Berühmter Ablassprediger starb vor 500 Jahren

Johann Tetzel: Der "Bad Guy" der Reformationsgeschichte

Veröffentlicht am 10.08.2019 um 13:12 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐  "Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt": Johann Tetzel gilt als Erfinder dieses "Werbespruchs". Viele Geschichten, die sich um den Ablassprediger ranken, entstanden erst weit nach seinem Tod – und sind voller Vorurteile.

  • Teilen:

Johann Tetzel hat, was seinen Nachruhm angeht, richtig Pech gehabt. Der sächsische Dominikaner ist in die Geschichte eingegangen als marktschreierischer, dumm-dreister Ablasskrämer, der mit wilden Versprechungen den Leuten das Geld aus der Tasche gezogen hat. Daneben wirkte schon zu Lebzeiten die Lichtgestalt des Reformators Martin Luther umso heller. Seit seinem Tod am 11. August 1519, vor 500 Jahren, ranken sich derart viele Mythen und Vorurteile um Tetzel, dass die Person dahinter kaum zu erkennen ist.

Wann er genau geboren wurde, ist nicht bekannt. Es muss um 1465 im sächsischen Pirna gewesen sein. Wie er aussah? Auch das weiß man nicht. Es gab keine Veranlassung, ihn zu malen, denn dafür war er nicht wichtig genug, meint Enno Bünz, Professor für sächsische Landesgeschichte an der Universität Leipzig. Das bekannte Bild, das einen fetten Dominikaner mit Stirnlocke zeigt, hatte mit der Wirklichkeit jedenfalls nichts zu tun.

Bild: ©picture-alliance/akg-images

Papst Clemens VII. und Ablasshändler auf einem Holzschnitt von Hans Holbein d.J. (um 1497-1543).

Und Erfinder des bekannten Spruchs vom so wirksamen Geld im Kasten war er auch nicht. Schon seit den späten 1470er Jahren bewarben die Ablassprediger den Ablass mit: "Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt." Dahinter steckte das damals gängige Versprechen, man könne durch Zahlungen für bestimmte kirchliche Zwecke den Nachlass zeitlicher Bußstrafen für gebeichtete Sünden beschleunigen und nach dem Tod die Zeit im Fegefeuer verkürzen.

Doch auch wenn Tetzel nicht der Erfinder diesen gefügelten Worts war – Peter Wiegand vom sächsischen Hauptstaatsarchiv in Dresden charakterisiert ihn als eine Ausnahmeerscheinung unter den vielen Ablasskommissaren, der sich durch seine ebenso effiziente wie profitorientierte Art der Gnadenverkündigung auszeichnete. Schließlich verfügte der Dominikaner über eine lange Erfahrung in dem Metier, eine profunde wissenschaftliche Ausbildung, ein stabiles Netzwerk an Kontakten und ein hohes Ansehen zu einer Zeit, als die Aufgabe eines Ablasskommissars noch mit einem hohen sozialen Prestige verbunden war.

Im Visier Luthers

Als Johann Tetzel 1505 in den Dienst des Deutschen Ordens trat, der damals einen Kreuzzugsablass im Reich verkündigte, fand er sein eigentliches Betätigungsfeld. Er war als Ablasskommissar ein voller Erfolg. Als Papst Leo X. den Ablass für den Neubau der römischen Peterskirche in ganz Europa verkündigen ließ, war der Dominikaner wieder dabei. Im Mai 1516 fiel Tetzel dem späteren Reformator Luther zum ersten Mal unangenehm auf, so der Mainzer Kirchenhistoriker Wolfgang Breul. Damals kündigte Luther an, "nun will ich der Paucke ein Loch machen". Das ist ihm dann auch voll umfänglich gelungen.

Mit seinen 95 Thesen konnte Martin Luther einen großen Erfolg verbuchen, während Johann Tetzel bald nicht mehr das Kloster in Leipzig verlassen konnte. Im ersten Grundrauschen der beginnenden Reformation hatte er keine Chance mehr. Gerade weil er ein ernstzunehmender Gegner war, bissen sich Luther und die späteren Reformatoren an ihm fest. Da es der Kurie in Rom wichtiger war, Luther zu besänftigen und dessen Landesherren Friedrich den Weisen bei Laune zu halten, ließ Rom Tetzel fallen und machte ihn zum Bauernopfer.

Das Denkmal für Martin Luther in der Lutherstadt Eisleben.
Bild: ©nhermann/Fotolia.com

Das Denkmal für Martin Luther in der Lutherstadt Eisleben.

Am 11. August 1519 starb der Ablassprediger, dem Luther zuvor noch einen tröstenden Brief aufs Sterbebett schickte, worin er ihm versicherte, er wäre an dieser Sache nicht schuld. Danach fiel der Dominikaner mehr oder weniger in Vergessenheit. Teil der protestantischen Erinnerungskultur wurde er eigentlich erst hundert Jahre nach seinem Tod, fand der Historiker Hartmut Kühne heraus.

Denn in den damals so beliebten Theaterstücken tauchte Tetzel dann als gieriger Ablasskrämer auf. Danach rankten sich immer mehr historisch nicht haltbare Geschichten um ihn, die sich zu einem Mythos verdichteten: Tetzel, der Bad Guy der Reformationsgeschichte.

Von Christiane Laudage (KNA)