Franz Dobler schreibt in "Ein Sohn von zwei Müttern" über Adoption und Identität | Abendzeitung München
Kritik

Franz Dobler: Von Serienkillern und langen Haaren

Franz Dobler schreibt in "Ein Sohn von zwei Müttern" über Adoption und Identität
| Volker Isfort
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Der Schriftsteller Franz Dobler.
Der Schriftsteller Franz Dobler. © Gunter Glücklich

Nein, das zehntausendste Buch über Adoptivkinder habe er nicht schreiben wollen, ebenso wenig eines über Identität, denn "das eigene Leben zu erforschen und literarisch aufzubereiten langweilte ihn schon beim Gedanken daran". Dennoch hat Franz Dobler mit "Ein Sohn von zwei Müttern" nun seine persönliche Tiefenbohrung zu Papier gebracht und die Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Projektes gleich mit dazu.

Die Skepsis ist nicht angebracht, denn der 1960 in Schongau geborene und in der bayerischen Provinz aufgewachsene Autor hat eine Menge zu erzählen, tut dies allerdings mit einer gewissen Distanz zu sich selbst in der dritten Person.

 "Kanake, der kein Kanake ist" 

Seine leibliche Mutter sah er erstmals im Alter von 29 Jahren (und dann erst drei Jahrzehnte später wieder), den leiblichen Vater nie. Dieser, ein iranischer Student namens "Achmed oder eher doch Ali?", ist laut Schilderung der Mutter auch in ihrem Leben nur eine Nacht aufgetaucht und dann für immer verschwunden. Franz Dobler aber wird erst im Alter von 40 Jahren vom Autor Jamal Tuschick als ein "Kanake, der kein Kanake ist" definiert und für die Anthologie "Morgen Land" rekrutiert. Noch eine vom Autor gerne akzeptierte Identität, bis dahin war Dobler im Selbstbild doch eher ein Bayer mit Adoptiveltern, die ihn im Alter von einem Monat aufgenommen hatten.

Aber was ist denn nun der prägende Einfluss auf das eigene Leben? Dobler grübelt über Adoption und Außenseitertum und liefert einen kleinen Abriss literarischer Bearbeitungen des Themas (klarer Sieger: "Rabenliebe" von Peter Wawerzinek). Die statistisch angeblich höhere Neigung von Adoptivkindern zum Serienmord hat sich bei Franz Dobler allerdings in stark verzärtelter Form niedergeschlagen: dem Verfassen von Kriminalromanen. Für "Ein Bulle im Zug" und "Ein Schlag ins Gesicht" erhielt er jeweils den Deutschen Krimi Preis.

Die stärksten Passagen dieses kurzen, vielschichtigen Buches sind die Schilderungen vom Aufwachsen im bayerischen Pfaffenwinkel in einem konservativen Haushalt, dem Dobler früh gedanklich durch die "Droge Literatur" entflieht. In der Heimatzeitung unternimmt er Dank eines Förderers und Veranstalters wegweisende Schritte in Richtung Musikjournalismus, was viel später zum Verfassen einer Biografie über Johnny Cash führen sollte.


Raus aus dem Elternhaus - wegen der Haare

Die über die Schultern wachsenden Haare, für den bei der Eisenbahn angestellten Vater "ein Symbol größter Verdorbenheit und größter Verachtung von allem, was er für anständig hielt" führen zum (kurzzeitigen) totalen Zerwürfnis. Mit so einer Frisur darf er das Elternhaus nicht mehr betreten, Dobler bezieht ein 200-Mark-im-Monat- Loch in München. Dumm nur, dass er Anfang der 80er Jahre mit dieser Frisur auch in den Punk- und New-Wave-Kreisen in München für einen "bescheuerten Hippie" gehalten wird, der er nie gewesen ist.

Der lässige Sound seiner Romane blitzt in "Ein Sohn von zwei Müttern" nur stellenweise auf. Aber Doblers Versuch, sich schreibend eines Themas zu entledigen, das sich innerlich so lange aufgestaut hatte, ist eine hochinteressante Auseinandersetzung mit den großen Fragen des Lebens.

Franz Dobler: "Ein Sohn von zwei Müttern" (Tropen, 220 Seiten, 22 Euro)

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