Murer - Anatomie eines Prozesses - 2018

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Murer - Anatomie eines Prozesses
Murer - Anatomie eines Prozesses
© Der Filmverleih GmbH

Murer - Anatomie eines Prozesses (2018)

�sterreichisch-luxemburgisches Gerichtsdrama �ber den Prozess gegen den ehemaligen Leiter des Gettos von Vilnius.Kritiker-Film-Bewertung: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 3 / 5
User-Film-Bewertung [?]: unterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse 4.0 / 5

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Graz, Sommer 1963: Der angesehene Lokalpolitiker und Gro�bauer Franz Murer (Karl Fischer) steht erstmals in �sterreich vor Gericht. F�r seine Verbrechen als Leiter des Gettos von Vilnius (1941-1943) hatte ihn ein litauisches Milit�rgericht zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Doch schon 1955, nach Abschluss des �sterreichischen Staatsvertrags kam Murer wieder frei. An die Auflagen, sich seines Falls anzunehmen, hielt sich die �sterreichische Justiz nicht. Erst die Intervention von Simon Wiesenthal (Karl Markovics) zwingt die Gerichte zu handeln.

Die Anklage um Staatsanwalt Schuhmann beschuldigt Murer, der von den Juden als "Schl�chter von Vilnius" gef�rchtet wurde, des "gemeinen Mordes" in 16 F�llen. Die Beweislast ist erdr�ckend, die Taktik des Verteidigers (Alexander E. Fennon) simpel, aber effektiv: Weil das Getto unter j�discher Aufsicht stand, versucht er die Verantwortung abzuschieben. Weil sich die Zeugen nach mehr als 20 Jahren an bestimmte Details wie die Farbe von Murers Uniform nicht mehr erinnern k�nnen, argumentiert er, es m�sse sich um eine Verwechslung handeln. Zeugen wie Leon Schmigel (Dov Glickman) und Jacob Kagan (Ariel-Nil Levy) machen jedoch unmissverst�ndlich klar, wer ihre Angeh�rigen vor ihren Augen ermordet hat. Doch dann kippt die Stimmung und das Verfahren.

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Filmkritikunterirdischschlechtmittelm??iggutweltklasse3 / 5

Wer etwas �ber die Gegenwart lernen will, muss in die Vergangenheit blicken. Diese Binsenweisheit ist so simpel wie zutreffend. Christian Froschs minuti�se Rekonstruktion des Skandalprozesses um Franz Murer (Karl Fischer) verr�t viel dar�ber, was in �sterreich bis heute schiefl�uft. Das Gerichtsdrama entlarvt skrupelloses Parteienkalk�l, gesellschaftliche Stimmungen und Vorurteile und Strategien zur Diskreditierung des Gegners. Die verquere, ja geradezu perfide Logik, mit der Franz Murers Verteidiger B�ck (Alexnder E. Fennon) Zeugen verunsichert, einen T�ter zum Opfer stilisiert und die Opfer letztlich zu T�tern macht, hat bis heute Methode. Populisten jedweder Couleur tun es ihm nach.

Frosch setzt sein Drama als dialoglastiges Kammerspiel um. 73 Sprechrollen gibt es w�hrend der Verhandlung. Frank Amanns agile Kamera ist selten an der frischen Luft, pendelt gr��tenteils zwischen dem Gerichtssaal, einer nahe gelegenen Gastwirtschaft, in der die Zeugen der Anklage ihre Pausen verbringen, und dem Beratungszimmer der Geschworenen. Gerade in diesen Gespr�chen arbeitet der Regisseur feine Unterschiede heraus.

Manche der Geschworenen sind Unbelehrbare, andere T�ter, die an ihrer Schuld zerbrechen, und wieder andere haben vielleicht tats�chlich nichts gewusst. Entscheidend ist, wie sie sich nun, wo die Fakten auf dem Tisch liegen, dazu verhalten. Und auch das l�sst tief bis in die Gegenwart blicken. Die Opfer, und das ist seine gr��te Leistung, zeichnet Frosch selbstredend ebenfalls heterogen. Nicht jeder war des anderen Freund. Trotz der gemeinsamen Sache brechen alte Animosit�ten, bricht Unverzeihliches wieder auf. Hier handelt keine gleichf�rmige Masse, die sich abgesprochen und gegen Franz Murer verschworen hat, wie dies vielen Prozessbeobachtern und vermutlich viel zu vielen Nachgeborenen ins (antisemitische) Weltbild passt.

Erz�hlerisch bedient sich Frosch, der auch das Drehbuch schrieb, eines altbew�hrten Kniffs. Um bei der komplexen Vorgeschichte des Prozesses keine unn�tigen L�ngen zu erzeugen, �bernimmt die US-amerikanische Reporterin Rosa Segev (Melita Jurisic) die Rolle der Vermittlerin. Sie erfragt Details, tauscht sich mit Kollegen und Zeugen aus, ist letztlich des Publikums Augen und Ohren. Auch all die anderen ergreifenden Einzelschicksale und sch�bigen Hinterzimmerdeals packt Frosch in Dialoge. Wie w�hrend der Zeugenaussagen vor Gericht zeigt Frosch das Vergangene nicht, sondern l�sst dar�ber sprechen. Dank des guten Ensembles entfalten die schrecklichen Ereignisse in der Vorstellungskraft des Publikums umso mehr Wucht.

Inszenatorisch erinnert das allerdings arg an ein Dokudrama, ein klassisches Fernsehspiel. Zwar bringt Frosch durch dezent gesetzten Musikeinsatz, durch unerwartete Kamerabewegungen und die Montage ab und an Dynamik ins Geschehen. Der Rest bleibt etwas statisch und steif. Am st�rksten ist seine Rekonstruktion dann, wenn er Bez�ge zur Gegenwart herstellt: wenn ein Altnazi Rosa Segev der "amerikanischen L�genpresse" zuz�hlt, wenn Journalisten lieber antisemitische Karikaturen kritzeln, als dem Prozessverlauf zu folgen, wenn ein bereits verurteilter Nazi Murers Taten auf seine Kappe nimmt und wenn ein engagierter Journalist seinen opportunistischen Parteifreund vor den "neuen Nazis" warnt. Verhalten und Tendenzen, die allzu gegenw�rtig erscheinen. "Franz Murer – Anatomie eines Prozesses" macht einen ersten wichtigen Schritt, die Vergangenheit nicht l�nger achtlos zuzudecken.

Fazit: Christian Froschs minuti�se filmische Rekonstruktion eines Skandalprozesses mutet formal zwar �ber weite Strecken wie ein Dokudrama f�rs Fernsehen an, entfaltet in den Zeugenaussagen der Opfer aber eine enorme emotionale Wucht und ist ein wichtiger Beitrag gegen die gef�hrliche Geschichtsvergessenheit unserer Zeit.




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Besetzung & Crew von "Murer - Anatomie eines Prozesses"

Land: �sterreich, Luxemburg
Jahr: 2018
Genre: Drama, Historie
L�nge: 110 Minuten
Kinostart: 22.11.2018
Regie: Christian Frosch
Darsteller: Karl Fischer als Franz Murer, Alexander E. Fennon als Verteidiger B�ck, Melita Jurisic, Ursula Ofner als Elisabeth Murer, Karl Markovics als Simon Wiesenthal
Kamera: Frank Amann
Verleih: Der Filmverleih GmbH

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