"Das Volk verlangt ein Update": Anno History Collection im Test

"Das Volk verlangt ein Update": Die Anno History Collection im ausführlichen Test

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Test Judith Carl - Autorin Lukas Schmid - Brand / Editorial Director
"Das Volk verlangt ein Update": Die Anno History Collection im ausführlichen Test
Quelle: PC Games Hardware

Mit der Anno History Collection kommen vier beliebte Klassiker der Aufbaustrategie wieder auf den Markt - Anno 1602, 1503, 1701 und 1404 -, zusammen mit sämtlichen Erweiterungen und aufgemotzt für aktuelle Betriebssysteme. Bei der Erinnerung an längst vergangene, durchgezockte Nächte im romantischen Lichtschein des Windows 98 wird uns gleich ganz warm ums Herz - aber lohnt sich die Sammlung auch außerhalb der Nostalgie? Wir werfen einen (fast) unverklärten Blick darauf.

Beim Wort "Anno" denke ich an endlose Spielstunden vor dem PC, in denen man kleinen Männchen beim Herumwuseln zusieht, davon aber so gefesselt ist, dass "nur noch eine Minute" schnell zu einer ganzen Nacht mutiert. Ich denke an die berühmte Erzählerstimme, die dir mit höflicher Bestimmtheit vornörgelt, was dem lieben Pöbel denn nun schon wieder fehlt (Alkohol? Wirklich? Ist das überlebenswichtig?) und an die sadistische Freude, die man empfindet, wenn man mal wieder völlig undiplomatisch alle Gegenspieler mit Pauken und Trompeten von der Landkarte gefegt hat.

Was ist denn nun so neu an diesen Spieleklassikern, dass man sie in der History Collection frisch auf den Markt bringt? Die Antwort ist simpel: so gut wie nichts. Sie lassen sich auf aktuellen Betriebssystemen zocken und beinhalten einen neuen Multiplayer-Modus. Es gibt keine aufgewertete Grafik oder neue Features - einfach das gute, alte Anno auf unseren modernen PCs. Aber was kann das so?

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Anno History Collection: Der Launch-Trailer zeigt die Grafikverbesserungen

Von Ästhetikfreaks und Kriegsfürsten

Annospiele waren die Königinnen der Echtzeit-Aufbaustrategie: als generischer Abenteurer besiedelt man einsame Inseln, errichtet Städte, versorgt seine Bürger und kämpft gegen befeindete Eroberer - klar, man hätte auch ganz diplomatisch und friedlich mit ihnen handeln können, aber hat das wirklich jemals irgendwer getan? Jeder Spielertyp kam auf seine Kosten. Ganz egal, ob man den eigenen Ordnungsdrang befriedigt, indem man seine Siedlungen nur in perfekter Symmetrie errichtet, ob man so viel Land wie nur möglich an sich reißt oder seinem Volk den letzten müden Penny abdrückt - ob Chaot oder Perfektionist, Anno garantierte für jeden Gamer Spielspaß in verschiedenen Modi. So konnte man entweder im Endlosmodus Schritt für Schritt die eigene Stadt hochziehen oder in einer Kampagne einer zusammenhängenden Storyline folgen.

Der Name History Edition ist gleich im doppelten Sinne Programm: nicht nur, dass wir mit Anno 1602, 1503, 1701 und 1404 verschiedene Epochen abklappern, wir erleben auch die unterschiedlichen Entwicklungsstadien der Spielreihe. Während es sich beim 1602, dem ersten Anno-Teil, noch um den simplen Rohdiamanten des Genres handelt, lockt 1404 schon mit einer Vielzahl an Features und Szenarien. Wir haben die einzelnen Spiele chronologisch genauer unter die Lupe genommen.

1602 - "Ich spiele das nur ironisch!"

Optisch nur noch etwas für Retro-Fans - Anno 1602 <br> &nbsp; Quelle: PC Games Optisch nur noch etwas für Retro-Fans - Anno 1602
 
Als es 1998 erschien, war es ein Meilenstein - mittlerweile ringt uns bereits das Intro von Anno 1602 ein leichtes Lächeln ab: man kommt beim Pixelzählen gar nicht mehr hinterher. Ich merke auch, dass die Einführung sich über die Jahre nicht sonderlich verändert hat: eine vielschichtige Hintergrundgeschichte besaßen die Spiele nie. Man ist immer ein 0815-Abenteurer, der sich - wie man das eben so macht - irgendwann überlegt, er könne doch eine eigene Insel besiedeln. Das macht aber nichts, denn um narrativen Tiefgang ging es bei Anno eher weniger. Das typische Musikthema, das sich durch die Spielereihe zieht, versetzt mich jedenfalls sofort in wohlige Nostalgie.

Ich starte den berühmten Endlosmodus und schon geht es los. Leider lässt die erste Euphorie sehr schnell nach: gefühlt nach Stunden hat mein Schiff überhaupt erst eine der Inseln erreicht. Echtzeit hin oder her - hat das denn schon immer so lange gedauert? Bei der ersten Insel angelangt suche ich zuerst etwas entnervt durch das Baumenü und stelle fest: Anno 1602 ist tatsächlich noch deutlich unübersichtlicher als seine Nachfolger. Immer wieder klicke ich mich etwas gestresst durch verschiedene, ähnlich aussehende Icons. Vielleicht bin ich zu verwöhnt von neueren Aufbauspielen, aber für mich blieb bei Anno 1602 dieses wohlige "das habe ich schon gespielt, als ich klein war"-Gefühl nicht lange bestehen. Es war früher mit Sicherheit ein Meilenstein, den man mit einem ironischen "I knew it before it was cool" durchaus nochmal starten kann, mittlerweile kommt er jedoch etwas ergraut daher.

1503 - Das "Dark Souls" der Anno-Reihe

Tatsächlich war dies das erste Spiel der Serie, das ich begeistert gezockt habe, daher war ich früher etwas betriebsblind für die durchaus vorhandenen Schwächen. Im Vergleich zu 1602 finde ich zwar das Gameplay übersichtlicher, mit einem nachträglichen, kritischen Blick fällt mir jedoch vor allem das fragwürdige Balancing auf. Anno 1503 ist tatsächlich ziemlich happig und der Spieler muss extrem aufpassen, nicht sofort im Armenhaus zu landen. Langsam und gemütlich eine Siedlung erschaffen geht hier nicht, dafür werden Fehler zu schnell bestraft und man muss dauernd auf der Hut sein. Das kann man positiv und negativ sehen. Manche Gamer sind immer auf der Suche nach Herausforderung und ein Spiel ist für sie erst dann gut, wenn es richtig weh tut, für ein unkompliziertes Spielerlebnis würde ich jedoch einen anderer Teil der Reihe empfehlen.

1503 besitzt in der History Collection nun einen neuen Multiplayer-Modus, um sich gegenseitig die Städte und vielleicht auch die Freundschaften zu zerstören.

1701 - Das klassische mittlere Kind

Exotische Traumstrände in der Kampagne 'Der Fluch des Drachen'&nbsp; <br> &nbsp; Quelle: PC Games Exotische Traumstrände in der Kampagne "Der Fluch des Drachen" 
 
Anno 1701 zeigt sich deutlich moderner als seine beiden Vorgänger. Die Bot-Konkurrenten sind nicht mehr nur bunte Flaggen, sondern echte NPCs und die Perspektive verabschiedet sich von der strengen Isometrie. Man kann nun also tatsächlich sehen, was in der eigenen Stadt so passiert. Neben den typischen Hindernissen wie Naturkatastrophen oder Piratenangriffen gibt es jetzt auch sogenannte Logenaktivitäten - wir können also andere Inseln ausspionieren und sabotieren. Ein für das Gameplay zwar unerhebliches, aber durchaus nettes Feature ist, dass der Spieler nun aus einigen Profilbildern seinen Charakter wählen kann - Ich kralle mir endlich auch mal eine weibliche Eroberin.

Insgesamt hat dieser Reihentitel einfach Pech, dass der dynamische jüngere Bruder auch mit im Paket ist. 1701 ist ein schönes, unterhaltsames Spiel und deutlich moderner als sein Vorgänger, aber eben kein 1404. Ein Pluspunkt dieses Teils bietet die Add-on-Kampagne "Der Fluch des Drachen", die auch in der History Collection inbegriffen ist. Diese lockt uns mit geheimnisvollen Ausgrabungen umgeben von türkisblauem Meer, wo wir dem enthusiastischen Entdecker Finn Hallqvist bei der Suche nach einem geheimnisvollen Artefakt helfen sollen. Die ausführliche Geschichte und die vielseitigen Quests dieser Erweiterung liefern einen guten Grund, 1701 doch zu spielen und nicht nur an 1404 hängen zu bleiben.

1404 - Die Krönung der Sammlung

Anno 1404 kann mit deutlich verbesserter Grafik überzeugen. Quelle: PC Games Anno 1404 kann mit deutlich verbesserter Grafik überzeugen. Bei Anno 1404 handelt es sich um das neueste Spiel in der History Collection und zudem um das unangefochtene Highlight. Es behält die positiven Modernisierungen von 1701 wie vielseitigere NPCs oder die Sabotage-Funktion, lockt jedoch mit zahlreichen neuen Szenarios, Kampagnen und Features. Das oft langwierige Aufdecken des Fog of War wird hier zur Entdeckungsreise. Wir können zum Beispiel Schiffwracks ausplündern, Treibgut sammeln und unsere anfängliche Nusschale mit neuen Segeln aufpimpen, um die Fahrt zu beschleunigen. Die Diplomatie verkommt hier nicht zum schmückenden Beiwerk, sondern ist essenziell, um neue Baupläne zu erwerben. Das hindert uns aber nicht daran, in kriegerischer Absicht bei NPCs einzumarschieren. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Trotz all dieser Spielereien ist das Gameplay recht intuitiv und der Schnellstartmodus ermöglicht einen flotten Einstieg ins Spiel. Der atmosphärischen Soundtrack lässt einen zudem noch intensiver ins Spiel eintauchen. Ohne Frage ist 1404 somit der stärkste Titel der Sammlung.

Meinung & Wertung

Wertung zu Anno History Collection (PC)

Wertung:

7/10
Pro & Contra
Hoher NostalgiefakorGroßes SuchtpotentialAnno 1404 ist ein Highlight
Die ersten Reihentitel sind stark gealtertAnno 1602 ist nur noch etwas für RetrofansKaum Neuerungen
Fazit

Braucht es die komplette Sammlung? Eher nicht, aber neben den (zu) altbackenen Anfängen der Serie finden sich in der Anno History Collection auch echte Dauerbrenner.

Bildergalerie

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    • Kommentare (6)

      Zur Diskussion im Forum
      • Von Shadow_Man Großmeister/in der Spiele
        Vor allen Dingen gibts die Spiele alle auf gog.com und das dann drm frei. Da lohnt sich für mich diese Sammlung gar nicht.

        Sie hätten da sowas wie bei Age of Empires 1 und 2 machen sollen. Das SIND bombige Neuauflagen und sehr gut gemacht. Das hier, was Ubisoft gemacht hat, das ist einfach lieblos. Da kann man bei den originalen bleiben.
      • Von Shadow_Man Großmeister/in der Spiele
        Vor allen Dingen gibts die Spiele alle auf gog.com und das dann drm frei. Da lohnt sich für mich diese Sammlung gar nicht.

        Sie hätten da sowas wie bei Age of Empires 1 und 2 machen sollen. Das SIND bombige Neuauflagen und sehr gut gemacht. Das hier, was Ubisoft gemacht hat, das ist einfach lieblos. Da kann man bei den originalen bleiben.
      • Von Eberhard Gelegenheitsspieler/in
        Allein, um den funktionsfähigen Multiplayermodus für Anno 1503 zu bekommen, lohnt sich die Collection.
        1701 war in meinen Augen quietschbunt und irgendwie komisch. 1404 habe ich schon. Läuft auch noch unter Win10. Anno 1602 ist in der Tat nicht mehr sexy.
        Also 1503. Im Mp für 40 Euro. Ja.
      • Von xdave78 Spiele-Enthusiast/in
        Zitat
        Wir können zum Beispiel Schiffwracks ausplündern, Treibgut sammeln und unsere anfängliche Nusschale mit neuen Segeln aufpimpen, um die Fahrt zu beschleunigen.
        aiaiai...da hat wohl jemand die Markierungen der Rechtschreibprüfung ausgeschaltet.

        Anno...joa. Als bekennender Annoholiker ist für mich 1404 das absolute Kronjuwel der Anno-Reihe. Da man alle Teile auch ohne "History Collection" Aufschlag unter Windows spielen kann (okay bei 1602 bin ich nicht sicher) sind 40€ für diese Kollektion von Spielen, die man in der Summe inzwischen alle im Bündel für unter 10€ bekommt etwas arg überzogen.

        Auch mir fehlt hier die sachliche Komponente welche in dem Artikel leider nur in einem Satz aufgegriffen wird. Das ist unzureichend. 4players wurde bereits verlinkt und in dem Zusammenhang ist für potenzielle Käufer vielleicht auch nicht uninteressant, dass es offenbar entscheidende Unterschiede in der Performance der Titel gibt. Die vielfach erwähnten "wohligen" Gefühle der Autorin tangieren mich eher peripher....
      • Von Gemar Spiele-Kenner/in
        Ich finde den Artikel gut und das Fazit nachvollziehbar.
        Aber leider fehlt mir die technische Komponente.
        Die einzige Quelle, die mir diese Fragen einfach und deutlich beantwortete ist diese:
        https://www.4players.de/4...
        Sry, PcGames, ich wünschte ich müßte keine Konkurrenz verlinken, aber 4Players sind die einzigen im WWW, die unsere offenen Fragen endlich klar verständlich beantwortet haben und zwar in nur einem kleinen Absatz und das sogar mit einem eigenen echten Screenshot.
        Und das sind nicht die einzigen interessanten Details, da wurde noch viel mehr offenbart und sehr ins Detail gegangen.
      • Von Pherim Hobby-Spieler/in
        Zitat von BuzzKillington
        Der Test ist aber alles andere als ausführlich. Wie sieht's aus mit der Technik? Laufen die Titel im Widescreen-Modus und in nativer Auflösung?
        Soweit ich weiß tun sie es, und der Screenshot von Anno 1602, der offenbar im Fenstermodus gemacht wurde, deutet auch stark darauf hin. Sieht sogar danach aus als könnte das Fenster beliebig skaliert werden, der Screenshot scheint in Originalgröße hochgeladen worden zu sein (danach zu urteilen wie scharf die Grafik wirkt) und hat eine ziemlich "krumme" Auflösung.
      Direkt zum Diskussionsende
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