Iggy Pop in München: So war das Konzert in der Isarphilharmonie
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Iggy Pop in München: Da brennt der Gasteig

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Universal Music Festival  in Madrid Spain
Iggy Pop: Das Jackett blieb in München nicht lange an. © MARISCAL/EPA

Iggy Pop in München: Am Sonntag spielte der „Godfather of Punk“ in der ausverkauften Isarphilharmonie. Unsere Kritik:

„Burn it!“, schrieb Leonard Bernstein selig dem Gasteig 1985 ins Stammbuch. Und worauf auch immer der US-Komponist sich nun genau bezog – sein Landsmann Iggy Pop ist der Aufforderung am Sonntagabend (31. Juli 2022) nah gekommen. Verdammt nah. Es hat nach diesen 90 Konzertminuten wirklich nicht viel gefehlt – und der Interims-Gasteig HP8 in Sendling hätte tatsächlich gelodert. So enorm war die Energie, die in diesem Auftritt des 75-Jährigen steckte: Feuer frei fürs Leben. Wer dachte, der Sänger, den sie den „Godfather of Punk“ nennen, der aber längst gezeigt hat, dass er so viel mehr kann, würde eine ruhige Kugel schieben und lässig sein Werk verwalten, hat seine Rechnung nicht mit James Newell „Jim“ Osterberg gemacht. So heißt der Mann, wenn er nicht gerade das Bühnentier Iggy Pop gibt.

Iggy Pop in München: In der Isarphilharmonie bleibt keiner sitzen

Jedenfalls: Nur, weil der Saal bestuhlt ist, heißt das nicht, dass man sitzen muss. Die Sessel klappen sich wunderbar von selbst aus dem Weg – oder taugen, um darauf zu stehen. Bleibt also nur die Frage, weshalb die Verantwortlichen sie nicht ausgebaut haben, was problemlos möglich ist. Das wahnwitzige Karussell des Iggy Pop hätte sich dann noch eine Runde irrer drehen können. Egal. Denn keine zehn Sekunden – ach was: es waren nicht mal fünf –, nachdem er die Bühne geentert hat, standen sie alle: im Parkett, auf den Rängen. Ausnahmslos. Die Isarphilharmonie – ausverkauft natürlich. Seit Wochen. Was sonst?

Iggy Pop hat 2019 das Alterswerk „Free“ vorgelegt

Es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, dass Pop und seine siebenköpfige Band hier eines der besten Konzerte in München in diesem Jahr abgeliefert haben. Und ja, es sind noch fünf Monate bis Silvester. 2016 war er zum bislang letzten Mal in der Stadt, damals als Headliner beim „Rockavaria“-Festival im Olympiastadion. Es war ein sehr guter Auftritt – der jetzt war um Klassen besser.

Seine Stimme macht alles, wirklich alles mit. Das Laute, das Leise, die hohen und die tiefen Passagen, das Schreien, Locken, Schmeicheln, Fluchen. Dass dieser Abend außergewöhnlich ist, liegt aber auch an der Band, mit der Iggy Pop 2019 sein fabelhaftes Album „Free“ eingespielt hat. Am Sonntag gibt es davon etwa „Loves missing“ zu hören, eine wunderbare Nummer mit einem scharfkantigen Bläsersatz für Trompete und Posaune. Der berührende Titelsong der Platte wird zwar leider nur angespielt, um in „Gimme Danger“ von Iggy Pop & The Stooges aus dem Jahr 1973 zu explodieren, dafür wird „James Bond“ zum Ereignis und macht zwei Dinge klar: Zum einen, wie organisch sich das neue Material einfügt ins Schaffen dieses Mannes, der musikalisch immer auch ein Suchender mit einer ordentlichen Portion Experimentierfreude war. Zum anderen, wie fruchtbar die Zusammenarbeit des 75-Jährigen mit der gerade mal 38 Jahre alten Gitarristin Sarah Lipstate ist, Künstlername: Noveller. Sie ist die Produzentin hinter „Free“, sie spielt die E-Gitarre gerne mal mit dem Geigenbogen und hat den Abend mit dem elegischen „Rune“ eröffnet.

Doch bevor ein falsches Bild entsteht – Noveller verknüpft „virtuos“ mit „brachial“, was allen Songs guttut. Sie und ihre Kollegen geben den älteren Stücken, die aus beinahe allen Schaffensphasen stammen, ein frisches, funkelndes, treibendes Gewand: „Lust for Life“ natürlich und „The Passenger“, bei dem die Isarphilharmonie zum großen Chor wird. Aber auch die krachende Zugabe „Search and destroy“ und den Stooges-Klassiker „I wanna be your Dog“. Den leitet Pop ein, indem er mit dem Publikum das Bellen übt, um dann – verwirrt-hektisches Suchen bei der Security – in selbigem zu verschwinden und irgendwo zwischen Reihe acht und neun wieder aufzutauchen. Eine große Gaudi.

Iggy Pop bei seinem München-Konzert in der Isarphilharmonie.
Iggy Pop in München: Mittendrin statt nur dabei. © Michael Schleicher/Münchner Merkur

Überhaupt zeigt sich der US-Amerikaner, dessen familiäre Wurzeln auch in Deutschland zu finden sind, bestens gelaunt in München: Da wird abgeklatscht, gewunken, geboxt, da werden Kusshände geworfen, es wird der Mittelfinger gereckt und getanzt wie ein Derwisch – traditionell die meiste Zeit oben ohne. Es ist ein Fest. „Fucking Thanks for coming out“, ruft Iggy Pop irgendwann in den tobenden, an die Wand gespielten, schwitzenden, glücklichen Saal. Und schiebt – um klarzumachen, wie ernst es ihm ist – noch ein paar Mal „Fuck!“ hinterher. Diesen Dank kann man in dieser Form zurückgeben. Oder man formuliert es wie jene Besucherin, Mitte 50, die beim Verlassen der Isarphilharmonie sagt: „Wir sind beschenkt worden.“ Ja, da ist was dran.

(Noch mehr Musik? Ebenfalls am Sonntagabend spielte Jan Delay im Münchner Zenith. Unsere Konzertkritik findet Ihr hier.)

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