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Rebecca Miller – ihr Mann nennt sie "Sergeant"

Rebecca Miller Rebecca Miller
Quelle: dpa
Früher fand Rebecca Miller, die Frau von Schauspieler Daniel Day-Lewis und die Tochter des Dramatikers Arthur Miller, fröhliche Mädchen uncool. In ihrem neuen Buch "Pippa Lee" beschreibt sie die Künstlerehefrau als aussterbende Art. Außerdem spricht sie über Ehe, Mutterschaft und Eheberatung.

Es ist die Nacht nach den BAFTAS, der Verleihung der britischen Film- und Fernsehpreise, und Rebecca Miller wirkt so müde und munter wie eine Frau, deren Mann gerade eine wirklich große Auszeichnung bekommen hat. Es ist eine Art dynastischer Doppelschlag: Miller, die Tochter des amerikanischen Dramatikers Arthur Miller, ist mit Daniel Day-Lewis verheiratet, dem Oscar-Preisträger und Sohn von Cecil Day-Lewis, dem berühmten englischen Dichter. Ein bisschen Alt-Hollywood kommt noch dazu: Vater Arthur Miller war, unter anderem, schließlich mit Marilyn Monroe verheiratet.

Rebecca Miller, so habe ich es mir vorgestellt, würde ernst sein und ein bisschen verkrampft und mit ihr zu reden, würde ein wenig wie Zähneziehen sein. Dann allerdings habe ich ihren Roman "Pippa Lee" gelesen. Und der hat mich dann doch von all dem Arthur-Marilyn-Daniel-Day-Lewis-Unfug abgebracht. Weil er so gut ist. Am Ende ist Miller ziemlich reell - und sehr erleichtert, dass wir über andere Dinge als ihre Familie gesprochen haben. ("O Gott, das wäre so cool, wenn sie das nicht erwähnen würden - es wäre die coolste Sache der Welt. Es ist aber noch nie vorgekommen.")

Sie wohnte mit Lou Reed und Bob Dylan

Rebecca ist Millers Tochter aus dritter Ehe, ihre Mutter ist Inge Morath, die bekannte Magnum-Fotografin, die Miller kennenlernte, als sie die Monroe fotografierte, die damals mit Miller verheiratet war. Das Paar heiratete 1962 und blieb bis zu Moraths Tod 2002 zusammen. Morath und Miller hatten auch einen Sohn, Daniel, der am Down-Syndrom leidet. Miller bestand darauf, dass der Junge in ein "Heim" kam, angeblich weil er nicht wollte, dass Rebecca mit einem "Mongoloiden" aufwuchs. Morath besuchte den Sohn regelmäßig, Miller nicht.

Berichten zufolge war es Daniel Day-Lewis, mittlerweile mit Rebecca verheiratet, der in den späten Neunzigerjahren für eine Annäherung von Vater und Sohn stritt. Rebecca sagt, dass Daniel, heute 41, "sehr zur Familie" gehöre und ein "sehr aktives, glückliches Leben" führe, "umgeben von Menschen, die ihn lieben".


Rebeccas Kindheit war Normalität und Bohème zugleich. Bis sie sechs Jahre alt war, lebte sie mit ihren Eltern in Suite 614 des legendären Chelsea Hotel in New York, das auch Norman Mailer, Lou Reed und Bob Dylan ihr Zuhause nannten. Danach zog die Familie auf eine Farm in Connecticut. Miller starb dort 2005.

"Sergeant-Major Miller"

Seine Tochter, stellt sich heraus, beschreibt das Innenleben von Frauen mit einer Kenntnis und Genauigkeit, die ihre glamouröse Herkunft Lügen straft. Außerdem ist sie überhaupt nicht ernst: sie ist clever, lächelt viel und hat einen trockenen Humor. "Aber die Leute haben immer erwartet, dass ich ernst bin. Vielleicht ist es mein Gesichtsausdruck. Als Kind habe ich gelernt, dass die launenhaften Mädchen alle Aufmerksamkeit kriegen. Fröhlich war uncool. Ich habe gelernt, schlechte Laune zu haben."

Gesichtsausdruck beiseite, ganz unbefangen ist Millers Umgang mit ihrer Herkunft nicht und ebenso wenig fühlt sie sich restlos wohl, wenn sie am Arm von Daniel Day-Lewis auf dem roten Teppich lächelt. Tatsächlich war ihr Lächeln ein klein wenig schmal, als ihr Mann - ausgezeichnet als bester Schauspieler für "There Will Be Blood" - von der Bühne herab "Sergeant-Major Miller" dankte und die Fernsehkameras auf sie schwenkten.

Sei's drum, da ist sie: mit langen Gliedern auf dem Sofa und mit so frischer Farbe im Gesicht, als würde sie in Irland auf dem Land leben (was sie tut: in Wicklow). "Pippa Lee" ist ihr erster Roman, zuvor hat sie einen Band mit Kurzgeschichten veröffentlicht, "Als sie seine Schuhe sah, wusste sie, dass sie ihren Mann verlassen würde", heißt er. Außerdem dreht Miller Filme. Auch ihren Roman wird sie verfilmen - mit Julianne Moore, Winona Ryder und Robin Wright Penn.

Miller hat keinen Ehrgeiz

"Pippa Lee" erzählt von einem amerikanischen Power-Paar. Mr. Lee ist Großverleger, und seine Frau ist - nun ja: seine Frau. Der Roman spielt in einer Gated Community mit Namen Varigold Village, wohin das Paar soeben gezogen ist. Pippa ist 50, ihr Mann resolute, aber verblichene 80 Jahre alt.

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Pippa ist die perfekte Künstlergattin (und davon sollte Rebecca Miller etwas verstehen): "ausgleichend, großzügig, intelligent, schön, eine großartige Köchin." Als Frau jedoch erfindet sie sich ständig neu: erst Frau, dann Mutter und schließlich Krankenschwester.

Miller brilliert, wo sie das Leben von Frauen wie eine russische Puppe beschreibt und zeigt, dass man nie das ganze Bild, sondern stets nur eine seiner Facetten sieht. Insbesondere kann sie zeigen, was Ehe und Mutterschaft für das Selbstverständnis einer Frau bedeuten. "Eine Künstlerfrau ist kein Profi", sagt sie, "aber ihr Leben ist ihre Arbeit." Fast schon stolz sagt sie, sie habe keinerlei Ehrgeiz.

Die Idee zum Buch kam durch eine Freundin

"Als ich aufwuchs, kannte ich ein paar solcher Frauen. Nicht, dass meine Mutter eine von ihnen gewesen wäre, aber dennoch schaffte sie ein schönes Zuhause, kümmerte sich um alles Gesellschaftliche und kochte und machte das Leben schön. Es ist fast, als ermögliche man ein Künstlerleben.

Diese Frauen schaffen ein ganzes Universum um einen Mann herum, der ohne sie in einem kalten Studio bibbern würde. Das wird unterbewertet. Frauen schauen heute darauf herab und sagen: Na ja, eigentlich tut sie ja gar nichts. Aber auch diese Frauen tun etwas - sie schaffen eine ganze Welt. Sie sind eine aussterbende Art."

Der Roman, erzählt Miller, habe in ihrem Kopf Gestalt angenommen, als sie eine alte Freundin traf, die sie seit Jahren nicht gesehen hatte. "Sie hatte sich völlig verändert. Aus einer wilden, ziemlichen rücksichtslosen Person war eine sanftmütige Mutter zweier Kinder geworden, die Frau eines Mannes, den sie anbetete. Aber sie war so anders. Ich musste mich einfach fragen: Wie kommt man von A nach B? Hatte sie sich bewusst entschieden, sich neu zu erfinden? Und wenn wir so leicht eine andere werden können, wer sind wir dann wirklich? Ehe und Mutterschaft bedeuten, dass man, eben noch Hauptdarsteller, an die Seitenlinie wechselt, und das fasziniert mich. Dann vergeht die Zeit, die Kinder werden groß, und man kehrt zurück aufs Feld, aber nichts ist mehr genauso, wie es war."

"Frauen sollen immer aufhören"

Gerade von amerikanischen Frauen, sagt Miller, werde erwartet, dass sie immer obenauf, immer voller Energie und "aggressiv gut gelaunt" seien. "Es ist eine manische Fröhlichkeit, auf die wir uns einlassen, selbst wenn die Hälfte von uns vielleicht am liebsten vom Rand der Welt springen würde." In ihrem Roman wollen sowohl Mutter als auch Tochter in den Augen ihrer Männer und Familien die idealisierte Version einer lächelnden, fähigen Weiblichkeit verkörpern. "Es ist eine Art Ablenkungsmanöver", sagt Miller.

Mutterschaft und Identitätskrise: wie steht es da bei Miller selbst? Sie ist mittlerweile 45 und hat zwei Söhne, Cashel, bald sechs, und Ronan, bald zehn. "Wie man damit umgeht", sagt sie, "hängt davon ab, wieviel Repression im Spiel ist. In meinem Fall stand nie zur Debatte, mit irgendetwas aufzuhören - andererseits habe ich einen Job, der sich mit Kindern sehr gut verträgt: Schreiben oder sogar Filmemachen - meine Drehzeiten sind für gewöhnlich kurz. Die meisten Frauen jedoch, die beides wollen, Arbeit und Familie, haben es wirklich schwer. Ich glaube, dass das, was Frauen zu erreichen gestattet ist, das, worauf sie hoffen dürfen, sich so sehr gar nicht verändert hat. Von Männern wird immer noch erwartet, dass sie den ganzen Tag arbeiten gehen - und so sind es normalerweise die Frauen, die die Last tragen, weil die Kindererziehung nicht als Aufgabe angesehen wird, die beide Elternteile in gleicher Weise erfüllen müssten. Wann immer man einen Artikel oder ein Buch über dieses Thema liest, lautet die Lösung ,die Frauen müssen zu arbeiten aufhören'. Das ist immer die Lösung: aufhören, aufhören, aufhören. Ich finde das schrecklich."

Eheberatung auf einer Party

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In ihrem Roman beschreibt Miller anrührend, was das Alter mit mächtigen Männern macht. "Statt in Vorbereitung auf die spirituelle Welt von der materiellen zu lassen, drängen Geld und Eitelkeit nur noch mehr." Es mag von Bedeutung sein, dass Arthur Miller schon 46 war, als Rebecca geboren wurde: Er sei, hat sie gesagt, ihr immer sehr alt vorgekommen. "Ich glaube, viele Kinder kennen dieses Gefühl - man könnte es eine Art von Vor-Trauer nennen; sie stellen sich selbst die Frage: Wie alt werde ich sein, wenn die Eltern sterben?"

Ich zitiere einen Satz aus ihrem Buch: "Die Ehe ist ein Willensakt." Ist das ihre Ansicht? "Nein, nein! Ich war auf einer Dinner Party, schwanger und im ersten Rausch meiner Ehe, und eine Frau - seit langer Zeit glücklich verheiratet -, sagte: ,Die Ehe ist ein Willensakt.' Sie könne mit jedem hier verheiratet sein, sagte sie. Es sei allein eine Frage der bewussten Entscheidung, es zum Funktionieren zu bringen. Das fasziniert mich. Man schafft es und dann bringt man es zum Funktionieren."

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Rebecca Miller, " Pippa Lee", Aus dem Englischen von Reinhild Böhnke, S. Fischer, Frankfurt/Main, 361 Seiten, 19,90 Euro.

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