus, der kritisch kommentiert wird, so dass jedem heute auch die kritische Auseinandersetzung damit möglich ist“, erklärt Michael Lemling, Geschäftsführer der Buchhandlung.
Dass jetzt vermehrt Rechtsextremisten in seinen Laden kommen könnten, befürchtet er nicht: „Der Text ist umzingelt von 3500 Fußnoten, die kein gutes Haar an Hitler lassen und an seiner Ideologie. Das macht keinem Rechtsradikalen Spaß, dieses Buch in dieser kommentierten Fassung zu lesen.“