ROCKTIMES - Interview mit Stefan Schwarzmann, der Drummer von Krokus
 

Hellraiser: 14 neue Stücke auf einem Album
und das war noch nicht das Ende der Fahnenstange!
Rocktimes Interview "Hellraiser", so heißt das neue Album der schweizer Rock-Legenden von Krokus.
Pünktlich zum Release sprachen wir mit Schlagzeuger Stefan Schwarzmann über die neue Scheibe und die Band, aber auch über seine Vergangenheit und die Art, das Set zu bedienen.



Interview vom 10.09.2006


Ralf 'Jogi' Ruhenstroth
RockTimes: Hallo Stefan, endlich ist das Album Hellraiser da. Erste kurze und direkte Frage: Wie kommt Stefan Schwarzmann zu Krokus?
Stefan: Hm....weil es musikalisch gut passt. Wenn du durch meine Diskografie gehst, dann stellst du fest, dass dies eigentlich schon immer eine Richtung war, die ich gegangen bin. Obwohl ich auch immer Ausflüge in fremde Gefilde unternommen habe. Ich spielte bis 2005 bei Helloween und die war laut Sänger Andy Deris (Anm. der Redaktion: Andreas Deris, seit 1994 Leadsänger bei Helloween) für mich eine amtliche Tour. Die Sache hatte sich dann etwas verselbstständigt, in dem Helloween nochmals ihren Stil zum Schnelleren geändert hatten, was dann nicht mehr mein Ding war. Und dann fragte ich mich: »Mensch, was machst du jetzt?« Und dann hatte ich den Tipp bekommen, dass Krokus einen Drummer suchen. Ich rief an und man wollte mich kennen lernen. Das ging dann so wie man es von ganz früher kennt. Also mit Vorspielen etc. Offiziell bekannt gegeben wurde die Sache dann von Seiten der Band am 18.01.06.
RockTimes: Du hast ja u.a. bei U.D.O. gespielt und warst auch maßgeblich an der kurzzeitigen Reunion des Vorgängers Accept beteiligt. Was unterscheidet die Arbeit mit Krokus?
Stefan: Also es gibt schon feste Unterschiede zwischen U.D.O. und Accept, aber der Groove dieser beiden Bands ist sehr akribisch und teilweise maschinell. Das ist aber genau das, was sie wollen. Das sind also wirklich gespielte Achtel, die marschieren, allerdings irgendwie maschinenmäßig. Die Jungs von Krokus sagen immer »Let It Flow«, also da soll ein richtiger Fluss in das Spiel reinkommen. Das muss dann überhaupt nicht eine ausgespielte Achtel sein, sondern es darf und muss atmen und somit leben. Du merkst, es ist schwer zu erklären. Ich möchte also nicht sagen, dass Accept und U.D.O. nicht leben, ganz im Gegenteil. Die Priorität ist einfach eine andere. Bei Krokus soll es sehr easy klingen. So habe ich als Schlagzeuger einfach die Möglichkeit, die verschiedenen Stile, die ich drauf habe, mit einzubringen. Und das war bei Accept und U.D.O. definitiv nicht so.
Ich bin Krokus auch sehr dankbar. Sie schreiben mir nicht vor, dass der Song von früher genauso gespielt werden muss. Sie sagen nicht »Pass auf, dass ist die alte Messlatte und vergreif dich erst gar nicht daran«. Sie lassen mir wirklich die Möglichkeit, etwas anderes anzubieten. Und so sind z.B. die Anfangstakte von "Easy Rocker" jetzt ganz anders, als sie es je waren. Aber es wird nichts verhunzt und die Band segnet alles gemeinsam ab.
RockTimes: Hat das auch etwas damit zutun, dass das gesamte Line-up von Krokus etwas neuer ist?
Stefan: Ehrlich gesagt, weiß ich jetzt gar nicht, wer wie lange bei Krokus schon spielt. Tony war ja auch schon früher mal an der Gitarre. Mandy war ja auch schon in den 80er Jahren bei Krokus und auch Dominique spielt jetzt schon mehrere Jahre in der Band. Ich persönlich hoffe, dass sich das derzeitige Line-up wirklich bestätigt und lange hält. Ich lege auch viel Wert auf die Menschlichkeit in einer Band und ich möchte ganz ehrlich keinen Einzigen aus der Band missen. Das gilt fürs Menschliche als auch für das Musikalische.
RockTimes: Hat Stefan Schwarzmann ein musikalisches Zuhause gefunden?
Stefan: Ich hoffe das sehr. Ich meine, es ist klar, dass man irgendwann mal den Namen eines Miet-Drummers weg hat. Das musste ich auch schon hören bzw. lesen. Aber das ist immer einfach gesagt, wenn man davon nicht leben muss. Ein verstorbener Kollege sagte mal zu mir, dass, wenn die Leute immer wüssten, was hinter verschlossenen Türen passiert, wären sie nicht mehr Fan dieser Band. In meiner Vergangenheit hat es kein Projekt gegeben, wo ich sagen würde, dass ich das mal lieber nicht gemacht hätte. Das unterstreiche ich ausdrücklich.
Bei Krokus ist es nun so, dass ich selbst und auch meine Lebensgefährtin darüber nachdenken, vielleicht gegen Ende diesen oder Anfang des kommenden Jahres in die Schweiz zu ziehen. Mich nervt auch die ständige Fahrerei, die ich momentan von zu Hause in die Schweiz zur Band habe.
RockTimes: Ich muss gestehen, dass ich von eurer neuen Scheibe "Hellraiser" sehr beeindruckt bin. Sie gefällt mir außerordentlich gut. Was denkst du persönlich über das neue Album?
Stefan: Obwohl es niemand ausgesprochen hat, war es wohl wirklich die Prämisse, den Sound der 80er Jahre irgendwie einigermaßen gekonnt in das Jahr 2006 zu transferieren. Was willst du tun? Du kannst dich vielleicht einerseits auf einem gewissen Background ausruhen. Aber es gilt für uns der Spruch: »Wer ruht, der rastet und wer rastet, der rostet«. Du hast immer diesen faden Beigeschmack dabei, der da heißt nach dem Motto: »Ach komm, die alten Männer......die sollen doch froh sein, wenn sie noch ihre alten Hits einigermaßen geradeaus spielen können«. Aber auf der anderen Seite packt es dich auch an der eigenen Musiker-Ehre, immer mal wieder etwas Neues zu erschaffen. Ohne dabei allerdings den Background außer Acht zu lassen. Ich glaube, dass uns dieser Spagat ganz gut gelungen ist. Im Nachhinein findest du immer etwas, wo der Musiker oder auch der Fan meint, man hätte es anders machen können oder sollen. Aber es war schon auch unser Ziel, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Es sind 14 neue Stücke da und man hat uns erst kürzlich in einem Magazin bescheinigt, dass von uns eine wahre Spielfreude rüber kommt und dass genau das die Leute nicht mehr erwartet hätten. Selbst Marc, der schon so lange dabei ist, achtet stets und ständig auf den Spirit, der in der Band herrscht. Ich glaube, dass man diesem Album anhört, dass in der Band ein großer Respekt untereinander vorhanden ist und dass alle mit Herz und Seele dabei sind.
RockTimes: Mandy Meyer hatte mir in einem Gespräch gesagt, dass er selten mit so einer guten Rhythmussektion gearbeitet hat. Dafür seid ihr natürlich alle verantwortlich. Stimmst du ihm zu? Harmoniert die Band mit ihrem Groove besonders gut?
Stefan: Ich sehe es genauso wie Mandy. Für mich ist es ein mehrfaches nach Hause kommen. Vor allen Dingen das Musikalische. Du wirst das sicherlich auch schon mal gehört haben, in dem manche sagen »Ach komm, diese einfachen Stücke von Accept etc.« Das mag schon so sein, dass in einem bestimmten Stück 'nicht viel drin ist', obwohl das, wenn man sich mal näher damit beschäftigt, ja auch nicht immer wirklich so ist. Aber die andere Seite ist folgende Forderung: »Bring doch das Stück richtig zum Grooven«. Und damit haben meines Erachtens ganz viele Techniker Probleme. Die mögen wirklich alle schnell sein und sich ein großes Sammelsurium an Breaks angesammelt haben, aber ein Stück wirklich zum Swingen oder Grooven zu bringen, ist verdammt schwer. Genau das ist mein Steckenpferd, was ich immer wieder versuche. Bei Helloween habe ich z.B. gemerkt, dass diese wahnsinnig schnellen Double-Basses nicht mein Steckenpferd sind. Ich stecke im Rock und im Rock 'n' Roll. Da kann ich persönlich ausschalten und es entsteht eine 'Automation'.
Ganz wichtig ist auch unser Dominique in der Rhythm-Section. So etwas habe ich auch noch nicht erlebt. Und auch Tony und ich sind auf eine Art und Weise eingespielt, obwohl wir vorher noch nicht viel gemeinsam gemacht hatten. Tony und ich waren in 2 ½ Tagen mit der neuen Platte durch, ich selbst hatte in dieser Zeit sogar noch die Percussion-Overdubs eingespielt. Bei Dominique merkt man absolut, dass er auch Schlagzeuger war. Er spielt seine Rythmusgitarre sehr 'tight' und dieses 'magische Dreieck' macht jetzt bei Krokus den Groove aus. Ich glaube Mandy gerne, dass er sich da als Solo-Gitarrist sehr wohl fühlt. Selbst Dennis Ward war bei den Aufnahmen sehr erstaunt darüber, wie sehr Mandy an der Gitarre förmlich explodierte.
RockTimes: Welches Stück von "Hellraiser" hat es dir besonders angetan? Gibt es ein Lieblingsstück?
Stefan: Es sind bei mir immer so 6 - 8 Songs, die in meiner Gunst besonders weit vorne liegen. "Hellraiser" ist ein Album geworden, was ich wirklich durchhören kann. Und genau das ist für mich ein gutes Zeichen.
RockTimes: Krokus ist eine Band, die sich in den 80er-Jahren auf einem absoluten Höhepunkt befand. Die 90er-Jahre waren irgendwie für alle True-Metal-Bands nicht allzu berauschend. Was hat sich, deiner Ansicht nach, inzwischen bei Krokus verändert? Gibt es noch den alten Spirit, oder hat man sich ausschließlich auf die neue Zeit eingestellt? Welches Flair herrscht heute in der Band?
Stefan: Um es mal zu verdeutlichen: Marc kam jetzt ins Studio und überlegte, wann er denn das letzte mal so aufgenommen habe? Klar, es war bei der "Headhunter"-Scheibe. Die gesamten Aufnahmen gingen vollkommen stressfrei und ohne irgendwelche egozentrischen Ausbrüche eines Musikers ab. So läuft das jetzt bei Krokus. Und das dürfte auch die Frage nach dem Spirit beantworten. Jeder von uns bringt eine Art von Liebe zu dieser Musik mit. Ich selbst bin auf unser Album sehr stolz. Ich sage aber auch, dass das Resultat nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Ich glaube ganz fest, dass man noch mehr erwarten kann, wenn diese Besetzung so bleibt. Das war jetzt mit Sicherheit noch nicht das Ende der Fahnenstange.
RockTimes: Mit "Angel Of My Dreams" habt ihr ein Stück ausgekoppelt, welches sehr radiotauglich ist. Der Rest der Scheibe geht überwiegend in die bekannte, zwar eingängige, aber eher harte Richtung. War das Absicht? Ist dies ein Kalkül, was eine professionelle Band eingehen muss, wenn sie Geld verdienen und überregional von sich reden machen möchte?
Stefan: Also "Angel Of My Dreams" ist nicht nach dem Motto entstanden: »Komm, jetzt schreiben wir eine Single«. Wenn das so einfach wäre, würden dies ganz viele Bands so machen. Vieles, was bei uns besonders melodiös ist, wird von Mandy eingebracht. Das konnte er schon sehr gut bei Gotthard, aber auch bei Asia und Katmandu. Er hat einfach dafür eine Ader. In diesem Fall sind wir wirklich vollkommen unbefleckt als Band hingegangen und haben unser Material bei Plattenfirma bzw. Management abgegeben. Die Entscheidung fiel bei allen Beteiligten sehr schnell, dass es "Angel Of My Dreams" als erste Single-Auskoppelung sein soll.
Ich denke, man muss als Band auch Mut zum Risiko haben. Und sicherlich wird es auch von dem Einen oder Anderen Schelte und Rufe nach Verrat geben. Man kann es ganz sicher nicht als Kalkül werten und es ist auch nicht bewusst so gemacht worden. Ganz sicher nicht.
RockTimes: Etwas zu Dir als Drummer. Du spielst Premier-Drums und Becken von Paiste. Waren Sonor und Pearl als Endorser für Dich nicht zufrieden stellend?
Stefan: Premier spiele ich ja schon seit 1989. Als ich damals Sonor gespielt habe, hatte ich noch gar keinen Namen. Das war für mich der blutige Anfang und ich musste damals auch alles selbst bezahlen. Im Falle Sonor war es so: Als ich alles bezahlt hatte, teilte man mir mit, dass diese Serie eingestellt wird. Im Fall von Pearl war damals nichts verkehrt. Den Deal hatte ich über Bertram Engel (Anm. der Redaktion: Udo Lindenberg, Peter Maffay) bekommen und es war alles bis zu dem Zeitpunkt, wo ich bei Running Wild einstieg, okay. Der Gitarrist von Running Wild arbeitete bei Paiste und die hatten den Vertrieb von Premier. Und so vollzog sich eben der Wechsel.
RockTimes: Auf der 'Pile Of Skulls'-Tour mit Running Wild hattest du offensichtlich ein paar gesundheitliche Probleme. Während eines Gigs musste ein Masseur deine Arme auflockern. Was war der Grund? Lag dies an deinem kraftvollem Spiel?
Stefan: Ich kann mich da noch sehr gut dran erinnern. Meine Spielweise ist alles andere als material- und menschenschonend. Andere Leute ziehen auf, ich ziehe auf und durch!!!! Inzwischen hat sich das auf einem Level eingepegelt, wo der Groove wirklich nicht mehr außer Acht gelassen wird. Wenn du nur am Bolzen bist, dann bleibt natürlich auch etwas auf der Strecke. Damals hatte ich die falschen Sticks. Das waren Bäume, wo wirklich nur noch die Äste gefehlt haben. Die waren für diese Art von Musik, die ja auch nicht langsam war, vollkommen verkehrt. Ich hatte mir in dieser Zeit wirklich meine Handgelenke versaut. Da hatte ich auch im Anschluss noch Probleme. Aber aus Fehlern lernt man bekanntlich.
RockTimes: Stichwort "Der Bote". Arbeitest du neben Krokus noch an anderen Studioprojekten?
Stefan: Die Priorität liegt derzeit klar bei Krokus. Aber wenn das Timing passt, dann natürlich schon. Letztlich kommt es einer Band immer zu gute, wenn die Mitglieder woanders Erfahrungen sammeln.
RockTimes: Zuletzt noch mal zu Krokus. Gib uns doch einen kurzen Ausblick, wohin der Weg von Krokus führen soll. Was folgt in den nächsten Monaten und was gibt es sonst noch für Pläne?
Stefan: Wir spielen jetzt erst einmal zwei Acoustic-Sets. Zunächst einmal am 23. September in der Rockfabrik in Ludwigsburg. Allerdings nur vier bis sechs Nummern. Es ist eine Art Release-Party mit Band. An einer neuen Tour wird natürlich auch mit Hochdruck gearbeitet. Der nächste Gig wird in der Schweiz sein und dann geht es für uns noch einmal am 12. Oktober richtig los. Finnland, Schweden und Dänemark sind die Orte. Danach noch einmal Deutschland, Malta, Griechenland usw. Also, es wird mit Hochdruck gearbeitet, aber viele Veranstalter warten jetzt auch erst einmal auf das neue Album. Ich schätze, dass wir im Jahr 2007 sehr viel auf Tour sein werden.
RockTimes: Letzte Frage: Wie viele Sticks macht Stefan Schwarzmann in einem Konzert kaputt?
Stefan: Vier Paar pro Gig!!! Aber ich schaue gerade bei der Firma Ahead. Die stellen, glaube ich, Baseball-Schläger her.
RockTimes: Stefan, wir danken dir für das Gespräch und wünschen dir und der Band weiterhin viel Erfolg mit Krokus.
Wir danken Timo Hoffmann von AFM Records, der uns das Gespräch mit Stefan ermöglicht hat.
Für die Nutzung der Fotos erhielten wir die ausdrückliche Genehmigung von Stefan Schwarzmann. Danke dafür.
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