Lisa Martinek + Giulio Ricciarelli: "Man geht anders miteinander um" | GALA.de
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Lisa Martinek + Giulio Ricciarelli "Man geht anders miteinander um"

Lisa Martinek, Giulio Ricciarelli
Lisa Martinek, Giulio Ricciarelli
© Picture Alliance
Wie fühlt es sich an, wenn Eheleute gemeinsam an einem Film arbeiten? In GALA sprechen Lisa Martinek und Giulio Ricciarelli über ihr Leben als Künstlerpaar

Nur selten sieht man Lisa Martinek, 42, und Giulio Ricciarelli, 49, gemeinsam über den roten Teppich laufen. "Das ist nicht unser Ding", sagt LisaMartinek im Gespräch mit GALA in Berlin. Dabei sind die Schauspielerin und der Regisseur seit über zwölf Jahren ein Paar. Die beiden pendeln mit den gemeinsamen Töchtern Ella, 3, und Carla, 2, zwischen der Hauptstadt und München. Jetzt hat GiulioRicciarelli seinen ersten Kinofilm gedreht, und Lisa spielt mit. Der beste Anlass nachzufragen, wie so eine Künstlerbeziehung funktioniert - vor und hinter der Kamera.

Herr Ricciarelli, "Im Labyrinth des Schweigens" ist Ihr erster Kinofilm. War von vornherein klar, dass Ihre Frau mitspielt?

Giulio Ricciarelli: Ich habe es mir gewünscht.

Lisa Martinek: Natürlich haben alle gefragt: Giulio macht einen Film, spielst du mit? Aber eigentlich war da keine Rolle für mich, weil es altersmäßig nicht passte. Und dann gab es plötzlich diese Nebenrolle.

Ricciarelli: Das war ein Gefallen, den du mir getan hast. Außerdem kam es mir absurd vor, jemand Fremdes zu suchen, wenn ich mit einer wunderbaren Schauspielerin verheiratet bin.

Es gab also kein Casting?

Martinek:(lacht) Nein! Und ich verbinde den Film vollkommen mit Giulio und nicht eine Sekunde mit mir.

Ihr Film geht um Auschwitz. Warum haben Sie sich so ein heftiges Thema für Ihr Debüt ausgesucht?

Ricciarelli: Meine grundsätzliche Haltung ist immer: Wie interessant ist eine Geschichte? Wenn sie gut ist, wird der Film auch persönlich. Natürlich hatten wir alle vor dem Thema Auschwitz großen Respekt. Wir wussten, dass wir in keiner Sekunde den Ton verlieren durften. Wir mussten pur bleiben und nur die Geschichte erzählen, möglichst schlicht.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit dem eigenen Ehemann?

Martinek: Ich habe ja in seinen beiden Kurzfilmen mitgespielt, daher wussten wir schon, dass es sehr gut klappt. Sonst hätten wir das auch nicht gemacht. Ich finde es spannend, weil ich plötzlich Giulio nicht mehr als meinen Mann, sondern als meinen Regisseur sehe. Man lässt den ganzen Alltag hinter sich und geht anders miteinander um.

Ricciarelli: Wenn man Regie macht, ist man so eingespannt - da ist keine Zeit für irgendetwas anderes.

Könnten Sie sich vorstellen, in einem Film mit Giulio ein Paar zu spielen? Ihr Mann ist ja auch Schauspieler.

Martinek: Wenn die Geschichte gut ist, warum nicht? Das wäre eine interessante Erfahrung. So haben wir uns ja auch kennengelernt.

Das müssen Sie genauer erklären ...

Ricciarelli: Wir haben uns bei einem Casting kennengelernt und sollten ein Paar spielen.

Martinek: Der Film kam nicht zustande, dafür aber wir … (lacht) Ich fand ihn schon beim Hinflug sehr attraktiv und habe gehofft, dass er sich nicht neben mich setzt, weil ich so aufgeregt war und nicht gewusst hätte, was ich sagen soll. Am nächsten Tag hat er mich gefragt, ob er bei meinem Casting im Raum bleiben kann. Da hatte ich schon so ein gutes und warmes Gefühl. Das ist jetzt zwölf Jahre her …

… und heute haben Sie zwei kleine Töchter. Wäre es für Sie denkbar, wie Til Schweiger oder Jan Josef Liefers den Nachwuchs schon in jungen Jahren vor die Kamera zu lassen?

Martinek: Unsere Töchter sind ja mit zwei und drei Jahren noch sehr klein. Ich glaube, dass ich es nicht will.

Ricciarelli: Wenn sie erwachsen sind, können sie machen, worauf sie Lust haben. Sie sind ja jetzt schon ganz eigene kleine Wesen. Und sollte sich rausstellen, dass da ein unbedingter Wille und eine Passion ist - wer weiß?

Verstehen Ihre Töchter, was genau ihre Eltern arbeiten?

Martinek: Meine Töchter begleiten mich ja immer zum Dreh, und letztens kam unsere große Tochter Ella mit in die Maske und sah, wie ich geschminkt werde. Dann wollte sie wissen, was ihr Vater macht, also habe ich sie mit ins Tonstudio genommen. Sie sah, wie ihr Vater im dunklen Raum saß und Leuten Anweisungen gab. Am nächsten Tag sagte sie zu ihrer Freundin: "Meine Mama und mein Papa arbeiten, aber eigentlich sitzen sie nur rum und machen nix." (lacht) Sie findet unseren Job gar nicht spannend.

Wie involviert sind Sie als Ehefrau und Schauspielerin, wenn Giulio einen Film macht?

Martinek: Natürlich habe ich mehrere Fassungen des Buchs gelesen und sage ihm ehrlich, was ich davon halte.

Ricciarelli: Mir ist Lisas Meinung sehr wichtig. Sie steht mir sehr nahe, ihr Urteil ist unheimlich wertvoll. Es ist ein liebevolles und gleichzeitig professionelles Auge, was da auf die Arbeit guckt. Und sie gibt mir oft entscheidende Impulse.

Lassen Sie Giulio umgekehrt auch die Drehbücher zu Ihren Projekten lesen?

Martinek: Manchmal liest er sie schon, wenn ich mir nicht sicher bin. Aber bei "Alles muss raus" war mir klar, dass es ein starkes Buch ist und eine schöne Rolle.

Es geht um den Untergang des Schlecker-Konzerns vor etwa zwei Jahren, Sie spielen die ehrgeizige Unternehmerstochter. Was hat Sie an der Rolle besonders gereizt?

Martinek: Kerstin ist eine starke Frau mit einem starken Konflikt. Sie ist hin- und hergerissen zwischen der verletzten Liebe zu ihrem Vater, ihrem Ehrgeiz, aber auch einer ganz altmodischen Vorstellung von der Verantwortung, die ein Unternehmer trägt. Sie will etwas erhalten und neu aufbauen. Dafür kämpft sie mit allen Mitteln.

Sie beide gelten als Familienmenschen. Welche Dinge teilen Sie als Paar noch, außer der Leidenschaft für Film?

Martinek: Reisen und wandern. Als wir noch keine Kinder hatten, haben wir mindestens einmal im Jahr eine große Reise gemacht: Australien, Vietnam … Die Reisen mit der Familie sind zwar überschaubarer, aber trotzdem toll: Man ist zusammen und der Alltag weit weg. Es tut uns gut, ein paar Tage am Stück für 24 Stunden zusammen zu sein.

Herr Ricciarelli, Sie sind halb Italiener, halb Deutscher. Was ist der größte Unterschied zwischen den beiden Lebensgefühlen?

Ricciarelli: Frag einen Italiener, was die schönste Stadt der Welt ist. Dann sagt der Römer Rom, der Mailänder Mailand. Und der Turiner Turin…

Martinek: Und der Deutsche sagt dann auch Rom, Mailand oder Turin … (lacht)

Ricciarelli: Ja, oder New York, Paris oder London.

Bei seiner Premiere auf dem Filmfestival in Toronto wurde "Im Labyrinth des Schweigens" gerade frenetisch gefeiert, Sie wurden sogar mit Oscar-Preisträger- Florian Henckel von Donnersmarck verglichen.

Ricciarelli: Ist ja nicht das Schlechteste … Die Parallele ist vielleicht das komplexe Thema und der Ansatz, daraus einen Kinofilm zu machen, der so attraktiv wie möglich ist. Es geht um die Frage, wie ein Land mit seiner Vergangenheit umgeht. Und wie jeder einzelne Mensch mit der Verarbeitung traumatischer Erlebnisse umgeht. Verdrängen oder aufarbeiten? Ganz viele sagen: Schau da nicht hin, es bringt eh nichts, genieße dein Leben. Und andere wollen es genau wissen. Für Deutschland wäre es furchtbar gewesen, wenn die Aufarbeitung jener Zeit nicht stattgefunden hätte. Davon bin ich überzeugt.

Hili Ingenhoven Gala

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