BERICHT über die Lage der Grundrechte: Standards und Praktiken in Ungarn (gemäß der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2012) | A7-0229/2013 | Europäisches Parlament

BERICHT über die Lage der Grundrechte: Standards und Praktiken in Ungarn (gemäß der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2012)

24.6.2013 - (2012/2130(INI))

Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres
Berichterstatter: Rui Tavares


Verfahren : 2012/2130(INI)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
A7-0229/2013
Eingereichte Texte :
A7-0229/2013
Aussprachen :
Angenommene Texte :

ENTWURF EINER ENTSCHLIESSUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS

über die Lage der Grundrechte: Standards und Praktiken in Ungarn (gemäß der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2012)

(2012/2130(INI))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union (EUV), der die Werte festlegt, auf die sich die Union gründet,

–   unter Hinweis auf Artikel 3, 4, 6 und 7 des Vertrags über die Europäische Union (EUV), Artikel 49, 56, 114, 167 und 258 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK),

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Februar 2012 zu den politischen Entwicklungen in Ungarn in letzter Zeit[1], in der der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres angewiesen wurde, in Zusammenarbeit mit der Kommission, dem Europarat und der Venedig-Kommission die Umsetzung der Empfehlungen in dieser Entschließung zu prüfen und seine Ergebnisse in einem Bericht darzulegen,

–   unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 10. März 2011 zum Mediengesetz in Ungarn[2] und vom 5. Juli 2011 zu der überarbeiteten ungarischen Verfassung[3],

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Dezember 2010 zur Lage der Grundrechte in der Europäischen Union (2009) – wirksame Umsetzung nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon[4],

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Dezember 2012 zur Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2010-2011[5],

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission zu Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union mit dem Titel „Wahrung und Förderung der Grundwerte der Europäischen Union“ (COM(2003)0606),

–   in Kenntnis der während der Plenardebatte des Europäischen Parlaments am 18. Januar 2012 zu den aktuellen politischen Entwicklungen in Ungarn abgegebenen Erklärungen des Rates und der Kommission,

–   in Kenntnis der Erklärungen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der während der Plenardebatte am 18. Januar 2012 zu den aktuellen politischen Entwicklungen in Ungarn eine Rede vor dem Europäischen Parlament gehalten hat,

–   unter Hinweis auf die Anhörung im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres vom 9. Februar 2012,

–   unter Hinweis auf den Bericht einer Delegation von Mitgliedern des Europäischen Parlaments zu ihrem Besuch in Budapest vom 24.-26. September 2012,

–   unter Hinweis auf die Arbeitsdokumente betreffend die Lage der Grundrechte: Standards und Praktiken in Ungarn (gemäß der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2012) bestehend aus Arbeitsdokument Nr. 1 – Unabhängigkeit der Justiz, Nr. 2 – Wesentliche Grundsätze und Grundrechte, Nr. 3 – Mediengesetze, Nr. 4 – Die Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, Nr. 5 – Abschließende Bemerkungen des Berichterstatters, die im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres am 10. Juli 2012, am 20. September 2012, am 22. Januar 2013, am 7. März 2013 und am 8. April 2013 erörtert worden sind, sowie die Anmerkungen der ungarischen Regierung dazu,

–   in Kenntnis des Grundgesetzes Ungarns, das am 18. April 2011 vom Parlament Ungarns angenommen wurde und am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist (im Folgenden: Grundgesetz), und in Kenntnis der Übergangsbestimmungen zum Grundgesetz Ungarns, die am 30. Dezember 2011 vom Parlament Ungarns angenommen wurden und ebenfalls am 1. Januar 2012 in Kraft getreten sind (im Folgenden: Übergangsbestimmungen),

–   in Kenntnis der Ersten Änderung des Grundgesetzes, die am 17. April 2012 vom Wirtschaftsminister eingebracht und am 4. Juni 2012 vom Parlament Ungarns angenommen worden ist und festlegt, dass die Übergangsbestimmungen Teil des Grundgesetzes sind,

–   in Kenntnis der Zweiten Änderung des Grundgesetzes, die am 18. September 2012 in Form eines von einem einzelnen Abgeordneten eingebrachten Gesetzesentwurfs eingebracht und am 29. Oktober 2012 vom Parlament Ungarns angenommen worden ist und die die Pflicht der Wählerregistrierung in den Übergangsbestimmungen festschreibt,

–   in Kenntnis der Dritten Änderung des Grundgesetzes, die am 7. Dezember 2012 eingebracht und am 21. Dezember 2012 vom Parlament Ungarns angenommen worden ist und festlegt, dass die Beschränkungen und Bedingungen für den Erwerb von landwirtschaftlichen Nutzflächen und Wäldern und die Vorschriften über die Organisation der integrierten landwirtschaftlichen Erzeugung mittels Kardinalgesetz festzulegen sind,

–   in Kenntnis der vierten Änderung des Grundgesetzes, die am 8. Februar 2013 in Form eines von einem einzelnen Abgeordneten vorgelegten Gesetzesentwurfs eingebracht und am 11. März 2013 vom Parlament Ungarns angenommen worden ist und durch die unter anderem der Text der Übergangsbestimmungen in das Grundgesetz aufgenommen wird (mit einigen Ausnahmen wie der Bestimmung über die obligatorische Wählerregistrierung), die jedoch am 28. Dezember 2012 durch das ungarische Verfassungsgericht aus Verfahrensgründen aufgehoben worden ist (Entscheidung Nr. 45/2012), sowie in Kenntnis der übrigen Bestimmungen dieses Dokuments, die allein für einen bestimmten Übergangszeitraum gelten,

–   in Kenntnis des Gesetzes CXI/2012 zur Änderung des Gesetzes CLXI/2011 über die Organisation und Verwaltung der Gerichte und des Gesetzes CLXII/2011 über die Rechtsstellung und die Vergütung der Richter in Ungarn,

–   in Kenntnis des Gesetzes XX/2013 über Gesetzesänderungen in Bezug auf Altersobergrenzen, die in bestimmten Dienstrechtsverhältnissen im Justizdienst anzuwenden sind,

–   in Kenntnis des Gesetzes CCVI/2011 über das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit und den rechtlichen Status von Kirchen, Konfessions- und Religionsgemeinschaften in Ungarn (Kirchengesetz), das am 30. Dezember 2011 verabschiedet worden und am 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist,

–   in Kenntnis der Stellungnahmen Nr. CDL(2011)016, CDL(2011)001, CDL-AD(2012)001, CDL-AD(2012)009, CDL-AD(2012)020 und CDL-AD(2012)004 der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission) zur neuen Verfassung in Ungarn, zu den drei rechtlichen Fragen, die aufgrund des Prozesses des Entwurfs einer neuen Verfassung für Ungarn aufgeworfen werden, zum Gesetz CLXII/2011 über die Rechtsstellung und die Vergütung der Richter in Ungarn und zum Gesetz CLXI/2011 über die Organisation und Verwaltung der Gerichte in Ungarn, zum Gesetz CLI/2011 über das ungarische Verfassungsgericht, über die Kardinalgesetze betreffend die Justiz, die nach der Verabschiedung der Stellungnahme CDL-AD(2012)001 zu Ungarn abgeändert worden sind, sowie zum Gesetz über das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit und den rechtlichen Status von Kirchen, Konfessions- und Religionsgemeinschaften in Ungarn,

–   in Kenntnis der gemeinsamen Stellungnahme Nr. CDL-AD(2012)012 der Venedig-Kommission und der OSZE/des BDIMR zum Gesetz über die Wahl von Mitgliedern des Parlaments Ungarns,

–   in Kenntnis der Anmerkungen der ungarischen Regierung Nr. CDL(2012)072, CDL(2012)046 und CDL(2012)045 zum Entwurf einer Stellungnahme der Venedig-Kommission zu den Kardinalgesetzen betreffend die Justiz, die nach der Annahme der Stellungnahme CDL-AD(2012)001 abgeändert worden sind, und zum Entwurf einer gemeinsamen Stellungnahme zum Gesetz über die Wahl von Mitgliedern des Parlaments Ungarns und zum Entwurf einer Stellungnahme zum Gesetz CLI/2011 über das Verfassungsgericht Ungarns,

–   in Kenntnis der Initiativen des Generalsekretärs des Europarats, Thorbjørn Jagland, einschließlich der Empfehlungen zur Justiz, die er in seinem Schreiben vom 24. April 2012 an den stellvertretenden ungarischen Ministerpräsidenten, Tibor Navracsics, ausgesprochen hat,

–   in Kenntnis der Antwortschreiben von Tibor Navracsics vom 10. Mai 2012 und vom 7. Juni 2012, in denen die Absicht der ungarischen staatlichen Stellen erklärt wird, sich mit den Empfehlungen von Thorbjørn Jagland zu befassen,

–   in Kenntnis des Schreibens vom 6. März 2013, das der Generalsekretär des Europarats Thorbjørn Jagland an Tibor Navracsics gerichtet hat und in dem er seine Besorgnis in Bezug auf den Vorschlag für die Vierte Änderung des Grundgesetzes zum Ausdruck bringt und die Verschiebung der Schlussabstimmung fordert, sowie auf das Antwortschreiben von Tibor Navracsics vom 7. März 2013,

–   in Kenntnis des Schreibens vom 6. März 2013, das die Außenminister Deutschlands, der Niederlande, Dänemarks und Finnlands an den Präsidenten der Europäischen Kommission José Manuel Barroso gerichtet haben und in dem sie einen Mechanismus zur Förderung der Einhaltung der Grundwerte fordern,

–   in Kenntnis des Schreibens des ungarischen Außenministers János Martonyi an seine Kollegen in den Mitgliedstaaten der EU vom 8. März 2013, in dem er das Ziel der Vierten Änderung erklärt,

–   in Kenntnis des Schreibens von José Manuel Barroso an Viktor Orbán vom 8. März 2013 zu den Bedenken der Europäischen Kommission im Hinblick auf die Vierte Änderung des Grundgesetzes sowie auf das Antwortschreiben von Viktor Orbán an den Präsidenten der Europäischen Kommission, von denen Kopien sowohl an den Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, als auch an den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, gesendet worden sind,

–   in Kenntnis der gemeinsamen Stellungnahme von Präsident Barroso und Generalsekretär Jagland vom 11. März 2013, in der sie noch einmal ihre Bedenken im Hinblick auf die Vierte Änderung des Grundgesetzes in Bezug auf den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit betonen, sowie in Kenntnis der Erklärung von Ministerpräsident Orbán in seinem Schreiben an Präsident Barroso vom 8. März 2013, nach der sich die ungarische Regierung und das Parlament Ungarns den europäischen Normen und Werten uneingeschränkt verpflichtet fühlen,

–   in Kenntnis des Ersuchens um Stellungnahme der Venedig-Kommission zur Vierten Änderung des Grundgesetzes Ungarns, das János Martonyi am 13. März 2013 an Thorbjørn Jagland gerichtet hat,

–   in Kenntnis der während der Plenardebatte des Europäischen Parlaments am 17. April 2013 abgegebenen Erklärungen des Rates und der Kommission zu der verfassungsrechtlichen Lage in Ungarn,

–   in Kenntnis des Schreibens des Menschenrechtskommissars des Europarats Thomas Hammarberg an János Martonyi vom 16. Dezember 2011, in dem er Bedenken in Bezug auf das neue ungarische Gesetz über das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit und den rechtlichen Status von Kirchen, Konfessions- und Religionsgemeinschaften in Ungarn äußert, sowie in Kenntnis der Antwort von János Martonyi vom 12. Januar 2012,

–   in Kenntnis der Stellungnahme des Menschenrechtskommissars Nr. CommDH(2011)10 vom 25. Februar 2011 zur ungarischen Mediengesetzgebung vor dem Hintergrund der Standards des Europarates zur Medienfreiheit sowie unter Hinweis auf die Anmerkungen des ungarischen Staatsministers für Öffentlichkeitsarbeit zu dieser Stellungnahme vom 30. Mai 2011,

–   in Kenntnis der Stellungnahmen des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (UNHCHR) vom 15. Februar 2012 und vom 11. Dezember 2012, in denen Ungarn aufgerufen wird, Rechtsvorschriften zu überdenken, durch die den lokalen Gebietskörperschaften die Möglichkeit eröffnet wird, Obdachlosigkeit zu kriminalisieren, und die Entscheidung des Verfassungsgerichts, das Obdachlosigkeit entkriminalisiert, zu bestätigen,

–   in Kenntnis der Stellungnahmen des UNHCHR vom 15. März 2013, in denen Bedenken über die Verabschiedung der Vierten Änderung des Grundgesetzes zum Ausdruck gebracht werden,

–   in Kenntnis des beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Vertragsverletzungsverfahrens in der Rechtssache C‑288/12, Europäische Kommission/Ungarn, bezüglich der Rechtmäßigkeit der Beendigung des Mandats des vorherigen Datenschutzbeauftragten,

–   in Kenntnis der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. November 2012 bezüglich der radikalen Absenkung des Pensionierungsalters für ungarische Richter, sowie in Kenntnis der anschließenden Annahme des Gesetzes XX/2013 zur Änderung des Gesetzes CLXII/2011 durch das Parlament Ungarns vom 11. März 2013, womit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs Rechnung getragen wurde,

–   in Kenntnis der Entscheidungen des ungarischen Verfassungsgerichts vom 16. Juli 2012 (Nr. 33/2012) über die Absenkung des Pensionierungsalters von Richtern in Ungarn, vom 28. Dezember 2012 (Nr. 45/2012) über die Übergangsbestimmungen des Grundgesetzes, vom 4. Januar 2013 (Nr. 1/2013) über das Gesetz über das Wahlverfahren und vom 26. Februar 2013 (Nr. 6/2013) über das Gesetz über Gewissens- und Religionsfreiheit und den rechtlichen Status von Kirchen, Konfessions- und Religionsgemeinschaften in Ungarn,

- unter Hinweis auf den anstehenden Bericht des Überwachungsausschusses der Parlamentarischen Versammlung des Europarats,

- unter Hinweis auf die anstehende Bewertung der Vierten Änderung des Grundgesetzes durch die Europäische Kommission,

–   gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

–   unter Hinweis auf den Bericht des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (A7-0229/2013),

I - Hintergrund und die wichtigsten offenen Fragen

Gemeinsame europäische Werte

A. in der Erwägung, dass sich die Europäische Union gemäß Artikel 2 EUV auf die Werte der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit, der Rechtsstaatlichkeit und der Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören und auf die eindeutige Achtung der Grundrechte und Grundfreiheiten gemäß der Charta der Grundrechte und der EMRK gründet, sowie ferner auf die Anerkennung der Rechtsgültigkeit dieser Rechte, Freiheiten und Grundsätze, was sich auch an dem bevorstehenden Beitritt der EU zur EMRK gemäß Artikel 6 Absatz 2 EUV zeigt;

B.  in der Erwägung, dass die in Artikel 2 EUV niedergelegten gemeinsamen Werte den Kern der Rechte ausmachen, die die im Gebiet der Europäischen Union lebenden Personen und insbesondere ihre Bürger genießen, unabhängig von ihrer Nationalität und vollkommen ungeachtet ihrer kulturellen oder religiösen Zugehörigkeit, und in der Erwägung, dass sie diese Rechte nur dann im vollen Umfang wahrnehmen können, wenn die Grundwerte und Grundprinzipien der Europäischen Union gewahrt werden;

C. in der Erwägung, dass die politische und rechtliche Auseinandersetzung mit den in Artikel 2 EUV niedergelegten Werten ein unabdingbares Fundament unserer demokratischen Gesellschaft ist und sich daher die Mitgliedstaaten sowie auch alle EU-Institutionen klar und unmissverständlich zu ihnen bekennen müssen;

D. in der Erwägung, dass die Achtung und die Förderung dieser gemeinsamen Werte nicht nur ein wesentliches Element der Identität der Europäischen Union ist, sondern auch eine ausdrückliche Verpflichtung gemäß Artikel 3 Absatz 1 und 5 EUV ist und damit eine unabdingbare Voraussetzung, um Mitgliedstaat der EU zu werden und um die mit der Mitgliedschaft einhergehenden Vorrechte vollständig zu wahren;

E.  in der Erwägung, dass die für Kandidatenländer nach den Kopenhagener Kriterien geltenden Verpflichtungen gemäß Artikel 2 EUV und der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit für die Mitgliedstaaten auch nach ihrem Beitritt zur EU weiterhin gelten, und in der Erwägung, dass alle Mitgliedstaaten daher regelmäßig beurteilt werden sollten, um festzustellen, ob sie auch weiterhin die gemeinsamen Werte der EU einhalten;

F.  in der Erwägung, dass Artikel 6 Absatz 3 EUV unterstreicht, dass die Grundrechte, die durch die EMRK gewährleistet werden und sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, allgemeine Grundsätze des Unionsrechts darstellen und dass diese Rechte ein gemeinsames Erbe und eine gemeinsame Stärke der demokratischen Staaten Europas darstellen;

G. in der Erwägung, dass mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon und gemäß Artikel 6 EUV die Charta rechtlich den gleichen Rang hat wie die Verträge, und somit die Werte und Grundsätze in konkrete und einklagbare Rechte umgewandelt werden;

H. in der Erwägung, dass die EU-Organe gemäß Artikel 7 Absatz 1 EUV nach einem bestimmten Verfahren befugt sind, festzustellen, ob die eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 genannten Werte durch einen Mitgliedstaat besteht, und das betroffene Land in politische Bemühungen einzubinden, um Verletzungen vorzubeugen und begangene Verletzungen zu beheben; in der Erwägung, dass der Rat, bevor er eine solche Feststellung trifft, den betroffenen Mitgliedstaat anhört, wobei er nach demselben Verfahren tätig wird;

I.   in der Erwägung, dass der Anwendungsbereich von Artikel 2 EUV nicht durch Artikel 51 Absatz 1 der Charta eingeschränkt ist und der Anwendungsbereich von Artikel 7 EUV nicht auf die vom EU-Recht abgedeckten Politikbereiche beschränkt ist, und in der Erwägung, dass die EU folglich auch im Falle einer Verletzung oder der eindeutigen Gefahr einer Verletzung der gemeinsamen Werte in Bereichen eingreifen kann, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen;

J.   in der Erwägung, dass gemäß dem in Artikel 4 Absatz 3 EUV festgelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit die Mitgliedstaaten die Union bei der Erfüllung ihrer Aufgabe unterstützen und alle Maßnahmen unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten, einschließlich der Achtung und Förderung der gemeinsamen Werte der Union;

K. in der Erwägung, dass diese gemeinsamen Werte Hand in Hand gehen mit der Bemühung der EU um Vielfalt, die sich in der in Artikel 4 Absatz 2 EUV genannten Verpflichtung für die EU widerspiegelt, „die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihre jeweilige nationale Identität, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen zum Ausdruck kommt“ zu achten; in der Erwägung, dass die zentralen europäischen Werte in Artikel 2 EUV sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, so dass sie nicht gegen die in Artikel 4 EUV niedergelegte Verpflichtung ausgespielt werden können, sondern ein grundlegenden Rahmen bilden, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten ihre nationale Identität bewahren und entwickeln können;

L.  in der Erwägung, dass die Achtung der „jeweiligen nationalen Identität“ (Artikel 4 Absatz 2 EUV) und der „verschiedenen Rechtsordnungen und -traditionen der Mitgliedstaaten“ (Artikel 67 AEUV) im Rahmen der Verträge untrennbar mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Artikel 4 Absatz 3 EUV), der gegenseitigen Anerkennung (Artikel 81 und 82 AEUV) und somit des gegenseitigen Vertrauens sowie der Wahrung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt (Artikel 3 Absatz 3 EUV) verbunden ist;

M. in der Erwägung, dass eine Verletzung der gemeinsamen Grundsätze und Werte der Union durch einen Mitgliedstaat nicht durch nationale Traditionen oder durch den Ausdruck einer nationalen Identität gerechtfertigt werden kann, wenn diese Verletzung zu einer Beeinträchtigung der fundamentalen Grundsätze und Werte der europäischen Integration führt, wie der demokratischen Werte, der Rechtsstaatlichkeit oder des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, mit der Folge, dass eine Bezugnahme auf Artikel 4 Absatz 2 EUV nur dann zulässig ist, wenn ein Mitgliedstaat die in Artikel 2 EUV niedergelegten Werte achtet;

N. in der Erwägung, dass das in Artikel 3 Absatz 5 EUV festgelegte Ziel der Union, ihre Werte in ihren Beziehungen mit der übrigen Welt zu schützen und zu fördern, durch die spezifische Verpflichtung noch weiter gestärkt wird, dass die Union sich bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene von den Grundsätzen leiten lässt, die für ihre Entstehung, Entwicklung und Erweiterung maßgebend waren: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Artikel 21 Absatz 1 EUV);

O. in der Erwägung, dass daher nicht nur die Glaubwürdigkeit der Mitgliedstaaten und der EU auf internationaler Ebene, sondern auch die Ziele der Union auf dem Gebiet ihrer Außenbeziehungen untergraben werden würden, wenn die Mitgliedstaaten nicht in der Lage oder gewillt wären, den Standards gerecht zu werden, auf die sie sich geeinigt und zu denen sie sich vertraglich verpflichtet haben;

P.  in der Erwägung, dass die Achtung derselben Grundwerte durch die Mitgliedstaaten eine unerlässliche Voraussetzung für das gegenseitige Vertrauen und damit für ein reibungslose Funktionieren der gegenseitigen Anerkennung ist, die für die Schaffung und Entwicklung des Binnenmarktes sowie eines Europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts von grundlegender Bedeutung ist, und in der Erwägung, dass daher jeder Versuch der Missachtung oder Schwächung der gemeinsamen Werte den gesamten europäischen Prozess der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Integration negativ beeinflusst;

Q. in der Erwägung, dass die in Artikel 2 EUV festgelegten, in den Präambeln zu den Verträgen und der Charta der Grundrechte proklamierten und in der Präambel zur EMRK und in Artikel 3 der Satzung des Europarats genannten gemeinsamen Werte eine Gewaltenteilung zwischen unabhängigen Organen auf der Grundlage eines ordnungsgemäß funktionierenden Systems der gegenseitigen Kontrolle erfordern, und in der Erwägung, dass zu den grundlegenden Merkmalen dieser Prinzipien die Achtung der Rechtmäßigkeit, einschließlich eines transparenten, rechenschaftspflichtigen und demokratischen Gesetzgebungsprozesses, Rechtssicherheit, ein robustes System der repräsentativen Demokratie, das auf freien Wahlen beruht und die Rechte der Opposition respektiert, eine wirksame Kontrolle der Vereinbarkeit der Gesetzgebung mit der Verfassung, eine wirksame, transparente, partizipative und rechenschaftspflichtige Regierung und Verwaltung, eine unabhängige und unparteiische Justiz, unabhängige Medien und die Achtung der Grundrechte gehören;

R.  in der Erwägung, dass die Europäische Kommission gemäß Artikel 17 EUV für die Anwendung der Verträge sorgt und die Anwendung des Unionsrechts unter der Kontrolle des Gerichtshofs der Europäischen Union überwacht;

Reformen in Ungarn

S.  in der Erwägung, dass Ungarn das erste ehemals kommunistische Land war, das der EMRK beigetreten ist, und der erste Mitgliedstaat der EU war, der den Vertrag von Lissabon am 17. Dezember 2007 ratifiziert hat, und in der Erwägung, dass Ungarn eine aktive Rolle bei der Arbeit des Konvents und der Regierungskonferenz 2003 und 2004 gespielt hat, unter anderem auch bei der Formulierung des Artikels 2 EUV, und die Initiative übernommen hat, was zur Berücksichtigung der Rechte von Menschen, die Minderheiten angehören, geführt hat;

T.  in der Erwägung, dass in der jahrhundertelangen Geschichte Ungarns das friedliche Miteinander der verschiedenen Nationalitäten und Volksgruppen positive Auswirkungen auf den kulturellen Reichtum und den Wohlstand der Nation ausgeübt hat; in der Erwägung, dass Ungarn aufgefordert werden sollte, diese Tradition weiter fortzuführen und allen Bestrebungen, die einzelne Gruppierungen diskriminieren könnten, mit Entschiedenheit entgegenzutreten;

U. in der Erwägung, dass Ungarn auch ein Unterzeichnerstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und anderer internationaler Rechtsinstrumente ist, durch die es zur Achtung und Umsetzung internationaler demokratischer Grundsätze verpflichtet ist;

V. in der Erwägung, dass die Regierungsmehrheit nach den Parlamentswahlen 2010 in Ungarn mehr als zwei Drittel der Sitze im Parlament gewonnen hat, wodurch sie in der Lage war, rasch eine intensive Rechtsetzungstätigkeit einzuleiten, um die verfassungsrechtliche Ordnung des Landes vollständig neu zu gestalten (die ehemalige Verfassung ist bisher zwölf Mal und das Grundgesetz vier Mal geändert worden) und damit den institutionellen und rechtlichen Rahmen sowie eine Reihe von grundlegenden Aspekten des öffentlichen und privaten Lebens substanziell zu verändern;

W. in der Erwägung, dass es jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union uneingeschränkt freisteht, seine Verfassung zu ändern, und in der Erwägung, dass der eigentliche Sinn eines demokratischen Machtwechsels darin besteht, dass eine neue Regierung in den Grenzen der Wahrung der in der Europäischen Union vorherrschenden Werte und der Grundsätze der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Rechtsvorschriften erlassen kann, die den Willen des Volkes, ihre Werte und ihr politisches Engagement widerspiegeln; in der Erwägung, dass in allen Mitgliedstaaten spezielle in der Verfassung vorgesehene Verfahren Verfassungsänderungen schwieriger machen als die Änderung sonstiger gesetzlicher Bestimmungen, insbesondere durch das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit, zusätzliche Entscheidungsprozesse, Fristen und Referenden;

X. in der Erwägung, dass die Geschichte demokratischer Traditionen in Europa zeigt, dass eine Verfassungsreform größte Sorgfalt und die gebührende Berücksichtigung von Verfahren und Garantien erfordert, die unter anderem darauf abzielen, die Rechtsstaatlichkeit, die Gewaltenteilung und die Normenhierarchie zu wahren, wobei die Verfassung das oberste Gesetz eines Landes darstellt;

Y. in der Erwägung, dass die Tragweite der umfassenden und systematischen verfassungsrechtlichen und institutionellen Reformen, die die neue ungarische Regierung und das neue Parlament Ungarns innerhalb einer außerordentlich kurzen Zeitspanne durchgeführt haben, beispiellos ist, was erklärt, weshalb so viele europäische Institutionen und Organisationen (die Europäische Union, der Europarat, die OSZE) es als notwendig erachtet haben, die Auswirkungen einiger Reformen zu bewerten; in der Erwägung, dass beim Umgang mit den verschiedenen Mitgliedstaaten nicht mit zweierlei Maß gemessen werden sollte und deshalb die Situation in anderen Mitgliedstaaten auch überwacht werden sollte, wobei das Prinzip der Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen umgesetzt wird;

Z.  in der Erwägung, dass ein auf Offenheit, Inklusivität, Solidarität und gegenseitigem Respekt basierender Dialog zwischen den europäischen Institutionen und den ungarischen staatlichen Stellen im Rahmen der oben genannten Gemeinschaft auf Grundlage von demokratischen Werten notwendig ist;

AA.     in der Erwägung, dass die Europäische Kommission in Ausübung ihrer Verantwortung, die Anwendung des Unionsrechts zu überwachen, möglichst qualifiziert, unter Wahrung der Unabhängigkeit und mit Sorgfalt, rasch und unverzüglich handeln muss, vor allem wenn es darum geht, Fälle möglicher schwerwiegender Verletzung der Werte der Union durch einen Mitgliedstaat zu behandeln;

Das Grundgesetz und seine Übergangsbestimmungen

AB.     in der Erwägung, dass die Verabschiedung des Grundgesetzes Ungarns, die am 18. April 2011 ausschließlich mit den Stimmen der Mitglieder der Regierungskoalition und auf der Grundlage eines Textentwurfs erfolgt ist, der von den Vertretern der Regierungskoalition vorbereitet worden war, innerhalb des kurzen Zeitraums von 35 Kalendertagen gerechnet ab dem Tag der Vorlage des Vorschlags (T/2627) im Parlament durchgeführt wurde, wodurch eine eingehende und grundlegende Debatte mit der Opposition und der Zivilgesellschaft über den Textentwurf nur eingeschränkt möglich war;

AC.     in der Erwägung, dass der dem Parlament Ungarns am 14. März 2011 vorgelegte Verfassungsentwurf derjenige war, der von gewählten Vertretern der Koalition aus FIDESZ und KDNP ausgearbeitet worden war, und nicht das Arbeitsdokument, das auf der Grundlage der Überlegungen im eigens dafür gebildeten Parlamentsausschuss ausgearbeitet wurde, der doch ausdrücklich für die Formulierung des neuen Grundgesetzes gebildet worden war, was also den Mangel an Konsultation der Opposition noch verschlimmert;

AD.     in der Erwägung, dass die „nationale Anhörung“ zum Verfassungsgebungsprozess aus einer Liste von zwölf Fragen zu sehr speziellen Themen bestand, die von der Regierungspartei so gestellt worden waren, dass sie zu offenkundigen Antworten führen konnten, und die darüber hinaus nicht den Entwurf des Grundgesetzes beinhaltete;

AE.     in der Erwägung, dass das ungarische Verfassungsgericht am 28. Dezember 2012 nach einer Verfassungsbeschwerde des ungarischen Ombudsmanns für Grundrechte über zwei Drittel der Übergangsbestimmungen aufgehoben hat (Entscheidung Nr. 45/2012), da sie keinen Übergangscharakter hatten;

AF.     in der Erwägung, dass durch die Vierte Änderung des Grundgesetzes, die am 11. März 2013 verabschiedet worden ist, die meisten Übergangsbestimmungen, die vom Verfassungsgericht annulliert worden waren, sowie weitere Bestimmungen, die zuvor als verfassungswidrig eingestuft wurden, in den Text des Grundgesetzes aufgenommen worden sind;

Häufige Anwendung der Kardinalgesetze

AG.     in der Erwägung, dass das Grundgesetz Ungarns sich auf 26 Themengebiete bezieht, die durch Kardinalgesetze (Gesetze, die von einer Zweidrittelmehrheit angenommen werden müssen) zu definieren sind, die eine große Bandbreite von Themen umfassen, die mit dem institutionellen System Ungarns, der Ausübung der Grundrechte und wichtigen gesellschaftlichen Regelungen zusammenhängen;

AH.     in der Erwägung, dass das Parlament seit der Verabschiedung des Grundgesetzes 49 Kardinalgesetze[6] erlassen hat (innerhalb von anderthalb Jahren);

AI. in der Erwägung, dass eine Reihe von Themen, wie spezielle Aspekte des Familienrechts und das Steuer- und Rentensystem, die gewöhnlich unter die normale Entscheidungsbefugnis einer Legislative fallen, durch Kardinalgesetze geregelt werden;

Beschleunigte Gesetzgebungsverfahren, die Praxis der Gesetzesentwürfe einzelner Parlamentsabgeordneter, parlamentarische Debatten

AJ. in der Erwägung, dass für wichtige Gesetze, einschließlich des Grundgesetzes, der Zweiten und Vierten Änderung des Grundgesetzes, der Übergangsbestimmungen des Grundgesetzes und einer Reihe von Kardinalgesetzen, die auf der Grundlage von Gesetzesentwürfen einzelner Parlamentsabgeordneter erlassen worden sind, die im Gesetz CXXXI/2010 über die Teilnahme der Zivilgesellschaft an der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften und in der Verordnung 24/2011 des Ministers für öffentliche Verwaltung und Justiz zur vorläufigen und Ex-post-Folgenabschätzung dargelegten Regeln nicht gelten, was zur Folge hat, dass die über ein vereinfachtes Verfahren verabschiedeten Rechtsakte nur Gegenstand einer eingeschränkten öffentlichen Debatte sind;

AK.    in der Erwägung, dass die Verabschiedung einer großen Zahl von Kardinalgesetzen innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne, einschließlich der Gesetze über die Rechtsstellung und die Vergütung der Richter in Ungarn und über die Organisation und Verwaltung der Gerichte in Ungarn sowie der Gesetze über Religions‑und Weltanschauungsfreiheit und über die ungarische Nationalbank, zwangsläufig die Möglichkeiten für eine angemessene Anhörung der Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft, einschließlich gegebenenfalls der Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Interessengruppen, eingeschränkt hat;

AL.     in der Erwägung, dass das Gesetz XXXVI/2012 über das Parlament Ungarns dem Präsidenten des Parlaments ein weites Ermessen im Hinblick auf die Beschränkung der Redefreiheit der Abgeordneten im Parlament einräumt;

Schwächung des Systems der gegenseitigen Kontrolle: Verfassungsgericht, Parlament, Datenschutzbehörde

AM.    in der Erwägung, dass mit dem Grundgesetz zwei neue Arten von Verfassungsbeschwerden zum Verfassungsgericht eingeführt wurden, wohingegen die Ex-post-Überprüfung mittels einer Popularklage abgeschafft wurde;

AN.    in der Erwägung, dass im Grundgesetz die Befugnisse des Verfassungsgerichts zur Ex-post-Überprüfung der materiellen Verfassungsmäßigkeit von haushaltsrelevanten Gesetzen erheblich eingeschränkt worden sind, und zwar auf Verletzungen einer abschließenden Aufzählung von Rechten, wodurch die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit in Fällen der Verletzung anderer Grundrechte, wie des Eigentumsrechts, des Rechts auf ein faires Verfahren und des Rechts auf Nichtdiskriminierung, behindert wird;

AO.    in der Erwägung, dass in der Vierten Grundgesetzsänderung das bereits bestehende Recht des Verfassungsgerichts zur Überprüfung der Änderungen des Grundgesetzes aus verfahrensrechtlichen Gründen unberührt geblieben ist, und in der Erwägung, dass durch die Vierte Grundgesetzsänderung dem Gericht in Zukunft das Recht abgesprochen wird, Grundgesetzänderungen inhaltlich zu überprüfen;

AP.     in der Erwägung, dass das Verfassungsgericht in seiner oben erwähnten Entscheidung 45/2012 feststellte: „Die verfassungsmäßige Legalität hat nicht nur verfahrensrechtliche, formale und öffentlich-rechtliche sondern auch inhaltliche Gültigkeitsanforderungen. Die verfassungsrechtlichen Kriterien eines demokratischen Rechtsstaates sind gleichzeitig auch verfassungsmäßige Werte, Prinzipien und fundamentale demokratische Freiheiten, die in internationalen Verträgen verankert sind und von den Gemeinschaften demokratischer Staaten im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit sowie durch das ius cogens, das teilweise das Gleiche wie das Vorstehende ist, anerkannt und akzeptiert werden. Gegebenenfalls kann das Verfassungsgericht sogar die kontinuierliche Durchsetzung und Konstitutionalisierung der inhaltlichen Anforderungen, Garantien und Werte des demokratischen Rechtsstaates überprüfen.“ (Abschnitt IV Randnummer 118 der Entscheidung);

AQ.    in der Erwägung, dass die Vierte Änderung des Grundgesetzes darüber hinaus vorsieht, dass die Entscheidungen des Verfassungsgerichts, die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes ergangen sind, aufgehoben werden sollen, und genau aus diesem Grund im Widerspruch zur Entscheidung des Verfassungsgerichts 22/2012 steht, in der das Gericht hervorhob, dass seine Ausführungen zu grundlegenden Werten, Menschenrechten, Grundfreiheiten sowie zu Verfassungsorganen, die durch das Grundgesetz nicht grundlegend geändert wurden, ihre Gültigkeit behalten; sowie in der Erwägung, dass mit der Vierten Änderung eine Reihe von Bestimmungen, die zuvor vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden waren, wieder in das Grundgesetz aufgenommen worden sind;

AR.     in der Erwägung, dass einem außerparlamentarischen Gremium, dem Haushaltsrat, der nur über eine begrenzte demokratische Legitimation verfügt, die Befugnis erteilt worden ist, gegen die Annahme des Gesamthaushalts ein Veto einzulegen, wodurch die Handlungsmöglichkeiten der demokratisch gewählten Legislative eingeschränkt worden sind und der Präsident der Republik die Möglichkeit erhielt, das Parlament aufzulösen;

AS.     in der Erwägung, dass mit dem im Juli 2011 verabschiedeten Informationsfreiheitsgesetz die Institution des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit abgeschafft und damit die sechsjährige Amtszeit des Beauftragten vorzeitig beendet worden ist und seine Befugnisse auf die neu gegründete Ungarische Datenschutzbehörde übertragen worden sind; in der Erwägung, dass diese Änderungen derzeit vom Gerichtshof der Europäischen Union geprüft werden;

AT.     in der Erwägung, dass die Kommission am 8. Juni 2012 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet und erklärt hat, dass Ungarn seinen Verpflichtungen gemäß Richtlinie 95/46/EG nicht nachgekommen sei, indem es den Datenschutzbeauftragen vor dem Ende seiner Amtszeit seines Amtes enthoben habe, wodurch die Unabhängigkeit des Amtes gefährdet worden sei;

Die Unabhängigkeit der Justiz

AU.     in der Erwägung, dass gemäß dem Grundgesetz und seinen Übergangsbestimmungen die sechsjährige Amtszeit des ehemaligen Präsidenten des Obersten Gerichtshofs (das in „Kúria“ umbenannt worden ist) nach zwei Jahren vorzeitig beendet worden ist;

AV.     in der Erwägung, dass Ungarn die Kardinalgesetze betreffend die Justiz (Gesetz CLXI/2011 über die Organisation und Verwaltung der Gerichte und Gesetz CLXII/2011 über die Rechtsstellung und die Vergütung der Richter) am 2. Juli 2012 geändert hat, wodurch die Empfehlungen der Venedig-Kommission teilweise umgesetzt worden sind;

AW.    in der Erwägung, dass wesentliche Maßnahmen zur Sicherung der Unabhängigkeit der Richter, etwa Unabsetzbarkeit, garantierte Amtszeit oder die Struktur und Zusammensetzung der Leitungsgremien, nicht im Grundgesetz geregelt, sondern zusammen mit detaillierten Regelungen im Hinblick auf die Organisation und Verwaltung der Justiz weiterhin in den geänderten Kardinalgesetzen festgelegt sind;

AX.     in der Erwägung, dass weder die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts, noch die Unabhängigkeit der Verwaltung der Justiz im Grundgesetz Ungarns festgeschrieben ist;

AY.     in der Erwägung, dass die Änderung der Kardinalgesetze betreffend die Justiz im Hinblick auf die Befugnisse des Präsidenten des ungarischen Landesgerichtsamts, Rechtssachen vom zuständigen Gericht an ein anderes Gericht zu übertragen, um die Entscheidung von Rechtssachen innerhalb eines angemessenen Zeitraums sicherzustellen, keine objektiven normativen Kriterien für die Auswahl der Rechtssachen festlegt, die übertragen werden sollen;

AZ.     in der Erwägung, dass nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes, der Übergangsbestimmungen des Grundgesetzes und des Kardinalgesetzes CLXII/2011 über die Rechtsstellung und die Vergütung der Richter das obligatorische Pensionierungsalter für Richter von 70 auf 62 Jahre gesenkt worden ist;

BA.     in der Erwägung, dass die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. November 2012 feststellt, dass die radikale Absenkung des Pensionierungsalters für ungarische Richter, Staatsanwälte und Notare von 70 auf 62 Jahre eine ungerechtfertigte Diskriminierung aus Altergründen darstellt, und in der Erwägung, dass zwei Gruppen von Richtern am 20. Juni 2012 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Beschwerde eingelegt haben, um ein Urteil zu erwirken, aus dem hervorgeht, dass die ungarische Gesetzgebung betreffend die Absenkung des Pensionierungsalters für Richter gegen die EMRK verstößt;

BB.     in der Erwägung, dass das Parlament Ungarns am 11. März 2013 das Gesetz XX/2013 verabschiedet hat, durch das die Altersobergrenze so geändert worden ist, dass sie teilweise den Entscheidungen des ungarischen Verfassungsgerichts vom 16. Juli 2012 und des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. November 2012 entspricht;

Die Wahlreform

BC.     in der Erwägung, dass die Regierungsmehrheit im Parlament das Wahlrecht einseitig geändert hat, ohne sich um Einvernehmen mit der Opposition zu bemühen;

BD.     in der Erwägung, dass das Parlament Ungarns am 26. November 2012 als Teil der jüngsten Wahlreform das Gesetz über das Wahlverfahren, das die zuvor geltende automatische Wählerregistrierung aller Staatsbürger mit Wohnsitz in Ungarn durch ein freiwilliges Registrierungssystem als Bedingung für die Ausübung des individuellen Wahlrechts ersetzen sollte, auf der Grundlage eines Gesetzesentwurfs einzelner Parlamentsabgeordneter verabschiedet hat;

BE.     in der Erwägung, dass die Zweite Änderung des Grundgesetzes, in der die Wählerregistrierungspflicht vorgeschrieben wird, in Form eines Gesetzesentwurfs einzelner Parlamentsabgeordneter am gleichen Tag wie der Gesetzesentwurf zum Wahlverfahren, nämlich am 18. September 2012, eingereicht und am 29. Oktober 2012 angenommen wurde;

BF.     in der Erwägung, dass die Venedig-Kommission und die OSZE/der BDIMR am 15. und 16. Juni 2012 eine gemeinsame Stellungnahme zum Gesetz über die Wahl von Mitgliedern des ungarischen Parlaments ausgearbeitet haben;

BG.     in der Erwägung, dass das Verfassungsgericht im Anschluss an die Verfassungsbeschwerde des Präsidenten der Republik vom 6. Dezember 2012 festgestellt hat, dass die Registrierungspflicht eine unbillige Einschränkung des Wahlrechts der Einwohner Ungarns darstellt und somit verfassungswidrig ist;

BH.     in der Erwägung, dass das Verfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 4. Januar 2013 die Wählerregistrierung für im Ausland ansässige Wähler zwar als gerechtfertigt bezeichnet hat, des Weiteren jedoch den Ausschluss der Möglichkeit einer persönlichen Registrierung für in Ungarn lebende Wähler ohne festen Wohnsitz als diskriminierend erachtet hat und zu dem Schluss gekommen ist, dass die Bestimmungen im Rahmen der Wahlkampfregelungen, die die Veröffentlichung politischer Werbung während des Wahlkampfs nur in öffentlich-rechtlichen Medien erlauben, und die Regelungen, die die Veröffentlichung von Meinungsumfragen innerhalb von sechs Tagen vor der Wahl untersagen, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Pressefreiheit unverhältnismäßig beschränken;

Medienrecht

BI. in der Erwägung, dass die Europäische Union auf den Werten der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fußt und demnach, wie in Artikel 11 der Charta und in Artikel 10 EMRK verankert, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit garantiert und fördert; in der Erwägung, dass diese Rechte auch die Meinungsfreiheit und die Freiheit, Informationen ohne Kontrolle, Eingriffe oder Druck seitens der Behörden zu empfangen und weiterzugeben, einschließen;

BJ. in der Erwägung, dass der EGMR festgestellt hat, dass sich aus Artikel 10 EMRK für die Mitgliedstaaten eine positive Verpflichtung zur Sicherstellung des Medienpluralismus ergibt; und in der Erwägung, dass die Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention jenen in Artikel 11 der Charta entsprechen und Bestandteil des gemeinschaftlichen Besitzstands sind;

BK.     in der Erwägung, dass eine autonome und starke Öffentlichkeit auf der Basis einer unabhängigen und pluralistischen Medienlandschaft das Umfeld darstellt, das nötig ist, damit die kollektiven Freiheiten der Zivilgesellschaft wie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und die individuellen Freiheiten wie das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Zugang zu Informationen sich entfalten können; in der Erwägung, dass Journalisten frei von Druck durch Unternehmer, Vorgesetzte und Regierungen sowie von finanziellen Bedrohungen sein sollten;

BL.     in der Erwägung, dass der Europarat und die OSZE über Erklärungen, Entschließungen, Empfehlungen, Stellungnahmen und Berichte zu den Themen Medienfreiheit, -pluralität und -konzentration einen beachtlichen Komplex gemeinsamer europaweiter Mindeststandards in diesem Bereich geschaffen haben;

BM.    in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten die Pflicht haben, die Meinungsfreiheit, die Freiheit der Meinungsäußerung, die Informationsfreiheit und die Freiheit der Medien stets zu fördern und zu schützen; in der Erwägung, dass die Union im Falle einer ernsten Bedrohung oder einer Verletzung dieser Freiheiten in einem Mitgliedstaat verpflichtet ist, auf der Grundlage ihrer in den Verträgen und der Charta verankerten Kompetenzen zeitnah und effektiv einzuschreiten, um die europäische demokratische und pluralistische Ordnung und die Grundrechte zu schützen;

BN.  in der Erwägung, dass das Parlament seine Bedenken hinsichtlich Medienfreiheit, -pluralität und -konzentration in der EU und ihren Mitgliedstaaten wiederholt zum Ausdruck gebracht hat;

BO.  in der Erwägung, dass zahlreiche Bestimmungen des ungarischen Medienrechts vom Parlament und von der Kommission, vom OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit und vom Kommissar für Menschenrechte des Europarats sowie vom Generalsekretär des Europarats, vom UN-Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz der Meinungsfreiheit und des Rechts der freien Meinungsäußerung sowie von einer großen Zahl internationaler und nationaler Journalistenverbände, Redakteure und Herausgeber, nichtstaatlicher Organisationen aus dem Bereich der Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten sowie Mitgliedstaaten kritisiert wurden;

BP.  in der Erwägung, dass Kritik geäußert wurde, die sich hauptsächlich auf die Verabschiedung von Rechtsakten nach dem parlamentarischen Verfahren von Gesetzesentwürfen einzelner Parlamentsabgeordneter bezog, ebenso auf die stark hierarchische Organisation der Medienaufsicht, die Weisungsbefugnis des Direktors der Regulierungsbehörde, die fehlenden Vorschriften zur Sicherung der Unabhängigkeit dieser Behörde, die umfassenden Aufsichts- und Sanktionsbefugnisse der Behörde, die erheblichen Auswirkungen einiger Bestimmungen auf den Inhalt der Programme, die fehlenden medienspezifischen Rechtsvorschriften, die fehlende Transparenz in den Lizenzierungsverfahren sowie die Unklarheit der Normen, die eine willkürliche Anwendung und Umsetzung bewirken kann;

BQ.  in der Erwägung, dass das Parlament in seiner Entschließung vom 10. März 2011 zum Mediengesetz in Ungarn betont hat, dass das ungarische Mediengesetz dringend ausgesetzt und auf der Grundlage der Bemerkungen und Vorschläge der Kommission, der OSZE und des Europarats überprüft werden sollte; in der Erwägung, dass das Parlament die Kommission aufgefordert hat, ihre genaue Überwachung und Bewertung der Vereinbarkeit des ungarischen Mediengesetzes in der geänderten Fassung mit den europäischen Rechtsvorschriften, insbesondere mit der Charta, fortzusetzen;

BR.     in der Erwägung, dass der Kommissar für Menschenrechte des Europarats die Notwendigkeit von Gesetzesänderungen hervorgehoben hat, um Beeinträchtigungen der Medienfreiheit entgegenzuwirken, wie beispielsweise Vorschriften zur Art der Informationen und Berichterstattung für alle Medienanbieter, Verhängung von Sanktionen gegen Medien, vorbeugende Einschränkungen der Pressefreiheit in Form einer Registrierungspflicht und Ausnahmen vom Schutz journalistischer Quellen; in der Erwägung, dass er in Bezug auf die Unabhängigkeit und Pluralität der Medien geäußert hat, dass Probleme wie geschwächte verfassungsmäßige Garantien für Pluralismus, fehlende Unabhängigkeit der für die Regulierung der Medien zuständigen Behörden, Mangel an Mechanismen zur Sicherung der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fehlen eines wirksamen innerstaatlichen Rechtsbehelfs für Medienakteure gegen Entscheidungen des Medienrats gelöst werden müssten;

BS.     in der Erwägung, dass die Kommission Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit des ungarischen Mediengesetzes mit der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste und dem gemeinschaftlichen Besitzstand im Allgemeinen geäußert hat, insbesondere hinsichtlich der allen Anbietern audiovisueller Mediendienste auferlegten Pflicht zu einer ausgewogenen Berichterstattung, und auch infrage gestellt hat, ob dieses Gesetz dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht und ob darin das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung und auf Informationsfreiheit, das in Artikel 11 der Charta verankert ist, das Herkunftslandprinzip und die Registrierungsvorschriften respektiert werden; in der Erwägung, dass das Parlament Ungarns das Gesetz im März 2011 nach Verhandlungen mit der Kommission geändert hat, um auf die von der Kommission angesprochenen Punkte einzugehen;

BT.     in der Erwägung, dass die OSZE ernsthafte Vorbehalte geäußert hat in Bezug auf den materiellen und räumlichen Anwendungsbereich der ungarischen Rechtsvorschriften, die politisch homogene Zusammensetzung von Medienbehörde und Medienrat, die unverhältnismäßigen Sanktionen, das fehlende automatische Verfahren für die Aussetzung von Sanktionen, wenn gegen eine Entscheidung der Medienbehörde bei Gericht Rechtsbehelfe eingelegt werden, die Verletzung des Grundsatzes der Vertraulichkeit journalistischer Quellen und den Schutz der Werte der Familie;

BU.     in der Erwägung, dass die Empfehlungen der OSZE[7] folgende Punkte umfassten: Streichung der rechtlichen Anforderungen an die ausgewogene Berichterstattung und anderer inhaltlicher Vorschriften aus den Gesetzen, Sicherung der redaktionellen Unabhängigkeit, Gewährleistung der differenzierten Regelung für verschiedene Medienformen – Presse, Funk und Fernsehen sowie Online-Medien, Streichung der als überzogen erachteten Registrierungserfordernisse, Gewährleistung der Unabhängigkeit und Kompetenz der Regulierungsbehörde, Sicherstellung der Objektivität und Pluralität im Prozess der Ernennung von Gremien zur Steuerung des Mediensektors, Absehen von der Erfassung der Printmedien unter die Zuständigkeit der Regulierungsbehörde und wirksame Förderung der Selbstverwaltung;

BV.     in der Erwägung, dass der OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit trotz der Gesetzesänderungen, die 2011 infolge von Verhandlungen mit der Europäischen Kommission und im Mai 2012 nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts vom Dezember 2011 vorgenommen wurden und in deren Zuge mehrere Bestimmungen betreffend die Reglementierung von Inhalten der Presse, den Schutz journalistischer Quellen, die Verpflichtung zur Bereitstellung von Informationen und das Amt des Medien- und Kommunikationsbeauftragten als verfassungswidrig aufgehoben wurden, beklagt hat, dass mehrere Änderungen ohne die Beteiligung von Interessenträgern vorgenommen und kurzfristig verabschiedet wurden und wesentliche Elemente der Gesetze nicht verbessert wurden, insbesondere die Ernennung des Präsidenten und der Mitglieder der Medienbehörde und des Medienrats, deren Macht über die Inhalte in den audiovisuellen Medien, die Verhängung hoher Geldbußen und der Mangel an Mechanismen zur Sicherung der finanziellen und redaktionellen Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks;

BW.    in der Erwägung, dass der UN-Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz der Meinungsfreiheit und des Rechts der freien Meinungsäußerung die Änderungen des Medienrechts vom März 2011 zwar begrüßt hat, aber dennoch die Notwendigkeit betonte, sich mit noch bestehenden Bedenken in Bezug auf die Regulierung der Medieninhalte, unzureichende Garantien zur Sicherstellung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Medienbehörde, überzogene Geldstrafen und andere Verwaltungssanktionen, die Anwendbarkeit des Medienrechts auf alle Medienarten, einschließlich Presse und Internet, Registrierungserfordernisse und den Mangel ausreichenden Schutzes journalistischer Quellen auseinanderzusetzen;

BX.     in der Erwägung, dass in einer Analyse von Experten des Europarats[8] (die die Vereinbarkeit der 2012 zur Änderung vorgeschlagenen Mediengesetze mit einschlägigen Texten des Europarats im Bereich der Medien und Meinungsfreiheit bewerteten) empfohlen wurde, dass spezielle Bestimmungen zu Registrierung und Transparenz, Inhaltsregulierung, Verpflichtungen zur Nachrichtenberichterstattung, Quellenschutz, öffentlich-rechtlichen Mediendiensten und Regulierungsbehörden gründlich überarbeitet, eindeutig formuliert und in einigen Fällen aufgehoben werden sollten;

BY.     in der Erwägung, dass im Anschluss an den mit der EU und dem Generalsekretär des Europarats über einen Briefwechsel und bei Expertentreffen geführten Dialog im Februar 2013 weitere Gesetzesänderungen eingereicht wurden, mit denen die Unabhängigkeit der Medienregulierungsbehörden gestärkt und garantiert werden sollte, insbesondere in Bezug auf die Vorschriften, die sich auf die Ernennung und die Wahl des Präsidenten der Staatlichen Behörde für Medien und Telekommunikation und des Medienrats beziehen und die jeweils das Nominierungsverfahren, die ernennende Person und wiederholte Ernennungen betreffen;

BZ.  in der Erwägung, dass die ungarischen staatlichen Stellen ihre Absicht bekundet haben, die Regelungen zur Beschränkung der politischen Werbung während des Wahlkampfs zu überprüfen; in der Erwägung, dass die ungarische Regierung mit der Europäischen Kommission Gespräche über die Frage der politischen Werbung führt; in der Erwägung, dass die Vierte Änderung ein weit reichendes und potenziell vages Redeverbot in Bezug auf Äußerungen, die die Würde von Bevölkerungsgruppen, auch des ungarischen Volkes, verletzen, verhängt, das zur willkürlichen Beeinträchtigung der Freiheit der Meinungsäußerung ausgenutzt werden kann und unter Umständen abschreckende Wirkung auf Journalisten, aber auch auf Künstler und andere haben kann;

CA.  in der Erwägung, dass die Staatliche Behörde für Medien und Telekommunikation und der Medienrat keine Bewertungen zu den Auswirkungen der Rechtsvorschriften auf die Qualität des Journalismus, die redaktionelle Freiheit und die Qualität der Arbeitsbedingungen für Journalisten durchgeführt haben;

Wahrung der Rechte der Angehörigen von Minderheiten

CB.     in der Erwägung, dass die Achtung der Rechte von Personen, die Minderheiten angehören, ausdrücklich als einer der Werte, auf die in Artikel 2 EUV Bezug genommen wird, anerkannt wird, und die Union sich für die Förderung dieser Werte und die Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung, Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung einsetzt;

CC.     in der Erwägung, dass Nichtdiskriminierung ein in Artikel 21 der Charta verankertes Grundrecht darstellt;

CD.     in der Erwägung, dass die Verantwortung der Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass die Grundrechte aller, unabhängig ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder Weltanschauung, respektiert werden, alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung sowie die Strafverfolgungsbehörden umfasst und auch die aktive Förderung von Toleranz und die nachdrückliche Verurteilung von Phänomenen wie rassistischer Gewalt, antisemitischer und Roma-feindlicher Hasspredigten einschließt, insbesondere, wenn diese bei offiziellen oder öffentlichen Anlässen, auch im Parlament Ungarns, stattfinden;

CE.     in der Erwägung, dass die Zurückhaltung der Strafverfolgungsbehörden bei rassistisch motivierten Straftaten[9] zu einem Misstrauen gegenüber der Polizei geführt hat;

CF.     in der Erwägung, dass es bemerkenswert ist, dass das Parlament Ungarns Rechtsvorschriften im straf- und zivilrechtlichen Bereich erlassen hat, um rassistische Hetze und Hasspredigten zu bekämpfen;

CG.     in der Erwägung, dass – obwohl Intoleranz gegenüber Mitgliedern von Roma-Gemeinschaften und jüdischen Gemeinschaften nicht nur in Ungarn anzutreffen ist, sondern auch andere Mitgliedstaaten von diesem Problem betroffen sind – Ereignisse der letzten Zeit Anlass zu Bedenken wegen der Zunahme von Roma-feindlichen und antisemitischen Hasspredigten in Ungarn gegeben haben;

CH.     in der Erwägung, dass es aufgrund der Durchsetzung der rückwirkenden Gesetzgebung im Bereich der Besteuerung und im Bereich des Rentensystems zu einem massiven Anstieg der sozialen Unsicherheit und Armut gekommen ist, was nicht nur zu einer große Verunsicherung bei der Bevölkerung führt, sondern auch eine Verletzung der privaten Eigentumsrechte darstellt und grundlegende bürgerliche Freiheitsrechte untergräbt;

Religionsfreiheit und Anerkennung von Kirchen

CI. in der Erwägung, dass die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, wie sie in Artikel 9 EMRK und Artikel 10 der Charta verankert ist, eine der Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft darstellt; in der Erwägung, dass die Rolle des Staates dabei die eines neutralen und unparteiischen Garanten für das Recht auf Ausübung unterschiedlicher Religionen, Weltanschauungen und Glaubensrichtungen sein sollte;

CJ. in der Erwägung, dass mit dem Gesetz über Kirchen ein neuer Rechtsrahmen für die Regulierung von religiösen Vereinen und Kirchen in Ungarn geschaffen wurde, der eine Reihe von Bedingungen für die Anerkennung von Kirchen vorschreibt und diese Anerkennung von der vorherigen Genehmigung durch eine Zweidrittelmehrheit des Parlaments abhängig macht;

CK.    in der Erwägung, dass die im Gesetz über Kirchen festgelegte obligatorische Anerkennung durch das Parlament als Voraussetzung für den Status einer anerkannten Kirche von der Venedig-Kommission als Einschränkung der Religionsfreiheit bewertet wurde[10];

CL.     in der Erwägung, dass infolge des Inkrafttretens rückwirkender Regelungen des Gesetzes über Kirchen mehr als 300 registrierte Kirchen ihren rechtlichen Status als anerkannte Kirche eingebüßt haben;

CM.    in der Erwägung, dass das Verfassungsgericht auf Ersuchen mehrerer religiöser Gemeinschaften und des ungarischen Ombudsmanns für Grundrechte die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des Gesetzes über Kirchen geprüft hat und in seinem Urteil 6/2013 vom 26. Februar 2013 einige von ihnen für verfassungswidrig erklärt und rückwirkend annulliert hat;

CN.    in der Erwägung, dass das Verfassungsgericht, ohne das Recht des Parlaments zur Festlegung der sachlichen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Kirche infrage zu stellen, in dieser Entscheidung zu der Ansicht gelangt ist, dass die Anerkennung des Kirchenstatus mittels einer Abstimmung im Parlament zu politisch motivierten Entscheidungen führen könnte; in der Erwägung, dass das Verfassungsgericht erklärt hat, dass das Gesetz keine Verpflichtung zu einer ausführlichen Begründung bei einer abschlägigen Entscheidung in Bezug auf den Kirchenstatus enthalte, dass keine Fristen für die Aktivitäten des Parlaments vorgesehen seien und dass das Gesetz nicht die Möglichkeit eines wirksamen Rechtsbehelfs bei Ablehnungen oder Nichtentscheidungen sicherstelle;

CO.    in der Erwägung, dass durch die zwei Wochen nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts angenommene Vierte Änderung des Grundgesetzes dessen Artikel VII geändert wurde und der Befugnis des Parlaments, Kardinalgesetze zu erlassen, um bestimmte Organisationen, die sich religiös betätigen, als Kirchen anzuerkennen, Verfassungsrang verlieh, so dass die Entscheidung des Verfassungsgerichts unterlaufen wurde;

II - Bewertung

Das Grundgesetz Ungarns und seine Umsetzung

1.  erinnert daran, dass die Achtung der Rechtmäßigkeit einschließlich eines transparenten, rechenschaftspflichtigen und demokratischen Gesetzgebungsprozesses, auch bei der Verabschiedung eines Grundgesetzes, und eines robusten Systems der repräsentativen Demokratie, das auf freien Wahlen beruht und die Rechte der Opposition respektiert, Schlüsselelemente der Konzepte von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind, wie sie in Artikel 2 EUV verankert sind: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“; und wie dies in den Präambeln zu dem Vertrag über die Europäische Union und der Charta deklariert wird; bedauert, dass die EU-Institutionen in der Vergangenheit hinsichtlich des Schutzes europäischer Grundwerte nicht immer den eigenen Ansprüchen gerecht werden konnten; betont deshalb ihre besondere Verantwortung, sich für die Wahrung der europäischen Grundrechte im Sinne des Artikels 2 EUV auf Unionsebene und in den Mitgliedstaaten stark zu machen;

2.  weist nachdrücklich darauf hin, dass Entwurf und Verabschiedung einer neuen Verfassung zwar in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fallen, dass jedoch die Mitgliedstaaten und die EU die Verantwortung haben, sicherzustellen, dass die verfassungsrechtlichen Verfahren und die Verfassungsinhalte in Einklang mit den von jedem Mitgliedstaat im Vertrag über seinen Beitritt zur Europäischen Union eingegangenen Verpflichtungen, nämlich den gemeinsamen Werten der Union, der Charta und der EMRK, stehen;

3.  bedauert, dass es bei der Vorbereitung und der Verabschiedung des Grundgesetzes Ungarns an Transparenz, Offenheit, Inklusivität und letztlich an der einvernehmlichen Basis mangelte, die man von einem modernen, demokratischen konstituierenden Prozess erwarten würde, was zu einer Schwächung der Legitimität des Grundgesetzes selbst geführt hat;

4.  nimmt die oben genannte Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 28. Dezember 2012 zur Kenntnis, wonach das Parlament Ungarns seine gesetzgeberische Befugnis überschritten hat, als es mehrere dauerhafte und allgemeine Vorschriften in den Übergangsbestimmungen des Grundgesetzes erließ, und in der es unter anderem heißt, „dass es die Aufgabe und Zuständigkeit der verfassungsgebenden Gewalt ist, die Situation nach der zum Teil erfolgten Annullierung zu klären. Das Parlament muss eine offensichtliche und klare rechtliche Situation schaffen.“, wobei darüber hinaus die Anforderung aufgestellt wurde, dass dies nicht die automatische, unüberlegte Aufnahme der aufgehobenen Bestimmungen in das Grundgesetz bedeutet, da das Parlament „die regulatorischen Angelegenheiten der aufgehobenen Nicht-Übergangsbestimmungen überprüfen und darüber zu entscheiden muss, welche davon einer erneuten Regulierung bedürfen sowie auf welcher Ebene der Rechtsquellen. Es ist die Pflicht des Parlaments zu entscheiden, welche der Bestimmungen, die einer erneuten Regelung bedürfen, im Grundgesetz platziert werden müssen und welche auf Gesetzesebene neu geregelt werden müssen.“;

5.  kritisiert aufs Schärfste die Bestimmungen der Vierten Änderung des Grundgesetzes, durch die die Vorrangstellung des Grundgesetzes untergraben wird, da in ihnen eine Reihe von Vorschriften wieder aufgenommen wurden, die zuvor vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig, d. h. aus verfahrensrechtlichen oder materiellen Gründen als mit dem Grundgesetz unvereinbar, erklärt worden waren;

6.  erinnert daran, dass in der oben genannten Entscheidung vom 28. Dezember 2012 das Verfassungsgericht eine klare Feststellung zu den Standards der Verfassungsmäßigkeit getroffen hat, indem es erklärte: „In demokratischen Rechtsstaaten sind die inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Standards und Anforderungen der Verfassungen stabil. Die inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Erfordernisse der Verfassung können in der Ära des Grundgesetzes nicht niedriger sein als in den Zeiten der Verfassung bzw. des Verfassungsgesetzes. Die Anforderungen eines konstitutionellen Rechtsstaats bleiben auch in der Gegenwart weiterhin zur Geltung kommende Anforderungen und sind die Programme für die Zukunft. Der konstitutionelle Rechtsstaat ist ein System dauerhafter Werte, Prinzipien und Garantien.“; betrachtet diese eindeutige und würdige Erklärung als auf die Europäische Union und alle ihre Mitgliedstaaten anwendbar;

7.  erinnert daran, dass die der Union gemeinsamen Werte der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit ein robustes System der repräsentativen Demokratie voraussetzen, das auf freien Wahlen beruht und die Rechte der Opposition respektiert, und dass gemäß Artikel 3 des Protokolls Nr. 1 der EMRK „die freie Äußerung der Meinung des Volkes bei der Wahl der gesetzgebenden Organe [zu] gewährleisten“ ist;

8.  ist der Auffassung, dass während die Verwendung von Gesetzen, die einer Zweidrittelmehrheit bedürfen, auch in anderen Mitgliedstaaten üblich, und seit 1989 ein Merkmal der ungarischen Verfassungs- und Rechtsordnung ist, der übermäßige Gebrauch von Kardinalgesetzen zur Festlegung sehr spezieller und detaillierter Regeln die Grundsätze der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit untergräbt, da die aktuelle Regierung, die die Unterstützung einer qualifizierten Mehrheit genießt, auf diese Weise in die Lage versetzt wurde, politische Entscheidungen in Stein zu meißeln, sodass es jeder nachfolgenden Regierung, die nur über eine einfache Mehrheit im Parlament verfügt, erschwert wird, auf soziale Veränderungen zu reagieren, und dadurch möglicherweise die Bedeutung von künftigen Wahlen geschmälert wird; ist der Ansicht, dass diese Verwendung überprüft werden sollte, damit sichergestellt wird, dass künftige Regierungen und parlamentarische Mehrheiten in der Lage sind, Gesetze auf sinnvolle und umfassende Weise zu erlassen;

9.  ist der Auffassung, dass die Anwendung des Verfahrens des Gesetzesentwurfs einzelner Parlamentsabgeordneter zur Umsetzung der Verfassung (durch Kardinalgesetze) keinen transparenten, rechenschaftspflichtigen und demokratischen Gesetzgebungsprozess darstellt, da es an Garantien zur Sicherstellung einer sinnvollen gesellschaftlichen Debatte und Anhörung mangelt, und dass diese Praxis dem Grundgesetz selbst zuwiderlaufen könnte, da dieses vorsieht, dass die Regierung (und nicht einzelne Parlamentsabgeordnete) dem Parlament die zur Umsetzung des Grundgesetzes erforderlichen Gesetzesentwürfe vorlegen muss;

10. nimmt den Standpunkt der Venedig-Kommission (Stellungnahme Nr. CDL-AD(2011)016) zur Kenntnis, die „begrüßt, dass mit dieser neuen Verfassung eine Verfassungsordnung errichtet wird, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Grundrechte basiert“; nimmt ferner den Standpunkt der Venedig-Kommission (Stellungnahme Nr. CDL-AD(2012)001) zur Kenntnis, wonach die Verabschiedung einer großen Zahl von Gesetzen innerhalb sehr kurzer Zeit die Erklärung dafür sein könnte, warum einige der neuen Bestimmungen nicht europäischen Standards entsprechen; nimmt ferner die Stellungnahme der Venedig-Kommission zur Vierten Änderung des Grundgesetzes Ungarns (Nr. CDL-AD(2013)012) mit der Feststellung zur Kenntnis, dass „die Vierte Änderung des Grundgesetzes Ungarns selbst Unzulänglichkeiten im ungarischen Verfassungssystem mit sich bringt oder beibehält“;

11. begrüßt, dass die Artikel der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in das Grundgesetz Ungarns Eingang gefunden haben und dort bekräftigt werden und Ungarn als viertes Land in der EU die ungarische Zeichensprache als vollwertige Sprache anerkennt und in Artikel H als Teil der ungarischen Kultur verteidigt;

12. begrüßt, dass im Grundgesetz Ungarns die Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Behinderung, Sprache, Religion, politischer oder anderer Meinung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögenslage, Geburt oder sonstigen Situationen in Artikel XV ausdrücklich verboten ist und dass Ungarn spezielle Maßnahmen zum Schutz von Kindern, Frauen, älteren Menschen und Personen mit Behinderungen im Sinne von Artikel 20 bis 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erlässt;

Demokratisches System der gegenseitigen Kontrolle

13. verweist darauf, dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eine Trennung der Gewalten zwischen unabhängigen Institutionen basierend auf einem korrekt funktionierenden System der gegenseitigen Kontrolle und effektiver Kontrolle der Vereinbarkeit der Gesetzgebung mit der Verfassung erfordert;

14. weist darauf hin, dass die Zahl der Verfassungsrichter mit Verfassungsmehrheit von elf auf 15 erhöht und die Maßgabe, sich bei der Wahl von Verfassungsrichtern mit der Opposition zu einigen, abgeschafft worden ist; ist besorgt, dass infolge dieser Maßnahmen acht der derzeit 15 Verfassungsrichter ausschließlich mit der Zweidrittelmehrheit gewählt wurden (mit einer Ausnahme), darunter auch zwei neue Mitglieder, die direkt aus ihrer Position als Parlamentsabgeordnete heraus ernannt wurden;

15. begrüßt die Einführung der Möglichkeit, beim Verfassungsgericht zwei neue Arten der Verfassungsbeschwerde einzureichen und ist der Auffassung, dass ein demokratisches System, das auf Rechtsstaatlichkeit beruht, nicht unbedingt eines Verfassungsgerichts bedarf, um ordnungsgemäß zu funktionieren; weist jedoch auf die Stellungnahme Nr. CDL-AD(2011)016 der Venedig-Kommission hin, aus der hervorgeht, dass in Staaten, die sich für ein Verfassungsgericht entschieden haben, dieses Gericht befugt sein sollte, die Übereinstimmung aller Gesetze mit den in der Verfassung festgeschriebenen Menschenrechten zu beurteilen; ist daher der Auffassung, dass die Einschränkung der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die Gesetze über den zentralen Haushalt und Steuern die institutionellen und verfahrenstechnischen Garantien für den Schutz einer Anzahl von Verfassungsrechten und für die Kontrolle der Befugnisse des Parlaments und der Regierung im Haushaltsbereich schwächt;

16. erinnert daran, dass, wie vom Verfassungsgericht in seiner Entscheidung Nr. 45/2012 erklärt, „Die verfassungsmäßige Legalität […] nicht nur verfahrensrechtliche, formale und öffentlich-rechtliche sondern auch inhaltliche Gültigkeitsanforderungen […] [hat]. Gegebenenfalls kann das Verfassungsgericht auch die kontinuierliche Durchsetzung und Konstitutionalisierung der inhaltlichen Anforderungen, Garantien und Werte des demokratischen Rechtsstaates überprüfen.“

17. vertritt die Auffassung, dass in Anbetracht der systematischen Änderungen des Grundgesetzes, die aufgrund politischer Entscheidungen erfolgten, das Verfassungsgericht nicht länger seine Rolle als oberstes Organ des verfassungsmäßigen Schutzes erfüllen kann, insbesondere weil die Vierte Grundgesetzsänderung dem Verfassungsgericht ausdrücklich untersagt, Änderungen des Grundgesetzes zu überprüfen, die im Gegensatz zu anderen verfassungsrechtlichen Anforderungen und Grundsätzen stehen;

18. betont unter Berücksichtigung des Rechts eines demokratisch gewählten Parlaments, Rechtsvorschriften zu erlassen, die mit den Grundrechten vereinbar sind, die politischen Minderheiten achten und die einem demokratisch angemessenem und transparentem Verfahren sowie der Pflicht der Gerichte – sowohl der ordentlichen als auch der Verfassungsgerichtsbarkeit –, die Vereinbarkeit der Gesetze mit der Verfassung sicherzustellen, entsprechen, wie wichtig das Prinzip der Gewaltenteilung und ein korrekt funktionierendes System der gegenseitigen Kontrolle sind; ist in diesem Zusammenhang besorgt über die Machtverschiebung in verfassungsrechtlichen Angelegenheiten zum Vorteil des Parlaments und auf Kosten des Verfassungsgerichts, die das Prinzip der Gewaltenteilung und ein korrekt funktionierendes System der gegenseitigen Kontrolle als wichtigste Errungenschaften der Rechtsstaatlichkeit untergräbt; begrüßt in diesem Zusammenhang die gemeinsame Erklärung der Präsidenten des ungarischen und des rumänischen Verfassungsgerichts, Péter Paczolay und Augustin Zegrean, vom 16. Mai 2013 in Eger, welche die besondere Verantwortung von Verfassungsgerichten in Ländern, die mit einer Zweidrittelmehrheit regiert werden, hervorhebt;

19. hat zudem größte Bedenken hinsichtlich der Bestimmungen der Vierten Grundgesetzsänderung, die 20 Jahre verfassungsrechtliche Rechtsprechung aufheben, da sie ein vollständiges System an Grundsätzen und verfassungsrechtlichen Anforderungen enthalten, einschließlich potenzieller Rechtsprechung, die sich auf die Anwendung des EU-Rechts und der europäischen Menschenrechte auswirken; weist darauf hin, dass das Gericht sich bei seinen Auslegungen bereits in früheren Fällen auf seine vorangegangenen Entscheidungen gestützt hat; hat jedoch Bedenken, dass andere Gerichte ihre Entscheidungen nicht auf die frühere Rechtsprechung des Verfassungsgerichts stützen könnten;

20. hat außerdem Bedenken, ob die Bestimmung der Vierten Grundgesetzsänderung mit dem EU-Recht vereinbar ist, mit der die ungarische Regierung in die Lage versetzt wird, eine Sondersteuer im Rahmen der Umsetzung von Urteilen des EU-Gerichtshofs zu erheben, die Zahlungsverpflichtungen begründen, wenn der Staatshaushalt nicht über ausreichend Mittel verfügt und sich die Staatsverschuldung auf über die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts beläuft; nimmt die laufenden Gespräche zwischen der ungarischen Regierung und der Europäischen Kommission zu diesem Thema zur Kenntnis;

21. kritisiert das beschleunigte Verfahren zur Verabschiedung wichtiger Gesetze, da es die Rechte der Oppositionsparteien in Bezug auf eine effektive Teilnahme am Gesetzgebungsprozess untergräbt, somit deren Kontrolle über das Vorgehen der Mehrheit und der Regierung einschränkt und letztlich das System der gegenseitigen Kontrolle beeinträchtigt;

22. verweist darauf, dass die Unabhängigkeit von Datenschutzbehörden durch Artikel 16 AEUV und Artikel 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert wird;

23. hebt hervor, dass der Schutz vor Amtsenthebung während der Amtszeit ein wesentliches Element der erforderlichen Unabhängigkeit nationaler Datenschutzbehörden gemäß EU-Recht darstellt;

24. weist darauf hin, dass die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn in Bezug auf Rechtmäßigkeit der Beendigung der Amtszeit des ehemaligen Datenschutzbeauftragten im Hinblick auf die angemessene Unabhängigkeit dieser Einrichtung eingeleitet hat und die entsprechende Rechtssache derzeit beim Europäischen Gerichtshof anhängig ist;

25. bedauert, dass die genannten institutionellen Änderungen zu einer deutlichen Schwächung des Systems der gegenseitigen Kontrolle geführt haben, das gemäß dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und dem demokratischen Grundsatz der Gewaltentrennung erforderlich ist;

Die Unabhängigkeit der Justiz

26. verweist darauf, dass von Artikel 47 der Charta der Grundrechte und Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention die Unabhängigkeit der Justiz verlangt wird und diese ein wesentliches Erfordernis des demokratischen Grundsatzes der Gewaltentrennung nach Artikel 2 EUV darstellt;

27. erinnert daran, dass das Verfassungsgericht in seiner vorgenannten Entscheidung 33/2012 die Unabhängigkeit der Justiz und Richter als eine Errungenschaft der historischen Verfassung von Ungarn ansieht, wenn es erklärt, dass der „Grundsatz der Unabhängigkeit des Richters mit all seinen Aspekten ohne Zweifel eine Errungenschaft darstellt. Daher stellt das Verfassungsgericht fest, dass die richterliche Unabhängigkeit und das daraus folgende Prinzip der Unabsetzbarkeit nicht nur eine positive Norm des Grundgesetzes ist, sondern auch zu den Errungenschaften der historischen Verfassung gehört. Es stellt daher einen allgemein gültigen Auslegungsgrundsatz auf Grundlage der Bestimmungen des Grundgesetzes dar, der auch bei der Untersuchung anderer potenzieller Inhalte der Bestimmungen des Grundgesetzes anzuwenden ist[11];

28. betont, dass die wirksame Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz die Grundlage der Demokratie in Europa bildet und eine Voraussetzung für die Konsolidierung des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Justizbehörden der verschiedenen Mitgliedstaaten und somit für eine reibungslose grenzüberschreitende Zusammenarbeit im gemeinsamen Rechtsraum auf Basis des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gemäß Artikel 81 AEUV (Zivilsachen) und Artikel 82 AEUV (Strafsachen) darstellt;

29. bedauert, dass die zahlreichen erlassenen Maßnahmen – sowie einige laufende Reformen – keine ausreichenden Sicherheiten für verfassungsmäßige Garantien in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz und die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts Ungarns bereitstellen;

30. ist der Auffassung, dass die vorzeitige Beendigung der Amtszeit des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs gegen die garantierte Sicherheit der Amtsdauer verstößt, die ein Schlüsselelement der Unabhängigkeit der Justiz darstellt;

31. begrüßt die vorgenannte Entscheidung 33/2012 des Verfassungsgerichts, in der die Zwangspensionierung von Richtern im Alter von 62 Jahren als verfassungswidrig erklärt wird, sowie die vorgenannte Entscheidung des Gerichtshofs der EU vom 6. November 2012, wonach das drastische Herabsetzen des Pensionsalters für Richter in Ungarn eine ungerechtfertigte Diskriminierung aus Gründen des Alters darstellt und daher gegen die Richtlinie 2000/78/EG des Rates verstößt;

32. begrüßt die Änderungen zu Gesetz CLXI/2011 über die Organisation und Verwaltung der ungarischen Gerichte und Gesetz CLXII/2011 über die Rechtsstellung und die Vergütung von ungarischen Richtern, die vom ungarischen Parlament am 2. Juli 2012 verabschiedet wurden und die zahlreiche Bedenken behandeln, die zuvor in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2012 und von der Venedig-Kommission in ihrer Stellungnahme vorgebracht wurden;

33. bedauert jedoch, dass nicht alle Empfehlungen der Venedig-Kommission umgesetzt wurden, insbesondere im Hinblick auf das Erfordernis, den Ermessensspielraum des Präsidenten des ungarischen Landesgerichtsamts im Rahmen der Verweisung von Verfahren einzugrenzen, was sich potenziell auf das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf den gesetzlichen Richter auswirkt; nimmt die Absichtserklärung der ungarischen Regierung zur Kenntnis, das System der Verweisung von Rechtssachen zu überprüfen; ist der Ansicht, dass die diesbezüglichen Empfehlungen der Venedig-Kommission umgesetzt werden sollten;

34. begrüßt die Verabschiedung des Gesetzes XX/2013 über Gesetzesänderungen in Bezug auf Altersobergrenzen, die in bestimmten Dienstrechtsverhältnissen im Justizdienst anzuwenden sind, demzufolge das Pensionsalter von Richtern auf 65 Jahre nach einer zehnjährigen Übergangszeit festgesetzt wird und das Vorkehrungen für die Wiedereinsetzung von Richtern vorsieht, die unrechtmäßig entlassen wurden;

35. bedauert jedoch, dass das Gesetz XX/2013 die Wiedereinsetzung von vorsitzenden Richtern in ihre ursprünglichen Leitungsfunktionen nur dann vorsieht, wenn diese Richterämter noch nicht besetzt sind, was dazu führt, dass nur wenigen unrechtmäßig entlassenen Richtern garantiert wird, dass sie genau in die gleiche Position mit den gleichen Aufgaben und Befugnissen wieder eingesetzt werden, die sie vor ihrer Entlassung bekleidet haben;

36. begrüßt den Vorschlag der Kommission für einen ständigen Anzeiger für den Bereich Justiz in allen 27 EU-Mitgliedstaaten, wie von der Vizepräsidentin Viviane Reding vorgeschlagen, der zeigt, dass die Wahrung einer unabhängigen Justiz ein allgemeines Anliegen der EU ist; betont, dass zu diesen Themen in manchen Mitgliedstaaten erhebliche Bedenken geäußert werden könnten; fordert erneut die Ausweitung des Anzeigers für den Bereich Justiz auf das Strafrecht, die Grundrechte sowie die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie;

37. erkennt die Professionalität und den Einsatz der ungarischen Rechtsgemeinschaft und ihr Engagement in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit an und erinnert daran, dass das Verfassungsgericht seit der Aufnahme des Demokratisierungsprozesses in Ungarn als ausgezeichnetes verfassungsmäßiges Organ Anerkennung in ganz Europa und weltweit erlangt hat;

Die Wahlreform

38. weißt erneut darauf hin, dass die Neuordnung der Wahlkreise, die Verabschiedung des Gesetzes über die Wahl der Abgeordneten des Parlaments Ungarns und das Gesetz über das Wahlverfahren die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen der nächsten Wahlen, die 2014 anstehen, erheblich ändern, und bedauert daher, dass diese Gesetze von den Regierungsparteien ohne weitere Rücksprache mit der Opposition einseitig verabschiedet wurden;

39. ist besorgt darüber, dass in dem aktuellen politischen Umfeld die derzeit geltenden Vorschriften für das Ernennungsverfahren der Mitglieder der Ungarischen Wahlkommission eine ausgewogene Vertretung und die Unabhängigkeit der Ungarischen Wahlkommission nicht angemessen gewährleisten;

40. begrüßt, dass die ungarischen staatlichen Stellen am 20. Januar 2012 um eine Stellungnahme der Venedig-Kommission zum Gesetz über die Wahl der Abgeordneten des Parlaments Ungarns ersucht haben; vertritt allerdings die Auffassung, dass für die Bewertung der grundlegend veränderten Wahllandschaft eine umfassende Untersuchung erforderlich ist;

41. begrüßt, dass das Gesetz XXXVI von 2013 über das Wahlverfahren in Ungarn und insbesondere dessen Artikel 42 vorsieht, dass Menschen mit Behinderungen ein Benachrichtigungsschreiben in Brailleschrift, für die Wahl relevante Informationen in leicht lesbarer Form sowie in den Wahllokalen ein Muster für die Stimmabgabe in Brailleschrift und barrierefreien Zugang zu den Wahllokalen beanspruchen können, wobei besonders auf die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrern geachtet wird; begrüßt ferner, dass Stimmberechtigte mit Behinderungen gemäß Artikel 50 des vorgenannten Gesetzes die Registrierung in einem anderen, leichter zugänglichen Wahllokal beantragen können, um ihre Stimme in dem jeweiligen Wahlkreis abzugeben; dies erfolgt entsprechend der Verpflichtung aus Artikel 81, in jedem Wahlkreis mindestens ein Wahllokal mit barrierefreiem Zugang einzurichten;

Medienpluralismus

42. erkennt die Bemühungen der ungarischen staatlichen Stellen an, die zu Gesetzesänderungen geführt haben, mit denen eine Reihe von ermittelten Unzulänglichkeiten behoben werden sollten, um die Mediengesetze zu verbessern und diese mit den Standards der EU und des Europarates in Einklang zu bringen;

43. begrüßt den anhaltenden konstruktiven Dialog mit internationalen Akteuren und hebt hervor, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Europarat und der ungarischen Regierung greifbare Ergebnisse hervorbrachte, wie Gesetz XXXIII/2013 widerspiegelt, in dem einige der zuvor in den rechtlichen Bewertungen der Mediengesetze hervorgehobenen Bedenken berücksichtigt werden, insbesondere in Verbindung mit der Ernennung und dem Wahlverfahren für die Präsidenten der Medienbehörde und des Medienrates; weist allerdings erneut darauf hin, dass nach wie vor Bedenken in Bezug auf die Unabhängigkeit der Medienbehörde bestehen;

44. äußert Bedenken über die Auswirkungen der Bestimmung der Vierten Grundgesetzänderung, die seither politische Werbung in den kommerziellen Medien untersagt, da diese die Bereitstellung ausgewogener Informationen gefährdet, obwohl das erklärte Ziel dieser Bestimmung darin besteht, die Kosten politischer Kampagnen zu verringern und Chancengleichheit für die Parteien zu schaffen; nimmt zur Kenntnis, dass die ungarische Regierung mit der Europäischen Kommission hinsichtlich der Regelungen über politische Werbung Gespräche führt; nimmt zur Kenntnis, dass Beschränkungen auch in anderen europäischen Staaten existieren; nimmt die Stellungnahme der Venedig-Kommission zur Vierten Änderung des Grundgesetzes Ungarns (Nr. CDL-AD(2013)012) zur Kenntnis, in der er heißt, dass „Beschränkungen der politischen Werbung unter Berücksichtigung des Rechtsrahmens des betreffenden Mitgliedstaats gesehen werden“ müssen und dass „das Verbot der politischen Werbung in kommerziellen Medien, die in Ungarn weiter verbreitet sind als öffentlich-rechtliche Medien der Opposition eine wichtige Möglichkeit nehmen wird, ihre Ansichten wirksam zu senden und somit die vorherrschende Position der Regierung in der Medienberichterstattung auszugleichen“;

45. fordert die ungarischen Behörden erneut dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, um aktiv regelmäßige proaktive Bewertungen zu den Auswirkungen der Gesetzgebung auf die Medienlandschaft durchzuführen oder in Auftrag zu geben (verminderte Qualität des Journalismus, Fälle der Selbstzensur, Beschränkung der redaktionellen Freiheit und Verschlechterung der Qualität von Arbeitsbedingungen und Arbeitssicherheit für Journalisten);

46. bedauert, dass die Einrichtung einer staatseigenen ungarischen Nachrichtenagentur (MTI) als dem einzigen Nachrichtenanbieter für öffentlich-rechtliche Sendeanstalten dazu geführt hat, dass dieser über ein faktisches Marktmonopol verfügt, da die meisten seiner Meldungen frei verfügbar sind, während von sämtlichen wichtigen privaten Sendeanstalten erwartet wird, dass sie eigene Nachrichtenbüros haben; erinnert an die Empfehlung des Europarates, die Verpflichtung für öffentlich-rechtliche Sendeanstalten, die staatliche Nachrichtenagentur zu nutzen, aufzuheben, da dies eine unangemessene und ungerechtfertigte Einschränkung der Pluralität bei der Bereitstellung von Nachrichten darstellt;

47. stellt fest, dass die ungarische Wettbewerbsbehörde regelmäßige Bewertungen der Medienlandschaft und -märkte unter Hinweis auf potenzielle Gefahren für den Pluralismus durchführen muss;

48. hebt hervor, dass Maßnahmen zur Regulierung des Marktzugangs von Medienunternehmen durch Sendelizenzen und Genehmigungsverfahren, Regelungen zum Schutz der staatlichen, nationalen oder militärischen Sicherheit und öffentlichen Ordnung und Regelungen zur öffentlichen Sittlichkeit nicht für Zwecke politischer oder parteiischer Kontrolle oder Medienzensur missbraucht werden sollten, und betont, dass diesbezüglich Ausgewogenheit sichergestellt werden muss;

49. ist besorgt darüber, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch ein extrem zentralisiertes institutionelles System kontrolliert wird, in dessen Rahmen die wirklich operativen Entscheidungen ohne öffentliche Kontrolle getroffen werden; unterstreicht, dass unausgewogene und undurchsichtige Ausschreibungspraktiken und die unausgewogenen Informationen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der eine weite Zuhörerschaft erreicht, zu Verzerrungen auf dem Medienmarkt führen; unterstreicht, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den Mitgliedstaaten gemäß Protokoll (Nr. 29) zum Vertrag von Lissabon über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten unmittelbar mit den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen jeder Gesellschaft sowie mit dem Erfordernis verknüpft ist, den Pluralismus in den Medien zu wahren;

50. verweist darauf, dass inhaltliche Vorschriften eindeutig sein sollten, damit Bürgerinnen und Bürger sowie Medienunternehmen vorhersehen können, in welchen Fällen sie gesetzeswidrig handeln, und die rechtlichen Folgen möglicher Verstöße feststellen können; stellt mit Sorge fest, dass trotz dieser ausführlichen inhaltlichen Vorschriften kürzlich öffentlich geäußerte feindliche Einstellungen gegenüber Roma bisher nicht von der ungarischen Medienbehörde sanktioniert wurden, und fordert eine ausgewogene Anwendung der Gesetzgebung;

Rechte von Personen, die Minderheiten angehören

51. stellt fest, dass das Parlament Ungarns straf- und zivilrechtliche Rechtsvorschriften erlassen hat, um Aufhetzung zum Rassenhass und Hassreden zu bekämpfen; ist der Auffassung, dass legislative Maßnahmen ein wichtiger Ausgangspunkt für das Erreichen des Ziels sind, eine Gesellschaft ohne Intoleranz und Diskriminierung in ganz Europa zu schaffen, da konkrete Maßnahmen nur auf soliden Rechtsvorschriften aufgebaut werden können; weist jedoch darauf hin, dass die Gesetzgebung aktiv umgesetzt werden muss;

52. betont, dass die Behörden in allen Mitgliedstaaten eine positive Verpflichtung zum Handeln haben, um die Verletzung der Rechte von Personen zu vermeiden, die Minderheiten angehören, und in dieser Sache nicht neutral bleiben können sowie die erforderlichen rechtlichen, erzieherischen und politischen Maßnahmen ergreifen sollten, wenn sie mit solchen Verletzungen konfrontiert sind; nimmt die Änderung des Strafgesetzbuches von 2011 zur Verhinderung von Kampagnen rechtsextremer Gruppen zur Einschüchterung von Roma-Gemeinschaften zur Kenntnis, für die eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren für „provokantes unsoziales Verhalten“ verhängt werden kann, durch das ein Angehöriger einer einer Nation, Ethnie, Rasse oder Religion zugehörenden Gemeinschaft in Angst versetzt wird; erkennt die Rolle der ungarischen Regierung bei der Einführung des Europäischen Rahmens für Nationale Strategien zur Integration der Roma während ihres EU-Ratsvorsitzes im Jahre 2011 an;

53. nimmt mit Besorgnis wiederholte Änderungen der Rechtsordnung zur Kenntnis, die die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen (LGBT) einschränken, zum Beispiel durch den Ausschluss von gleichgeschlechtlichen Paaren und ihren Kindern, aber auch von anderen verschiedenartigen Familienformen aus der im Grundgesetz enthaltenen Definition von „Familie“; betont, dass dies im Widerspruch zu der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte steht und ein Klima der Intoleranz gegenüber LGBT-Personen anheizt;

54. begrüßt durch die Vierte Änderung in das Grundgesetz Ungarns eingefügte Bestimmungen, mit folgendem Wortlaut „Ungarn strebt danach, jeder Person menschenwürdigen Wohnraum sowie Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen“ sowie „Staat und kommunale Selbstverwaltung tragen auch dadurch dazu bei, Voraussetzungen für menschenwürdiges Wohnen zu schaffen, indem sie sich bemühen, allen Obdachlosen Wohnraum zur Verfügung zu stellen.“; ist jedoch besorgt, dass „zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit und der kulturellen Werte ein Gesetz oder eine Verordnung der kommunalen Selbstverwaltung den dauerhaften Aufenthalt in einem bestimmten Teil des öffentlichen Raumes als Ort der Lebensführung für rechtswidrig erklären“ kann, was dazu führen könnte, dass Obdachlosigkeit mit Strafrecht bekämpft wird; erinnert daran, dass das ungarische Verfassungsgericht urteilte, dass ähnliche Maßnahmen im Ordnungswidrigkeitengesetz wegen des Verstoßes gegen die Menschenwürde verfassungswidrig sind;

Religions‑ und Weltanschauungsfreiheit und Anerkennung von Kirchen

55. stellt mit Sorge fest, dass die durch die Vierte Änderung des Grundgesetzes in das Grundgesetz eingefügten Änderungen dem Parlament die Befugnis einräumen, bestimmten Organisationen, die religiöse Aktivitäten ausführen, wie Kirchen, durch Kardinalgesetze und ohne die verfassungsrechtliche Pflicht zur Begründung die Anerkennung zu verweigern, was die Pflicht des Staates beeinträchtigen kann, neutral und unparteiisch in seinen Beziehungen zu den verschiedenen Religionen und Weltanschauungen zu sein;

Schlussfolgerung

56. bekräftigt, dass es der Achtung des Grundsatzes der Gleichheit aller Mitgliedstaaten größte Bedeutung beimisst und lehnt es ab, im Umgang mit den Mitgliedstaaten mit zweierlei Maß zu messen; betont, dass ähnliche Situationen oder Rechtsrahmen oder ‑vorschriften in gleicher Weise bewertet werden sollten; ist der Ansicht, dass die Änderung und Verabschiedung von Gesetzen als solches nicht als unvereinbar mit den Werten der Verträge betrachtet werden kann; fordert die Kommission auf, Fälle der Unvereinbarkeit mit dem EU-Recht zu ermitteln und stellt fest, dass es Aufgabe des Europäischen Gerichtshofs ist, über jeden dieser Fälle zu urteilen;

57. folgert aus den vorstehend erläuterten Gründen, dass der systematische und allgemeine Trend, die Verfassung und den Rechtsrahmen in sehr kurzen Zeitabständen wiederholt zu ändern, und der Inhalt solcher Änderungen mit den in Artikel 2 EUV, Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 6 EUV genannten Werten unvereinbar sind und von den in Artikel 4 Absatz 3 EUV genannten Grundsätzen abweichen; ist der Auffassung, dass dieser Trend – wenn er nicht rechtzeitig und angemessen korrigiert wird – auf ein eindeutiges Risiko einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 EUV dargelegten Werte hinauslaufen wird;

III-Empfehlungen

Präambel

58. bekräftigt, dass es in der vorliegenden Entschließung nicht nur um Ungarn, sondern untrennbar um die Europäische Union als Ganzes und deren demokratischen Wiederaufbau und Entwicklung nach dem Fall des Totalitarismus des 20. Jahrhunderts geht, um die europäische Familie, ihre gemeinsamen Werte und Normen, ihre Inklusivität und ihr Vermögen, sich an einem Dialog zu beteiligen, um die Notwendigkeit, Verträge umzusetzen, denen alle Mitgliedstaaten freiwillig beigetreten sind, um die gegenseitige Hilfe und das gegenseitige Vertrauen, das die Union, ihre Bürgerinnen und Bürger und Mitgliedstaaten haben müssen, wenn diese Verträge mehr als nur Wörter auf dem Papier sein sollen, nämlich die rechtliche Grundlage für ein wahrhaftes, gerechtes und offenes Europa, das die Grundrechte achtet;

59. begrüßt den Gedanken einer Union, die nicht nur eine „Union der Demokratien“ ist, sondern eine „Union der Demokratie“, die auf pluralistischen Gesellschaften gründet, in denen die Achtung der Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit maßgebend sind;

60. bekräftigt, dass man in Zeiten wirtschaftlicher und sozialer Krisen der Versuchung erliegen könnte, konstitutionelle Fragen zu vernachlässigen, dass aber die Glaubwürdigkeit und die Solidität konstitutioneller Institutionen eine zentrale Rolle bei der Stützung wirtschaftlicher, steuerlicher und sozialer Maßnahmen und des sozialen Zusammenhalts spielen;

Aufruf an alle Mitgliedstaaten

61. ruft alle Mitgliedstaaten auf, unverzüglich ihre Vertragspflichten zur Achtung, Garantie, zum Schutz und zur Förderung der gemeinsamen Werte der Union zu erfüllen, da dies eine unverzichtbare Bedingung für die Achtung der Demokratie und somit der Substanz der Unionsbürgerschaft und für den Aufbau einer Kultur des gegenseitigen Vertrauens darstellt, wodurch eine effektive grenzüberschreitende Zusammenarbeit und ein wahrer Raum der Freiheit, Sicherheit und des Rechts ermöglicht werden;

62. ist der Auffassung, dass es die moralische und rechtliche Pflicht aller Mitgliedstaaten sowie der Institutionen der Union ist, die in den Verträgen, der Charta der Grundrechte und der Europäischen Menschenrechtskonvention, der jeder Mitgliedstaat als Unterzeichner angehört und der die EU in Kürze beitreten wird, verankerten europäischen Werte zu verteidigen;

63. fordert die einzelstaatlichen Parlamente auf, ihre Rolle bei der Überwachung der Einhaltung dieser Grundwerte zu stärken und etwaige Risiken eines Verfalls dieser Werte anzuzeigen, die innerhalb der EU-Grenzen auftreten können, um die Glaubwürdigkeit der Union gegenüber Drittländern zu sichern, die auf der Ernsthaftigkeit basiert, mit der die Union und ihre Mitgliedstaaten die selbst gewählten Werte als Grundlage nutzen;

64. erwartet von allen Mitgliedstaaten, dass diese die erforderlichen Schritte insbesondere innerhalb des Rates der Europäischen Union unternehmen, um loyal zur Förderung der Werte der Union beizutragen und mit dem Parlament und der Kommission bei der Überwachung ihrer Einhaltung, insbesondere im Rahmen des in Ziffer 85 genannten „Artikel-2-Trilog“ zu kooperieren;

Appell an den Europäischen Rat

65. weist den Europäischen Rat auf seine Verantwortung im Rahmen des Raums der Freiheit, Unabhängigkeit, Sicherheit und des Rechts hin;

66. stellt mit Bedauern fest, dass der Europäische Rat die einzige politische EU-Institution ist, die sich nicht zu Wort gemeldet hat, während die Kommission, das Parlament, der Europarat, die OSZE und selbst die US-amerikanische Regierung ihren Bedenken in Bezug auf die Lage in Ungarn Ausdruck verliehen haben;

67. ist der Auffassung, dass der Europäische Rat nicht passiv in Fällen bleiben kann, in denen einer der Mitgliedstaaten Grundrechte verletzt oder Änderungen einführt, die die Rechtsstaatlichkeit in diesem Land und somit die Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union als Ganzes beeinträchtigen können, insbesondere wenn das gegenseitige Vertrauen in das Rechtssystem und die justizielle Zusammenarbeit gefährdet ist, da dies negative Auswirkungen auf die Union selbst hat;

68. ersucht den Präsidenten des Europäischen Rates, das Parlament über seine Bewertung der Lagen zu informieren;

Empfehlungen an die Kommission

69.      fordert die Kommission als Hüterin der Verträge und als Organ, das unter der Kontrolle des Gerichtshofs der Europäischen Union für die Gewährleistung der ordnungsgemäßen Anwendung des Unionsrechts verantwortlich ist, auf:

–   das Parlament über ihre Bewertung der Vierten Änderung des Grundgesetzes und deren Auswirkungen auf die Zusammenarbeit innerhalb der EU zu informieren;

–   sich entschlossen für die vollständige Einhaltung der gemeinsamen Grundwerte und -rechte nach Artikel 2 EUV einzusetzen, da Verstöße gegen dieselben die Grundlagen der Union und das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten untergraben;

–   objektive Untersuchungen und, wann immer sie der Ansicht ist, dass ein Mitgliedstaat einer Verpflichtung aus den Verträgen nicht nachgekommen sei, und insbesondere die in der EU-Charta der Grundrechte verankerten Rechte verletze, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten;

–   zu vermeiden, im Umgang mit den Mitgliedstaaten mit zweierlei Maß zu messen, und so sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten in ähnlichen Situationen in ähnlicher Weise behandelt werden und damit den Grundsatz der Gleichheit aller Mitgliedstaaten vor den Verträgen uneingeschränkt achtet;

–   sich nicht nur auf spezifische Verstöße des EU-Rechts zu konzentrieren, die insbesondere unter Anwendung von Artikel 258 AEUV zu beheben sind, sondern auf eine systematische Veränderung der Verfassungs‑ und Rechtsordnung sowie der Verfassungs‑ und Rechtspraxis eines Mitgliedstaats, in dem mehrfache und wiederholte Verstöße leider zu einer Rechtsunsicherheit geführt haben, die den Anforderungen von Artikel 2 EUV nicht länger entspricht, angemessen zu reagieren;

–   einen umfassenderen Ansatz zu verfolgen, um den möglichen Risiken schwerer Verstöße gegen die Grundwerte in einem Mitgliedstaat frühzeitig zu begegnen und mit dem betreffenden Mitgliedstaat und den anderen Organen der EU umgehend in einen strukturierten politischen Dialog zu treten, der auf höchster politischer Ebene der Kommission koordiniert werden und konkrete Auswirkungen auf das gesamte Spektrum der Verhandlungen zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat in den unterschiedlichen Bereichen der EU haben sollte;

–   eine „Alarm-Agenda für Artikel 2 EUV“, d. h. einen Überwachsungsmechanismus für die Werte der Union einzurichten, sobald Risiken von Verstößen gegen Artikel 2 EUV ermittelt werden, die von der Kommission mit ausschließlicher Priorität und Dringlichkeit verfolgt, auf höchster politischer Ebene koordiniert und in den verschiedenen Politikbereichen der EU umfassend berücksichtigt wird, bis die vollständige Achtung von Artikel 2 EUV wieder hergestellt und jegliches Risiko von Verstößen gegen denselben ausgeräumt wurden, wie auch im Schreiben der Außenminister von vier Mitgliedstaaten anvisiert, die mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission die Notwendigkeit erörterten, einen neuen und effektiveren Mechanismus zur Sicherung der Grundwerte zu entwickeln, um größeres Gewicht auf die Förderung einer Kultur der Achtung der Rechtsstaatlichkeit zu legen, wie dies in den Schlussfolgerungen des Rates vom 6. und 7. Juni 2013 zu den Grundrechten und der Rechtsstaatlichkeit und zu dem Bericht der Kommission über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2012) vom berücksichtigt wurde;

–   auf technischer Ebene Sitzungen mit den Dienststellen des betreffenden Mitgliedstaats abzuhalten, jedoch in politischen Bereichen – außer im Zusammenhang mit Artikel 2 EUV – keinerlei Verhandlungen abzuschließen, bis die vollständige Einhaltung von Artikel 2 EUV wieder hergestellt wurde;

–   einen horizontalen Ansatz unter Beteiligung aller betreffenden Dienststellen der Kommission zu verfolgen, um die Achtung der Rechtsstaatlichkeit in allen Bereichen sicherzustellen, einschließlich im Wirtschafts- und Sozialsektor;

   ihre Mitteilung aus dem Jahr 2003 zu Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union (COM(2003)606) umzusetzen und gegebenenfalls zu aktualisieren und einen detaillierten Vorschlag für einen schnellen und unabhängigen Überwachsungsmechanismus und ein Frühwarnsystem zu erarbeiten;

–   das ordnungsgemäße Funktionieren des europäischen Rechtsraums regelmäßig zu überprüfen und Maßnahmen zu ergreifen, wenn die Unabhängigkeit der Justiz in einem Mitgliedstaat gefährdet ist, mit dem Ziel, dem Verlust des gegenseitigen Vertrauens zwischen den einzelstaatlichen Justizbehörden vorzubeugen, wodurch unweigerlich Hindernisse für die ordnungsgemäße Anwendung der EU-Instrumente zur gegenseitigen Anerkennung und grenzübergreifenden Zusammenarbeit entstehen würden;

–   sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten für die korrekte Umsetzung der Charta der Grundrechte sorgen, im Hinblick auf Medienpluralismus und gleichberechtigten Zugang zu Informationen;

–   die wirksame Anwendung der Vorschriften für transparente und gerechte Verfahren für die Medienfinanzierung, staatliche Werbung und Zuweisung von Sponsoren-Geldern zu überwachen, um zu gewährleisten, dass diese nicht die Informations- und Meinungsfreiheit, den Pluralismus oder die redaktionelle Ausrichtung der Medien beeinträchtigen;

–   angemessene, rechtzeitige, verhältnismäßige und fortschrittliche Maßnahmen zu ergreifen, wenn Bedenken in Bezug auf die Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit sowie den Pluralismus in der EU und den Mitgliedstaaten bestehen, die auf einer detaillierten und sorgfältigen Analyse der Lage, der zu lösenden Probleme und der bestmöglichen Abhilfemöglichkeiten basieren sollten;

–   diese Probleme im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste anzugehen, um die Zusammenarbeit zwischen den Regulierungsbehörden der Mitgliedstaaten und der Kommission zu verbessern und sobald wie möglich eine Überprüfung und Änderung der Richtlinie, und insbesondere der Artikel 29 und 30, vorzuschlagen;

–   den derzeit laufenden Dialog mit der ungarischen Regierung darüber fortzusetzen, ob die neue Bestimmung der Vierten Änderung des Grundgesetzes Ungarns mit EU-Recht vereinbar ist, die der ungarischen Regierung die Möglichkeit einräumt, eine Sondersteuer zur Umsetzung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs zu erheben, die Zahlungsverpflichtungen beinhalten, wenn der Staatshaushalt nicht über ausreichende Mittel verfügt und wenn die Staatsverschuldung mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts beträgt, und geeignete Maßnahmen vorzuschlagen, um einem Verstoß gegen die loyale Zusammenarbeit gemäß Artikel 4 Absatz 3 EUV vorzubeugen.

70. weist die Kommission darauf hin, dass die Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der anstehende Beitritt der Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention eine neue Architektur im Recht der Europäischen Union bestätigen, die mehr denn je die Menschenrechte in den Mittelpunkt stellt, was der Kommission als Hüterin der Verträge diesbezüglich mehr Verantwortung verleiht;

Empfehlungen an die ungarischen staatlichen Stellen

71.      fordert die ungarischen Behörden nachdrücklich auf, so schnell wie möglich alle Maßnahmen umzusetzen, die die Europäische Kommission als Hüterin der Verträge für notwendig erachtet, um die EU-Rechtsvorschriften vollständig zu befolgen, den Urteilen des ungarischen Verfassungsgerichts in vollem Umfang Folge zu leisten und so schnell wie möglich die folgenden Empfehlungen umzusetzen, die im Einklang mit den Empfehlungen der Venedig-Kommission, des Europarates und anderer internationaler Einrichtungen für den Schutz der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte stehen, um der Rechtsstaatlichkeit und ihren Schlüsselanforderungen hinsichtlich des verfassungsrechtlichen Rahmens, des Systems von Kontrolle und Gegenkontrolle und der Unabhängigkeit der Justiz sowie wirksamer Schutzvorkehrungen für die Grundrechte, einschließlich der Meinungs‑, Medien‑, und Religions‑ und Weltanschauungsfreiheit, des Minderheitenschutzes, des Kampfs gegen Diskriminierungen und des Rechts auf Eigentum, vollständig zu entsprechen:

Bezüglich des Grundgesetzes

–   den Vorrang des Grundgesetzes vollständig wieder herzustellen, indem diejenigen Bestimmungen des Grundgesetzes gestrichen werden, die zuvor vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt wurden;

–   die wiederholte Anwendung von Kardinalgesetzen einzuschränken, so dass Politikfelder wie das Familien-, Sozial-, Steuer- oder Haushaltsrecht auch weiterhin dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren unterliegen und die entsprechenden Mehrheiten erfordern;

–   die Empfehlungen der Venedig-Kommission umzusetzen und insbesondere die Liste der Politikbereiche zu überprüfen, die eine qualifizierte Mehrheit erfordern, um in Zukunft aussagekräftige Wahlen zu gewährleisten;

–   für ein lebhaftes parlamentarisches System zu sorgen, das auch die oppositionellen Kräfte respektiert, indem ein angemessener Zeitrahmen für eine echte Diskussion zwischen der Mehrheit und der Opposition und für die Teilnahme der breiten Öffentlichkeit an den Gesetzgebungsverfahren zur Verfügung gestellt wird;

–   die größtmögliche Beteiligung aller Parteien im Parlament am Verfassungsprozess zu gewährleisten, auch wenn die erforderliche spezielle Mehrheit von der Regierungskoalition allein erzielt werden kann;

Bezüglich der gegenseitigen Kontrolle

–   die Vorrechte des Verfassungsgerichts als höchstes Organ des Schutzes der Verfassung und somit den Vorrang des Grundgesetzes vollständig wieder herzustellen, indem die Einschränkungen der Befugnis des Verfassungsgerichts, die Verfassungsmäßigkeit aller Änderungen des Grundgesetzes zu prüfen, sowie die Aufhebung zweier Jahrzehnte der Verfassungsrechtsprechung aus dem Wortlaut des Grundgesetzes entfernt werden; das Recht des Verfassungsgerichts wieder herzustellen, ausnahmslos alle Rechtsvorschriften zu überprüfen, um ein Gegengewicht für Maßnahmen der Legislative und der Exekutive zu bilden und die vollständige richterliche Überprüfung zu gewährleisten; diese richterliche Überprüfung anhand der Verfassung kann in unterschiedlichen Mitgliedstaaten je nach den Besonderheiten jeder einzelstaatlichen Verfassungsgeschichte auf unterschiedliche Weise durchgeführt werden; ist jedoch einmal ein Verfassungsgericht eingerichtet – so wie das ungarische, das nach dem Fall des Kommunismus schnell einen ausgezeichneten Ruf unter den Höchstgerichten in Europa erlangt hat –, sollte dieses nicht Maßnahmen unterworfen werden, die auf die Beschränkung seiner Kompetenzen abzielen und somit die Rechtsstaatlichkeit untergraben;

–   die Möglichkeit der Judikative wieder herzustellen, sich auf die Rechtsprechung vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes zu beziehen, insbesondere im Bereich der Grundrechte[12];

   bei der Wahl der Verfassungsrichter einen Konsens anzustreben, die Opposition ausreichend einzubeziehen und sicherzustellen, dass die Verfassungsrichter frei von politischer Einflussnahme sind;

–   die Vorrechte des Parlaments in Haushaltsfragen wieder herzustellen und somit die vollständige demokratische Legitimität von Haushaltsbeschlüssen sicherzustellen, indem die Einschränkungen der parlamentarischen Befugnisse durch den außerparlamentarischen Haushaltsrat beseitigt werden;

–   Erklärungen zu liefern, wie die ungarischen Behörden beabsichtigen, die vorzeitige Beendigung der Amtszeit hoher Beamter rückgängig zu machen, um die institutionelle Unabhängigkeit der Datenschutzbehörde zu gewährleisten;

Bezüglich der Unabhängigkeit der Justiz

–   die Unabhängigkeit der Justiz vollständig zu garantieren, indem sichergestellt wird, dass die Grundsätze der Unabsetzbarkeit und der garantierten Amtszeit von Richtern, die Bestimmungen für die Struktur und Zusammensetzung der Leitungsorgane in der Justiz, sowie die Schutzvorkehrungen für die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts im Grundgesetz verankert sind;

–   die oben genannten Beschlüsse des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 6. November 2012 und des ungarischen Verfassungsgerichts umgehend und korrekt umzusetzen, indem die abberufenen Richter, sofern sie dies wünschen, wieder in ihren früheren Ämtern eingesetzt werden, einschließlich derjenigen vorsitzenden Richter, deren frühere Führungspositionen bereits neu besetzt wurden;

–   objektive Auswahlkriterien festzulegen oder den Landesrichterrat zu beauftragen, derartige Kriterien festzulegen, damit in den Vorschriften für die Weiterleitung von Fällen das Recht auf ein faires Verfahren und Recht auf den gesetzlichen Richter geachtet werden;

–   die verbleibenden Empfehlungen umzusetzen, die in der Stellungnahme der Venedig-Kommission Nr. CDL-AD(2012)020 zu den Kardinalgesetzen für das Gerichtswesen enthalten sind, die nach der Annahme der Stellungnahme CDL-AD(2012)001 geändert wurden;

Bezüglich der Wahlreform

-    die Venedig-Kommission und die OSZE/das BDIMR aufzufordern, eine gemeinsame Analyse des umfassend geänderten rechtlichen und institutionellen Rahmens der Wahlen vorzunehmen, und das BDIMR zu einer Bedarfsermittlungsmission und einer lang- und kurzfristigen Wahlbeobachtung einzuladen;

–   eine ausgewogene Vertretung innerhalb des Nationalen Wahlausschusses zu gewährleisten;

Bezüglich der Medien und des Pluralismus

–   der Verpflichtung nachzukommen, Maßnahmen der Zusammenarbeit auf Expertenebene für die langfristigere Perspektive der Medienfreiheit weiter zu erörtern und dabei auf den wichtigsten verbleibenden Empfehlungen des Rechtsgutachtens des Europarates aus dem Jahr 2012 aufzubauen;

–   für eine rechtzeitige und enge Einbeziehung aller relevanten Interessenträger, einschließlich Medienschaffende, Oppositionsparteien und der Zivilgesellschaft, in allen weiteren Überprüfungen dieser Gesetzgebung, welche einen grundlegenden Aspekt der Funktionsweise einer demokratischen Gesellschaft regelt, und in den Umsetzungsprozess zu sorgen;

–   die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und in Artikel 10 EMRK festgelegte positive Verpflichtung zu achten, die Meinungsfreiheit als eine der Voraussetzungen für eine funktionierende Demokratie zu schützen;

–   die Grundrechte der Meinungs- und Informationsfreiheit sowie die Medienfreiheit und den Pluralismus zu achten, zu garantieren, zu schützen und zu fördern und von der Entwicklung oder Unterstützung von Mechanismen abzusehen, die die Medienfreiheit und die journalistische und redaktionelle Unabhängigkeit bedrohen;

–   sicherzustellen, dass objektive, rechtsverbindliche Verfahren und Mechanismen für die Auswahl und Ernennung von Leitern der öffentlichen Medien, Vorständen, Medienräten und Regulierungsbehörden vorhanden sind, die mit den Grundsätzen der Unabhängigkeit, Integrität, Erfahrung und Professionalität, Repräsentation des gesamten politischen und sozialen Spektrums, Rechtssicherheit und Kontinuität vereinbar sind;

–   Rechtsgarantien für den vollständigen Schutz des Grundsatzes der Vertraulichkeit von Quellen zur Verfügung zu stellen und die entsprechende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte strikt anzuwenden;

–   sicherzustellen, dass Vorschriften für politische Informationen im gesamten audiovisuellen Mediensektor den fairen Zugang zu unterschiedlichen politischen Wettbewerbern, Ansichten und Standpunkten gewährleisten, insbesondere anlässlich von Wahlen und Volksabstimmungen, wodurch Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gegeben wird, sich ohne unzulässige Beeinflussung einer dominanten meinungsbildenden Kraft ihre eigene Meinung zu bilden;

Bezüglich der Achtung der Grundrechte, einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören

–   positive und wirksame Maßnahmen zu ergreifen und fortzusetzen, um sicherzustellen, dass die Grundrechte aller Menschen, einschließlich der Angehörigen von Minderheiten und Obdachlosen, geachtet werden und um ihre Umsetzung durch alle zuständigen Behörden zu gewährleisten; bei der Überprüfung der Definition des Begriffs „Familie“ die gesetzgeberische Tendenz zur Erweiterung des Familienbegriffs in Europa und die negativen Auswirkungen einer engen Definition der Familie auf die Grundrechte derjenigen, die von der neuen und restriktiveren Definition ausgeschlossen werden, zu berücksichtigen;

–   einen neuen Ansatz zu verfolgen, um endlich ihre Verantwortung für gefährdete Menschen wie die Obdachlosen zu übernehmen, wie es in den internationalen Verträgen über die Menschenrechte vorgesehen ist, die Ungarn unterzeichnet hat, wie etwa der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, und somit die Grundrechte eher zu fördern, als sie durch in das Grundgesetz aufgenommene Bestimmungen über die Kriminalisierung der Obdachlosen zu verletzen;

–   fordert die ungarische Regierung auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um den Mechanismus des sozialen Dialogs und einer umfassenden Konsultation zu stärken und die damit verbundenen Rechte zu garantieren;

–   fordert die ungarische Regierung auf, ihre Aktivitäten zur Integration der Roma zu intensivieren und gezielte Maßnahmen zum Schutz dieser Bevölkerungsgruppe festzulegen; rassistische Bedrohungen der Roma-Bevölkerung müssen unmissverständlich und entschieden abgewehrt werden;

Bezüglich Religions‑ und Weltanschauungsfreiheit und Anerkennung von Kirchen

–   klare, neutrale und unparteiliche Anforderungen und institutionelle Verfahren für die Anerkennung religiöser Organisationen wie Kirchen festzulegen, welche die Pflicht des Staates wahren, in seinen Beziehungen zu den unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen neutral und unparteilich zu bleiben, und entsprechend der verfassungsrechtlichen Anforderungen, die in der oben genannten Entscheidung 6/2013 des Verfassungsgerichts festgestellt wurden, wirksame Rechtsbehelfe im Fall der Nichtanerkennung oder der fehlenden Entscheidung zur Verfügung zu stellen;

Empfehlungen an die Organe der EU zur Einrichtung eines neuen Mechanismus zur wirksamen Umsetzung von Artikel 2 EUV

72. bekräftigt die dringliche Notwendigkeit, das sogenannte „Kopenhagen-Dilemma“ zu beheben, demzufolge die EU bezüglich der Achtung der gemeinsamen Werte und Normen durch die Kandidatenländer weiterhin sehr strikt ist, ihr jedoch keine wirksamen Überwachungs‑ und Sanktionsinstrumente zur Verfügung stehen, sobald diese der EU beigetreten sind;

73. fordert mit Nachdruck, dass die kontinuierliche Einhaltung der Grundwerte der Union und der Anforderungen der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit durch die Mitgliedstaaten regelmäßig überprüft wird, wobei vermieden wird, dass mit zweierlei Maß gemessen wird und zu beachten ist, dass einer solchen Überprüfung ein allgemein anerkanntes europäisches Verständnis von Verfassungs‑ und Rechtsstandards zugrunde liegen muss; fordert außerdem nachdrücklich, dass ähnliche Situationen in den Mitgliedstaaten nach dem gleichen Muster betrachtet werden sollten, da sonst der Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen missachtet würde;

74. fordert eine engere Zusammenarbeit zwischen den Institutionen der Union und anderen internationalen Gremien, insbesondere mit dem Europarat und der Venedig-Kommission, und dass deren Sachverstand bei der Wahrung der Grundsätze der Demokratie, der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit genutzt wird;

75. erkennt die vom Europarat, und insbesondere von seinem Generalsekretär, seiner Parlamentarischen Versammlung, dem Kommissar für Menschenrechte und der Venedig-Kommission, ergriffenen Initiativen, durchgeführten Analysen und abgegebenen Empfehlungen an und begrüßt diese;

76. fordert alle EU-Institutionen auf, – wie auch von den Außenministern Deutschlands, der Niederlande, Dänemarks und Finnlands in ihrem oben genannten Schreiben an den Kommissionspräsidenten gefordert wurde – mit einer gemeinsamen Betrachtung und Debatte darüber zu beginnen, wie die Union mit den notwendigen Instrumenten zur Erfüllung ihrer Vertragspflichten in Bezug auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte ausgestattet werden könnte, während jegliches Risiko vermieden wird, dass die Mitgliedstaaten mit zweierlei Maß gemessen werden;

77. vertritt die Auffassung, dass eine künftige Überprüfung der Verträge zu einer besseren Unterscheidung zwischen einer Anfangsphase, die darauf abzielt, die Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 EUV genannten Werte zu bewerten, und einem effizienteren Verfahren in einer darauffolgenden Phase führen sollte, in der Maßnahmen ergriffen werden müssten, um gegen eine tatsächliche schwerwiegende und anhaltende Verletzung dieser Werte vorzugehen;

78. bekräftigt angesichts des derzeit geltenden institutionellen Mechanismus nach Artikel 7 EUV seine Forderungen, die es in seiner Entschließung vom 12. Dezember 2012 über die Lage der Grundrechte in der Europäischen Union (2010-2011) gestellt hat, nach der Einrichtung eines neuen Mechanismus, um sicherzustellen, dass alle Mitgliedstaaten die gemeinsamen Werte wahren, die in Artikel 2 EUV verankert sind, und nach dem Fortbestand der „Kopenhagener Kriterien“; dieser Mechanismus könnte die Form einer „Kopenhagen-Kommission“, oder einer hochrangige Gruppe, einer „Gruppe von Weisen“ oder einer Bewertung gemäß Artikel 70 AEUV annehmen, und auf der Reform und der Stärkung des Mandats der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und auf der Struktur eines intensiveren Dialogs über notwendige Maßnahmen zwischen der Kommission, dem Rat, dem Parlament und den Mitgliedstaaten, aufbauen;

79. bekräftigt, dass die Einrichtung eines solchen Mechanismus beinhalten könnte, dass das Mandat der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte neu überdacht wird, da dieses verstärkt und um die regelmäßige Überwachung der Einhaltung von Artikel 2 EUV durch die Mitgliedstaaten erweitert werden sollte; empfiehlt, dass eine solche „Hochrangige Gruppe Kopenhagen“ oder jeder sonstige Mechanismus auf bestehenden Mechanismen und Strukturen aufbauen und mit ihnen zusammenarbeiten sollte; erinnert an die Rolle der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, die die sehr wertvolle Arbeit der unterschiedlichen Überwachungseinrichtungen des Europarates und die eigenen Daten und Analysen der Agentur zusammenbringen könnte, um unabhängige, vergleichbare und regelmäßige Bewertungen der Einhaltung des Artikels 2 EUV durch die Mitgliedstaaten der EU durchzuführen;

80. empfiehlt, dass dieser Mechanismus:

–   politisch unabhängig sowie schnell und wirksam sein sollte, wie alle Mechanismen der Europäischen Union, die sich auf die Überwachung von Mitgliedstaaten beziehen;

–   in vollem Umfang mit anderen internationalen Einrichtungen zum Schutz der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit zusammenarbeiten sollte;

–   in allen Mitgliedstaaten, unter der vollständigen Wahrung einzelstaatlicher Verfassungstraditionen, regelmäßig die Achtung der Grundrechte sowie die Lage der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit überprüfen sollte;

–   die Überprüfung einheitlich in allen Mitgliedstaaten durchführen sollte, um jegliche Risiken von unterschiedlichen Maßstäben unter den Mitgliedstaaten zu vermeiden;

–   die EU frühzeitig vor möglichen Risiken eines Verfalls der Werte, die in Artikel 2 EUV verankert sind, warnen sollte;

–   Empfehlungen an die EU-Institutionen und Mitgliedstaaten abgeben sollte, wie sie auf einen Verfall der Werte nach Artikel 2 EUV reagieren und diesen beheben sollten;

81. beauftragt seinen Ausschuss, der für den Schutz der Bürgerrechte, Menschenrechte und Grundrechte innerhalb der EU und für die Ermittlung einer eindeutiger Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der gemeinsamen Grundsätze durch einen Mitgliedstaat zuständig ist, der Konferenz der Präsidenten und dem Plenum einen detaillierten Vorschlag in Form eines Berichts vorzulegen;

82. beauftragt seinen Ausschuss, der für den Schutz der Bürgerrechte, Menschenrechte und Grundrechte innerhalb der EU und für die Ermittlung einer eindeutiger Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der gemeinsamen Grundsätze durch einen Mitgliedstaat zuständig ist, sowie seinen Ausschuss, der für die Feststellung des Vorliegens einer schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung der allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätze durch einen Mitgliedstaat zuständig ist, die Entwicklung der Lage in Ungarn zu verfolgen;

83. beabsichtigt, vor Ende 2013 eine Konferenz zu diesem Thema einzuberufen, bei der Vertreter der Mitgliedstaaten, der europäischen Institutionen, des Europarats, der einzelstaatlichen Verfassungsgerichte und Höchstgerichte, des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zusammenkommen;

IV - Weiterverfolgung

84. fordert die ungarischen staatlichen Stellen auf, das Parlament, die Kommission, die Präsidentschaften des Rates und des Europäischen Rates und den Europarat über die Umsetzung der in Ziffer 71 geforderten Maßnahmen zu informieren;

85. fordert die Kommission und den Rat auf, jeweils einen Vertreter zu ernennen, welche, zusammen mit dem Berichterstatter und den Schatten-Berichterstattern des Parlaments („Artikel-2-Trilog“), eine Bewertung der Informationen vornehmen werden, die die ungarischen Behörden bezüglich der Umsetzung der Empfehlungen aus Ziffer 71 übermittelt haben, und künftige mögliche Änderungen verfolgen werden, um deren Vereinbarkeit mit Artikel 2 EUV sicherzustellen;

86. ersucht die Konferenz der Präsidenten, die Opportunität des Gebrauchs der im Vertrag vorgesehenen Mechanismen, einschließlich Artikel 7 Absatz 1 EUV zu prüfen, falls die Antworten der ungarischen staatlichen Stellen nicht den Anforderungen von Artikel 2 EUV entsprechen;

87. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung an das Parlament, den Präsidenten und die Regierung Ungarns, den Präsidenten des Verfassungsgerichts und der Kúria, dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Kandidatenländer, der Agentur für Grundrechte, dem Europarat und der OSZE zu übermitteln.

  • [1]  Angenommene Texte, P7_TA(2012)0053.
  • [2]  ABl. C 199 E vom 7.7.2012, S. 154.
  • [3]  ABl. C 33 E vom 5.2.2013, S. 17.
  • [4]  ABl. C 169 E vom 15.6.2012, S. 49.
  • [5]  Angenommene Texte, P7_TA(2012)0500.
  • [6]  Zu diesen Gesetzen gehören Kardinalgesetze, bei denen alle Bestimmungen von einer Zweidrittelmehrheit angenommen werden müssen, Kardinalgesetze, bei denen spezielle Bestimmungen von einer einfachen Mehrheit angenommen werden müssen, und Gesetze, deren spezielle Bestimmungen von einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden Parlamentsmitglieder angenommen werden müssen.
  • [7]  Rechtsgutachten, das der ungarischen Regierung am 28. Februar 2011 übermittelt wurde, http://www.osce.org/fom/75990.
    Vgl. auch die Analyse und Bewertung vom September 2010: http://www.osce.org/fom/71218.
  • [8]  Gutachten von Experten des Europarats zum ungarischen Medienrecht - das Gesetz CIV/2010 über die Pressefreiheit und die grundlegenden Bestimmungen zu Medieninhalten sowie das Gesetz CLXXXV/2010 über Mediendienste und Massenkommunikation. 11. Mai 2012.
  • [9]  Bericht des UN-Sonderberichterstatters über zeitgenössische Formen des Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz (A/HRC/20/33/Add. 1).
  • [10]  Stellungnahme der Venedig-Kommission 664/2012 vom 19. März 2012 zum Gesetz CCVI/2011 über das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit und den rechtlichen Status von Kirchen, Glaubensgemeinschaften und religiösen Vereinen in Ungarn (CDL-AD(2012)004).
  • [11]  Randnummer 80 der Entscheidung.
  • [12]  Siehe Arbeitsdokument Nr. 5.

ERGEBNIS DER SCHLUSSABSTIMMUNG IM AUSSCHUSS

Datum der Annahme

19.6.2013

 

 

 

Ergebnis der Schlussabstimmung

+:

–:

0:

31

19

8

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Mitglieder

Jan Philipp Albrecht, Roberta Angelilli, Edit Bauer, Rita Borsellino, Emine Bozkurt, Arkadiusz Tomasz Bratkowski, Salvatore Caronna, Carlos Coelho, Agustín Díaz de Mera García Consuegra, Ioan Enciu, Frank Engel, Tanja Fajon, Hélène Flautre, Kinga Gál, Kinga Göncz, Sylvie Guillaume, Ágnes Hankiss, Anna Hedh, Salvatore Iacolino, Sophia in ‘t Veld, Lívia Járóka, Teresa Jiménez-Becerril Barrio, Timothy Kirkhope, Juan Fernando López Aguilar, Baroness Sarah Ludford, Monica Luisa Macovei, Svetoslav Hristov Malinov, Véronique Mathieu Houillon, Anthea McIntyre, Roberta Metsola, Louis Michel, Antigoni Papadopoulou, Georgios Papanikolaou, Carmen Romero López, Birgit Sippel, Csaba Sógor, Renate Sommer, Rui Tavares, Nils Torvalds, Kyriacos Triantaphyllides, Wim van de Camp, Axel Voss, Renate Weber, Josef Weidenholzer, Cecilia Wikström, Auke Zijlstra

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellvertreter(innen)

Anna Maria Corazza Bildt, Dimitrios Droutsas, Franziska Keller, Krisztina Morvai, Jan Mulder, Hubert Pirker, Jens Rohde, Raül Romeva i Rueda, Marie-Christine Vergiat

Zum Zeitpunkt der Schlussabstimmung anwesende Stellv. (Art. 187 Abs. 2)

Lajos Bokros, Ildikó Gáll-Pelcz, Csaba Sándor Tabajdi