Staatsoper Unter den Linden: Neue Saison ohne Barocktage

Staatsoper Unter den Linden: Neue Saison ohne Barocktage

Die neue Intendanz streicht die legendären Barocktage - ein herber Verlust für einen Bereich, in dem die Staatsoper internationales Renommee erworben hat. 

Elisabeth Sobotka und Christian Thielemann präsentieren den Spielplan an der Staatsoper Unter den Linden.
Elisabeth Sobotka und Christian Thielemann präsentieren den Spielplan an der Staatsoper Unter den Linden.Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

Die neue Intendanz der Staatsoper Unter den Linden hat am Montag das Programm für ihre erste Saison vorgestellt: Die Intendantin Elisabeth Sobotka und der Generalmusikdirektor Christian Thielemann sparten nicht mit Lob für ihre eigenen Anstrengungen, um in einer relativ kurzen Zeit einen ambitionierten Spielplan vorlegen zu können.

Die beiden ungleichen Protagonisten versicherten sich vor der versammelten Presse und einigen Freunden des Hauses ihrer gegenseitigen Wertschätzung, Thielemann sprach gar von einer ungewöhnlichen habsburgisch-preußischen Entente.

Für das Publikum hat das Programm allerdings eine handfeste Enttäuschung parat: Sang- und klanglos hat die neue Intendanz eine der größten Erfolgsgeschichten der Staatsoper ausgesetzt, die Barocktage. Mit diesem Festival war die Staatsoper Unter den Linden in den vergangenen Jahren zu einer international renommierten Institution im Bereich der Alten Musik geworden.

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Elisabeth Sobotka versicherte der Berliner Zeitung, dass die Barocktage in der Spielzeit 2026/27 zurückkehren sollen und dass die neue Intendanz die Alte Musik sehr wohl wertschätze. Sie verwies auf immerhin eine konzertante Aufführung, Domènech Terradellas’ „Merope“, im Februar 2025 mit der Akademie für Alte Musik Berlin. Als Begründung für die vorläufige Absetzung führt Sobotka an, dass wegen der Vakanz in der Generalmusikdirektion eine Tournee der Staatskapelle nicht möglich gewesen sei.

Nur in diesem Fall hätte man auf Barockmusik spezialisierte Ensembles einladen können. Aus dem Haus wird dieses Argument als nicht stichhaltig bezeichnet: Auch in der Zeit von Daniel Barenboims Erkrankungen habe es Tourneen der Staatskapelle gegeben. Von mit der Sache befassten Personen ist zu erfahren, dass das vorläufige Ende der Barocktage auch wirtschaftlich Folgen haben dürfte: Im Grunde müsse man, wenn man das Format wieder aufnehmen wolle, in zwei Jahren etwa bei der Sponsorensuche wieder bei null beginnen.

Elisabeth Sobotka und Christian Thielemann legen für ihre erste Saison einen ambitionierten Spielplan vor.
Elisabeth Sobotka und Christian Thielemann legen für ihre erste Saison einen ambitionierten Spielplan vor.Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

Auf Unverständnis stößt die Tatsache, dass die Staatsoper mit dem Abschied von der Barockoper auch einen ihrer größten Vorteile aufgibt: Das Haus ist von seiner Größe, seinem Stil und der Akustik her die einzige Oper in Berlin, die der Zeit der Alten Musik gerecht wird. Verschärft wird die Misere noch durch die Tatsache, dass die Komische Oper, die sich unter Barrie Kosky als zweiter Tempel der Barockoper etabliert hat, noch für lange Zeit ins Schillertheater ausweichen muss – eine für Musiktheater nur bedingt geeignete Spielstätte.

Somit droht den Liebhabern der Alten Musik eine gewisse Heimatlosigkeit in Berlin. Andere Städte wie Paris dürfte es freuen: Im Palais Garnier zeigte in den vergangenen Monaten eine sensationelle „Médée“ von Marc-Antoine Charpentier, aufgeführt von Les Arts Florissants unter William Christie, wie attraktiv die Alte Musik gerade für ein junges Publikum ist.

Immerhin werden die Berliner in den kommenden Jahren Christian Thielemann nicht mehr nachreisen müssen. Er möchte sich auf Berlin konzentrieren, hat deshalb auch zahlreiche Engagements in den USA nicht angenommen, wie er der Berliner Zeitung sagte. Er will auf Qualität setzen.

Den Anfang macht die Premiere von Richard Strauss’ „Die schweigsame Frau“ im Juli 2025. Es ist die anspruchsvollste Oper von Strauss, und Thielemann will und wird die Staatskapelle als Klangkörper von Weltniveau weiter vervollkommnen. Dazu gehören auch die Konzerte, die nach Aussage von Isa von Wedemeyer, der Vorsitzenden des Orchestervorstands, mit der Oper auf gleichem Rang stehen. Wedemeyer sagte, das Orchester sei der neuen Intendantin sehr dankbar, dass diese den Wunsch nach Thielemann als neuen Chef unterstützt habe. Thielemann wird bei den Abo-Konzerten in der kommenden Spielzeit Mendelssohn – mit Igor Levit –, Schönberg und Bruckners sechste Symphonie dirigieren. Das Silvesterkonzert wird nicht mehr Beethovens Neunte enthalten, sondern leichte Musik „aus Tonfilmen und Theaterstücken der Weimarer Zeit“.

Elisabeth Sobotka im Foyer der Staatsoper Unter den Linden.
Elisabeth Sobotka im Foyer der Staatsoper Unter den Linden.Paulus Ponizak/Berliner Zeitung

Mit den Opern will Intendantin Sobotka vor allem „Geschichten erzählen“. So liegt ein Schwerpunkt auf den Zeitgenossen, etwa Brigitta Muntendorf, deren Multimedia-Werke „Melencolia“ und „Orit“ (im Humboldt-Forum) zu hören sein werden. Die Oper „Cassandra“ von Bernard Foccroulle thematisiert den Klimawandel. Einen Starauftritt konnte Elisabeth Sobotka ebenfalls verkünden: Anna Netrebko wird im September als Abigaille in Giuseppe Verdis „Nabucco“ zu hören sein. Weitere Premieren sind Bellinis „Norma“, Gounods „Roméo et Juliette“, Janáčeks „Die Ausflüge des Herrn Brouček“ mit Simon Rattle sowie Webers „Freischütz“ als Mitmachoper für Kinder.