Teufel Alkohol: Dank Uli Hoeneß schaffte Gerd Müller den Entzug | Abendzeitung München
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Teufel Alkohol: Dank Uli Hoeneß schaffte Gerd Müller den Entzug

Vierter Teil der AZ-Serie: Zurück aus den USA beginnt Gerd Müller zu trinken - morgens, mittags, abends! Nur dank Uli Hoeneß schafft er den Entzug. "Dass ich die Sucht bezwungen habe, war mein größter Sieg."
| Patrick Strasser
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Morgens, mittags, abends: Irgendwann wurde der Alkohol für Gerd Müller zum ständigen Begleiter.
Morgens, mittags, abends: Irgendwann wurde der Alkohol für Gerd Müller zum ständigen Begleiter. © imago images/Rolf Hayo

Gerd Müllers sechs Jahre ab 1979 in den USA - ein großes Abenteuer für den Bomber des FC Bayern. Und für seine Frau Uschi, mit der er parallel zu den drei Spielzeiten, die er für die Fort Lauderdale Strikers aufläuft, das Steakhouse "The Ambry" betreibt. 1985 kehrt die Familie von Florida nach München zurück. Gerd ist ohne Job, ohne Ziel. Das Unheil beginnt.

Er trinkt. "Ich war wieder in Deutschland, und es war nichts los", erinnert sich Müller, "ich habe nichts gemacht, das war ja der Fehler. Wenn du da keine Arbeit hast, was sollst du dann tun? Dann ist der Tag lang." Wenn er mal rausgeht, gibt er für etwas Kleingeld Autogrammstunden oder verschwindet in einer Kneipe. "Dann sitzt du am Abend halt mal im Lokal und trinkst hier ein bisserl und da ein bisserl."

Die Bar wird Müllers Strafraum

Bei Prominentenkicks tapst Müller teils unbeholfen herum. Einmal verliert er seine Kontaktlinsen, die ganze Mannschaft krebst auf dem Rasen umher, um die Dinger zu finden. Zielstrebiger ist er auf den Empfängen nach den Spielen. Die Bar wird sein Strafraum, dort schlägt er zu. Nicht nur dort - überall. "Anfangs hat er sich hin und wieder nach Abpfiff im Bus einen Prosecco aufgemacht und getrunken", weiß Ex-Torhüter Sepp Maier noch, "ich hatte mir nicht viel dabei gedacht, weil er ansprechbar war und recht normal wirkte." Doch Müller erhöht die Dosis: morgens, mittags, abends.

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Damals ist die Uwe-Seeler-Traditionself Anlaufstelle und beliebter Treffpunkt für ehemalige Nationalspieler. Müller hält meist nicht lange durch, verschwindet nach Zerrungen - typische Verletzungen, wenn man zu viel trinkt - in der Kabine. Manchmal ist es auch nur ein Vorwand. In der Umkleide macht er sich dann eine Flasche Wein auf. Früher hatte er einen Fahrer aus Bequemlichkeit, nun geht es nicht mehr anders. In der Presse nehmen die Gerüchte um Müllers Alkoholabhängigkeit zu.

Hoeneß bietet seine Hilfe an

Damals entwickelt sich folgender Dialog. Sein ehemaliger Mitspieler Uli Hoeneß, damals Manager, fleht: "Gerd, wenn du Hilfe brauchst und annimmst, sind wir bereit. Aber wir können dir nur helfen, wenn du dir helfen lassen willst." Müller entrüstet: "Ich trinke doch nur ein bisschen was." Hoeneß antwortet: "Gut. Das ist okay, wenn du damit kein Problem hast. Aber wenn du wirklich Hilfe brauchst: Diese Tür hier in meinem Büro ist immer für dich offen."

Die Bayern-Familie als Rettung: Müller (2.v.l..) und Uli Hoeneß (l.).
Die Bayern-Familie als Rettung: Müller (2.v.l..) und Uli Hoeneß (l.). © imago/Pressefoto Baumann

Müller zieht sich zurück und ringt sich dann zum Entschluss durch, sich helfen zu lassen. Was Ehefrau Uschi nie gelungen ist, konnte Hoeneß erreichen. "Nach einigen Wochen kam Gerd und sagte: 'Ja, ich brauche Hilfe, ich habe ein Alkoholproblem'", so Hoeneß.

Gerd Müller: "Dass ich die Sucht bezwungen habe, war mein größter Sieg"

Müller wird ins Klinikum Murnau eingeliefert, der Entzug, die Entgiftung beginnt. "Erst hatte ich ein schönes Einzelzimmer, kam an den Tropf, lag im Nachthemd da", so Müller im Tagebuch seiner Entziehungskur in "Bild" vom 8. November 1991. Müller weiter: "Dann die Intensivstation, diese fünf Tage - null Erinnerung. Für mich sind diese fünf Tage ein schwarzes Loch. Totaler Filmriss. Mein Glück. Aber die Ärzte haben mir erzählt, dass ich mich wie ein Wahnsinniger aufgeführt habe." Müller wird aufgeweckt, bekommt nur noch morgens eine Infusion, muss dreimal am Tag Tabletten zur Regeneration der Leber nehmen. Und darf Besuch empfangen. Hoeneß kommt jeden Tag, sagt: "Wenn ich an der Säbener Straße um 17 Uhr, 18 Uhr fertig war, bin ich nach Murnau gefahren."

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Müller schafft es, bleibt bis zu seinem Lebensende trocken. "Ich glaube, dass nur ein Prozent der Alkoholkranken dies nach dem ersten Entzug schafft", sagt Franz Beckenbauer im Jahr von Müllers 70. Geburtstag, "von daher ist es toll, dass er das gepackt hat." Der Hattrick im Europapokal der Landesmeister mit dem FC Bayern Mitte der Siebziger, der EM-Titel 1972, der WM-Titel 1974, all die persönlichen Rekorde und Auszeichnungen - unterm Strich zählt eines: "Dass ich die Sucht bezwungen habe, war mein größter Sieg", gibt Müller einmal zu, "wichtiger noch als der WM-Titel."

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8 Kommentare
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  • Witwe Bolte am 21.08.2021 20:04 Uhr / Bewertung:

    Das oberste Familienfoto ist sehr interessant und irgendwie künstlerisch wertvoll, es hat eine hohe Aussagekraft und könnte aus einem alten US-Film stammen. Der Fotograf war ein absoluter Profi, und auch die Kamera war bestimmt hochwertig.
    Kein Vergleich mit dem heutigen Handy-ex-und-hopp-Geknipse.

  • Südstern7 am 20.08.2021 22:39 Uhr / Bewertung:

    Dieser Bericht ist nur eine Kurzfassung der Problematik, kann es auch nur sein. Die Probleme begannen nicht erst nach Beendigung der Karriere, sie verstärkten sie nur, rückten sie in den Vordergrund. So jedenfalls habe ich es aus einigen Biografien, die ich lesen durfte, mitgenommen.

    Die Geschichte mit Hoeneß stimmt, so habe ich es jedenfalls aus verschiedenen Quellen herausgelesen. Oft sind Außenstehende, in diesem Falle Hoeneß, die eher in der Lage sind auf den Menschen einzuwirken, als es die Familie kann. Die Familie steht dem Menschen zu nah, manchmal auch Freunde. Aber von denen hatte Müller nicht viele. Allein die Connection zur Säbener Straße war das Bindeglied, das den Gerd einlenken ließ. Aber natürlich war die Intervention von Hoeneß kein Alleingang, es war ein Dienst an der ganzen Famile Müller. Mit der Familie.

    Gerd hatte mehr Glück als Rudi Brunnenmeier oder Reinhard Libuda in ähnlichen Situationen. Weil er die richtigen Entscheidungen traf und Hilfe annahm.

  • FanM am 20.08.2021 18:55 Uhr / Bewertung:

    Und warum lebte Müller im staatfinanzierten Pflegeheim ? Weil er als Trainer beim FCB so wenig Sozialversicherung abführte, weil er ganz wenig verdiente!!!!!