Interview mit Karl-Josef Laumann (CDU), Gesundheitsminister in Nordrhein-Westfalen: �Alle Beteiligten stehen hinter der Reform in Nordrhein-Westfalen�
ArchivDeutsches �rzteblatt44/2023Interview mit Karl-Josef Laumann (CDU), Gesundheitsminister in Nordrhein-Westfalen: �Alle Beteiligten stehen hinter der Reform in Nordrhein-Westfalen�

POLITIK: Das Interview

Interview mit Karl-Josef Laumann (CDU), Gesundheitsminister in Nordrhein-Westfalen: �Alle Beteiligten stehen hinter der Reform in Nordrhein-Westfalen�

Beerheide, Rebecca; Kurz, Charlotte

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Der CDU-Politiker Karl-Josef Laumann ist seit 2017 Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Dieses Amt hatte er auch bereits von 2005 bis 2010 inne. Foto: picture alliance/Flashpic Jens Krick
Der CDU-Politiker Karl-Josef Laumann ist seit 2017 Minister f�r Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen. Dieses Amt hatte er auch bereits von 2005 bis 2010 inne. Foto: picture alliance/Flashpic Jens Krick

Kritische Stimmen werden immer lauter, dass die geplanten Leistungsgruppen aus Nordrhein-Westfalen (NRW) zu einer unzureichenden Standortkonzentration und nicht zu einer verbesserten Qualit�t der station�ren Versorgung f�hren. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann h�lt dagegen und sieht den bereits erzielten Konsens als Chance.

Wo stehen die aktuellen Verhandlungen zur Zuordnung der Leistungsgruppen in NRW und wann soll das endg�ltig feststehen?

Laumann: Nordrhein-Westfalen hat sich bereits im Jahr 2018 auf den Weg gemacht, eine Reform der Krankenhausplanung vorzubereiten. Herausgekommen ist dabei eine Krankenhausplanung auf Grundlage von Leistungsgruppen, mit der die Qualit�t der Versorgung verbessert und der ruin�se Wettbewerb um Patienten, Fallzahlen und Personal beendet werden soll. Nicht jeder soll alles machen. Spezialisierung und Sicherung einer Krankenhausversorgung in der Fl�che sind wesentliche Grundgedanken der NRW-Krankenhausreform.

Am Ende eines mehrj�hrigen Arbeitsprozesses, in dem wir die Praxis eng eingebunden haben, stand 2022 ein pragmatischer Krankenhausplan NRW mit 64 somatischen und psychiatrischen Leistungsgruppen. Der Plan wurde einvernehmlich im Landesausschuss f�r Krankenhausplanung Nordrhein verabschiedet. Durch diesen Arbeitsprozess wurde viel gegenseitiges Vertrauen zwischen allen Beteiligten geschaffen und es ist in Nordrhein-Westfalen etwas in Bewegung geraten. Krankenh�user reden miteinander und treffen Absprachen, auch dort, wo man es aus pers�nlichen oder konfessionellen Gr�nden nicht erwartet h�tte. Die Krankenh�user in Nordrhein-Westfalen betrachten die Reform als �Ihre Reform�. Das ist viel wert. Seit Herbst 2022 laufen auch offiziell die Verhandlungen zu den sogenannten regionalen Planungskonzepten. Bis Ende 2024 sollen alle Krankenh�user einen neuen Feststellungsbescheid erhalten und damit verbindlich wissen, welche Leistungsgruppen sie zuk�nftig anbieten d�rfen.

Wie reagieren Sie auf die Kritik (siehe vorheriger Text in dieser Ausgabe), dass die Mindestanforderungen der NRW-Leistungsgruppen zu niedrig angesetzt seien und sich damit keine Verbesserung der Qualit�t einstellen w�rde?

Wer das behauptet, hat den Krankenhausplan nicht verstanden. Ich kann diese Kritik jedenfalls fachlich nicht nachvollziehen. Krankenh�user geh�ren zu den wichtigsten Einrichtungen der Daseinsvorsorge. Die Strukturen sind oft �ber Jahrhunderte gewachsen; Kliniken sind oft der gr��te Arbeitgeber am Ort. Mit unserem neuen Krankenhausplan werden wir die Krankenhauslandschaft in Nordrhein-Westfalen mit aktuell rund 330 Krankenh�user und sechs Universit�tskliniken besser steuern und auf die Zukunft vorbereiten. Der Plan hat in erster Linie zum Ziel, f�r Qualit�t der Versorgung zu sorgen. Patientinnen und Patienten sollen sich darauf verlassen k�nnen, dass ein Krankenhaus die f�r die Behandlung einer Erkrankung erforderliche personelle und apparative Ausstattung vorh�lt und gen�gend Expertise vorhanden ist. Das stellt der Krankenhausplan mit seinen 64 Leistungsgruppen, die jeweils mit umfassenden Mindestvorgaben zur personellen und apparativen Ausstattung hinterlegt sind, sicher.

Nennen Sie ein Beispiel.

Deutlich wird das im Bereich der Endoprothetik. Um die Qualit�t der endoprothetischen Versorgung zu erhalten und zu verbessern, ist ein hohes Ma� an Spezialisierung, Kompetenz und Erfahrung erforderlich. Deshalb haben wir im Krankenhausplan NRW eigene Leistungsgruppen f�r diesen Bereich. Die Deutsche Gesellschaft f�r Orthop�die und orthop�dische Chirurgie hat gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft f�r Endoprothetik und dem Berufsverband f�r Orthop�die und Unfallchirurgie Vorgaben entwickelt. Nach den Vorgaben dieser Fachgesellschaften k�nnen medizinische Einrichtungen sich bei Erf�llen der Voraussetzungen als EndoProthetikZentrum (EPZ) und als EndoProthetikZentrum der Maximalversorgung (EPZmax) zertifizieren lassen. In beiden F�llen werden nach den Vorgaben der Fachgesellschaften nur zwei Fach�rzte als Mindestvoraussetzung gefordert. Wir in NRW fordern mindestens drei Fach�rzte f�r die Leistungsgruppe. Damit gehen wir �ber die Zertifizierungsvorgaben der Fachgesellschaften hinaus. Zur Klarstellung: Das sind reine Mindestvorgaben und keine Vorgaben f�r eine Personalbemessung in den Kliniken.

Wenn man nun kritisiert, diese Mindestvoraussetzungen seien nicht hoch genug, dann muss man auch ehrlich sein und sagen, dass man eine Zentralisierung der Versorgung mit wenigen gro�en Kliniken wie in Skandinavien oder bei unseren niederl�ndischen Nachbarn anstrebt. So stelle ich mir aber eine fl�chendeckende Versorgung nicht vor und die Coronapandemie hat doch auch ganz klar gezeigt, welchen Wert eine fl�chendeckende Krankenhausversorgung mit Intensivmedizin hat. Wir mussten bereits in einem fr�hen Stadium der Pandemie unseren Nachbarn helfen und Intensivpatienten aufnehmen. Das haben wir gerne getan. Wir konnten das aber nur, weil wir ein gewachsenes Krankenhaussystem haben, das wir fortentwickeln m�ssen, aber nicht zerschlagen d�rfen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass einige Stimmen aus der Wissenschaft genau das wollen, ohne aber eine Idee davon zu haben, wie dies konkret politisch durchgesetzt oder finanziert werden soll.

Was war Ihr Ansatz f�r die Reform?

Von Anfang an war klar, dass der Vorschlag der wissenschaftlichen Gutachter nicht alleine die Blaupause f�r unsere Krankenhausreform sein kann, sondern dass wir vor allem auch die Expertise der Praktiker einbeziehen, die von anderer Stelle zu Unrecht als �Lobbyisten� diffamiert werden sollten.

Die Operation Krankenhausreform ist schwierig. Und gerade deshalb war es uns wichtig, die Praxis fr�hzeitig in Strukturver�nderungen einzubeziehen. Wir haben deshalb die Krankenhausgesellschaft, die beiden �rztekammern, die Kassen, die kommunalen Spitzenverb�nde, die Kirchen und die Pflege und Patientenvertreter eng in den Arbeitsprozess eingebunden.

Aus heutiger Sicht muss man sagen, dass das eine richtige Entscheidung war, die wesentlich zur Akzeptanz der neuen Planungssystematik beigetragen hat. Herausgekommen ist ein pragmatischer Ansatz, mit dem wir keinen Kahlschlag der Krankenhauslandschaft riskieren und der �brigens auch die �rztliche Weiterbildung erm�glicht. Der hohe fachliche Zuspruch f�r den neuen Krankenhausplan hat letztendlich auch dazu gef�hrt, dass der Landtag der Landesregierung 2,5 Milliarden Euro zur Umsetzung des neuen Krankenhausplans zur Verf�gung stellt. Damit kann das Land Kosten des Transformationsprozesses unterst�tzen.

Was entgegnen Sie der Kritik, dass durch die vorl�ufige Einigung der Krankenkassen mit den Krankenh�usern keine Standortkonzentration festzustellen ist, sondern der voraussichtliche Bedarf sogar h�her festgelegt worden ist?

Es gibt keine vorl�ufige Einigung und keine Entscheidungen des Ministeriums. Unsere Krankenhausplanung verl�uft �Bottom-up�. Krankenh�user und Kassen verhandeln, Kassen legen ihre Vorschl�ge f�r die Zuordnung der Leistungsgruppen der Bezirksregierung vor. Diese bewerten die Ergebnisse, f�hren Planungsgespr�che durch und legen dem Ministerium dann einen Vorschlag f�r ein regionales Planungskonzept vor. Die Letztentscheidung �ber die Versorgungsauftr�ge der Krankenh�user trifft das Ministerium. Und diese Entscheidung wird erst Ende 2024 vorliegen. Wir haben vor einigen Monaten die Voten der Krankenkassen ver�ffentlicht. Damit wollten wir f�r Transparenz sorgen. Wer sich aus diesem Zwischenstand, auf Grundlage dieses Kassenvotums nun schon eine abschlie�ende Bewertung �ber die Krankenhausplanung zutraut, der hat das Verfahren in Nordrhein-Westfalen nicht verstanden oder will bewusst einen politischen Punkt setzen.

Was bedeutet Ihre Vorarbeit f�r die Reform auf Bundesebene?

Bund und L�nder haben sich am 10. Juli 2023 auf Eckpunkte zur Reform der Krankenhausfinanzierung verst�ndigt. Die hier in Nordrhein-Westfalen mit der Praxis erarbeiteten somatischen Leistungsgruppen werden neben der Vorhaltekostenfinanzierung den eigentlichen Kern der Bundeskrankenhausreform darstellen. Das ist ein �Gl�cksfall� f�r die Krankenhausplanung in Nordrhein-Westfalen und eine Chance. Und es ist auch gro�artiges Lob f�r alle Beteiligten, dass unsere Vorarbeit in Nordrhein-Westfalen nun die Reform auf Bundesebene und Grundlage f�r einen wesentlichen Teil der Krankenhausplanung in ganz Deutschland sein wird.

Mir ist �brigens sehr an einem Erfolg der Bundesreform gelegen. Wir brauchen diese Reform der Krankenhausfinanzierung. Ich hoffe sehr, dass es gelingt, das Gesetzgebungsverfahren im Fr�hjahr 2024 abzuschlie�en. Und ich bin mir sicher: Wenn Bund und L�nder diese Chance vertun, wird sich lange niemand mehr an eine Krankenhausreform wagen und der Markt wird den Krankenhaussektor �ungeregelt� reformieren. Das k�nnen wir nicht wollen.

Deshalb ist mein Rat an alle Beteiligten: Die Krankenh�user brauchen diese Reform. Lasst uns mit den NRW-Leistungsgruppen beginnen. Das ist ein pragmatischer, funktionierender Ansatz. Wir m�ssen die Leistungsgruppensystematik als �lernendes System� ausgestalten und k�nnen diese in den n�chsten Jahren fortschreiben.

Die L�nder haben die Verantwortung f�r die Sicherstellung der Krankenhausversorgung. Fachgesellschaften und Wissenschaft stehen nicht in politischer Verantwortung vor den B�rgerinnen und B�rgern. Sie k�nnen daher Strukturvorgaben fordern, die gewachsene Krankenhausstrukturen zerschlagen k�nnen. Die Entscheidungen treffen aber aus gutem Grund politisch w�hl- und abw�hlbare Regierungen. Die Fragen stellten

Rebecca Beerheide und Charlotte Kurz.

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