PRETTY LÖFFEL - Jürgen Laarmann über die Mark-Spoon-Doku „Rest in Exzess”:

PRETTY LÖFFEL – Jürgen Laarmann über die Mark-Spoon-Doku „Rest in Exzess”:

PRETTY LÖFFEL – Jürgen Laarmann über die Mark-Spoon-Doku „Rest in Exzess”:

 

Was taugt der hr-Podcast über Mark Spoon? Das wollten wir von einem Weggefährten wissen, der dafür bekannt ist, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Frontpage-Gründer und ehemaliger Loveparade-Mitveranstalter Jürgen Laarmann hat ihn gehört. 

Wir leben in der Zeit der großen Techno- und 90er Jahre-Aufarbeitungen. Um ehrlich zu sein, habe ich mich schon seit Jahren gefragt, warum es bisher keine Dokumentation über das Leben von Mark Spoon gab. Ich wusste von einem renommierten Autor, der sich an einem Buch über Löffel versucht hatte und dieses Projekt abbrach. Das Format Podcast erscheint nun als funktionierendes Format, und ich habe mich über den Fünfteiler wirklich gefreut. Danke Hessischer Rundfunk, allerdings nicht für den dämlichen Namen „Rest in Exzess“, dieser daher gehuschten Reimerei aus „Rest in Peace“ und „You gotta say yes to another excess“. Und auch nicht danke für die dreiste Co-Moderatorin Anne Karolczak, die jedes Mal, wenn sie dran ist erwähnt, dass ihr DJ-Name Pretty Pink ist und in notorischer Weise Eigenwerbung betreibt, die unfassbar ist. Ein Beispiel: Moderator Leibelt fragt sie, wie sie ein Spoon-Album findet. Sie sagt „vielseitig“, um dann erstmal über ihr eigenes Album zu sprechen. Das Ganze wird umso unerträglicher, als dass Frau Karolczak eine vollkommen spießige Person ist, so dass man ihre Belehrungen ungern hört … Vielen Hörern hat sie damit den ganzen Podcast verdorben.

Zurück zu Spoon: Seit 18 Jahren ist er nun schon tot, aber trotzdem ist Markus Löffel aka Mark Spoon unvergessen und die Geschichten mit ihm oder über ihn sind immer noch lebendig. Spoon war – anders als im Podcast behauptet – kein besonders begabter DJ, schon gar nicht als Mixmaster, er klatschte in seinem Set oft wenig raffiniert Hit an Hit und wenn er dann wie so oft beim Auflegen betrunken und druff war, durfte man keine Mixing-Highlights erwarten.
Als Produzent und Remixer hat er durchaus einige Klassiker erschaffen, wie die „Age of Love“-Remixe, die bis heute in immer neuen Formen auftauchen, seine größten Erfolge wie „Right In The Night“ waren aber eher Pophits, die gar nicht in den Clubs der Zeit liefen. Warum also heute noch immer der Hype um Mark Spoon?

Spoon war ein wirklich einzigartiger Charakter, von seinem Look (1,90 m, 130 kg, Zahnlücke, Tattoos) bis hin zu seinem Habitus – er hatte einen unglaublichen Wortwitz, war schlagfertig wie kein zweiter und krasser als alle anderen. Die Storys über seine Starallüren, seine Generosität, seine Unverschämtheiten, seinen Facettenreichtum sind unvergessen. Mark Spoon verkörperte, so Michi Beck von der Fantastischen Vier im Podcast, puren Rock´n´Roll. Sein herausragender Ruf basiert womöglich auch auf der Tatsache, dass alle anderen sehr viel langweiliger waren als er. Ich bin ihm als damaliger Chefredakteur der Frontpage, Mayday- und Loveparade-Veranstalter nur ca. ein Dutzend Mal begegnet, doch tatsächlich erinnere ich mich an jedes einzelne Mal. Und mit den unterschiedlichen Facetten von Markus, die im Podcast großes Thema sind, wurde auch ich konfrontiert.

Das erste Mal hatte ich mit ihm auf der 91er-Loveparade zu tun, damals als jeder DJ 200 Mark für seinen Auftritt in der Halle Weißensee bekam. Alle waren glücklich und zufrieden, bis auf Herrn Löffel, der auf einmal bei der Auszahlung mehr wollte und regelrecht Randale anzettelte.

1993 war Spoon an gleicher Stelle der Star des Backstages der Winter-Mayday, bei der der prägendste Act der Kolumbianer Ramirez („La Musica Tremenda“, „Hablando“, „Orgasmico“) war. Was Ramirez suggerierte, hatte Spoon auf Tasche: Eine riesige Kurbel-Mühle mit dem besten Pulver, was ich wahrscheinlich je gezogen habe und mit dem Spoon großzügig für den ganzen Backstage aufstreute. Kein Technoprotagonist ging jemals so offen mit Drogen um und keiner war je so großzügig wie Löffel, was zu fast grenzenloser Bewunderung führte.

Irgendwann Mitte der 90er besuchte ich ihn in Frankfurt, wo er in einer Remise im Nordend residierte und das Hinterhaus zu einem prachtvoll-opulenten indischen Tempel dekoriert hatte – dort wurde auf besonders vornehm Kokain gereicht. Die vorgehackten Linien waren unter einigen Wärmeglocken, die sonst in der gehobenen Gastronomie verwendet werden, um Speisen warm zu halten.

Meine letzte Begegnung mit ihm war in Berlin, die schöne Remise war längst von der Steuerfahndung auseinandergenommen worden, er war nach in die Hauptstadt gezogen, um ein neues cleanes Leben zu starten. Wir begegneten uns zufällig vor der Bhagwan-Disco „Far Out“, wo er mir erzählte, wie gut er sich fühlte, was mich erfreute. Eine halbe Stunde später jedoch sah ich ihn mit einer ganzen Wodka-Flasche vorbeiziehen und wusste nicht, dass es das letzte Mal war, dass ich ihn sah.

Beim Hören des Podcasts wurde ich mir klar, dass ich mit meinen ganz eigenen Löffelerlebnissen mich entlang der fünf Folgen entlanggehangelt habe. „Assi; Prolet, geilster Typ der Welt“ lautet der Titel der ersten Folge.

Lobenswert ist, dass es den Produzenten gelungen ist, einen Großteil der Leute an den Start zu bringen, die ganz nah an Spoon dran waren: Fedi Choukair, sein Fahrer,  Matthias Martinsohn (u. a. Löffels Arbeitgeber bei Logic), Mathias Grein (sein Manager) Und so gibt es interessante Infos und Stories zu allen Stationen seines Lebens, Iris Hightower (1,96 m große Frankfurter Türsteher-Legende), Peter Fischer (Ex-Präsident Eintracht Frankfurt und Spoon-Freund), Patsy und Tamara (Weggefährtinnen von Spoon), Alex Azary (sein Partner beim XS), Markus Hollmann (der Spoon damals nach Berlin holte) und und und – das Line-up lässt kaum Wünsche offen.

Zu jeder Station seines Lebens Infos und Stories, gespickt mit allerlei Wissenswertem, dass selbst die Spoon Kenner erstaunt und ihr Wissen komplettiert.

Und so führt der Podcast von seiner Kindheit, seiner Karriere als Koch, sein Einstieg in das Musicbiz, die Welthits mit Jam & Spoon, die internationalen Plattendeals, die Exzesse rund um seine DJ-Gigs. Lang und breit erzählte Geschichte ist, wie Spoon mal bei einer Autovermietung einen geschrotteten Mietwagen umtauschen wollte, bei dem eine Wagentür fehlte. Mir kam das wie ganz normaler Löffelstandard vor. Hätte man alle Desasterstorys rund um Spoon aufgezeichnet hätte man bestimmt gut und gerne acht Folgen machen können.

Ausführlich wird in der letzten Folge dann der Niedergang bis zum Tod von Löffel aufgezeichnet, fast kommt es einem so vor, als wenn der Hessische Rundfunk sich an seinen Bildungsauftrag erinnert und dokumentieren wollte, dass sich so ein Leben nicht lohnt. Keine Ahnung, wie Spoon seinen Podcast gefunden hätte:

Er war ja immer sehr charmant zu Frauen – würde er mit Pretty Pink gemeinsam auflegen, würde ich nicht dafür garantieren, dass er sie nicht von der Bühne getreten hätte.

Selbst reinhören könnt ihr HIER.

 

Novys Welt – Mark Spoon (27.11.1966 – 11.01.2006)

Heute vor 17 Jahren verstarb Markus Löffel aka Mark Spoon