Alain Finkielkraut
Alain Finkielkraut, der mit der Bewegung der „neuen Philosophen“ in Verbindung gebracht wird, einer medialen und verlegerischen Strömung, die aus dem kritischen Denken der Linken nach dem Mai 68 entstand, lehrte über zwanzig Jahre lang an der École polytechnique. Er ist seit 2016 Mitglied der Académie française und hat seit Mitte der 1970er Jahre und insbesondere seit 1977 zur öffentlichen Debatte in Frankreich beigetragen, als er mit der Veröffentlichung des Essays Die neue Liebesunordnung, den er gemeinsam mit seinem Kollegen und Freund Pascal Bruckner verfasste, erstmals Bekanntheit erlangte. In der Folgezeit trug Finkielkraut insbesondere dazu bei, das Werk von Emmanuel Levinas in Die Weisheit der Liebe (Gallimard, 1984) populär zu machen und war im Jahr 2000 Mitbegründer des Institut d'études lévinassiennes (Institut für Levinas-Studien).
Alain Finkielkraut, überzeugter Antimilitarist und Sohn polnisch-jüdischer Flüchtlinge, die der Shoah nur knapp entkommen konnten, wurde schon früh für alle Fragen im Zusammenhang mit der Identität und dem Platz des Einzelnen in der menschlichen Gemeinschaft sensibilisiert. Sein Denken umfasst daher ein breites Spektrum an Themen – von Nationalismus, Multikulturalismus, Rassismus und Antisemitismus bis hin zu Kolonialisierung, Bildung, Liebe und Nostalgie.
Er tritt regelmäßig im Radio (insbesondere in der Sendung Répliques, die er seit 1985 auf France Culture moderiert) und im Fernsehen auf und ist sehr präsent, wenn es um die Verteidigung der europäischen Kultur geht. In La Défaite de la pensée (Gallimard, 1987) prangert er die Auswüchse der Moderne und die Opferung der Kultur auf dem Altar des Konsums an. In L'Identité malheureuse (Stock, 2013) fasst er seine Positionen zum Laizismus und zur Vermischung der französischen Gesellschaft zusammen und vertritt die Auffassung, dass das französische Integrationsmodell in einer Krise steckt.
Finkielkraut bekennt sich zum Einfluss von Hannah Arendt und räumt in seinen Texten der Frage der Kultur und der Bildung einen zentralen Platz ein. Er kritisiert insbesondere den vorherrschenden Relativismus, der seiner Meinung nach die Grundlagen der Zivilisation untergräbt. Ich schweige nicht. Philosophische Anmerkungen zur Zeit. (Gallimard, 2019) ist sein letztes veröffentlichtes Werk.