Fehlerkultur: 10 Tipps: So gehen Sie richtig mit Fehlern um | CONSULTING.de

Fehlerkultur 10 Tipps: So gehen Sie richtig mit Fehlern um

Fehler akzeptieren, ist schwer. Wer gibt schon gerne Versagen zu. Missgeschicke passieren jedoch immer und überall. Viel zu oft werden sie aber vertuscht und verteufelt. Dabei ist eine positive Fehlerkultur maßgeblich für den persönlichen sowie unternehmerischen Erfolg. Wir geben Tipps, wie Sie mit Irrtümern clever umgehen.

Radiergummi (Bild: picture alliance / Bildagentur-online/Design Pics)

Studien belegen, dass die meisten Menschen Fehler nicht ertragen können. (Bild: picture alliance / Bildagentur-online/Design Pics)

 

Von Matthias Kutzscher

1. Akzeptieren Sie, dass Fehler Teil des menschlichen Handelns sind.

Fehler macht niemand absichtlich, sie passieren. Daher ist es richtig, Ursachen nachzuspüren und nicht Schuldige anzuprangern. Doch genau das Gegenteil geschieht in der Realität. Studien belegen, dass die meisten Menschen Fehler nicht ertragen können, "weil sie irrtümlicherweise glauben, Fehler würden von Dummheit zeugen“, schreibt der Autor und Pulitzer-Preisträger Joseph Hallinan in seinem Buch "Lechts oder rinks: Warum wir Fehler machen“. Folglich wird verschwiegen, vertuscht, anderen der Schwarze Peter zugeschoben. So geht Zeit verloren, die eigentliche Probleme zu identifizieren und Fehlerketten gar nicht erst entstehen zu lassen.

2. Sprechen Sie Missgeschicke früh und konsequent an.

So vermeiden Sie, dass der Verursacher sich mit Selbstvorwürfen herumplagt und die Angst vor Bloßstellung den Arbeitstag zur Tortur werden lässt. Die Panne aufdecken, den persönlichen Fehltritt ansprechen, das verkraften Menschen wider Erwarten gut. Daniel Gilbert hat für diese Eigenschaft die Metapher "psychologisches Immunsystem“ geprägt. Der Harvard-Psychologe und Entscheidungsforscher konnte nachweisen, dass unser Gehirn bei Krisen Abwehrstrategien einsetzt und sich das Glückniveau nach Niederlagen meist nach einer gewissen Zeit wieder auf dem Ausgangsniveau einpendelt.

"Ein offener Umgang mit Fehlern in Firmen ist wichtig, um die Kreativität von Mitarbeitern zu fördern.“ Kathrin Rosing ist Professorin für "Psychologie unternehmerischen Handelns“ an der Uni Kassel und forscht über den Bezug von Fehlern, Kreativität und Innovationen

 

3. Seien Sie relaxed bei Fehlern und unterstützen Sie anstatt zu verteufeln.

Das sagt sich leicht, wenn Kunden verärgert sind, das Geschäft verloren ist, der Chef tobt. Doch der Anspruch, fehlerfrei zu agieren, ist ohnehin unrealistisch. Perfektionisten, Kontrollfanatiker oder krankhaft Ehrgeizige machen Experten zufolge sogar mehr falsch als diejenigen, die eher entspannt mit Schwächen umgehen. Auch ständiger Ärger nach einem Versagen schadet. Studien der Universität Wien von 2014 belegen: Wer häufig negatives Fehler-Feedback einstecken muss, liefert seltener neuen Idee.

4. Geben Sie Fehler zu, aber verknüpfen Sie Selbstbewusstsein nicht mit dem Stigma "Richtigmachen“.

Wer sich eingesteht, etwas falsch gemacht zu machen, befindet sich auf dem besten Weg zu lernen. Doch Selbstzerfleischung ist in dieser Situation genauso falsch wie Selbstschutz-Lösungen – etwa die Schuld anderen geben oder Umstände haftbar machen. Wer einen Fehler begeht, dem muss deutlich werden: "Das war jetzt nicht so gut, aber du bist kein Versager.“ Fakt ist: Irrtümer können befähigen, aber auch tiefe Selbstzweifel schüren. Und Komplexe begünstigen Fehler.

"Gerade in individualistisch orientierten Gesellschaften stellt Scheitern eine Bedrohung des Selbstwertes dar. Je mehr Leistung zum Kriterium für die soziale Rolle und das Selbstbild wird, desto gravierender ist ein Versagen." Olaf Morgenroth ist Professor für Gesundheitspsychologie an der Medical School Hamburg mit dem Forschungsschwerpunkt "Umgang mit Fehlern und Misserfolgen“

5. Gehen Sie mit Fehlern eher verschmitzt um.

Positiver Humor wie Witze, Satire oder Ironie erleichtern das Reden über Fehler. Natürlich sollte über einen verhängnisvollen Fauxpas nicht herzhaft gelacht werden – das könnte als Schadenfreude gedeutet werden. Aber Humor nimmt Mitarbeitern die Hemmungen, Fehler zu machen – weil ja auch der Chef hin und wieder einen "Bock schießt" und darüber schmunzeln kann. Richtig eingesetzt hilft Humor, negative Erfahrungen neu zu interpretieren und sich mit Fehlern auszusöhnen.

"Wenn in Unternehmen ein positiver sozialer Humor vorherrscht, also die Fähigkeit besteht, über Dinge zu lachen, auch wenn sie misslungen sind, und darüber zu reden sowie nach besseren Lösungen zu suchen, gehen Menschen im Interesse des Unternehmens auch mal ein Risiko ein statt eine Kultur des Absicherns zu pflegen.“ Dr. Tabea Scheel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am LMU Center for Leadership and People der Ludwig-Maximilians-Uni München und Humorforscherin

6. Vermeiden Sie sogenannte Rückschaufehler.

Denn genau die sind dafür verantwortlich, dass wir häufig einen Missgriff mehrmals begehen. Zur Erklärung: Menschen haben die Angewohnheit, eigene Irrtümer und Fehlleistungen beim Blick zurück zu verzerren. Wir beschwören also in der Erinnerung ein beschönigtes Bild herauf. Und das lässt Fehler wiederholen. Experten raten, etwa bei wichtigen Entscheidungen Protokoll zu führen und die Vor- sowie Nachteile aufzuschreiben. In der Rückschau lässt sich das Geschehene damit realistischer beurteilen. Das gleiche gilt für Prognosen: Sagen Sie etwas voraus, heben Sie das Urteil ein Jahr lang auf und prüfen Sie, ob die Vorhersage stimmt. Sie werden feststellen: Die meisten Prognosen liegen daneben, obwohl wir im Nachhinein gerne das Gegenteil behaupten.

7. Denken Sie nicht lange über eigene Fehler und das Versagen anderer nach.

Permanentes Grübeln und Hinterfragen sind Experten zufolge wenig hilfreich. Das Geheimnis von Stehauf-Männchen sei es, dass sie negative Gedanken schneller abstellen können, erklärt die Psychologin Andrea Abele-Brehm von der Universität Erlangen-Nürnberg. Ständige Selbstaufmerksamkeit fördert Steve Ayan zufolge sogar Misserfolge, Ängste, Unruhe. Der Wissenschaftsjournalist beschreibt in seinem Buch "Lockerlassen“ Erkenntnisse des US-amerikanischen Psychologen Barry Schwartz: Der würde Menschen danach unterscheiden, ob sie das Optimum herausholen wollen oder sich schnell zufrieden geben. Die einen nennt er Maximizer, die anderen Satisficer. Wie Schwartz’ Untersuchungen zeigen, würden Maximizer eher depressiv. Es scheint also gesünder, sich mit dem Akzeptablen – und dazu gehören Fehler – zu arrangieren.

8. Suchen Sie Fehler und analysieren Sie, was hätte entstehen können.

Dieser Schritt geht weiter als das gängige Verhalten, aus einem Lapsus lernen zu wollen. Denn die Fragen, was ist schief gelaufen und was können wir besser machen, verleugnen das eigentliche Fehlerpotenzial. Irrtümer, Fehlgriffe und Pannen offenbaren spannende Optionen und führen zu kreativen Varianten, die sich nicht planen lassen. Sie können dieses Vorgehen im Übrigen mit genialen Erfindungen begründen: Das Potenzmittel Viagra, die Mikrowelle, das Antibiotikum Penizillin, der Kunststoff Teflon, die Klebezettel Post-it, das Eis am Stiel oder auch die Kartoffelchips wurden rein zufällig entdeckt.

"Unsere Studie `Digital Agility´zeigt, dass eine Unternehmenskultur, die offen mit Fehlern umgeht, mehr als 40 Prozent des Erfolgs bei der Digitalisierung ausmacht.“ Markus Pfeiffer ist Gründer der Münchener Strategieberatung Bloom Partners

9. Entschuldigen Sie sich richtig.

"Sorry, das war mein Fehler“ zu sagen, fällt vielen schwer. Ein Mea Culpa muss jedoch nicht nur Schimpf und Schande evozieren. Mit einer Entschuldigung lässt sich vielmehr Respekt verdienen und die eigene Position stärken. Doch eine Abbitte will gelernt sein. Forscher der US-amerikanischen Ohio State University haben auf Basis von Studien einen 6-Punkte-Plan für die "perfekte“ Entschuldigung entworfen. Sie besteht aus den Elementen bedauern, erklären, eingestehen, verantwortlich zeigen, Wiedergutmachung anbieten, um Vergebung bitten. Gleichwertig sind die Komponenten jedoch nicht. Laut der Forscher ist das wichtigste Element das Eingestehen der Schuld.

10. Fertigen Sie nach dem Abschluss eines Projekts eine Liste mit den Fehlern an, die begangen wurden.

Dabei geht es erst einmal nicht darum, methodische Analyse zu betreiben, sondern sich mit Fehlern überhaupt zu beschäftigen und darüber mit anderen zu reden. Die Erkenntnis, dass Projekte und Prozesse aus einer Vielzahl kleinerer sowie größerer Irrtümer bestehen, ist eine unverzichtbare Lektion. Sukzessive kann eine Organisation in der Folge eine positive Fehlerkultur etablieren, die sich direkt auswirkt auf Qualitätsstandards, Produktivität, Innovationspotenzial und Wettbewerbsfähigkeit.

"Wer eine Fehlerkultur einführt, muss einen Irrtum als Möglichkeit verstehen dazuzulernen und eine von Vertrauen geprägte Atmosphäre schaffen, in der nicht vertuscht wird." Sören Krüger ist Managementberater und Experte für wirkungsvolle Zusammenarbeit

 

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