Die Alte Aula der Universität Heidelberg
Die Alte Aula der Universität Heidelberg

Diese Arbeit hat zum Ziel, die Entwicklungsgeschichte der Universitäten aufzuzeichnen, wobei der Schwerpunkt zum einen in der Darstellung der einzelnen Entwicklungsphasen liegt und zum anderen in der Analyse der grundsätzlichen strukturellen Verhältnisse. Zwar stellt sich diese Untersuchung zum überwiegenden Teil ganz allgemein auf die Hochschulen in Europa ein, jedoch wird gelegentlich auch auf Spezielles in Deutschland verwiesen.

Da es aber bereits vor der Herausbildung von Universitäten nach mittelalterlichem oder heutigem Verständnis im Altertum Institutionen gab, die Hochschulen ähnlich waren, sollen diese in einem eigenen Kapitel vorgestellt werden. Diese Einrichtungen, Tempelschulen mit und ohne religiösen Einflüssen und Philosophenschulen der griechischen Antike und im römischen Weltreich prägten und beeinflussten die Universitäten des Mittelalters und danach. In welchem Umfang dieses geschah, soll anhand der Entstehungstheorien erläutert werden.

Der Begriff „Universität“ ist abgeleitet aus dem Lateinischen „universitas“ bzw. „universitas litterarum et artium liberalium“ und heißt „Gesamtheit“ bzw. „Gesamtheit der Wissenschaften“. Die Universität ist eine wissenschaftliche Hochschule, eine Lehr- und Forschungsstätte mit dem Ziel der Ausbildung und Bildung. Der Begriff „Universität“ wurde im Jahre 1221 zum ersten Mal von der Gemeinschaft der Pariser Magister gebraucht.

Der Terminus „Scholastik“ kommt aus dem Griechischen bzw. dem Lateinischen und bedeutet Schulbetrieb und Schulwissenschaft. In der Scholastik verbindet sich das Erbe der Patristik (Wissenschaft von den Schriften und Lehren der Kirchenväter; altchristliche Literaturgeschichte), der antiken Philosophie, besonders des Aristoteles‘, und arabisch-jüdischer Einflüsse.

Mit dem Ausdruck Humanismus wird in dieser Arbeit ein Bildungsideal gemeint, welches auf dem Denken und Handeln der griechischen Antike gründet und seit dem 14. Jahrhundert von Italien ausgehend Literatur und Wissenschaft beeinflusst hat.

 

Inhaltsverzeichnis

 

Die alten Universitäten

Die Sumerer – Universität vor 5000 Jahren

Die ersten Schulen der Sumerer waren Tempelschulen für intelligente junge Männer der Oberschicht, welche Unterricht in Wirtschaftsbuchführung erhielten und nicht in den Fächern Religion, Geschichte oder Literatur. Ebenso wie die Anfänge der Schrift und des Rechnens war auch das Institut zu ihrer Weitergabe auf die praktischen Erfordernisse jener Zeit ausgerichtet. Die Schulen der Sumerer waren weltliche Schulen, sie waren von Anfang an Berufsausbildungsstätten mit dem Anspruch, Schreiben, Lesen und Rechnen zu vermitteln.

Es entspricht sumerischer Mentalität und der Konsequenz aus der Rohstoffarmut des Landes, dass aus der Berufsschule allmählich die erste Universität entstand, die ein ähnliches Lehr- und Forschungsprogramm erkennen lässt, wie moderne Hochschulen.

 

Die Philosophenschulen im Altertum

Aristoteles Schreibpult
Aristoteles an seinem Schreibpult. Buchmalerei in der Handschrift Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. phil. gr. 64, fol. 8v.

Sokrates (470-399 v.Chr.), Platon (427-347 v.Chr.) und Aristoteles (384-322 v.Chr.) waren bedeutende Philosophen der griechischen Antike, die, jeder für sich, Schulen auf privatrechtlicher Basis einrichteten und an diesen freie männliche Bürger Athens unterrichteten.

Sokrates hinterließ zwar keinerlei Schrifttum, dennoch blieb sein geistiges Erbe durch seinen Schüler Platon der Nachwelt erhalten. Platon selbst errichtete im Jahre 387 v.Chr., noch vor dem Tod des Sokrates, in Athen eine eigene Akademie. Diese hatte Bestand bis in das frühe Mittelalter, bis zur Aufhebung durch den oströmischen Kaiser Justinian im Jahre 529 n.Chr.

Aristoteles zog im Jahre 367 v.Chr. nach Athen, um in die Akademie des Platon einzutreten, der er dann zwanzig Jahre lang bis zu dessen Tode angehörte. Nach der Thronbesteigung Alexanders des Großen 335 v.Chr. gründete Aristoteles seine eigene Schule, die schon bald der platonischen Akademie ebenbürtig war. Die Schwerpunkte dieser aristotelischen Schule lagen zum einen in der Systematisierung der historischen Forschung und auf dem Gebiet der Naturwissenschaft. Dazu gehörten Beobachtungen in der Astronomie, der Meteorologie, Chemie, Physik und Psychologie. Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Biologie und Zoologie sollen nach Jonathan Barnes erst 2000 Jahre später übertroffen worden sein.

 

Die Schule des Aristoteles
Gustav Adolph Spangenberg, Die Schule des Aristoteles, Fresko 1883-1888.

Die geistige Hinterlassenschaft des Aristoteles brauchte für ihre Verbreitung eine lange Zeit. Andronikus von Rhodos sammelte im 1. Jahrhundert v.Chr. die noch erhaltenen Schriften des Aristoteles, die dann 476 n.Chr. ins Arabische übersetzt und erst im 12. Jahrhundert den Weg über Spanien an die Universität von Paris fanden. Dort wurden sie ins Lateinische übersetzt und blieben Grundlage der Scholastik bis in das 16./17. Jahrhundert hinein.

Mit dem Übergang zum christlichen Staat begannen historische und soziologische Veränderungen, denen die Entwicklung von Universitäten in Europa dienlich war.

 

Die Universität als eine soziale Erfindung der Scholastik

Entstehungstheorien

In der Forschung unumstritten ist, dass im 12. Jahrhundert die ältesten europäischen Universitäten entstanden sind. Umstritten dagegen ist der Entstehungsprozess. Es gibt hierzu eine Reihe von Hypothesen, die sich im Wesentlichen auf drei Problemstellungen konzentrieren lassen:

  1. Gemäß der „Traditionstheorie“ soll es eine direkte, strukturelle Verbindung zwischen den arabischen, den byzantinischen und den hochmittelalterlichen kirchlichen Bildungsinstitutionen des 12. und 13. Jahrhunderts geben.
  2. Die „Intellekttheorie“ besagt, dass ausschließlich das wissenschaftliche Interesse ausschlaggebend war, ein Forum für die geistige Entfaltung zu schaffen.
  3. Für die „Sozialtheorie“ ist unbestreitbar, dass die Hochschulen des 12. Jahrhunderts sich als neue Form des sozialen Zusammenlebens etablierten mit der ausschlaggebenden Bedeutung des gemeinsamen Arbeitens und gemeinsamen Forschens.

Gegen die Traditionstheorie lässt sich einwenden, dass eine moderne Universität in ihrem geistigen Selbstverständnis und eine antike Akademie sich durch mehr unterscheiden als durch den kleinsten gemeinsamen Nenner des hohen Ausbildungsstandards und des elitären Bildungsstrebens. Es kann davon ausgegangen werden, dass sowohl die Intellekttheorie als auch die Sozialtheorie der Wahrscheinlichkeit am nächsten ist.

 

Wissenschaftsbetrieb der Scholastik

Im ersten Drittel des 12. Jahrhunderts zeigt die Scholastik das Selbstbewusstsein einer neuen Epoche, die zwar über den Weg der alten Wissenschaften nach neuen Zielen sucht, jedoch die philosophischen Disziplinen gegenüber der Theologie neu bestimmt. Die geistige Unruhe jener Zeit, die wissenschaftliche Neugierde und das aufkeimende Misstrauen gegenüber alten Autoritäten, dieses intellektuelle Engagement waren der Antrieb der „neuen Wissenschaftlichkeit“ der Scholastik.

Der wissenschaftliche Impetus (Antrieb) der Scholastik führte zu hoher geistiger und geographischer Mobilität von Gelehrten und Scholaren. Sie machten eine Gesellschaftsschicht aus, die von Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) mit besonderen Privilegien bedacht wurde. Lehrende und Schüler verfügten fortan über einen eigenen Rechtsstatus, akademische Sonderrechte, wie beispielsweise das Recht der Selbstverwaltung, das Promotionsrecht und eine Reihe wirtschaftlicher und sozialer Vergünstigungen.

Gegen Ende des 12. Jahrhunderts wuchsen zunächst in Bologna und Paris die Fakultäten Philosophie, Theologie, Jurisprudenz und Medizin zu einer Institution zusammen, einer Lehranstalt in eigens hierfür gemieteten Räumlichkeiten, die als „universitas“ bezeichnet wurde. In diesen unterrichteten nunmehr besoldete Professoren nach festen Lehrplänen, Lehrbüchern und Studiengebühren. Diese neuartige Hochschule besaß von Anbeginn an einen überregionalen Charakter und ihre Absolventen genossen internationale Anerkennung und das Recht, an jeder anderen Universität zu lehren.

 

Die Universitätsgründungen

Mitwirkungs- und Mitspracherecht von Kirchen und Orden

Obwohl die Entwicklung der Universitäten des Mittelalters geprägt waren von dem Versuch, sich von der Kirche zu emanzipieren, vollzog sich der eigentliche Prozess hin zur Eigenständigkeit dennoch innerhalb der Kirche, wenngleich auch auf unterschiedlichen Ebenen und in ambivalenten Formen.

So war zur Errichtung einer Universität die päpstliche Zustimmung auch deshalb von Bedeutung, weil nur die Kirche so organisiert war, dass Privilegien garantiert werden konnten. Unabhängig von der Position der Person, welche eine Universität einrichten wollte, sie musste auf jeden Fall eine entsprechende Bittschrift nach Rom richten.

Die Päpste privilegierten die jeweiligen Hochschulen mit verschiedenen Vergünstigungen, Rechten, Freiheiten und vor allem mit Immunität. Die Kirche betonte auf diese Weise auch ihr großes Interesse an den Wissenschaftseinrichtungen, wenn auch mit dem Hintergedanken der Glaubensstärkung bzw. der Einflussnahme.

Etwa ab der Mitte des 15. Jahrhunderts definierten die Päpste ihre Interessen bezüglich der Universitäten neu bzw. sie fügten eine soziale Komponente hinzu. Sie hatten erkannt, dass die Universitäten auch als ein Ort des sozialen Aufstiegs galten und präferierten fortan einen säkularen Bildungspragmatismus, wenn auch unter der Prämisse kirchlicher Kontrolle.

Zur Förderung des Universitätswesens durch die Päpste gehörte neben großzügigen Starthilfen noch eine Vielzahl weiterer Hilfsmaßnahmen. So betrieb die Kirche ganz pragmatisch eine Miet- und Preispolitik in den Universitätsorten und schuf mit ihrem weitreichenden Pfründenwesen u.a. die ökonomischen Voraussetzungen für das Funktionieren der Universitäten. Gegen Ende des Mittelalters wurde diese Form der Universitätsprivilegierung abgelöst durch eine neue Form der Privilegierung der jeweiligen Landesherren.

Die kirchliche Einflussnahme hatte allerdings auch weniger angenehme Seiten, so nahm sie beispielsweise Einfluss auf Lehrinhalte und Lehrbücher und prüfte sie auf nicht-christliche Elemente. Die Kirche kontrollierte und zensierte alle Wissenschaften, aber ganz besonders galt ihr Augenmerk der Philosophie.

Eine gründliche Aufmerksamkeit der Kirche erhielt die Aristoteles-Rezeption (Übernahme fremden Gedanken- oder Kulturgutes), die ab der Mitte des 12. Jahrhunderts zur philosophischen Lehrmeinung gehörte. Diese aristotelischen Schriften enthielten heterodoxe (andersgläubige) Aussagen, die den damaligen Glaubenswahrheiten nicht entsprachen und deswegen kraft kirchlicher Lehrautorität mehrfach verboten wurden. Endgültig verhindern ließ sich die Aristoteles-Rezeption aber nicht und so geschah es, dass die Schriften des Aristoteles ab 1255 an der Pariser Universität als Lehrstoff zugelassen wurde, wenn auch mit der Einschränkung, einige Sätze mit christlicher Interpretation zu versehen.

Die Orden spielten eine wichtige Rolle im Universitätswesen vor allem durch die an französischen Universitäten entstandenen „Collèges“. Die Universität von Paris erhielt ihren Namen von ihrem berühmtesten Collège „de Sorbonne“. Das internatsmäßige Studieren im Kollegienwesen, wie es in Frankreich und England üblich war, war Ausdruck des engen Bezugs von Kirche und Universität. Das geschah vor allem durch eine Normierung des Alltags mit festen Essenszeiten, Studien- und Vorlesungszeiten und mit Tragen von Uniformkleidung.

Die Lehrtätigkeit der Orden beschränkte sich zunächst auf lateinische Sprachstudien und Bibelexegese (Auslegung, Deutung); später wurden auch säkularwissenschaftliche Studien akzeptiert, jedoch nicht gefordert. Allerdings gab es auch Orden, die keinerlei Anweisung für Studium und Bildung kannten. Mit der Zeit kam es zu einer gänzlichen Abkoppelung der Ordensstudien von der scholastischen Dialektik, und damit beispielsweise auch von Aristoteles. Wichtig blieben die Studien, die dem Verständnis des Wortes Gottes und der Theologie dienten.

 

Die ersten Universitäten

Akademie der Wissenschaften
Akademie der Wissenschaften (Palazzo Poggi), Quelle: Rebecca Messbarger (15. Dezember 2010) The Lady Anatomist: The Life and Work of Anna Morandi Manzolini, University of Chicago Press, S. 4

Die Universität Bologna gibt als ihr Gründungsdatum das Jahr 1088 an, für die Universität Paris gilt, dass sie Mitte des 12. Jahrhunderts ins Leben gerufen wurde und für die Oxforder Hochschule wird das letzte Drittel des 12. Jahrhunderts als Entstehungszeit angegeben. Für diese drei ältesten europäischen Universitäten gibt es weder ein direktes Gründungsdokument noch ein eindeutiges Entstehungsdatum.

Universität von Bologna
Aufnahme eines Studenten in die ’’Natio Germanica Bononiae’’, die deutsche Nation an der Universität Bologna, ca. 15. Jahrhundert

Es kann aber grundsätzlich festgestellt werden, dass diese Universitäten im 12. Jahrhundert entstanden; in Bologna aus der Rechtsschule, in Paris aus mehreren Philosophenschulen und in Oxford aus Mönchsschulen.

Obwohl Salerno etwa seit dem 9. Jahrhundert über eine berühmte medizinische Schule verfügte, an der seit dem 11. und 12. Jahrhundert auch Frauen in Heilkunde unterrichtet wurden, wurde die Schule nicht in den Rang einer Universität erhoben.

 

Die Gründungen zwischen dem 13. Jahrhundert und dem Ende des Mittelalters

In den annähernd einhundertfünfzig Jahren nach der Entstehung der ersten Universitäten in Paris und Bologna waren in Europa ungefähr fünfzehn weitere Hochschulen entstanden, jedoch keine im Deutschen Reich. Erst ab der Mitte des 14. Jahrhunderts fühlten sich die Herrscher aus den Häusern Luxemburg und Habsburg veranlasst, auf ihrem Territorium Universitäten zu gründen.

Insgesamt entstanden zwischen Anfang des 13. Jahrhunderts und dem Ende des 15. Jahrhunderts in Europa 75 Universitäten.

So verdankt die Universität Prag ihre Existenz den unterschiedlichen Interessen der beteiligten Gründungsmitglieder. Kaiser Karl IV. (Luxemburg) wollte sein böhmisches Königreich aufwerten und der Papst (Avignon) für Paris eine Konkurrenz erwachsen lassen. Prag wurde 1348 die erste Universität im deutschen Reich und später „Karlsuniversität“ genannt.

Diese luxemburgische Universitätsgründung hatte Signalwirkung auf Herzog Rudolf IV. von Österreich, der 1365 die Wiener Universität ins Leben rief. Der frühe Tod des Universitätsstifters brachte die Hochschule dann in eine prekäre Situation, die erst durch Reformen und Verleihung von Pfründen entschärft wurde.

Neben den Universitäten Prag und Wien war Heidelberg 1385 die dritte akademische Hochschule, die auf dem Boden des Deutschen Reiches gegründet wurde. Die Heidelberger Universität wurde auch als Auswanderungsuniversität bezeichnet, da ihre ersten Lehrer und Studenten wegen des Großen Schismas von 1378 bis 1418 aus anderen Universitätsorten zugewandert waren.

Nur die Kölner Universität gehört neben Erfurt, Rostock, Trier und Basel zu den wenigen deutschen Hochschulen, deren Gründung auf städtische Initiativen zurückgeht. Mit der Universitätsgründung führte Köln eine alte Schultradition fort, deren Ruf sich vom Generalstudium der Dominikaner ableitete. Damals hatten an dieser Schule z.B. Albert Magnus, Thomas von Aquin und Meister Eckart unterrichtet. Die Kölner Universität setzte sich der Kritik aus, als sie sich gegen Ende des 15. Jahrhunderts und Anfang des 16. Jahrhunderts dem Humanismus versagte und Fakultät und Gesamtuniversität antilutherisch blieb.

 

Universitätsgründungen:

Regio 1210, Padua 1222, Salamanca 1222, Neapel 1224, Toulouse 1229, Siena 1246, Avignon 1303, Rom 1303, Orleans 1309, Perugia 1308, Cambridge 1318, Grenoble 1339, Pisa 1343, Prag 1348, Florenz 1349, Krakau 1364, Wien 1365, Erfurt 1379, Heidelberg 1385, Köln 1388, Pavia 1389, Erfurt 1392

 

Die Gründungen im Humanismus der Frühen Neuzeit

In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts erfolgte in Italien eine Rückbesinnung auf die Bildungsideale der griechischen Antike, die sich zunächst in der klassischen lateinischen Sprache und später in Literatur und Wissenschaft bemerkbar machte. Diese Renaissance (Wiedergeburt) antiker Tradition richtete sich hauptsächlich gegen die von der Scholastik geprägte Dogmatik der spätmittelalterlichen Kirche. Allerdings verblieben die meisten Humanisten in der christlichen Lehre, obwohl die Verbreitung einer unabhängigen Bildung die Tendenz zur Säkularisierung in sich trug. Von Italien aus verbreitete sich der Humanismus im 15. und 16. Jahrhundert durch ganz Europa, wobei alsbald in Deutschland der Humanismus einen dominierenden Platz einnahm. Dabei reagierten die Universitäten keineswegs aktiv auf diese Strömungen, sondern eher vorsichtig abwartend.

Obwohl der Humanismus die Lehrinhalte der Universitäten beeinflusste, bewirkte er keine grundsätzliche strukturelle Reform, sondern eine Umstrukturierung in Richtung fachwissenschaftlicher Differenzierung. Die mittelalterlichen Lehr- und Unterrichtsformen blieben erhalten.

Im Grundsatz blieben die europäischen Universitäten bis in das 16. Jahrhundert hinein einheitlich strukturiert. Sie waren international nach Geist und Gesinnung, offen für jedermann, als Rechtskörper weitgehend souverän und autonom in ihrem Wissenschaftsverständnis.

Die territoriale Aufgliederung des „Heiligen Römischen Reiches“ (1648 – Westfälischer Frieden) in souveräne Fürstentümer führte zu vermehrten Universitätsgründungen, aber in der Folge auch zu einer Disziplinierung und Eingliederung der Hochschulen in den Verwaltungsstaat. Die Universitäten waren nun nicht mehr allein der Wissenschaft verpflichtet, sondern auch der jeweiligen Landespolitik und hatten wie alle Staats- und Kirchenbeamte Loyalität gegenüber dem Herrscher zu wahren. Zwar ging die Hochschulpolitik der weltlichen Herrscher einher mit der Säkularisierung der Universitäten, doch bedeutete die Entlassung aus der kirchlichen Aufsicht nicht ein Mehr sondern in Wirklichkeit ein Weniger an Freiheit.

 

Universitätsgründungen:

Leipzig 1409, Würzburg 1402/10  –  1413 geschlossen, Rostock 1419, Löwen 1425, Glasgow 1451, Greifswald 1456, Freiburg 1456, Basel 1460, Ingolstadt 1472, München 1472, 1800, 1826, Trier 1454/73, Mainz 1476, Tübingen 1477, Kopenhagen 1478, Aberdeen 1494, Wittenberg 1502, Frankfurt/Oder 1506

 

Die Gründungen in der Reformationszeit bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

Alsbald wurde der Humanismus durch die Reformation (1517) mit einer Bildungsreform überlagert, die auch für die Universitäten Veränderungen mit sich brachten. Zwar übernahm Martin Luther die Leitidee von Erasmus von Rotterdam, wonach die Lehren des Aristoteles zu akzeptieren seien, jedoch nicht dessen „christianisierte“ Schriften.

Unzweifelhaft stürzte die Reformation das Universitätswesen in eine Krise, welche sie dann aber aus eigener Kraft bewältigte. Es entstanden neue sowohl katholische als auch evangelische Universitäten oder bestehende wurden reformiert. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts besaß Deutschland etwa 45 Universitäten, wobei die Anzahl der protestantischen Hochschulen die der katholischen überwog.

Der in Europa im 18. Jahrhundert aufgekommene Begriff „Aufklärung“ bezeichnete eine geistige Strömung, in welcher Ansätze zur Überwindung des christlich geprägten mittelalterlichen Weltbildes zum Durchbruch kamen. Richtschnur von Erkenntnis und Handeln sollte fortan die menschliche Vernunft sein und nicht eine biblisch offenbarte Wahrheit, die ihre Autorität aus der Tradition ableitet.

Damit geriet die klassische Universitätsidee ins Wanken und eine neue Ideologie versah die Hochschulen mit dem pädagogischen Auftrag, die Idee der Wissenschaft zu vermitteln. Das bedeutete, grundsätzlich trat die eigenverantwortliche Forschung neben die akademische Lehre. Keineswegs distanzierte sich die Universitätsreform damit von althergebrachten Formen, sondern suchte mit Begriffen wie Toleranz und Wissenschaftlichkeit neue Prioritäten zu setzen.

 

Universitätsgründungen:

Marburg 1527, Königsberg 1544, Dillingen 1549, Jena 1558, Helmstedt 1574, Altdorf 1578, Würzburg 1582 (1410), Herborn 1584, Graz 1586, Gießen 1607, Paderborn 1615, Rinteln 1620, Straßburg 1621, Salzburg 1623, Osnabrück 1630, Bamberg 1648, Duisburg 1655, Kiel 1665, Innsbruck 1675, Halle 1694, Breslau 1702, 1811, Göttingen 1737, Erlangen 1743

 

Die Gründungen im „langen Jahrhundert“

Das lange Jahrhundert von der französischen Revolution 1789 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 war geprägt von den Ideen der Freiheit im Zusammenhang mit nationaler Identität und, soweit es diese Studie betrifft, der Integration der Universitäten in den Verfassungsstaat. Die Konsequenz daraus war die weitgehende Abschaffung akademischer Privilegien und der Gleichstellung der Akademiker mit den übrigen Staatsbürgern.

Landsmannschaft
Deutsche Landsmannschaft Coburg um 1930

In der Folgezeit, ausgelöst durch den Krieg 1813/14 gegen Napoleon, liefen die Studenten in großer Zahl zu den Soldaten, wo sie sich zunächst den Landsmannschaften anschlossen, später jedoch eigene Burschenschaften gründeten. Die Burschenschaften waren offen, sie schafften das landsmannschaftliche Prinzip ab und in Abgrenzung zum Sprachgebrauch früherer Zeiten wurde das „Du“ verbindlich.

Bei den Herrschenden, vor allem bei dem Österreicher Fürst Metternich (1773-1859) und der preußischen Regierung, wurden die studentischen Umtriebe (Wartburgfest; Ermordung August von Kotzebue am 9.3.1819 durch den Jenaer Theologiestudenten Karl Ludwig Sand) als Revolution empfunden und löste verschiedene restriktive Maßnahmen aus.

Höhepunkt dieser Maßnahmen bildeten die Karlsbader Beschlüsse vom 20. September 1819. Sie stellten die deutschen Universitäten unter Kuratel, legten Zensurmaßnahmen fest und setzten eine Untersuchungskommission gegen die Burschenschaften ein.

Es begannen die sogenannten Demagogenverfolgungen, die sich vornehmlich gegen Universitätsprofessoren, Journalisten, Schriftsteller und studentische Anführer richteten. Am schärfsten ging die preußische Regierung gegen diejenigen vor, die in Veröffentlichungen und Vorlesungen für die nationale und liberale Bewegung eingetreten waren.

In diesem Zusammenhang ist auch der Schritt der „Göttinger Sieben“ zu sehen, die am 18. November 1837 öffentlich gegen die Aufhebung der Verfassung des Königreichs Hannover protestierten und deshalb aus ihren Ämtern entlassen und teilweise sogar des Landes verwiesen wurden.

 

Göttinger Sieben
Die Göttinger Sieben – Lithografie von Eduard Ritmüller, 1837/38

Zu den sieben Göttinger Professoren gehörten die Brüder Jakob und Wilhelm Grimm, der Jurist W. Albrecht, der Physiker W. Weber, der Literaturhistoriker G. Gervinus, der Orientalist H. Ewald und der Historiker Fr. Chr. Dahlmann. Ihnen zu Ehren wurde 150 Jahre später ein Denkmal gestiftet, welches die Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth enthüllte. Kurze Zeit zuvor hatten „andere“ sieben Professoren (der Physik) gegen Aufrüstung und Atompolitik nach Art der Göttinger Sieben protestiert.

 

Die Jahre zwischen 1871 und 1914 wurde zu einer Blütezeit der deutschen Universitäten, insbesondere in Preußen, wobei anzumerken ist, dass der Zugang von Frauen ein langer und schwieriger Weg blieb.

 

Universitätsgründungen; Technische Hochschulen:

München (1472) 1800, 1826, Berlin 1810, Bonn 1818, Graz 1864, Karlsruhe 1865/85, München 1868/77, Aachen 1870/79, Braunschweig 1872/79, Stuttgart 1876/90, Darmstadt 1877/95, Berlin 1879, Hannover 1880, Dresden 1890, Danzig 1904, Breslau 1910

 

Die Universitäten im 20. Jahrhundert

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 endete die Blütezeit des deutschen Universitäts- und Hochschulwesens, da sich die Kriegseinwirkungen bald bemerkbar machten. Von der allgemeinen Wehrpflicht waren zwischen 50 % und 75 % der Studenten und 10 bis 25 % der Professoren betroffen.

In der Weimarer Republik brachten Sparmaßnahmen und Etatkürzungen die Universitäten in existentielle Krisen, die nicht nur den Lehrbetrieb nachhaltig negativ beeinflussten. Weit problematischer war die materielle Notlage der Studierenden, denen alsbald aber soziale Einrichtungen, z.T. Selbsthilfeorganisationen, bei der Bewältigung der ärgsten Vorkommnisse helfen konnten.

Bücherverbrennung
Die Bücherverbrennung in Deutschland am 10. Mai 1933 war eine von der Deutschen Studentenschaft geplante und inszenierte Aktion. Bundesarchiv, Bild 102-14598 / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 DE (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)] https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_102-14598,_Berlin,_Opernplatz,_B%C3%BCcherverbrennung.jpg

Durch eine neue Kombination von Macht und Geist sollte zu Beginn des Nationalsozialismus die Systemkrise der Weimarer Republik durch eine „Revolution von rechts“ beendet werden. Selbst der Philosoph Martin Heidegger stellte die Autonomie des Universitätswesens in Frage, als er 1933 feststellte, dass die vielbesungene akademische Freiheit unecht, weil nur verneinend sei. Zu dem Komplex Hochschulen hatten der Nationalsozialismus außer punktuellen Einzelhandlungen und Aktionen kein eigenes konkretes und sachbezogenes Programm.

In Anlehnung an die „Göttinger Sieben“ von 1837 soll noch ergänzt werden, dass im Jahre 1933 „6 Göttinger Professoren beurlaubt“ wurden. Neben vielen anderen Wissenschaftlern (ungefähr 2500), die in den Jahren von 1933 und 1945 Deutschland verließen, waren auch diese sechs Göttinger Professoren jüdischer Abstammung. Die Auswanderungswelle sowie der Terror, denen die Gelehrten ausgesetzt waren, führten letztendlich zu einer „geistigen Enthauptung Deutschlands“.

 

Eine geistige Enthauptung Deutschlands (wohl Helge Pross)

 

Das akademische Leben erwachte mit dem Wintersemester 1945/46 nach Entnazifizierungsmaßnahmen und Säuberung „brauner Universitäten“ mit großen materiellen Nöten. Trotz Hunger, Wohnungsnot und ganz allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen leisteten Studenten- und Professorenschaft aktive Aufbauarbeit. Es wurde zum Regelfall, dass hungrige und frierende Studenten die Vorlesungs- und Seminarräume besuchten.

Erst mit dem Beginn des „Wirtschaftswunders“ in den 50er Jahren begannen sich die Universitäten zu erholen. Nunmehr wurden Hochschulangelegenheiten Ländersache und das Grundgesetz Artikel 5 Absatz 3 garantierte die Freiheit von Wissenschaft und Lehre; weitgehend wurden Selbstverwaltung und Autonomie eingeführt. Rektor- und Senatsverfassung wurden nach den alten Usancen (Gebräuchen) reetabliert wieder eingerichtet und die Institutsgliederung beibehalten. Die Verwaltung unterstand einem Kanzler oder einem Kurator.

 

Im Jahre 2018 gab es in Deutschland 420 Hochschulen, davon 106 Universitäten.

 

Quellen

  • Barnes, Jonathan (1992): Aristoteles. Eine Einführung, Stuttgart.
  • Elze, Günter (1992): Breslau gestern und heute. Ein Wegweiser, 5. Aufl., Leer.
  • Fuchs, Konrad / Raab, Heribert (1996): Wörterbuch zur Geschichte, 10. Aufl., München.
  • Habel (1980): Forschungs-, Unterrichts- und Bildungsinstitute Breslaus, in: Hallama, Georg (Hrsg): Breslau. Das Buch der Stadt, 2. Aufl., Frankfurt /    Main, S. 67-73.
  • Müller, Helmut M. (1996): Schlaglichter der deutschen Geschichte, Bonn.
  • Müller, Rainer A. (1990): Geschichte der Universität. Von der mittelalterlichen Universitas zur deutschen Hochschule, München.
  • Putzger, F. W. (1978): Historischer Weltatlas, 99. Aufl., Bielefeld.
  • Schütt, Ernst Christian (1991): Die Chronik Hamburgs, Dortmund.
  • Uhlig, Helmut (1976): Die Sumerer. Volk am Anfang der Geschichte, München.
  • Uni (1996): Universität Hamburg. Personal- und Vorlesungsverzeichnis Wintersemester 1996/97, Hamburg.
  • Weber-Schäfer, Peter (1972): Aristoteles, in: Maier, Hans / Rausch, Heinz / Denzer, Horst (Hrsg.): Klassiker des politischen Denkens, Bd. I, München, S. 36-63.

 

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