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Politik Frühere First Lady

Die verlorene Ehre der Bettina W.

Korrespondent
Lange Zeit hat Bettina Wulff Gerüchte über ihre Vergangenheit und entwürdigende Fotomontagen aus der Halbwelt ertragen. Nun will sie kämpfen – gegen Blogger und Tratscher, Günther Jauch und Google.

Sie haben darüber debattiert. Sie haben versucht, den ganzen Schmutz wegzudrücken aus ihren Köpfen, ihn wenigstens halbwegs zu ignorieren. Aber abgehakt haben Bettina und Christian Wulff diese Geschichten nie. Wie soll das auch gehen, wenn man selbst, wenn die eigene Frau derart rücksichtslos und, wie man jetzt sieht, derart grundlos diffamiert wird.

Im Internet, Schwarz auf Weiß, verziert mit zum Teil entwürdigenden Fotomontagen aus Deutschlands Halbwelt. Wenn man weiß, dass diese Gerüchte – hinter kaum vorgehaltener Hand – in den politischen Zirkeln des Landes, in Redaktionen und Friseurläden, an den Stammtischen kreisen und kreisen und kreisen. Es gab ja kaum einen Platz in dieser Republik, an dem man über Monate, Jahre hinweg nicht angetuschelt wurde, sobald der Name Bettina Wulff fiel. Die war doch. Die hat doch.

Bettina Wulff hat nicht. Sie ist im Gegenteil ganz offenbar das Opfer einer üblen Rufmordkampagne geworden, wie sie das Land noch nicht erlebt hat. Die PR-Fachfrau und Ex-First-Lady war nicht Angestellte eines „Escort-Service“. Sie hat auch sonst nicht in einem Rotlicht-Etablissement gearbeitet. Sie wird das in ihrem voraussichtlich noch in dieser Woche erscheinenden Buch – voraussichtlicher Titel: „Jenseits des Protokolls“ – schriftlich und für jeden lesbar festhalten. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ hat sie der Justiz auch eine entsprechende eidesstattliche Erklärung übergeben.

Erst heimlich, still und leise; dann immer gemeiner

Bettina Wulff hat sich entschlossen, gegen die dumpfen Gerüchte anzugehen, die sich in den vergangenen Jahren ausgebreitet haben wie ein fieses, nicht mehr zu stoppendes Krebsgeschwür. Erst heimlich, still und leise; dann immer größer, aufdringlicher, gemeiner. Bis es einfach nicht mehr zu ignorieren war; bis jeder schon mal irgendwas gehört hatte und manche sich mit ihrem schattigen Halbwissen brüsten wollten. Belege für derlei ehrabschneidende Behauptungen hatte dagegen niemand vorzulegen.

Mehr als 30 Unterlassungserklärungen, das hat der Anwalt von Bettina und Christian Wulff, Gernot Lehr, am Freitagabend der Deutschen Presseagentur bestätigt, liegen seiner Mandantin inzwischen vor. Sie alle seien von den betroffenen Journalisten und Freizeitbloggern ohne Zögern und „ohne auch nur zu versuchen, die falschen Darstellungen zu rechtfertigen“, abgegeben worden, berichtet Lehr. Außerdem sei in einigen Fällen bereits Schmerzensgeld durchgesetzt worden. Als Ausgleich für die erlittene Rufschädigung.

Günther Jauch allerdings, Deutschlands beliebtester Fernsehmoderator, der die Rotlichtgerüchte auf dem Höhepunkt der Präsidentenaffäre in seiner Sonntags-Talkshow unter Bezugnahme auf einen Zeitungsartikel aufgegriffen hatte, wollte eine solche Unterlassungserklärung offenbar zunächst nicht unterschreiben. Er hatte den stellvertretenden Chefredakteur der „Bild“-Zeitung, Nikolaus Blome, in seiner Sendung ziemlich unverblümt gefragt, ob es denn stimme, dass das Blatt eine Geschichte über das Vorleben der damaligen First Lady in der Schublade habe. Blome hatte diese These brüsk ins Reich der Fantasie verwiesen. „Das ist kompletter Quatsch.“ Im Internet schossen die Klickzahlen für Bettina-Wulff-Storys dennoch einmal mehr in die Höhe.

„Ohne ein Fehlverhalten einzuräumen“

Auch deshalb, so hieß es am Freitag, habe Bettina Wulff gegen Jauch wegen der öffentlichen Thematisierung ihres angeblichen Vorlebens Klage bei der Pressekammer des Hamburger Landgerichts eingereicht. Jauch habe die Gerüchte mit seiner Sendung geadelt. Erst nach diesem spektakulären Schritt lenkte Jauch ein Stück weit ein. Sein Anwalt Christian Schertz teilte am Samstag mit, dass man Bettina Wulffs Anspruch auf Unterlassung anerkennen werde – allerdings „ohne ein Fehlverhalten damit einzuräumen“.

Jauch selbst erklärte zudem schriftlich, dass er „niemals über Frau Wulff eine falsche Tatsachenbehauptung aufgestellt, sondern lediglich aus einem Artikel der ,Berliner Zeitung‘ zitiert“ habe. „Wer daraus eine Herabsetzung von Frau Wulff konstruiert, liegt daneben.“

Na ja. Zumindest war die Frage aus der damaligen Zeit heraus ausgesprochen naheliegend. Es ging schließlich um einen ziemlich dicken Bolzen, den Wulff mit seinem Anruf bei „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann geschossen hatte. „Bild“ und Bundespräsident lagen danach wegen der „Mailbox-Affäre“ ziemlich im Clinch miteinander. Es fielen wenig freundliche Vokabeln wie „Krieg“. Man durfte also schon mal genauer nachfragen nach der Beziehung von Boulevardblatt und Bundespräsident. Es ging schließlich um einiges.

Jede Menge krudes Zeug

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Bei Google ging es dagegen eher um nichts. Um „Prostituierte“, „Escort“ oder „Artemis“: Begriffe, die das allgegenwärtige Internet-Suchprogramm jedem ungefragt anbietet, der den Namen „Bettina Wulff“ in den berühmten Schreibschlitz tippt. Klickt man die entsprechenden Google-Zeilen an, wird man auf so sympathische Internet-Seiten wie „gehirnfuerze.blogspot“, „derhonigmannsagt“ oder auch „Rentner-News“ verwiesen.

Dort findet sich dann jede Menge krudes Zeug, inklusive jener Gerüchte und Spekulationen, gegen die Bettina Wulff sich jetzt so massiv zur Wehr setzt. Bei Rentner-News zum Beispiel fanden sich an diesem Samstag auf der Homepage unter den fünf seit Gründung der Website meistgelesenen Artikeln vier Bettina-Wulff-Geschichten mit zum Teil mehr als anzüglichen Überschriften.

Unter der im Impressum von Rentner-News genannten Mobiltelefonnummer meldet sich lediglich eine Computerstimme, die darauf verweist, dass der Teilnehmer derzeit leider, leider nicht erreichbar sei. Wie das eben so üblich ist im Internet, wo sich so gut hetzen lässt im Schatten der Anonymität.

Auch gegen Googles Multiplikatoren-Funktion, gegen das Verknüpfen mit rufschädigenden Vokabeln und Netzseiten klagt Bettina Wulff seit Freitag beim Hamburger Landgericht. Sie stößt damit bei dem Internet-Giganten, anders als bei Jauch, auf Granit. Google nehme nun einmal keinen Einfluss auf die Suchbegriffe, beteuerte Unternehmenssprecher Kay Oberbeck am Samstag. Die bei der üblichen Google-Autovervollständigung sichtbaren Suchbegriffe spiegelten aus seiner Sicht lediglich „die tatsächlichen Suchbegriffe aller Nutzer wider.“ Was die Sache nicht zwingend besser macht.

Die Gerüchteküche rund um Hannover

Allerdings: Google hat nach eigenen Angaben in Deutschland bereits fünf ähnliche Verfahren geführt – und habe am Ende alle gewonnen. Fachjuristen räumen Bettina Wulff deshalb zumindest in dieser Sache nicht allzu große Chancen ein.

Es ist ja auch nicht nur das Internet schuld an diesem Rufmord. Spätestens seit der Nominierung Christian Wulffs für das Amt des Bundespräsidenten Anfang Juni 2010 hatte das Getuschel und Getratsche sich über die virtuellen Sphären des Internets und die lokale Gerüchteküche rings um Hannovers Landtag ausgebreitet. Journalisten begannen auch jenseits der Maschsee-Metropole zu recherchieren, zu schnüffeln, auszuhorchen – sie fanden allesamt nichts. Das Gerücht blieb natürlich dennoch hängen in den Köpfen und Kantinen.

Bettina Wulff, so sieht sie es selbst, hat diesen Rufmord lange Zeit verdrängt. Sie hat, auch noch im Schloss Bellevue, mit ihrem Mann über die Frage debattiert, ob und wie man dagegen vorgehen könne. Die beiden haben sich nach einigem Hin- und Herüberlegen dagegen entschieden, wohl auch, weil jeder Schritt in dieser Sache ein Riesen-Medienspektakel gegeben hätte. Das wollte sie ihrem Mann, der ja noch aus anderen Gründen immer ein wenig gekämpft hat mit dem Amt und seinen Bürden, nicht auch noch zumuten.

Attentat auf die eigene Lebensgeschichte

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Jetzt aber, wo diese Bedenken gegenstandslos geworden sind, fühlt sich Bettina Wulff wieder frei genug. Nicht nur für Auseinandersetzungen vor Gericht. Noch in diesem Monat wird die 38-Jährige ein Buch über ihre Zeit als First Lady veröffentlichen, in dem sie, davon darf man ausgehen, auch die Rotlicht-Gerüchte um ihre Person offensiv thematisiert. Was diese fiese Stille-Internet-Post bedeutet hat für sie, für ihren Mann und auch für ihre Kinder. Der älteste Sohn, der neunjährige Leander, ist ja durchaus schon in der Lage, die Suchmaschine Google zu bedienen. Es ist ja kaum vorstellbar, was in so einem kleinen Kopf vorgeht, wenn er den Namen seiner Mutter in Verbindung mit derlei Themen findet.

Dass eine Mutter und ein Vater sehr, sehr wütend werden können angesichts eines solchen Attentats auf die eigene Lebensgeschichte, das kann man sich dagegen sehr gut vorstellen. Und dass man dagegen angehen will, es weghaben will aus dem kollektiven Gedächtnis. Auch dazu soll Bettina Wulffs Buch beitragen. Dessen zügiger Verbreitung wird die an diesem Wochenende gestartete juristische Offensive jedenfalls nicht gerade schaden.

Zumal auch gleich ein paar neue Gerüchte in die Welt gesetzt werden. So hat die „Süddeutschen Zeitung“ nach eigener Einschätzung bereits die Quelle aller Bettina-Wulff-Gerüchte herausgefunden: Es seien Wulff-kritische „CDU-Kreise in Hannover“ gewesen, die in den Jahren 2006 und folgende als Erste gemein getuschelt hätten. Damals hatte sich Christian Wulff von seiner ersten Frau Christiane getrennt und Bettina Körner, spätere Wulff, als seine neue Partnerin vorgestellt. Ein Beleg für diese These wird allerdings nicht genannt.

Es ist, auch das muss man berücksichtigen, wenn man die Wulff-Geschichten der kommenden Monate betrachtet, Wahlkampf in Niedersachsen. Die Hoffnung der dortigen Union, dass sich das Getümmel um den früheren Ministerpräsidenten und dessen Frau bis zum Beginn der heißen Phase wieder beruhigt haben könnte, dürfte trügerisch sein. Die SPD in Hannover hat das jedenfalls längst erkannt.

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