Schweiz: Pro-palästinensische Besetzung der Universität Bern
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Schweiz: Pro-palästinensische Besetzung der Universität Bern

«Reaktion auf Komplizenschaft im Genozid in Gaza» – Studierende besetzen Universität Bern

Die globale Solidaritätsbewegung studentischer Besetzungen hat auch die Universität Bern erreicht. Die Studierenden fordern einen akademischen Boykott israelischer Institutionen und eine sofortige Beendigung des «Genozids» an der palästinensischen Bevölkerung.
12.05.2024, 19:44
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Am Freitag, 13. Juni 1997 ist in Bern der SIA Preis fuer die Fertigstellung des Uni Tobler Gebaeudes in der Langgasse in Bern verleihen worden. Im Bild das Gebaeude am Freitag, 13.6.97. (KEYSTONE/Edi  ...
Nach der Universität Lausanne, ETH Zürich und Universität Genf kommt es nun zu einer vierten Besetzung der Unitobler in Bern.Bild: KEYSTONE

Rund 60 Studierende haben am Sonntagabend um 18 Uhr Räumlichkeiten der Universität Bern an der Unitobler im Länggassquartier besetzt. Bei den Besetzern handelt es sich laut einem Sprecher mehrheitlich um Studierende der Uni Bern. Zur Teilnahme am Protest eingeladen seien aber auch alle anderen Menschen.

«Die Besetzung ist eine Reaktion auf die Komplizenschaft der Universität Bern im anhaltenden Genozid in Gaza und der Kolonialisierung Palästinas», schreibt die Gruppe «UniBern_Besetzt» in einer Medienmitteilung.

Aufruf zu akademischem Boykott

«Viele israelische Universitäten sind aktiv am israelischen Besatzungsregime, Siedlerkolonialismus und Apartheid beteiligt», heisst es in der Mitteilung weiter. An israelischen Universitäten würden Waffen, Überwachungstechnologien und Militärstrategien entwickelt, welche die israelische Armee gegen die Palästinenserinnen und Palästinenser einsetze.

Aus diesem Grund fordern die Studierenden, die akademischen Beziehungen der Universität Bern zu allen israelischen Institutionen zu beenden.

Kritik an «repressivem Klima»

Zudem kritisieren die Studierenden das «repressive Klima» an der Universität Bern. So habe die Universität mit der Kündigung eines Mitarbeiters, der Beurlaubung einer Professorin und der Auflösung des Instituts für Nahostwissenschaften die akademische Freiheit von kritischen Mitarbeitenden in Solidarität mit Palästina angegriffen. Die Besorgnis über die Erosion der akademischen Freiheit wurde von 531 Schweizer Akademiker in einem offenen Brief geteilt.

Gleichzeitig sei ein «zionistischer Professor», der angeblich einem Studenten gegenüber handgreiflich wurde, nahezu frei von Konsequenzen geblieben. Die Studierenden werfen der Universitätsleitung aufgrund dieser Handlungen vor, eine klare politische Position im Krieg bezogen zu haben. Sie bemängeln zudem das Fehlen «jeglicher offiziellen Verurteilung des Genozids in Gaza».

Die Studierenden wollen die besetzten Räumlichkeiten zur «Wissensproduktion durch Diskussionen, Workshops oder kulturellen Angeboten» nutzen, wie der Stellungnahme zu entnehmen ist. Sie tolerieren keine Diskriminierung und fordern die Universität dazu auf, die «friedliche Besetzung» zu respektieren und mit den Studierenden in Dialog zu treten.

Uni wartet ab

Die Uni-Leitung liess zunächst offen, ob sie die Besetzer gewähren lassen will. Sie beobachte die Situation aufmerksam, schrieb sie in einer Stellungnahme.Die Diskussion zum Thema sei wichtig, solle jedoch im Rahmen eines geordneten Betriebs erfolgen. Die Uni wolle den Unterricht an der Hochschule vollumfänglich gewährleisten und falls nötig «Massnahmen treffen, die dies zulassen».

Mit der Universitätsleitung nahmen die Besetzer nach eigenen Angaben unmittelbar nach Beginn der Aktion Kontakt auf. Gegenüber Medienschaffenden beteuerten sie, den Betrieb ab Montag nicht stören zu wollen.

«Wir nehmen uns bloss Raum, um auf unsere Anliegen aufmerksam machen zu können», sagte eine Aktivistin. «Wir werden so lange bleiben, wie es nötig ist.» Der Protest solle in jedem Fall friedlich bleiben.

«Zensur» angeprangert

Pro-Palästina-Proteste hatte es vergangene Woche auch in Genf, Lausanne und Zürich gegeben. In Bern hatte die Uni Anfang Jahr entschieden, das Nahost-Institut in der jetzigen Form aufzulösen. Sie reagierte damit auf die Resultate einer Administrativuntersuchung, nachdem sich ein Dozent des Instituts positiv zum Hamas-Angriff auf Israel geäussert hatte.

Die Besetzer sprachen am Sonntag von «Zensur, welche die akademische Freiheit von kritischen Mitarbeitenden in Solidarität mit Palästina angreift». Durch dieses repressive Klima erfülle die Uni Bern nicht die Rolle des «progressiven» Raums, den sie sein wolle.

Hausverbot in Genf

Nach der Universität Lausanne, ETH Zürich und Universität Genf ist es die vierte Besetzung von Universitäten in der Schweiz.

Als Reaktion auf die pro-palästinensischen Proteste und die Besetzung von Räumen verhängte die Universität Genf am Samstagabend ein Hausverbot für Aussenstehende. Die Massnahme erfolge aus Sicherheitsgründen und weil die Protestierenden ihre Besetzung ausserhalb der normalen Öffnungszeiten beibehalten wollten, begründete die Universitätsleitung den Schritt.

Der Zutritt sei ab sofort auf Mitglieder der Universitätsgemeinschaft, Studentinnen und Studenten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschränkt, welche ihre Karte vorweisen. (aargauerzeitung.ch/wro/lyn/sda)

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115 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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PeteZahad
12.05.2024 19:41registriert Februar 2014
"So habe die Universität mit der Kündigung eines Mitarbeiters, der Beurlaubung einer Professorin und der Auflösung des Instituts für Nahostwissenschaften die akademische Freiheit von kritischen Mitarbeitenden in Solidarität mit Palästina angegriffen.".

Der Mitarbeitende hatte nach dem Überfall der Hamas auf X gepostet es sei das beste Geburtstagsgeschenk.

Das ist keine "kritische" Äusserung sondern das bejubeln von Personen, welche andere Menschen abschlachten.

Habe bisher keine ähnlichen öffentlichen Äusserungen von Mitarbeitenden der Universität zum Verhalten Israels wahrgenommen.
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Demetria
12.05.2024 18:40registriert März 2020
Klar besetzten die die Uni Tobler und NICHT das symbolträchtigere HAUPTGEBÄUDE. Wisst ihr warum?

WEIL DIE JUDAISTIK IN DER TOBLER angesiedelt ist.

Genau wie bei der besetzten Halle in Lausanne, wo man die Eingänge kontrollieren wollte, geht es auch hier nicht um die Sache sondern um persönliche Einschüchterung von jüdischen Studierenden.
Wenn es nicht so wäre, dann wär diese Besetzung im Hauptgebäude von Bern und die Lausanner hätten das traditionelle Hörsaalangebot angenommen.
Dieser Protest hat eine andere Qualität als Occupy oder die Klimabewegung. Hier geht es um Einschüchterung.
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Dominik Egloff
12.05.2024 19:41registriert November 2015
Solche illegalen Aktionen kann und darf die Uni als Ort für alle Lernenden keinen Tag tolerieren. Ich erwarte ein korrektes Verhalten wie es die ETH vormachte. Ein tagelanger Dialog mit entsprechender Werbefläche für teilweise antisemitische Botschaften wäre absolut inakzeptabel und seinerseits ein unzulässiges politische extremistisches Votum der Unileitung selbst. Abgesehen davon fordere ich die Studenten dazu auf, dass sie ihre Argumente in friedlichen Debatten und nicht durch gewaltsame Besetzungen und beängstigenden Niederschreien der anderen vorbringen.
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Ich ertrage diese Gewalt nicht mehr. Und das ist gut so.
Wir müssen über die Ohnmacht sprechen, die der Krieg in Gaza auslöst. Und dass Wut nicht die Lösung ist. Sondern Empathie.

Mir ist übel. Seit 7 Uhr morgens. Dann hat mir Social Media ein Foto auf den Handybildschirm gespült. Ohne Vorwarnung. Seither lässt es mich nicht mehr los.

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