Per Definition weltumfassend füllen Gustav Mahlers symphonische Werke mühelos ein ganzes Konzert, so auch bei Franz Welser-Mösts zweitem Gewandhausgastspiel in diesem Monat, bei dem einzig und allein die Fünfte Symphonie aus der Feder des österreichischen Komponisten auf dem Programm steht. Dabei setzen Mahlers Landsmann Welser-Möst und das Leipziger Orchester mehr auf detaillierte Ausleuchtung denn Allgemeingültigkeitsanspruch. Das klingt im besten Sinne verklänglich.

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Franz Welser-Möst
© Julia Wesely

Nicht zum letzten Kampf blasend, sondern wie zum Morgenappell rufend beginnt das markante Trompetenmotiv zu Beginn des ersten Satzes. „Flüchtig, nach Art der Militärfanfaren vorgetragen“: Das Solo, gespielt von Jonathan Müller, klang genauso, wie es der Komponist einst in der Partitur vermerkte. Es war der Auftakt für einen infernalistischen Höllenritt, in dessen Verlauf Welser-Möst die gesamte Bandbreite des Gewandhausorchesters auszukosten wusste. Fein betonte der Dirigent insbesondere im ersten Satz dabei auch immer wieder die hoffnungsvollen, lichten Momente, die bravourös gegen das verhängnisvolle Schicksale zu kämpfen scheinen.

Mit geforderter Vehemenz und Verve stürzten sich Orchester und Dirigent auch in den zweiten Satz. Immer wieder spannte Welser-Möst den Spannungsboden bis kurz vor das Bersten, ohne ihn zu überspannen. Hier brodelte es, seufzte, rumorte es. Dennoch war es eine dosierte Ekstase; an diesem Tag waren es die Untertöne, die die Musik machten. Statt klangmalerischer Mahlermagie lag die Betonung auf den Dissonanzen, der beißenden Ironie. Im Gegensatz dazu stand das Scherzo als dritter Satz, in dem sich Ländler und Walzer mühelos ineinander zu verweben schienen. Mit großer Brillanz dominierte das Hornsolo von Ralf Götz. Sanft gelangen die Übergänge zwischen den verschiedenen Orchestergruppen, wenn auch der letzte Biss in den scharfen Wechseln zwischen tänzerischer Leichtigkeit und markdurchdringender Weltenerschütterung im Gegensatz zu den ersten beiden Sätzen im Verlauf etwas verloren zu gehen schienen.

Im folgenden Adagietto war das Gewandhausorchester wieder ganz in seinem Element. Der musikalische Liebesbrief an Ehefrau Alma ist Mahlers wohl bekanntester und beliebtester Einzelsatz aus seinen Symphonien, wodurch sich insbesondere Komponistenkollege Richard Strauss zu bissigen Kommentaren hinreißen ließ. Herzergreifend zeigten Orchester und Dirigent, dass der langsame Satz viel mehr als nur die Begleitmusik für Luchino Viscontis Tod in Venedig ist. Wie schon in der gesamten Symphonie setzte Welser-Möst in den Tempi auf Mittelmaß denn Extreme. So ließ sich die Klangschönheit genießen, ohne ins übermäßig Schwelgerische abzugleiten. Ein Liebesbrief mit zurückhaltender Distanz. Im abschließenden Rondo-Finale folgt der Brückenschlag zum Beginn der Symphonie. Hier waren Biss, Spielfreude und Detailversessenheit zurück, sodass es am Ende teils stehende Ovationen für Orchester und Dirigenten gab.

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