Die junge Griechin Elena kommt mittellos nach Deutschland, verdingt sich als Tagesmutter bei einem wohlhabenden Ehepaar, l�sst sich klaglos von ihrer Arbeitgeberin Tessa herumkommandieren und erlebt eine traumatische Erfahrung, als das Baby in einem Moment der Unachtsamkeit entf�hrt wird... Christian Z�bert erz�hlt dramaturgisch interessant – aus zwei Perspektiven – die Geschichte dieser beiden scheinbar v�llig unterschiedlichen Frauen und sorgt daf�r, dass sie sich als Seelenverwandte entpuppen. Fesselnd und klug!
Foto: BR / Senator / Ennenbach"Ein Atem". Elena (Chara Mata Giannatou) tr�stet Lotte (Lucie & Marie Horlacher).
Die Geschichte dieses Films beginnt ebenso schlicht wie ergreifend: Die junge Griechin Elena kommt mittellos nach Deutschland, verdingt sich als Tagesmutter bei einem wohlhabenden Ehepaar, l�sst sich klaglos von ihrer Arbeitgeberin Tessa herumkommandieren und erlebt eine traumatische Erfahrung, als das Baby in einem Moment der Unachtsamkeit entf�hrt wird.
Und dann sorgt Grimme-Preistr�ger Christian Z�bert, f�r „Dreiviertelmond“ und zuletzt „Hin & weg“ mehrfach ausgezeichnet, mit einem simplen Kniff daf�r, dass sich die vermeintlichen Gewissheiten in Luft aufl�sen: indem er mitten im Film die Perspektive wechselt. Bis zu diesem Moment ist „Ein Atem“ gewisserma�en ein griechischer Film, denn die Handlung ereignet sich konsequent aus Sicht von Elena; deshalb wird zun�chst auch nur griechisch gesprochen. Deutsch kann die junge Frau allerdings auch, sie hat Germanistik studiert. Nicht nur wegen ihrer Zweisprachigkeit ist Hauptdarstellerin Chara Mata Giannatou ein Gl�cksfall f�r Z�bert und den Film: Die geb�rtige Berlinerin hat deutsch-griechische Eltern, kommt frisch von der Schauspielschule, gibt in „Ein Atem“ ihr Filmdeb�t: eine echte Entdeckung.
Foto: BR / Senator / EnnenbachAthen, Tessa (J�rdis Triebel) sucht Elena. Pl�tzlich wird sie zur Sympathietr�gerin.
Alles andere h�tte auch nicht funktioniert, denn die herrische Gegenspielerin wird immerhin von J�rdis Triebel verk�rpert, die das zudem unangenehm glaubw�rdig macht; bis Z�bert den Film aus den Angeln hebt. Nun erz�hlt er Tessas Geschichte, und die Frau, die bis dahin so arrogant und unnahbar wirkte, erscheint in einem v�llig anderen Licht. Auch die scheinbar vorbildliche Beziehung zwischen Tessa und ihrem Mann Jan (Benjamin Sadler) erweist sich als br�chig. Und w�hrend Elena das Benehmen ihrer Arbeitgeberin als Gipfel der Ungerechtigkeit empfindet, betrachtet die beruflich gestresste Tessa das Verhalten der Griechin als pure Provokation. Neben der Bildgestaltung durch Ngo The Chau, dessen Handkameraf�hrung die Darbietungen fast wie eine Reportage wirken lassen, ist es vor allem diese dialektische Dramaturgie, die „Ein Atem“ zu einem besonderen Film macht; demnach w�re der erste Teil �ber Elena die These und der zweite �ber Tessa die Antithese. Erst die unterschiedlichen Erz�hlperspektiven sorgen daf�r, dass man vorschnell gef�llte Urteile revidieren muss. Mit dem Finale, als die Frauen in Athen wieder aufeinander treffen, liefert Z�bert die vers�hnliche Synthese, die allerdings zumindest Elena einen hohen Preis kostet.
Das klingt nach einem „nur“ intellektuellen Vergn�gen, aber davon kann keine Rede sein; schlie�lich wei� Z�bert, dessen erster Film vor 15 Jahren die vergn�gliche Kifferkom�die „Lammbock“ war, wie man eine fesselnde Geschichte erz�hlt. Dar�ber hinaus ist der Wechsel der Identifikationsfigur sehr reizvoll, denn pl�tzlich wird Tessa zur Sympathietr�gerin, erst recht, als Jan ihr die Schuld an der Entf�hrung gibt: Dazu sei es �berhaupt nur gekommen, weil sie unbedingt wieder arbeiten wollte. Auf diese Weise wird aus dem Nord-S�d-Konflikt des ersten Teils unversehens ein Film �ber M�nner- und Frauenrollen in unserer Gesellschaft. Abgesehen davon schafft der Bruch �berhaupt erst die Voraussetzung daf�r, dass sich die beiden scheinbar v�llig unterschiedlichen Frauen als Seelenverwandte entpuppen. So erkl�rt sich auch der Titel: Das griechische Wort f�r Atem hei�t gleichzeitig Seele.
Trailer der Kinokoproduktion "Ein Atem" von Christian Z�bert
Tilmann P. Gangloff ist seit 1985 freiberuflicher Fernseh- und Filmkritiker f�r Tageszeitungen und Fachzeitschriften, seit 1990 regelm��iges Mitglied der Jury f�r den Grimme-Preis sowie Mitglied diverser anderer Fernsehpreisjurys.