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Menschenfresser

In den USA haben Schweine einen Farmer aufgefressen. Solche Fälle zeigen, dassAllesfresser auch vor Menschen nicht halt machen – vorausgesetzt diese sind bereits tot

Niemand weiß genau, was mit Terry Garner geschehen ist. Der 69-jährige Farmer aus Riverton im Bundesstaat Oregon ging am 26. September wie jeden Tag seine zwei Dutzend Schweine füttern. Aber an diesem Mittwoch kehrte er nicht mehr zurück. Sein Neffe machte später eine grausige Entdeckung: Das künstliche Gebiss Garners sowie einige zerfetzte Körperteile lagen im Gege der Tiere. Die Schweine hatten ihren Besitzer aufgefressen. Ob sie den Farmer selbst töteten oder ihn fraßen, nachdem er durch einen Herzinfarkt gestorben war, das versuchen die Behörden nun zu klären. Viele mussten nach dieser bizarren Nachricht erst einmal schlucken. Schweine fressen Menschen?

Das tun sie, sagen Experten. Denn Schweine sind Allesfresser. Und die fressen bekanntlich: alles. „Wenn der Mann tot am Boden liegt, wird er von den Schweinen nicht mehr als ihr Halter wahrgenommen“, erklärt die Tierpsychologin Andrea Schäfer. „Der kalte Körper riecht auch nicht mehr nach einem Menschen, sondern nach totem Fleisch. Für das Schwein handelt es sich dabei um Aas. Und das wird eben gefressen.“

Sie geht davon aus, dass der Mann durch eine Erkrankung oder Herzversagen starb, bevor die Tiere ihn fraßen. Denn Aggressionen gegen den Tierhalter selbst seien sehr unwahrscheinlich, auch wenn Garner bereits zuvor einmal von einem seiner Schweine gebissen wurde. „Schweine beißen auch Artgenossen weg, wenn die ihnen zu nah auf die Pelle rücken“, sagt sie. Florian Schöne vom Naturschutzbund Deutschland glaubt ebenfalls nicht, dass die Tiere ihre Halter angehen; selbst dann nicht, wenn sie eng gehalten werden. Zwar könne Stress und fehlende Beschäftigungsmöglichkeit durchaus zu einer erhöhten Aggressivität führen. Diese richte sich aber in der Regel gegen Artgenossen. „Übergriffe auf Menschen durch Massentierhaltung sind uns nicht bekannt und erscheinen auch eher abwegig“, erklärt er.

Dass Menschen, zumindest nach ihrem Ableben, eine reine Proteinquelle für manche Tiere darstellen, ist eine unangenehme Vorstellung. Zumindest der Aasgeier ist den meisten aber dafür bekannt. Doch auch Raben und Krähen, Füchse, Wölfe oder streunende Hunde fressen tote Menschen. Nach Angaben von Anna Martinsohn vom Deutschen Jagdschutzverband findet man diese Tiere deshalb auch oft auf Schlachtfeldern in Kriegszeiten auf der Suche nach Nahrung herumstreunen.

Vereinzelt aber finden sich auch Berichte, nach denen Tiere Menschen gezielt anfallen, um sie zu fressen. So wurde im Jahr 2006 ein dreijähriger Junge in der Nähe der indischen Hauptstadt Neu-Delhi von Schweinen attackiert und gefressen, wie damals der „Focus“ berichtete. Auch Wildtiere, die in der Nähe des Menschen leben, greifen in seltenen Fällen an. Aus jüngerer Zeit bekannt sind etwa Wölfe, die in der ostchinesischen Provinz Shandong zwei Menschen angefallen und getötet haben, sowie zwei Wölfe, die im vergangenen Jahr in Schweden eine Mutter, ihr Kind und deren Hund angriffen. Während Mutter und Kind unbehelligt davonkamen, fand man von dem Hund wenig später nur noch Überreste. Nach Angaben der Hochschule Bremen sind solche Angriffe durch Wölfe auf den Menschen aber selten – wenn es dazu kommt, handele es sich meist um durch den Menschen beeinflusste Tiere oder aber an Tollwut erkrankte. Das Gleiche gelte für Füchse. Die sehr scheuen Tiere versuchten, Menschen eher aus dem Weg zu gehen. Nur halb zahme Füchse, die durch Fütterung an Menschen gewöhnt seien, oder neugierige Jungfüchse überwinden gelegentlich die sogenannte Fluchtdistanz.

„Alle Wildtiere, egal ob Wespe, Wildschwein, Fuchs oder Wolf, können unter bestimmten Umständen Menschen verletzten“, ergänzt Markus Bathen vom Naturschutzbund Deutschland. „Dies kann geschehen, wenn sie glauben, sich verteidigen zu müssen. Todesfälle sind dabei weniger eine Frage der Tierart, sondern der Umstände.“ In Deutschland sei es seit der Rückkehr des Wolfes vor zwölf Jahren aber zu keiner Situation gekommen, in der ein Wolf sich aggressiv einem Menschen genähert habe. Dazu mag beitragen, dass die Tollwut, die manchmal zu aggressivem Verhalten führen kann, in Deutschland als ausgerottet gilt. „Keiner der in Deutschland lebenden Wildtiere hat den Mensch im Beutespektrum“, ist sich Bathen sicher.

Ein wenig anders sieht es bei Tieren aus, denen man hierzulande nicht so schnell über den Weg läuft. Zwar sind Menschen keine ausgesprochenen Lieblingsmahlzeiten von Löwen, Krokodilen, Haien oder Bären – aber Angriffe auf Menschen kommen bei ihnen immer wieder einmal vor. Hier gilt: Der Mensch muss sich in aller Regel erst als Beute interessant machen – und das Raubtier muss großen Hunger haben.

In den USA etwa kommen Übergriffe von Bären auf Menschen eher im Sommer in Nationalparks oder der freien Wildnis vor, wenn die Hitze den Bären zusetzt und Menschen in der Nähe von Campingplätzen attraktive Gerüche nach Essen hinter sich herziehen. In einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie untersuchten Forscher, wie häufig Bären in Kanada Menschen tatsächlich mit dem Ziel angriffen, sie zu fressen. Das Ergebnis: Es kommt selten vor, aber wenn, dann beabsichtigen die Bären in 88 Prozent aller Fälle, den Menschen auch wirklich zu verspeisen.

Das berühmteste historische Beispiel dafür, wie Tiere auf den Menschengeschmack gekommen sind, stammt wohl aus Kenia, wo 1898 zwei Löwen 35 Menschen aus einem Arbeitercamp holten und fraßen. Hier kamen zwei Umstände zusammen: Die Löwen waren extrem ausgehungert – und die Arbeiter hatten keine sehr gründliche Bestattungspraxis. Ohne es zu wissen, fütterten sie die Tiere mit ihren Toten an, die so lernten, dass Menschen einfache Beute sind.

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Vorsicht mit wilden Tieren, das gilt also immer. Panik dagegen ist unangebracht. Dem Center of Disease Control and Prevention gemäß starben in den USA zwischen 1999 und 2008 1989 Menschen durch Tiere. Die weitaus meisten davon allerdings durch: Insekten.

Diese Tiere Töten Menschen, um zu fressen:

Hai: Wenn Menschen den Haien in die Quere kommen, kann es gefährlich werden. In Australien gab es dieses Jahr bereits fünf tödliche Angriffe. Seit wenigen Tagen erlaubt die Regierung nun, Haie zu töten, die eine Bedrohung darstellen könnten. Hai-Experten kritisieren jedoch diese Maßnahme

Bär: Bären greifen selten Menschen an, doch wenn, dann kommt man nicht oft lebend davon. Einer Studie zufolge attackieren Bären fast nur dann, wenn Menschen allein oder zu zweit unterwegs sind. Fast alle angreifenden Bären, über 90 Prozent, sind dabei Männchen

Krokodil: Krokodile sind nicht sehr wählerisch: Sie fressen, wann immer sich etwas bietet; zu jeder Tageszeit. Neben unerfahrenen Touristen laufen besonders Fischer Gefahr, von ihnen angegriffen zu werden. Ansonsten sind Fische die wichtigste Nahrungsquelle der Tiere

Löwe: Löwen fressen selten Menschen, auch, weil sich ihre Lebensräume kaum überschneiden. Doch Menschen gehören zu den Primaten – und die fressen Löwen bei Gelegenheit durchaus. Gefährlich wird es, wenn die Tiere sehr hungrig und verletzt sind – denn dann sind sie auf leichte Beute angewiesen

Wolf: Der Europäische Grauwolf lebt in Rudeln und ernährt sich hierzulande vor allem von wilden Huftieren, wie Rehen, Wildschweinen oder Rothirschen. Dabei bevorzugt er leichte Beute: ältere, kranke oder junge Tiere. Sein negativer Ruf hat Gründe: Früher riss er oft Nutztiere und übertrug Tollwut

Geier: Geier sind ausdauernde Flieger: Da sie fast nur tote Tiere fressen, müssen sie weite Strecken zurücklegen, um satt zu werden. Nur in der Zeit der Fortpflanzung und Brut bleiben sie an einen Ort. Sie fressen fast alles – müssen jedoch größeren Aasfressern, wie den Wölfen, zunächst den Vortritt lassen

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Fuchs: Der scheue Fuchs hat nur selten Gelegenheit einen Menschen zu verspeisen. Füchse in Städten bietet sich ohnehin ein großes Angebot an Nahrung. Füchse sind eher als Krankheitsüberträger ein Risiko. Sie übertragen die Tollwut, etwa den Fuchsbandwurm, und die Pseudoskabie, eine Form der Krätze

Piranhas: Piranhas sehen zwar gefährlich aus, sind aber kleine Angsthasen, wie brasilianische und schottische Forscher herausfanden. Die Fische bilden Schwärme, um sich zu schützen, und greifen nicht alleine an. Menschen knabbern sie höchstens an, wenn sie offene Wunden haben. Sonst bevorzugen sie tote oder verletzte Tiere

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