Florian Streibl wird 60: Vom Priesterseminar ins Haifischbecken
  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Garmisch-Partenkirchen
  4. Oberammergau

Florian Streibl wird 60: Vom Priesterseminar ins Haifischbecken

KommentareDrucken

Konstituierende Sitzung des 18. Bayerischen Landtags
In der ersten Reihe der bayerischen Landespolitik: Florian Streibl (l.), der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, tauscht sich viel und gerne mit Ministerpräsidenten Markus Söder aus. © Sven Hoppe

Ein Leben mit unerwarteten Wendungen: Florian Streibl feiert am Ostermontag seinen 60. Geburtstag.

Oberammergau – Bunt und vielschichtig ist das Gemälde „Ein Dorf in der Provence“. Florian Streibl hat es gefertigt. Das Bild in dem ungewohnt länglichen Format hängt in der Küche und ist in seiner Farbenpracht irgendwie Spiegelbild seines Lebens – viele kräftig leuchtende Facetten und einige wenige dunkle Nuancen, die ein Glückskind wie der Oberammergauer eben auch zu bewältigen hat. Letztlich kann und sollte ein Mannsbild vom Schlage eines Florian Streibl vieles hinterfragen, vor allem wenn wie bei ihm am Ostermontag (10. April) der 60. Geburtstag ins Haus steht.

Für ihn birgt dieses Datum nichts furchteinflößendes. Und sieht man mal von seinem grau durchsetzten Haar einmal ab, wirkt Streibl in Statur und Auftreten deutlich jünger. Und das obwohl er seit bald 15 Jahren in der bayerischen Landespolitik mitmischt, die eher Haifischbecken denn Jungbrunnen ist. „Eigentlich wollte ich damit nichts zu tun haben“, gibt Streibl unumwunden zu. Die sogenannte „Amigo-Affäre“, die seinem Vater Max Streibl (1932 bis 1998) 1993 das Amt des Ministerpräsidenten kostete, liegt lange wie ein Schatten über der Familie. „Meine Mutter hat sehr darunter gelitten, und mein Vater starb als gebrochener Mann.“ Verraten und verstoßen von seiner eigenen Partei, so zumindest sieht es mit drei Jahrzehnten Abstand immer noch sein Sohn. Das stückchenweise Zerlegen des Landesvaters – „das ging schon von der CSU aus“. Paradox dabei: „Die Opposition hat meinen Vater noch gewarnt.“ Der spätere SPD-Fraktionschef Albert Schmid soll sich mit dem wankenden CSU-Denkmal ausgetauscht haben. „Die Frontlinien in der Politik sind also nie so scharf, als man vermutet.“ Eine Erfahrung, die Florian Streibl selbst im Maximilianeum immer wieder macht. Das hat etwas mit Erziehung und Respekt zu tun. Doch selbst der joviale Streibl zieht Grenzen. „Es gibt Abgeordnete, mit denen man nie per Du sein möchte.“ Damit zielt er natürlich auf die Mandatsträger der AfD ab. „Viele von ihnen ringen nicht um Themen, sondern stellen das politische System in Frage.“

Glaube spielt für den überzeugten Katholiken eine große Rolle

Eine Gesinnung, die ein Christ und Demokrat wie Florian Streibl zutiefst verabscheut. Der Glaube spielt für den überzeugten Katholiken, der am 10. April 1963 in der Schwabinger Geisenhofer-Klinik zur Welt kommt, eine zentrale Rolle. Mehr noch: „Ich wollte Pfarrer werden!“ Nach der Gymnasialzeit in München und dem Abitur geht’s schnurstracks ins Priesterseminar. Doch den entscheidenden letzten Schritt nach erfolgreichem Abschluss seines Theologiestudiums geht der „Bua vom Streibl“ wohlweislich nicht. „Ich hatte Probleme mit dem Gehorsam.“ Sich einer Institution zu verpflichten, war sein Ding nicht.

Also beschreitet der damals 25-Jährige neue Pfade. Der verständnisvolle Vater weist ihm den Weg. „Bua, wennst nicht weißt, was Du machen sollst, dann studier’ halt Jura.“ Ein guter Tipp von Max Streibl. So erwächst aus seinem Spross 1997 nach dem zweiten Staatsexamen der Rechtsbeistand für alle Lebenslagen. Doch der Beruf des Seelsorgers ist theoretisch immer noch möglich. „Gebe es den Zölibat nicht, könnte mir der Bischof morgen die Hände auflegen.“

Wäre da nicht diese besonders strahlende Facette im Leben des Florian Streibl. Die Herzdame mit Namen Barbara Müller stammt aus Ottobrunn und tritt 1989 unvermittelt in Streibls Bewusstsein. „Es klingt klischeehaft, aber wir haben uns im Hofbräuhaus kennengelernt.“ Dort steckt der ehemalige Priesteranwärter gerade in den Hochzeitsvorbereitungen seines Bruders. Auf einmal kreuzen sich die Augen von Florian und Barbara. „Das hat sofort gefunkt, mir war schnell klar: Das ist es!“

Verheiratet, zwei Kinder, Haus im Heimatort

Heirat, zwei Kinder, Hausbau im Heimatort sind die Folge. Im schmucken Eigenheim tankt der gehetzte Landespolitiker, der so leidenschaftlich gerne kocht und zum Pinsel greift, auf. Hier lässt es sich abschalten, falls nicht die temperamentvolle Dackeldame Mira um Aufmerksamkeit bittet.

Die Familie gibt Florian Streibl auch Halt, als er 2008 bei der Bürgermeisterwahl eine in Oberammergau unerwartete Schlappe erleidet. Ausgerechnet er, der Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten, verliert in der Stichwahl gegen Arno Nunn, einen seinerzeit relativ unbekannten Seiteneinsteiger mit fränkischen Wurzeln. „Die Enttäuschung war massiv“, räumt der haushohe Favorit ein. Seine Lehre aus dieser Wahlwatsch’n: „In Oberammergau musst du mit allem rechnen.“

Privataudienz beim Papst: Mit Vater Max, Mutter Irmingard und Schwester Monika wird Florian Streibl von Johannes Paul II. empfangen.
Privataudienz beim Papst: Mit Vater Max, Mutter Irmingard und Schwester Monika wird Florian Streibl von Johannes Paul II. empfangen. © Privat

Doch diese dunkle Nuance in der Vita von Florian Streibl eröffnet ihm eine ungeahnte Karriere, die er eigentlich nie anzustreben beabsichtigte. Für die Freien Wähler lässt er sich für die Landtagswahl im Herbst 2008, nur ein halbes Jahr nach seiner Pleite, aufstellen – und zieht über die Liste ins Maximilianeum ein. Seine erste Rede im Landtag wird der Jurist niemals vergessen. Es geht um die Kirchensteuer. „Du gehst ans Rednerpult und hast einfach weiche Knie.“ Inzwischen ist Streibl ein ausgebuffter Politprofi. Seit 2018 sitzt seine Partei mit der einst allmächtigen CSU als Juniorpartner am Kabinettstisch. Am Koalitionsvertrag hat der Oberammergauer fleißig mitgewirkt.

Nun laufen bei ihm als Fraktionschef die Fäden zusammen. Doch während Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der Wirtschaftsminister und Vize von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), gerne ins Licht der Öffentlichkeit drängt, hält sich Streibl lieber im Hintergrund. „Der Hubert ist einfach ein gnadenlos guter Bierzeltredner.“ Das meint Streibl überhaupt nicht despektierlich. Im Spiel um Macht und Einfluss hat eben jeder seine Stärken.

Das weiß auch der moderate Strippenzieher aus dem Ammertal: Sieht beispielsweise Regierungschef Söder Streibls Nummer am Display, geht er ganz schnell ans Telefon. „Dann weiß er nämlich, dass es brennt“, scherzt Streibl. Im Oktober tritt der Spross des einstigen CSU-Patriarchen ein viertes Mal für den Landtag an. Die Chancen sowohl auf einen Wiedereinzug als auch auf eine Fortsetzung des Regierungsbündnisses aus CSU und Freien Wählern stehen gut. Doch ob nun tatsächlich ein weiterer heller Farbtupfer im Leben des Florian Streibl auf ihn wartet oder nicht. Er weiß, dass sein Vater unheimlich stolz auf seinen Sohn sein würde.

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.

Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!