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Kekse aus dem Rödertal

Die frühere Freudenberg-Fabrik in Großröhrsdorf kommt nach der Insolvenz wieder auf die Beine. Der Neustart ist nicht leicht.

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© Reiner Hanke

Reiner Hanke

Großröhrsdorf. Rom, Amsterdam, Paris: Langsam zieht die große weite Welt am Auge vorbei, in Großröhrsdorf. Mit dem Petersdom, einer Windmühle und dem Eiffelturm in Kekse geprägt. Einfach zum Anbeißen. Noch sind sie aber weit entfernt von einem Knuspergebäck. Frisch aus dem Kneter bekommen die Teigstücke per Walze ihre Form und das Motiv. Bevor die Reise auf der 60 Meter langen Backstraße weitergeht.

Die Confiserie Mellinia mit Werksverkauf in Großröhrsdorf.
Die Confiserie Mellinia mit Werksverkauf in Großröhrsdorf. © Reiner Hanke

In der Großröhrsdorfer Gebäckfabrik produzieren nach der Insolvenz Anfang des Jahrzehnts zwischen 80 und 120 Mitarbeiter mehr Kekse denn je. Dazu gehört auch die Sorte „City Tour“. Es sind heute bis zu 60 Beschäftigte mehr als noch 2012. Damals sah die Zukunft unsicher aus. Die traditionsreichen Freudenberg Dauerbackwaren waren in finanzielle Schwierigkeiten geraten und zahlungsunfähig.

Ende 2012 übernahm Andreas Coppenrath das Unternehmen, kurz vor der Schließung. So werden auch heute noch Kekse in Großröhrsdorf gebacken. Der Wermutstropfen: Der Name des Großröhrsdorfer Firmengründers Freudenberg ist Geschichte. Unter Confiserie Mellinia firmiert das Unternehmen heute. Freudenberg als Markenname für Gebäcksorten habe leider auch nicht den erhofften Bekanntheitsgrad gehabt, selbst in Ostsachsen. Die Rezepturen leben weiter, leicht überarbeitet, versichert der Chef.

Klangvoller Name

So kommen die Großröhrsdorfer Spezialitäten jetzt unter der Marke Coppenrath in die Geschäfte. Ein klangvoller Namen. Wer kennt nicht die Torten von Coppenrath und Wiese in der Kühltruhe? Mitbegründer war Aloys Coppenrath. Er kam zwar auch aus dem Stammhaus in Geeste, im niedersächsischen Emsland. Beide Firmen haben aber geschäftlich nichts miteinander zu tun. Andreas Coppenrath übernahm 1997 die elterliche Geester Traditionsbäckerei. Rund 330 Beschäftigten gibt sie Arbeit. Der studierte Betriebswirt mit Amerika-Erfahrung, der Bäcker und Konditor Andreas Coppenrath pendelt zwischen den beiden Standorten – 600 Kilometer quer durch Deutschland.

Während sich die Städte-Kekse in den Ofen der Backstraße in Großröhrsdorf schieben, zieht der Chef ein kleines Päckchen aus der Brusttasche: Ein Löffelchen, fein in Plastik verpackt. Ein Löffel und doch ein Keks. Andreas Coppenrath zeigt seine neue Kreation: Den Löffel zum Essen. Der soll von Großröhrsdorf aus die Welt erobern. Damit sparen die Caféhäuser den Keks an der Tasse und beim Aufwasch der Löffel auch noch. Denn die können nach dem Umrühren verspeist werden. Die Idee sei noch ausbaufähig mit Löffeln fürs Eis oder den Joghurt, denkt Coppenrath. Mit solchen neuen Ideen will er die Großröhrsdorfer Fabrik Schritt für Schritt besser auslasten. Bis zu 5 000 Tonnen Keks produziert sie jetzt im Jahr. Das sei nicht ganz das Doppelte, aber deutlich mehr als vor drei Jahren. Es gebe aber noch Luft nach oben. „Wir müssen den Betrieb wirtschaftlich noch voranbringen.“

Drei neue Linien

Das gehe nicht nur als verlängerte Werkbank, sondern müsse über eigene Produkte passieren. Die Voraussetzungen seien da. Die Übernahme und der Neuanfang seien schon ein Risiko: „Es ist nicht leicht. Wir müssen uns einen neuen Markt aufbauen“, räumt Coppenrath nach drei Jahren ein. Er habe den Kauf aber nie bereut: „Es ist schön, mit den Leuten hier zu arbeiten.“ Wie viel er in den vergangenen Jahren investiert hat, darüber schweigt der Geschäftsmann, auch über den Kaufpreis. Immerhin sind drei neue Linien hinzugekommen plus diverse Maschinen. Mehr als 100 sind es insgesamt in den Werkshallen, die zum Zeitpunkt der Insolvenz noch viel Raum für Ideen boten.

Die Großröhrsdorfer backen für den Handel, aber auch für Unternehmen. Auf Wunsch mit Firmenlogo. So zum Beispiel für einen Mineralölkonzern Muschelgebäck. In die Beneluxstaaten, nach Frankreich, Spanien und in den arabischen Raum reisen die Backwaren, auch nach England. Aber leider nicht mehr für die Queen, „das war damals vor dem Krieg der Honigkuchen“, sagt Coppenrath.

Die Städtekekse gehören auch zu den Neuheiten. Sie erfüllen alle Anforderungen eines veganen Gebäcks. Mehl, Zucker, Fett und ein paar andere Rohstoffe kommen hinein. Caramel gibt dem Gebäck die hellbraune Farbe. Andreas Coppenrath probiert und nickt zufrieden. Neu sind auch die Öfen, in denen sich Baumkuchen drehen – so ähnlich wie Döner, nur horizontal. In Kupferkesseln werden die Zutaten für Florentiner zubereitet.

Hochfeine Confiserie

Seit drei Jahren kommen auch Naschwaren der Edelmarke Lembecke aus Großröhrsdorf: „Das ist hochfeine Confiserie für den Fachhandel“, erklärt Andreas Coppenrath und öffnet eine Geschenkpackung mit Florentinern, Mandelsplittern mit Schokolade und Mürbeteigherzen: „Die Pistazien werden von den Mitarbeitern noch von Hand aufgelegt“, versichert der Chef.

20 Minuten braucht der Städte-Keks auf der Backstraße. Fünf Minuten bleiben sie bei 150 °C im Ofen. Dann fahren sie durch den Kühltunnel, bekommen ihre Schokoladenseite und werden zum Schluss von den Mitarbeiterinnen von Hand verlesen. Kekse mit Bläschen oder anderen Schönheitsfehlern sortieren sie aus. Fünf Frauen stehen am Ende der Linie. Stecken die Kekse in Schalen, bevor sie eine Maschine in bunte Folie hüllt.

Obwohl das Jahr gerade erst begonnen hat und für den Handel Ostern vor der Tür steht, denkt Andreas Coppenrath schon wieder an Weihnachten: „Jetzt müssen wir die Verträge für Spekulatius, Leb- und Baumkuchen abschließen.“