Mehr als vier Jahrzehnte lang lagen ihre Gräber direkt nebeneinander, vor dem Altar der gigantischen Höhlenkirche Basilica de Santa Cruz etwa 45 Kilometer nordwestlich von Madrid: Die sterblichen Überreste José Antonio Primo de Riveras, des Gründer der faschistischen Bewegung Falange, waren 1959 hierher überführt worden; den Leichnam seines Nachfolgers Francisco Franco setzten die Spanier drei Tage nach seinem Tod 1975 in einem gigantischen Staatsbegräbnis bei. Erst 2019 wurden die Knochen des langjährigen Diktators exhumiert und in einem Familiengrab auf einem normalen Friedhof beigesetzt.
Natürlich ist es nur ein Zufall, dass Primo de Rivera und Franco am selben Datum starben: dem 20. November. Der Falangisten-Anführer wurde wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und hingerichtet; den Diktator erklärten seine Ärzte nach mehreren Herzinfarkten für tot, nachdem in seinem Gehirn schon tagelang keine Aktivität mehr messbar war.
Das jahrzehntelange Nebeneinander der beiden Gräber war schon deshalb verlogen, weil Primo de Rivera von Franco wenig bis nichts gehalten hatte. Tatsächlich waren die Beziehungen zwischen beiden nie gut. Der Falangisten-Chef hatte sich geweigert, den Namen des Generals neben seinem auf einer Kandidatenliste aufzuführen; Franco verzieh ihm diese Haltung nicht. Doch der Tod von Primo de Rivera ermöglichte es Franco, sich selbst zum Anführer der spanischen Rechtsextremisten aufzuschwingen. So stieg er auf zum erfolgreichsten Faschisten aller Zeiten.
Der spätere Diktator war am 4. Dezember 1892 in die Familie eines spanischen Marineoffiziers geboren worden. Seine Kindheit verlief unglücklich; seine Eltern trennten sich nach langem Streit, als er 14 Jahre alt war. Der Junge wollte ebenfalls Offizier werden und besuchte die Infanterieakademie in Toledo. Dabei hatte er lediglich übertschaubaren Erfolg: Den Grundlehrgang schloss er lediglich als 251. unter 312 Teilnehmern ab.
Dafür zeichnete er sich bei seinen ersten Einsätzen in spanischen Kolonien in Nordafrika aus. Mit gnadenloser Härte formte er eine Einheit einheimischer Söldner zu einer schlagkräftigen Truppe. Bei einem Gefecht mit Aufständischen wurde er 1916 lebensgefährlich verletzt und galt fortan als Kriegsheld.
In den heftigen politischen Streitigkeiten in Spanien in den frühen 1930er-Jahren wechselte Franco seine Position zwischen dem Flügel der Monarchisten und den Vernunftrepublikaner, die den König zu opfern bereit waren, um so viel wie möglich der hergebrachten Traditionen zu bewahren. Gegen die Anarchisten und Sozialisten wandte er sich aber ganz unnachgiebig.
Seit 1934 war Franco Generalstabschef und damit Oberkommandierender der spanischen Armee. Gleichzeitig stieg die faschistische Falange Primo de Riveras von der Splitterpartei zur ernst zu nehmenden Kraft auf. Als im Februar 1936 die linken Kräfte der Volksfront die Wahlen knapp, aber dennoch eindeutig (mit 4,65 zu 4,5 Millionen gültigen Stimmen) gewannen, wurde das zum Signal für den Staatsstreich. Am 17. Juli 1936 begann der Aufstand unter Führung dreier Generäle, darunter Franco.
Primo de Rivera saß zu dieser Zeit schon wegen unerlaubten Waffenbesitzes in Haft. Von hier aus aber bekannte er sich offen zu den Putschisten und erfüllte damit den Straftatbestand des Hochverrats. Er hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass die Machtübernahme der katholisch-konservativen Militärs allzu lange dauern würde.
Tatsächlich begann aber ein zweieinhalbjähriger, sehr grausamer Bürgerkrieg. Die Volksfront, unterstützt von Stalins Sowjetunion und Internationalen Brigaden, verübte zahlreiche Verbrechen an Gegnern und an Kirchenvertretern, sogar an Nonnen. Die vom faschistischen Italien und dem nationalsozialistischen Deutschland unterstützten Franco-Truppen waren keinen Deut besser: Sie massakrierten massenhaft echte oder angebliche Linke, die oft in Gruben am Rand von Friedhöfen oder sogar direkt außerhalb der Friedhofsmauern verscharrt wurden.
Der Bürgerkrieg in Spanien entwickelte sich zum ersten großen Stellvertreterkrieg der Zeitgeschichte. Deutsche Flugzeuge der Legion Condor bombardierten 1937 die baskische Kleinstadt Guernica. Im Mai 1938 war die Volksfront-Regierung in Madrid eigentlich am Ende und bot Friedensverhandlungen an, doch Franco bestand auf der totalen Unterwerfung, sodass die Kämpfe weitergingen. Erst im März 1939 endete der Bürgerkrieg mit dem Zerfallen der Republikaner. Francisco Franco war von nun der unumstrittene Herrscher Spaniens. Insgesamt waren rund eine halbe Million Spanier direkt oder indirekt im Bürgerkrieg gestorben.
Franco stützte sich fortan zwar auf die Faschisten, integrierte sie aber in eine größere Bewegung, die den Namen Falange zunächst beibehielt. Obwohl Hitler und Mussolini den Spanier 1940 drängten, an ihrer Seite in den Zweiten Weltkrieg einzutreten, beschränkte sich der Diktator im Wesentlichen auf nominelle Hilfe. 1941 schickte er eine etwa 17.500 Mann starke Freiwilligentruppe vor allem aus besonders überzeugten Falange-Anhänger, „Blaue Division“ genannt, an die Ostfront, um die Wehrmacht zu unterstützen.
1943 setzten die Westalliierten den Diktator massiv unter Druck, damit er seine Unterstützung für Hitler-Deutschland reduzierte. Franco löste die Blaue Division offiziell auf, doch einige tausend der Freiwilligen weigerten sich, nach Spanien zurückzukehren, und kämpften auf eigene Faust weiter. Schließlich wurden sie in die Waffen-SS eingegliedert.
1945/46 drängten die USA, Großbritannien und Frankreich Franco zum Rücktritt, der sich aber weigerte. Die Aggressionen des stalinistisch beherrschten Ostblocks führten ab Ende 1947 dazu, dass die Westmächte Spanien einschließlich seines Diktators als Partner im Kalten Krieg akzeptieren – oder genauer: akzeptieren mussten. Franco gestand zu, dass zu einem späteren Zeitpunkt die Monarchie in Spanien restituiert werden werde. Allerdings tat er alles, um mittels eines Personenkultes um Primo de Rivera, genannt „der Abwesende“, und sich selbst das eigene Regime zu stabilisieren.
Nach einem Vierteljahrhundert Herrschaft, die von politischer Unfreiheit genauso geprägt war wie von wirtschaftlichem Aufschwung, starb Francisco Franco offiziell am 20. November 1975. Sein Nachfolger als Staatsoberhaupt wurde König Juan Carlos I. Der wollte einen „Schlussstrich“ unter die Ära Franco ziehen – ein Unterfangen, das angesichts der vielen Opfer scheitern musste.
Die Aufarbeitung der Gewaltherrschaft des spanischen Faschisten kam so erst Jahrzehnte später in Gang. Die spanischen Konservativen können sich bis heute nicht aus dem Schatten des Diktators befreien. So dauerte es Jahre, bis die unwürdige Huldigungsstätte für Franco in der Basilica de Santa Cruz beseitigt werden konnte. Die Familie Franco inszenierte die Umbettung nach Kräften.
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