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WILHELM RENNER

Leiter des Aventinus Gymnasiums Burghausen

Edition: Burghausen 2009

 
   
   
   
   
   
     
     
     
   
 

Schulaufgabe

Wilhelm Renner, Leiter des Aventinus Gymnasiums, beantwortet hier Fragen rund um den Bildungsauftrag

 

Herr Renner, mit welchem Bildungsauftrag ist das Aventinus-Gymnasium betraut?

Das Aventinus Gymnasium hat zwei Ausbildungsrichtungen, eine naturwissenschaftlich- technologische mit den Bausteinen Naturwissenschaften - Physik, Chemie, Biologie -, sowie eine sprachliche mit den F�chern Englisch, Franz�sisch, Latein und Spanisch. In beiden Ausbildungsrichtungen ist es uns wichtig, dass wir die Sch�lerinnen und Sch�ler sehr breit ausbilden, dass sie reflektieren und vor allem auch �ber den Tellerrand hinausschauen k�nnen. Meiner Ansicht nach w�re es auch falsch, wenn man sie zu fr�h auf bestimmte Ausbildungsbereiche festlegen w�rde, denn kaum einer wei� in jungen Jahren bereits, welchen Beruf er sp�ter aus�ben m�chte und welche Anforderungen man mit seiner Berufswahl zu erf�llen hat. Die Zeiten haben sich auch dahingehend ver�ndert, dass manchmal zwei, drei oder sogar vier unterschiedliche Berufe ergriffen werden m�ssen.

Wie viele Sch�ler werden hier unterrichtet?

Wir unterrichten derzeit rund 800 Sch�lerinnen und Sch�ler, fast 50 Prozent kommen aus der Stadt Burghausen. Ist die Kapazit�t der Schule somit ausgelastet? Eindeutig ja, obwohl wir noch acht zus�tzliche Klassenzimmer und zwei sehr gut ausgestattete Musikr�ume erhalten haben. Erfreulicherweise hat der Landkreis Alt�tting hier in den letzten Jahren sehr viele Bauma�nahmen durchgef�hrt; derzeit erfolgt die dringend notwendige Vollrenovierung und die Erstellung einer neuen Doppelturnhalle. F�r die Zukunft sind wir jedenfalls auch hinsichtlich der Raumkapazit�ten gut ger�stet. 

Thema Talentf�rderung.

Bei rund 800 Sch�lern sind besondere Talente nat�rlich sehr breit gestreut. Punktuell m�chte ich hier zun�chst die sportlichen Leistungen nennen. Wir haben eine hervorragende Damen-Fu�ballmannschaft, aber selbstverst�ndlich gibt es auch Talente in den musischen oder naturwissenschaftlichen Bereichen. Erst k�rzlich haben wir eine Urkunde erhalten, mit der wir f�r unsere besondere Unterst�tzung des bayerischen Forschernachwuchses ausgezeichnet wurden. Besteht seitens der Sch�ler Identifikation mit der Schule? 

Ich glaube schon, dass man eine solche Identifikation auch in unserem Hause versp�rt. Unsere Sch�lerinnen und Sch�ler haben nicht nur ein bemerkenswertes Schul-T-Shirt entworfen, auf dem Insider inzwischen ehemalige Sch�lerinnen wieder erkennen k�nnen. Wenn das kein Zeichen daf�r ist, dass man sich mit seiner Schule identifiziert. Sie bringen sich dar�ber hinaus auch bei den Diskussionen im Schulforum, bei Schulentwicklungsthemen und vielen anderen Bereichen ein. Fazit: Ein bisschen Stolz sind sie schon, auf diese Schule gehen zu k�nnen. 

Welche Gedanken machen Sie sich um die Zukunft des Schulwesens? 

Eine sehr schwierige Frage. Sie wissen ja, dass das Schulwesen in Deutschland f�deral aufgebaut ist. Es gibt also unterschiedliche Ausrichtungen hinsichtlich der einzelnen Bundesl�nder, aber auch in kommunalen sowie in privaten Schulbereichen. Unerl�sslich w�re aus meiner Sicht, dass man die tragenden S�ulen des jetzigen Schulwesens auch nachhaltig st�tzt. Die anderen Schularten betreffend kann ich nichts Wesentliches sagen, aber im Gymnasialbereich erscheint es mir doch sehr wichtig, dass man wieder verst�rkt auf Allgemeinbildung und auf breite Schulbildung achtet. Im neuen Abitur sind jetzt wieder Mathematik, Deutsch und eine Fremdsprache als Abituraufgaben verankert. 

Welche Probleme sehen Sie noch an Ihrer Schule? 

Probleme, besser Herausforderungen gibt es nat�rlich st�ndig. Auf der einen Seite stehen die �u�eren Rahmenbedingungen. Deshalb hei�t die Hauptaufgabe der letzten und auch der n�chsten zwei Schuljahre �Verbesserung der baulichen Substanz�. Auf der anderen Seite stehen die inneren Werte wie famili�rer Zusammenhalt und Respekt untereinander. Hier sind wir auf einem sehr guten Weg, obwohl man ja alles immer noch ein wenig verbessern kann. 

Was w�rden Sie am derzeitigen Schulsystem �ndern? 

Jammern macht zwar gesellig, l�st aber keine Probleme. �nderungen am Schulsystem m�ssen nat�rlich immer umfassend diskutiert werden, denn wir haben es hier ja schlie�lich mit Menschen und nicht mit Werkst�cken zu tun. Eine verkorkste Politik oder ein un�berlegter Schnellschuss k�nnte da fatale Wirkungen in der Zukunft heraufbeschw�ren, wir kennen das ja aus der Vergangenheit und aus anderen Bundesl�ndern. Ich bin jedenfalls �ber die neue Regelung sehr erfreut, dass alle Sch�lerinnen und Sch�ler nun am Ende der vierten Klasse ein �bertrittszeugnis erhalten. Bisher mussten dies die Eltern bei den Klassenleitern der vierten Klasse anfordern, doch wenn diese nicht so bildungsnah zugunsten ihrer Kinder dachten, wurde darauf auch �fter mal verzichtet.

Was sagen Sie zu der Behauptung, dass Sch�ler mit gebildeten, wohlhabenden Eltern meist eine Empfehlung f�rs Gymnasium bekommen, andere sollen die Hauptschule besuchen?

Es ist schon so, dass vermehrt Eltern, die eine h�here Schule besucht haben, f�r ihre Kinder eher das Ziel Gymnasium, Abitur und dann auch ein Studium im Auge haben, als Eltern aus bildungsfernen Schichten. Aber wie gesagt, mit dem laufenden Schuljahr erhalten alle vierten Klassen ein �bertrittszeugnis, in dem eine Empfehlung von den Lehrkr�ften der Grundschule ausgesprochen wird. Insofern werden auch Eltern mit nicht so bildungsnahem Hintergrund aufgefordert, intensiv dar�ber nachzudenken, auf welche Schule sie ihre Kinder schicken sollten. 

Pejorativ betrachtet, hat man Hauptsch�lern immer schon weniger gute Aussichten auf beruflichen Erfolg vorausgesagt, als den Gymnasiasten.

Da sollten wir vorab kl�ren, wie Sie beruflichen Erfolg definieren. Wenn Sie sich auf die Gehaltsvorstellungen beziehen, so gibt es sicher viele Hauptsch�ler, die �ber die Berufsschule gegangen sind, einen guten Handwerksberuf ergriffen, sp�ter ein eigenes Unternehmen gegr�ndet haben und jetzt finanziell deutlich besser dastehen als mancher Akademiker in gewissen Berufssparten und -feldern. Wer sich in seinem Beruf entsprechend einsetzt, hat auch ohne Abitur die M�glichkeit Karriere zu machen.

Da haben Sie Recht. Aber kommen wir jetzt zu Ihrem pers�nlichen Statement zur PISA-Studie. Kann das Ergebnis zuk�nftig verbessert werden? 

Verbessern kann man immer etwas. Sie wissen aber auch, dass die bayerischen Gymnasien bei dieser Studie unter den f�nf besten Staaten der Welt zu finden waren? Ich pers�nlich kritisiere an dieser Studie, dass sie zu einseitig ausgerichtet ist. Sie wertet zum Beispiel nicht aus, dass viele unserer Gymnasiasten zwei, drei, teilweise sogar vier Fremdsprachen sprechen. Punktuell wird das zwar bewertet, aber mir geht diese Bewertung zu wenig in die Breite. 

Neben ihrem Bildungsauftrag haben die Lehrkr�fte auch einen Erziehungsauftrag. Angesicht des sich immer st�rker entwickelnden Autorit�tsverlustes bef�rchte ich da eine �berforderung.

Lehrkr�fte sind allgemein immer stark gefordert, aber sie d�rfen auch nicht �berfordert sein. Daf�r muss man als Schulleiter sorgen und sicher auch die �bergeordneten Stellen wie die Ministerialbeauftragten und Staatsministerien f�r Unterricht und Kultus. Ich hoffe doch, dass wir hier am Aventinus-Gymnasium den Weg gefunden haben, auf dem die Lehrkr�fte beides erf�llen k�nnen: eine exzellente Erziehung und eine breite und fachlich gute Ausbildung. Wir wirken jedenfalls mit all unseren Kr�ften darauf hin, die Sch�lerinnen und Sch�ler fit zu machen f�r die Zukunft, fit zu machen f�r das Leben. 

Vor Jahrzehnten begann der Kampf um Enttraditionalisierungen, Auseinandersetzung mit den Autorit�ten, den Erwachsenen, in Form heute fast r�hrender Schulstreiche, sp�ter dann als affektiv hochbesetzte politische �Aktionen�. Wie stellt sich die Situation heute dar bei dem Gymnasium als Wegbereiter der Autorit�ten? 

Ehrlich gesagt waren die Sch�lerstreiche fr�her heftiger als heute, und politisch hoch besetzte Aktionen, wie wir sie aus den 60er Jahren kennen, gibt es heute in dieser Form nicht mehr. Das Thema Endtraditionalisierung bringe ich f�r unsere Schule am besten damit in Verbindung, dass wir unsere Gymnasiasten auch davor warnen, in ihrem Leben nur auf Geld zu schauen. Wir versuchen eher Werte zu vermitteln, die f�r ein erf�lltes Leben stehen. Nat�rlich sollte ein Gymnasium auch darauf vorbereiten, anerkannte Autorit�ten auszubilden: F�hrungspers�nlichkeiten, die sich sowohl auf ihre Umwelt, als auch auf ihre Untergebenen einstellen k�nnen. Und bei allem Respekt vor einem guten Allgemeinwissen, wir d�rfen es auf keinen Fall vers�umen, auch die sozialen Kompetenzen zu f�rdern. Nur ein geschickter, vornehmer Umgang mit sp�teren Mitarbeitern - auf gleicher Augenh�he - verhilft zu optimalen Ergebnissen. 

Wie radikal ist der Wunsch der Wirtschaft nach Auslese der Besten? 

Da hat sich im Prinzip zu fr�her eigentlich nichts ge�ndert, weil man auch fr�her schon immer nur die Besten haben wollte. Deswegen versp�rt man besonders in der heutigen Krisensituation auch eine gewisse Angst bei den Oberstufensch�lerinnen und -sch�lern, aber auch bei Eltern und in der Kollegenschaft. 

Setzen die heutigen Modernisierungsphasen noch euphorische Erwartungen in die Berufswahl frei oder verbreiten Sie eher Angst? 

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die jungen Leute hier eher Chancen und M�glichkeiten sehen, Angst hat mehr die Elterngeneration. Das rasante Tempo, mit dem heute Ver�nderungen angegangen werden, ist teilweise zwar bedr�ckend, aber ich glaube doch, dass viele Sch�lerinnen und Sch�ler schon noch mit gro�en Erwartungen in die Zukunft gehen. Die zum Teil hervorragenden Arbeiten unserer Abiturienten lassen hinsichtlich der Berufswahl jedenfalls erwarten, dass durchaus Freir�ume vorhanden sind, die nicht durch Angst gel�hmt sind.

Bieten Sie Ihren Sch�lern bereits Orientierungshilfen in Bezug auf die berufliche Karriere?

Zusammen mit dem Kurf�rst-Max-Gymnasium f�hren wir seit Jahren immer wieder Veranstaltungen durch, bei denen man in die breite Berufswelt eindringen kann. Wir begr��en dazu ehemalige Sch�lerinnen und Sch�ler, die von ihrer T�tigkeit berichten, und es kommen auch viele Vertreter der verschiedensten Berufsbereiche aus kleinen und gro�en Firmen sowie Organisationen zu uns, um sich vorzustellen. Wir besuchen dar�ber hinaus Fachhochschulen und Universit�ten, wo sich jeder Sch�ler entsprechend seinen W�nschen orientieren kann. Im Lehrplan der Oberstufe des Neuen Gymnasiums sind Orientierungshilfen fest vereinbart. 

Wie beurteilen Sie die Berufschancen in dieser Region? 

Die Berufschancen hier im Bereich des Chemiediamanten Burghausen beurteile ich als gut. 

Wie sehen Sie den Repr�sentantenstatus der Lehrer?

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in der Pisa Studie gerade jene L�nder gut abschneiden, in denen die Lehrer ein hohes Ansehen besitzen - beispielsweise Finnland und Korea. Von daher ist es auch anzudenken, das Bild des Lehrers in den �ffentlichen Medien zu verbessern. Nat�rlich m�ssen die Lehrkr�fte ihren Beitrag leisten, aber man sollte dies auch von der Politik und von au�en her leisten. Ich habe angesichts der letzten Umfragen aber den Eindruck, dass sich der Status des Lehrers hinsichtlich der Einsch�tzung schon gebessert hat. 

Worin besteht der Unterschied von fr�her zu heute?

Die heutigen Sch�ler haben es sicher nicht leicht. Das Wissen der Gesellschaft hat sich in den letzten sieben Jahren verdoppelt, tagt�glich erreichen neue Bildungsinhalte und Forderungen unsere Schule. Wir sind deshalb aufgerufen, hier gewisse Schwerpunkte zu setzen und nicht jeder kurzfristigen Zeitstr�mung nachzulaufen. Ein wesentlicher Unterschied zu fr�her ist auch, dass sich Sch�ler und Lehrer mehr auf Augenh�he begegnen, was mir pers�nlich, aber auch allen Kolleginnen und Kollegen ein besonderes Anliegen ist. Jeder kann, darf und soll seine Probleme vortragen, damit eine f�r jeden akzeptable L�sung gefunden werden kann. 

Fehlt den Politikern der Mut zu Investitionen in Bildung? 

Es gibt nach der OECD-Studie viele L�nder, die f�r Bildung wesentlich mehr ausgeben als Deutschland. Dieser Richtungswandel muss bei uns noch vorgenommen werden. Speziell aus unserer Sicht darf ich allerdings dem Landkreis Alt�tting h�chste Anerkennung zollen, der viel Geld in unsere, aber auch in andere Schulen gesteckt hat. Nicht unerw�hnt lassen m�chte ich in diesem Zusammenhang auch die Unterst�tzung durch die Stadt Burghausen. B�rgermeister Hans Steindl war ja hier zun�chst als Sch�ler, sp�ter dann auch als Lehrer t�tig. 

Wie gestaltet sich heute der Kontakt untereinander? 

Sehr gut. Mit Hans Steindl an der Spitze unterst�tzt uns die Stadt in hervorragender Weise, wann und wo immer es notwendig erscheint. H�chstes Lob also an diese Adresse und vielen Dank. 

Ihr pers�nliches Aufgabengebiet?

Als Schulleiter habe ich die Aufgabe, die Rahmenbedingungen f�r ein effektives Arbeiten f�r Sch�ler und Kollegen an unserer Schule zu schaffen. Nat�rlich repr�sentiere ich die Schule auch nach au�en, unterst�tze die Lehrkr�fte in ihrem Erziehungsauftrag nach innen und habe Vorbildfunktion f�r Sch�ler und Lehrer. Im verwaltungstechnischen Bereich sorge ich f�r einen transparenten Informationsfluss und unterst�tze effizient die schulinternen Prozesse mit dem Ziel, die B�rokratie abzubauen und dadurch den Lehrkr�ften mehr Freiraum f�r ihre Kernaufgaben zu verschaffen. Ich unterrichte auch selbst, und zwar Physik und Mathematik. 

Ganz profan gefragt: Warum wollten Sie Lehrer werden? 

Mir war es ein Herzensanliegen, mich mit jungen Menschen zu besch�ftigen und habe mich deshalb schon sehr fr�h dazu entschieden, diesen Beruf zu ergreifen.

Waren Sie selbst ein guter Sch�ler? 

Ich war nie Klassenbester, aber ich hatte schon meine F�cher, in denen ich sehr gut war. 

Gibt es Visionen, die Sie noch realisieren m�chten? 

Da gibt es private und schulische. Die schulischen sind gepr�gt von dem Wunsch, die Experimentalbereiche deutlich auszubauen. Ich glaube, wir k�nnen unsere jungen Menschen nur dann f�r die Naturwissenschaften nachhaltig begeistern, wenn wir sie auch an die Ger�te und Versuche heranlassen. Damit f�rdern wir die Faszination f�r die Bereiche Chemie, Physik, Biologie sowie der Astrophysik. Gerade hier ist es wichtig, nicht nur theoretische Lehrformen anzuwenden, sondern auch auf praktische T�tigkeiten zugreifen zu k�nnen, zum Beispiel die Betrachtung des Sternenhimmels und die Durchf�hrung von Messungen mit Instrumenten. 

Die private Vision? 

Wir n�hern uns ja gerade dem Maximum des Sonnenstandes und es w�re mir mal ein Herzenswunsch, im Monat Juni die Mitternachtssonne im Norden zu erleben. Vielleicht muss ich da aber noch bis zu meinem Ruhestand warten. 

Besten Dank f�r das Gespr�ch.

     
 � 2012 RALF HANSEN STADTBROSCH�RENVERLAG