So viel Käthe war noch nie: Das Käthe Kollwitz-Haus in Moritzburg bei Dresden • Dresden Magazin

So viel Käthe war noch nie: Das Käthe Kollwitz-Haus in Moritzburg bei Dresden

»Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden« von Käthe Kollwitz
Ende 1941 schuf Käthe Kollwitz ihre letzte Lithographie, die sich gegen die Rekrutierung Minderjähriger zum Kriegsdienst richtete: »Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden«. Das Original hängt heute im Käthe Kollwitz Haus in Dresden Moritzburg. Foto: Käthe Kollwitz Haus

Käthe Kollwitz' Kunst erlebt gerade ein erstaunliches Comeback. Frankfurt, New York und Kopenhagen ehren die Künstlerin in diesem Jahr mit großen Ausstellungen. Im Käthe Kollwitz-Haus Moritzburg kommt man der Künstlerin an einem authentischen Erinnerungsort wirklich nah. In ihrem einzigen Wohnsitz, der Krieg und Zerstörung überstanden hat und später ihr Sterbehaus werden sollte, ist heute ein kleines liebevoll gepflegtes Museum entstanden. Am 22. April jährte sich ihr Todestag zum 79. Mal.

Im Käthe Kollwitz-Haus Moritzburg kann man die Künstlerin und den Menschen Käthe Kollwitz intensiv erleben. Sie malte keine Stillleben, keine lieblichen Landschaften, nichts Gefälliges, nein, die Künstlerin Kollwitz wollte „wirken in dieser Zeit“. Ihre Kunst richtete sich gegen soziale Missstände, lenkte den Blick auf die Benachteiligten und klagte das unfassbare Leid und die Sinnlosigkeit des Krieges an. Zugleich ist da viel Nähe zu spüren, eine Zärtlichkeit und ein Humanismus, für den Käthe Kollwitz mit ihrer ganzen Person stand. Mit ihrer unverwechselbaren, berührenden Bildsprache appelliert sie an das, was uns als Menschen verbindet: die Sorge um unsere Kinder, den Wunsch nach einem friedlichen, selbstbestimmten Leben. Ihre Botschaften sind heute aktueller denn je.

So viel Käthe war noch nie

Das Käthe Kollwitz-Haus in Moritzburg
Der Rüdenhof, eine Anlage aus dem 18. Jahrhundert nahe dem Jagdschloß Moritzburg, war Käthe Kollwitz´ letzter Wohnsitz. Das heutige Käthe Kollwitz-Haus lebt von einer besonderen, persönlichen Atmosphäre. Foto: Käthe Kollwitz Haus
 

„Nie wieder Krieg!“ heißt es gerade im Museum of Modern Art in New York (MoMA). Es ist die erste große Ausstellung von Käthe Kollwitz in New York und die erste seit 30 Jahren in den USA. Auch Frankfurt am Main und demnächst das dänische Kopenhagen zeigen große Retrospektiven der Künstlerin. Ein eigenes Kollwitz-Museum gibt es in Köln, Berlin – und in der Nähe von Dresden, nur wenige Schritte vom Moritzburger Schloß entfernt. Das Käthe Kollwitz-Haus Moritzburg hat eine besondere Geschichte und persönliche Atmosphäre.

Käthe Kollwitz´ Zeit in Moritzburg

Käthe Kollwitz´Blick aus dem Fenster ging auf Schloss Moritzburg und den Schloßteich. Foto: Florian Kneffel (DML BY)
Käthe Kollwitz´Blick aus dem Fenster ging auf Schloss Moritzburg und den Schloßteich. Foto: Florian Kneffel (DML BY)

Nachdem ihre Berliner Wohnung ausgebombt wurde, bot man Käthe, die bereits verwitwet war und einen Sohn im Ersten und einen Enkel im Zweiten Weltkrieg verloren hatte, zwei Zimmer im „Rüden­hof“ an, einem Neben­­gebäude des Moritz­­burger Schlosses. Dort verbrachte sie ihre letzten Lebens­­monate und starb nur wenige Tage vor Kriegsende.

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Ohne sie wäre Dresden nur halb so schön: Moritzburg, Meißen und Radebeul sind unkomplizierte Ausflugsziele mit Aha-Effekt.

Wie, mit wem, hat sie diese Zeit verbracht, während das Nazideutschland zusammenbrach? Sie zeichnete nicht mehr, ihre Augen ließen sie im Stich. Dafür saß sie viel am Fenster mit dem Blick auf Schloss, See und Himmel. Ihre Enkelin Jutta war bei ihr. „Ich las ihr vor, vor allem Goethe, wir lachten auch zusammen, aber nichts kam an gegen die tiefe Depression, ausgelöst durch die nicht enden wollenden Kriegsereignisse. So gebrechlich und behindert sie war, ihre Ausstrahlung, ihre Menschlichkeit, ihre Würde waren ihr geblieben. Eine Königin im Exil, von größter Eindruckskraft“, schrieb sie.

Vom Rüdenhof zum Käthe Kollwitz Haus

Käthe Kollwitz-Haus Moritzburg Neben einer kleinen Galerie im Erdgeschoss sind die sieben Räume der oberen Etage Käthes Leben und Werk gewidmet. Foto: Käthe Kollwitz Haus
Neben einer kleinen Galerie im Erdgeschoss sind die sieben Räume der oberen Etage Käthes Leben und Werk gewidmet. Foto: Käthe Kollwitz Haus

Seit 1995 ist das Haus am Rande der Moritzburger Schlossteiche als Museum eingerichtet. Vom breiten Treppenabsatz am oberen Ende der Wendeltreppe öffnen sich die Räume mit den hohen Fenstern für Besucher und erlauben einen Rundgang über dunkle Dielenböden und zwischen hellen Wänden. Am Ende führt er ins Balkon- und Eckzimmer, die beiden Räume, die Käthe hier bewohnt hat und in denen sie starb. Sieben Räume sind ihrem Leben und Werk gewidmet. Sie enthalten eine chronologisch aufgebaute Sammlung aus mehr als 50 Jahre künstlerischen Schaffens. Darunter Unikate wie die Grafik „Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden“, die nach dem Tod ihres 19-jährigen Enkels an der Ostfront entstand, Selbstbildnisse und einige Plastiken. Aber auch Persönliches, Fotografien, Tagebuch- und Briefauszüge, die viel vom Wesen der Kollwitz erzählen.

Authentischer Erinnerungsort

Heute besteht die Bedeutung ihres letzten Aufenthaltsortes nicht in der Größe der Sammlung – da gibt es im Kupferstichkabinett mehr von ihr zu sehen – sondern in seiner Authentizität. Ein Tagebuch, das sie führte, ein Waschtisch, den sie benutzte, eine Totenmaske von Goethe aus ihrem persönlichen Besitz – das Haus atmet Erinnerung an ihr Leben und Wirken. Die Räume und ihre Präsentation sind einfach und direkt. Sie sind ein Denkmal für Käthe, wie es ihr wohl gefallen hätte.

Käthe Kollwitz-Haus Moritzburg (kollwitz-moritzburg.de), Meißner Str. 7, 01468 Moritzburg, das Museum ist fußläufig von der Moritzburg (ca. 10 Minuten) entfernt

Öffnungszeiten: April bis Oktober: Di bis Fr 11.00 – 17.00 Uhr, Sa und So 10.00 – 17.00 Uhr, November bis März: Mi bis Fr 11.00 – 16.00 Uhr, Sa und So 10.00 – 16.00 Uhr

Führungen: Bei den Führungen durch das Haus steht die bewegende Biografie von Käthe Kollwitz im Mittelpunkt. Sonderausstellungen und Veranstaltungen ergänzen die Dauerausstellung.