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Geschichte Heinrich VIII.

„Zerlumpter Schlächter“ traktierte den Kopf des Ministers mit der Axt

Weil er Heinrich VIII. bei seinen Frauenproblemen half, stieg Thomas Cromwell in höchste Ämter Englands auf. Ausgerechnet ein Porträt von Heinrichs vierter Gattin soll 1540 zu seiner grausamen Hinrichtung geführt haben.
The Royal Martyrdom, from a ballad of 1648 (1964). A print from A History of Wood Engraving, by Douglas Percy Bliss, Spring Books, London, 1964. (Colorised black and white print). Artist Anon.. (Photo by The Print Collector/Getty Images) The Royal Martyrdom, from a ballad of 1648 (1964). A print from A History of Wood Engraving, by Douglas Percy Bliss, Spring Books, London, 1964. (Colorised black and white print). Artist Anon.. (Photo by The Print Collector/Getty Images)
Ab den Kopf: So dürfte auch Thomas Cromwell sein Ende gefunden haben
Quelle: Getty Images

Sein Hofmaler Hans Holbein d. J. hatte es wohl zu gut gemeint. Das Porträt, nach dem sein Dienstherr Heinrich VIII. seine vierte Gemahlin ausgesucht hatte, zeigte eine anmutige junge Frau, die sinnliche Stunden im Bett versprach. So unterzeichnete der König von England im Oktober 1539 den Ehevertrag, ohne Anna von Kleve persönlich in Augenschein genommen zu haben.

Als er ihr am 1. Januar 1540 schließlich gegenübertrat, erkannte der erfahrene Lebemann schnell, dass sein Maler es mit der Wahrheit nicht so genau genommen hatte. „Ich mag sie nicht“, raunte er seinem Lordsiegelbewahrer und Generalvikar zu. Dass der König zur Begründung fallen ließ, sie sei eine „flandrische Mähre“, ist zumindest eine gute Erfindung.

Anna von Cleve; Königin (Heinrich VIII.) von England; (Tochter des Herzogs Johann von Cleve); 1515 – Chelsea 16.7.1557. – Portrait – Gemälde, 1539/40, von Hans Holbein d. J. (1497–1543). Harztempera auf Pergament, auf Leinwand übertragen, 65 × 48 cm. Paris, Musée du Louvre. |
Etwas geschönt: Porträt Anna von Cleves (1515–1557) von Hans Holbein d. J.
Quelle: picture alliance / akg-images /

Dass der beinahe allmächtige Minister Thomas Cromwell mit diesem Ehevertrag sein Todesurteil unterzeichnet habe, gehört ebenfalls zu den saftigen Kolportagen vom Hof des Schwerenöters Heinrich VIII. Der Staatsmann habe aus politischen Gründen den König zur Ehe mit der Tochter des mächtigen Herzogs von Jülich-Kleve-Berg gedrängt und dafür auf dessen erotische Interessen wenig Rücksicht genommen. Als der Monarch umgehend die Lösung des Ehevertrages verlangte, verweigerte Cromwell das tatsächlich mit Hinweis auf die Rechtslage, sodass zur optischen Enttäuschung auch noch die fleischliche in der Hochzeitsnacht kam.

Die Wirklichkeit war wohl wie so oft komplizierter. Sicher aber ist, dass Thomas Cromwell ein halbes Jahr später, am 28. Juli 1540, das Schafott bestieg, wo ihm sein Kopf vom Rumpf getrennt wurde. Auf Hochverrat und Ketzerei hatte die Anklage gelautet. Einen Prozess gab es nicht. Das Wort Heinrichs reichte für das Urteil aus.

Heinrich VIII., König von England (1509–47), Greenwich 28.6.1491 – Westminster 28.1.1547. Porträt. Gemälde, 1536, von Hans Holbein d. J. (1497–1543). Harztempera auf Holz, 26 × 19 cm. Lugano, Sammlung Thyssen-Bornemisza. |
"Ich mag sie nicht": Heinrich VIII. von England (1491–1547) von Hans Holbein d. J.
Quelle: picture alliance / akg-images /

Wie sein Mentor Thomas Wolsey stammte Cromwell aus einfachen Verhältnissen. Um 1485 als Sohn eines Braumeisters und Schmiedes in London geboren, suchte er erst als Söldner und Händler auf dem Kontinent sein Glück, um nach seiner Rückkehr Rechtswissenschaften zu studieren. 1520 trat er in die Dienste des Kardinals Wolsey, der als Lordkanzler Heinrichs VIII. der zweitmächtigste Mann des Königreichs war.

Nach Wolseys Sturz 1529 schlug Cromwells Stunde. Denn auch Thomas Morus, den Heinrich zum Nachfolger des Kardinals berufen hatte, verweigerte sich dessen Lieblingsprojekt: der Scheidung von seiner ersten Frau Katharina von Aragon, um eine neue Ehe mit Anne Boleyn eingehen zu können. Der Papst, Wolsey und Morus hatten sich diesem Wunsch verweigert. Cromwell, inzwischen im Beraterstab des Königs, hatte weniger Skrupel.

22.01.2014, ©Active Museu/MAXPPP - ActiveMuseum_0003625.jpg / Thomas Cromwell, Seigneur d'Essex, 1533 - d'apres Hans Holbein le jeune 1533 - / Hans Holbein le Jeune / Peinture Active Museum / Le Pictorium 1 person ,austere ,Bench (seat) ,Beret ,Blue ,Book ,Brown hair ,Coat ,Collar ,Count ,English ,Fur ,Green ,Hand ,Hat ,King ,Letter ,Man ,Minister ,Nobility ,Of noble birth ,Paper ,Pattern ,Politic ,Portrait ,Profile ,Reform ,Ring ,Scissors ,Sheet of paper ,Sitting (to be) ,Sovereign ,Stiff ,Table ,Tablecloth in fabric ,Tapestry ,Vertical ,Word ,England ,Essex ,Europe ,United Kingdom ,Western Europe ,Henry VIII of England ,Thomas Cromwell ,16th century ,Hans Holbein the younger ,Painting , Foto: Active Museu/MAXPPP/dpa |
Allmächtiger Minister: Thomas Cromwell (1485–1540) von Hans Holbein d. J.
Quelle: picture alliance/dpa

Das bewies er, als Heinrich daran ging, den Konflikt mit der Kirche auf seine Weise zu lösen. Zunächst heiratete er insgeheim Anne Boleyn. Dann zwang er ein Kirchengericht, seine Ehe mit Katharina von Aragon für ungültig zu erklären. Damit eskalierte der Konflikt mit dem Papst, hatte Clemens VII. für den Fall einer Scheidung doch mit dem Kirchenbann gedroht.

Das Problem sollte Cromwell aus der Welt schaffen. Innerhalb weniger Monate wurde er zum Schatzkanzler, königlichen Sekretär und zum Master of the Rolls ernannt, der unter dem Lordkanzler für die Verwahrung von Gesetzen und Korrespondenzen zuständig war. Mit der Autorität dieser Ämter, seiner Rücksichtslosigkeit und politischem Geschick brachte er das Parlament dazu, im Oktober 1534 die Suprematsakte anzunehmen, die Heinrich VIII. zum „höchsten Oberhaupt der Kirche von England auf Erden“ machte. Zugleich wurde Anne Boleyn als rechtmäßige Königin bestätigt.

Der nächste Karrieresprung hatte wieder mit Heinrichs Frauengeschichten zu tun. Da der erhoffte männliche Thronfolger mit Anne ausblieb, wandte sich der König der neun Jahre jüngeren Jane Seymour zu. Um diese Heirat zu ermöglichen, entwarf Cromwell eine geschmeidige Intrige. Um den Bruch der Suprematsakte zu umgehen, entdeckte er eine Reihe von Liebhabern, zu denen sogar ihr eigener Bruder gehört haben sollte, wobei ihm die Familie Seymours bei den Recherchen gern zu Diensten waren.

Thomas Cromwell presents a portrait of Anne of Cleves to Henry VIII. Date: 1539 (Mary Evans Picture Library) | Nur für redaktionelle Verwendung., Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Thomas Cromwell präsentiert Heinrich VIII. das Porträt Anna von Kleves
Quelle: picture-alliance / Mary Evans Pi
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Da ein unbedachtes Wort Annes auch noch als Idee aufgefasst werden konnte, den König zu beseitigen, wurde sie wegen Ehebruchs, Inzests und Hochverrats zum Tode verurteilt und am 19. Mai 1536 hingerichtet. Einen Monat später wurde Cromwell zum Lordsiegelbewahrer des Königs ernannt, was ihn neben Lordkanzler Thomas Audley zum mächtigsten Mann des Landes machte. Es folgte die Aufnahme in den Hosenbandorden und die Berufung zum Generalvikar, dem Stellvertreter Heinrichs als Oberhaupt der Kirche von England.

Damit bekam Cromwell Gelegenheit, die Reformation, die er mit der Suprematsakte angeschoben hatte, in ganzer Breite durchzusetzen. Das eröffnete die Chance, die zahlreichen Klöster im Lande aufzuheben und ihre Pfründe oder die Mittel aus ihrem Verkauf der königlichen Kasse zuzuführen. Für den Eifer, mit der er das tat, zeugen Titel wie „Hammer der Mönche“ oder „Sendbote des Teufels“, die ihm von den Betroffenen gegeben wurden.

Daneben verbanden sich mit Cromwells Namen zahlreiche Verwaltungsreformen, die die Macht des Königtums stärkten. Wie zufrieden Heinrich mit seinem Spitzenmann war, bewiesen Anfang 1540 die Ernennung zum Lord Great Chamberlain, einer Art Finanzchef des Parlaments, und Erhebung zum Earl of Essex. Von da aber war es nur ein kurzer Weg zum Sturz.

Ob es wirklich Heinrichs Entrüstung über die allzu kopflastige Heirat mit Anna von Kleve war, in die Cromwell den König mit dem geschönten Porträt Holbeins getrieben hatte, ist eine offene Frage. Wohl mit einigem Recht konnte Heinrich in der protestantischen Rhetorik, mit der jener seine Katholikenhatz betrieb, auch Kritik am eigenen Selbstverständnis als Monarch und Mensch entdecken, zumal er mit Catherine Howard bereits die nächste Ehefrau anvisiert hatte. In seiner langen Karriere hatte Cromwell im übrigen genügend Neidern und Opfern Anlass gegeben, den König in seinem Misstrauen gegenüber dem mächtigen Gefolgsmann zu bestärken.

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Ohne großes Verfahren wurde Cromwell des Hochverrats und der Ketzerei für schuldig befunden. Darauf stand das Todesurteil, für dessen Vollstreckung der 28. Juli festgesetzt wurde. Mit seinen letzten Worten sorgte der Delinquent noch einmal für eine Überraschung. Denn sein Bekenntnis, „ich sterbe im katholischen Glauben noch zweifle ich an einem Sakrament der Kirche“, verschlug nicht nur den Kirchenleuten die Sprache, die gekommen waren, sich am Sterben ihres Feindes auf dem Tower Hill von London gütig zu tun.

Sein letzter Wunsch blieb Cromwell gleichwohl verwehrt. Wie einst Anne Boleyn hatte er Heinrich angefleht, von einem erfahrenen Henker „mit einem Schlag“ enthauptet zu werden. Der Spanier Gurrea erwies sich jedoch als das Gegenteil. Als „zerlumpten und ungeschickten Schlächter, der sein Geschäft schlecht versah“ und Cromwells Nacken wie einen Baumstumpf mit der Axt traktierte, beschrieb der Tudor-Chronist Edward Hall die blutige Tortur, die der Verurteilte „geduldig ertrug“. Anschließend wurde der Kopf auf der London Bridge zur Schau gestellt. Heinrich soll ihm übrigens bald danach verziehen haben.

109 Jahre später war es kein hoher Beamter, sondern mit Karl I. der König selbst, dessen Kopf in den Sand fiel. Sein mitleidsloser Gegner hieß ebenfalls Cromwell, Oliver Cromwell. Der Sieger im Bürgerkrieg und spätere Lordprotektor war ein Urgroßneffe.

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