Florian Martens: „Zieht lieber nicht nach Berlin! Ist schon voll genug hier“

Florian Martens: „Zieht lieber nicht nach Berlin – ist schon voll genug hier“

Unser Berlin-Fragebogen, diesmal mit dem in Ost-Berlin geborenen Schauspieler Florian Martens, der sich mittlerweile in vertrauten Ecken seiner Kindheit völlig fremd fühlt.

Schwarze Wollmütze, Berliner Schnauze: der Schauspieler Florian Martens
Schwarze Wollmütze, Berliner Schnauze: der Schauspieler Florian MartensGeisler/dpa

Berlin hat rund 3,8 Millionen Einwohner, und jeder hat seinen eigenen Blick auf die Stadt. Was macht Berlin aus, wieso lebt man hier – und tut man es überhaupt gern?

In unserer Rubrik „Fragebogen Berlin“ fragen wir bekannte Hauptstädterinnen und Hauptstädter nach ihren Lieblingsorten und nach Plätzen, die sie lieber meiden. Sie verraten, wo sie gern essen, einkaufen oder spazieren gehen. Aber auch, was sie an Berlin nervt und was man hier auf keinen Fall tun sollte.

Diesmal hat der Schauspieler Florian Martens unsere Fragen beantwortet, ein echtes Ost-Berliner Urgestein. Ausgebildet an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, bewandert auf den Brettern der Volksbühne wie der Komödie am Kurfürstendamm, drückt Martens auch seiner Figur des Kriminalhauptkommissars Otto Garber in der ZDF-Krimireihe „Ein starkes Team“ seinen eigenen Stempel auf. Nicht nur die schwarze Wollmütze, auch der Berliner Dialekt macht den 64-Jährigen, der diese Rolle schon seit fast 30 Jahren verkörpert, unverwechselbar.

1.         Herr Martens, seit wann sind Sie schon in der Stadt?

Schon immer! Ich bin in Mitte geboren, Kindheit in Pankow und teilweise in Prenzlauer Berg (Großeltern), Jugend in Lichtenberg, erste eigene Wohnung in Friedrichshain, dann fast 20 Jahre in den Hackeschen Höfen in Mitte und seit knapp 17 Jahren wieder in Pankow. Musste Berlin nur zwangsläufig einige Zeit verlassen (Berufsausbildung in Kirchmöser bei Brandenburg, später auf Montage auf Baustellen im Oderbruch, in der Schorfheide und an der polnischen Grenze. Und dann natürlich meine Militärzeit bei der Marine in Rostock-Warnemünde).

2.         Welcher ist Ihr Lieblingsort in Berlin?

Die ändern sich ja im Laufe der Jahre immer mal wieder. In meiner Kindheit war es der Schlosspark Pankow, wo man sich wunderbar verstecken konnte, in meiner Jugend die Mokka-Milch-Eisbar und das Osterwäldchen im Hans-Loch-Viertel und in der äußerst spannenden Nachwendezeit auf jeden Fall das Scheunenviertel in Mitte.

Letzteres ist leider nicht mehr wiederzuerkennen, deshalb bin ich da auch kaum noch. Jetzt ist es eher die Gegend um das Café Rosengarten im Bürgerpark Pankow und der Teil der Schönhauser Allee, in dem meine jüngere Tochter wohnt. Natürlich auch die Rennbahn Hoppegarten, aber die gehört wohl offiziell schon zum Land Brandenburg.

3.         Wo zieht es Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

In mein Haus direkt am Krüpelsee am südöstlichen Berliner Rand.

4.         Welche Ecken der Stadt meiden Sie?

Alle, die besonders „hip“ und „angesagt“ sind, wo die (meist zugezogene) Latte-Macchiato-Gesellschaft die Cafés bevölkert und unter Kopfhörern in ihre Laptops hämmert oder von zehn jungen Leuten mindestens 9,5 auf ihr Smartphone starren. Und natürlich die Gegenden mit erhöhter Clan-Kriminalität.

5.         Ihr ultimativer Gastro-Geheimtipp?

Auf jeden Fall der Fischladen in der Schönhauser Allee oder auch das Café Nord in Pankow. Und wem die Scheine besonders locker in der Tasche liegen, gerne auch das Bricole in der Senefelderstraße mit fantastischer Küche!

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Katrin Knoke/ZDF
Zur Person
Florian Martens kam kurz nach Weihnachten 1958 zur Welt. Seine Eltern sind die Schauspieler Ingrid Rentsch und Wolfgang Kieling. Martens machte zunächst eine Lehre als Baumaschinist und war fünf Jahre als Bagger- und Planierraupenfahrer tätig. Mit der Ausbildung zum Schauspieler wandte er sich seiner wahren Berufung zu. Er spielte Theater, war in mehreren DEFA-Produktionen und nach der Wende in „Tatort“ und „Polizeiruf“ zu sehen. Mehrfach spielte er in Filmprojekten von Dieter Wedel, etwa in „Der König von St. Pauli“ (1998). Im Doku-Drama „Speer und Er“ (2003) verkörperte Martens Heinrich Himmler. Vielfach wurde er für seine Darstellungen ausgezeichnet, darunter mit dem Bayerischen Fernsehpreis und dem Grimme-Preis.

Die nächste Folge „Ein starkes Team – Kurierfahrt in den Tod“ läuft am 20. Mai zur Prime-Time im ZDF. Martens ermittelt dort zusammen mit Stefanie Stappenbeck (Foto).

6.         Ihr ultimativer Shopping-Geheimtipp?

Wenn es um Klamotten geht, bin ich definitiv der falsche Ansprechpartner. Diesbezüglich hasse ich shoppen, außerdem erledigen das ja indirekt die Kostümbildner. Wenn mir da was gefällt, kauf ich’s halt nach dem Film ab.

Bei anderen Artikeln (und auch nur, wenn’s unbedingt sein muss) am liebsten das A10 Center in Wildau. Da hat man einen Laden neben dem anderen und unter der Woche ist es immer schön leer. Da ich allerdings gerne gute Bücher verschenke (ich meine jetzt echte Bücher aus Papier zum Aufklappen und Reingucken und Umblättern!), gibt es nichts besseres als das Buchlokal in der Ossietzkystraße in Pankow. Ansonsten schoppe ich nur beim Späti um die Ecke, wenn das Bier im Kühlschrank alle ist.

7.         Der beste Stadtteil Berlins ist … 

... für mich auf jeden Fall Pankow. Hier haben wir drei wunderschöne Parks und sogar einen kleinen Fluss. Und es ist meiner Ansicht nach der einzige Ost-Berliner Innenstadtbezirk (also Alt-Pankow), in dem man noch echte „Eingeborene“ auf der Straße trifft. Am nächsten käme da nur noch Weißensee – das wäre für mich die einzig denkbare Alternative. Und natürlich das wunderschöne Friedrichshagen, wenn es nicht so weit weg wäre.

8.         Das nervt mich am meisten an der Stadt:

Nerven ist vielleicht nicht der richtige Begriff, aber ein bisschen traurig macht es mich schon, wenn ich in vertraute Ecken meiner Kindheit komme und mich plötzlich völlig fremd fühle. Ein Beispiel ist das Bötzowviertel in Prenzlauer Berg – da kommt meine komplette Familie mütterlicherseits her. Fast alle wohnten in der Hufelandstraße. Hier habe ich das Gefühl, dass die komplette Bevölkerung ausgetauscht wurde, und wenn ich beim Bäcker Schrippen bestelle, dauert es sicher nicht mehr lange, bis die Verkäuferin heimlich googelt, was das ist.

9.         Was muss sich dringend ändern, damit Berlin lebenswert bleibt?

Ändern? Warum muss sich denn ständig was ändern? Ich finde, in Berlin hat sich in den letzten 30 Jahren so viel verändert (und nicht immer zum Positiven), dass man vielleicht auch mal innehalten sollte. Berlin ist bunt, lebendig und brodelt aus allen Ecken. Das kann man doch einfach mal so laufen lassen und insgesamt etwas mehr Gelassenheit zulassen. Und unbedingt mal ein funktionierender Mietendeckel! Hatten wir ja mal kurz, ist leider gekippt worden. Ich habe keine Lust, irgendwann in einer Stadt zu wohnen, in der es nur noch Reiche gibt, weil sich meine eigentlichen „Landsleute“ die Mieten nicht mehr leisten können.

10.     Ihr Tipp an Unentschlossene: Nach Berlin ziehen oder es lieber bleiben lassen?

Lieber bleiben lassen – ist schon voll genug hier. Und wenn doch, Autos zu Hause lassen und nicht auch noch nach Mitte oder Prenzlauer Berg. West-Berlin ist auch sehr schön!

11.     Cooler als Berlin ist nur noch …

Also das uncoolste ist ja wohl, seine eigene Stadt als cool zu bezeichnen! Das sollten wir wohl lieber den Touristen überlassen. Aber okay – ich finde es zum Beispiel cool, wenn junge Menschen im Bus oder der Bahn alten, gebrechlichen Menschen ihren Platz anbieten (was früher selbstverständlich war, heute leider nicht mehr). Insofern ist Berlin nicht besonders cool.