The New Look: Kritik zum historischen Modedrama von Apple TV+
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The New Look: Kritik zum historischen Modedrama von Apple TV+

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Juliette Binoche (l.) in „The New Look“
Juliette Binoche (l.) in „The New Look“ © Apple TV+

„The New Look“ behauptet, Mode à la Coco Chanel und Christian Dior hätte Frankreich aus der Krise nach dem Zweiten Weltkrieg rausgezogen. Die Hochglanzserie von Apple TV+ macht es einem nicht leicht, sie zu mögen.

Spoilerwarnung - diese Meldung kann Hinweise auf die Fortführung der Handlung enthalten!

Ohne irgendwas über Haute Couture zu verstehen, scheint es so, als läge der Trick der größten Designer:innen der Welt darin, die exquisitesten Elemente zu etwas zusammenzunähen, das in der Summe mehr ergibt als alle Teile. Ein perfektes Kleid hat einen nicht klar zu benennenden Esprit, einen Hauch des Besonderen, den nur Genies versprühen können. Legt man diese Formel aber auf das neue Modedrama The New Look von Apple TV+ an, geht genau das nicht auf. Alles einzeln ist von höchster Qualität, doch es fehlt dieses gewisse „Je ne sais quoi“.

Der Serienschöpfer Todd A. Kessler (auch bekannt für Damages und Bloodline) hat sich einen ziemlich spannenden Stoff ausgesucht. In seinem Hochglanz-Historiendrama verwebt er die Geschichten von Coco Chanel (Oscarpreisträgerin Juliette Binoche) und Christian Dior (Ben Mendelsohn). Die beiden waren lange Zeit Gegenspieler in ihrer Kunst - und hier geht es vor allem darum, inwiefern sie mit den Nazis in der Zeit der deutschen Besatzung von Paris während des Zweiten Weltkriegs kollaboriert haben. Ihr spanischer Kollege Cristóbal Balenciaga (Nuno Lopes) taucht ebenfalls auf...

Zum Auftakt wurden nun am Valentistag drei der insgesamt zehn Episoden der Auftaktstaffel veröffentlicht (eine zweite Season soll auch schon in Entwicklung sein). Ebenfalls im Ensemble mit dabei sind Maisie Williams (Game of Thrones) als Catherine Dior, John Malkovich (The New Pope) als Modeunternehmer Lucien Lelong, Emily Mortimer (The Newsroom) als Gräfin Elsa Lombardi, Hugo Becker als Widerstandskämpfer Hervé sowie die dänischen Schauspieler Claes Bang (Dracula) und Thure Lindhardt (Die Brücke) als Nazi-Agent Hans von Dincklage beziehungsweise NS-Hauptverbrecher Heinrich Himmler. Kesslers frühere „Damages“-Darstellerin Glenn Close hat auch eine Gastrolle.

Darum geht es in der Apple-Serie „The New Look“

Die Erzählung beginnt in den 1950er Jahren, also nach dem Krieg, der im deutschen Titel der einstündigen Einstiegsepisode Die dunkelste Zeit genannt wird. Chanel und Dior befinden sich an sehr unterschiedlichen Zeitpunkten ihrer Karriere: Während sie vor der Weltjournalie über den kitschigen Stil Diors herzieht, wird er landesweit gefeiert als modischer Heilsbringer, der das noch immer kriegsgebeutelte Land mit Inspiration und Schönheit nährt. Sein stolzester Moment: Als erster Designer darf er an der altehrwürdigen Sorbonne-Universität einen Vortrag halten. Dies wäre übrigens ein guter Moment gewesen, um tiefere Einblicke in die Kunst der Mode zu geben - wie es etwa dem Film „Der seidene Faden“ gelungen ist. Doch „The New Look“ hat daran nur ein oberflächliches Interesse.

Durch die kritische Frage einer jungen Studentin reisen wir schließlich zurück in die Zeit der Besatzung. Dior gibt offen zu, dass er und viele andere damals Entscheidungen getroffen hätten, die sie heute bereuten. Dabei betont die Serie recht früh, dass er sich weniger zu Schulden kommen lassen hat als Chanel, die mit einem der Nazis, dem Herrn Spatz (Bang) - wie er sich vorstellt, während er sich ganz gentlemanlike gibt -, sogar ins Bett stieg und zudem als Spionin einspannen ließ. Dior steckt derweil halb im Widerstand, besonders durch seine mutige Schwester Catherine (Williams) und ihren Freund Hervé (Becker), die sogar bei ihm wohnen und Pläne schmieden dürfen...

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Ben Mendelsohn (l.) in „The New Look“
Ben Mendelsohn (l.) in „The New Look“ © Apple TV+

Die Frage der Schuld, die man in einer Zeit der Angst auf sich lädt, könnte ziemlich faszinierend sein - besonders, wenn dann langsam durchscheint, dass es oft doch vor allem Opportunismus war, der das Mitläufertum motivierte (so wie Chanel, die ihre jüdischen Anteilseigner ausbooten lässt). In der Serie Deutsches Haus wurde das sehr bedächtig untersucht, während es bei „The New Look“ mehr als Aufhänger zu dienen scheint, um Zeit mit charismatischen Charakteren zu verbringen, die wir alle irgendwie zu kennen meinen. Generell gilt oft die Faustregel: Serien, die vor einem historischen Hintergrund spielen, sind besser, wenn sie echte Persönlichkeiten nicht zu sehr ins Zentrum stellen, sondern lieber einen blickt auf die zweite Reihe werfen, um ein hautnahes Gefühl für die Zeit zu kriegen.

Binoche spielt Chanel einfach zu gut, sodass man zwangsläufig anfängt sie zu mögen. Teils kriegt man sogar Mitleid mit ihr, weil sie so unbeholfen und überfordert mit dem Ganzen wirkt. Einige Szenen mit ihr sind geradezu lustig (vor allem in Kombination mit Mortimers Rolle). Dahingegen ist Mendelsohns Dior so staubtrocken, dass man lieber wieder zu Chanel zurück will. Ob das wirklich das Ziel von Kessler gewesen sein kann? Doch auch Dior hat einen Konterpart, der ihn stärkt: Malkovich als philosophischer Sparringspartner. Und den früheren Fantasy-Youngster Maisie Williams in so einem ganz anderen Part zu sehen, ist ebenfalls spannend zu sehen.

Ist „The New Look“ nur wieder eine dieser „Prestigeserien“?

Weil dieses eingangs erwähnte gewisse Etwas, das richtig gute Kleider (oder Serien) haben, sich unmöglich beschreiben lässt, ist es im Fall des Historiendramas „The New Look“ nun auch schwer, den Finger drauf zu legen, was genau fehlt. Frech zusammengesponnen, könnte man denken, das alles lief ungefähr so ab: Chefautor und Regisseur Todd A. Kessler hatte eine Idee, die war zu gut, um sie nicht umzusetzen. Apple sah die vielversprechende Kombination von geschichtlicher Relevanz und bekannten Namen - die zudem mit einer Eleganz verbunden werden, die dem Computerhersteller, der ja genauso Lifestylemarke ist, gut zu Gesicht steht.

Um die richtigen Darsteller:innen zu kriegen, muss es dann manchmal ganz schnell gehen. Zwischen Serienbestellung und Dreh lagen im Frühjahr 2022 tatsächlich nur wenige Monate. Hatte Kessler mit so viel Druck wirklich Zeit, den Stoff tiefgründig zu durchdenken? Zum Vergleich: Ein Mad Men, das als vielleicht bestes period piece gilt, das im Fernsehen je zu sehen war, entstand über viele Jahre als Hirngespinst von Creator Matthew Weiner, bevor überhaupt damit angefangen wurde, das Projekt zu realisieren. Er konnte sich die gesamte Welt bereits im Inneren aufbauen.

Bei „The New Look“ hat man sich offenbar darauf verlassen, dass, wenn alle Einzelteile da sind - eine gute Prämisse, ein profilierter Autor, ein toller Cast, hochwertige Bühnenbilder und vor allem das obligatorische Intro -, der besondere Funke schon entstehen wird. Das alles erinnert ein bisschen an das neue HBO-Drama The Gilded Age, wo auch alle Teile stimmen, aber der Gesamteindruck keinen echten Eindruck hinterlässt. Es muss doch einen Grund geben, warum wir heute noch über „Mad Men“ oder Downton Abbey sprechen, aber „The Gilded Age“ und „The New Look“ vermutlich bald vergessen sind. Insgesamt nur 3 von 5 Nähnadeln gibt es dafür von uns.

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